Diabetische Neuropathie: Die große Unbekannte · einschließlich der Neuropathie güns-tig...

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Montag, 6. Juli 2015 Nr. 73-126D Sonderbericht 15

LITERATUR(1) Ziegler D et al., Diabetische Neuropathie. Diabetologie 2014, 9: S100-S110; (2) Pressemitteilung der „AG Diabetischer Fuß“ der DDG, 2012; (3) Hammes HP et al., Nat Med2003, 9: 294-299; (4) Berrone E et al., J Biol Chem 2006, 281: 9307-9313; (5) Rabbani N et al., Diabetologia 2009, 52: 208-212; (6) Stirban A et al., Diabet Med 2013, 30: 1204-1208

IMPRESSUMCorporate Publishing, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg › Verantwortlich: Ulrike HafnerBericht: Gudrun Girrbach › Redaktion: Dr. Monika PrinothMit freundlicher Unterstützung der Wörwag Pharma GmbH & Co. KG, Böblingen

Einflüsse auf Entstehung undProgression der diabetischenNeuropathie, die der Patientnicht bzw. nicht direkt steuernkann:

Stoffwechselfaktoren wieDyslipidämie und Folgen derHyperglykämie wie AGE-Bildungund oxidativer Stress

genetische DispositionBegleiterkrankungen mit

direktem (z. B. Nierenerkrankun-gen) oder indirektem negativenEinfluss auf die Nervenfunktion(neurotoxische Medikation, z. B.Amiodaron, Zytostatika)

Neuropathien nicht-diabetischer Genese

entzündliche Gefäß-erkrankungen

LebensalterLebenstilfaktoren, diebeeinflussbar sind:

ungünstige Ernährungmangelnde Bewegunghohes KörpergewichtGenussmittelgebrauch

(Alkohol, Rauchen)hoher Blutdruck

Jede langfristig erfolgreicheStrategie muss alle diese Fakto-ren einbeziehen, so Reiners.

Was macht denNerv krank?

Die Aufklärungsinitiative „Diabe-tes! Hören Sie auf Ihre Füße?“bietet seit mehr als zwei JahrenInformationen und Aktionen rundum das Thema diabetische Neuro-pathie und Fußgesundheit. EinBarfuß-Parcours lädt dazu ein, dasGespür in den Füßen auf die Probezu stellen. Bei Anzeichen von Emp-findungsstörungen können Betrof-fene einen Fuß-Check vom Podolo-gen durchführen lassen. Medizini-sche Fachkräfte bieten Beratungan. Fachvorträge vermitteln Tippsvon der richtigen Fußpflege biszum Tragen des geeigneten Schuh-werks. Ein neues Angebot: Die Be-sucher können ihren HbA1 c-Wertmessen.

Die Aufklärungskampagne isteine Gemeinschaftsaktion vonWörwag Pharma, der DeutschenDiabetes-Stiftung (DDS) und re-nommierten Experten der Fachge-biete Diabetologie und Neurologie.

Weitere Informationen unterwww.hoerensieaufihrefuesse.de.

BundesweiteAktionstour

Etwa jeder dritte Diabetiker inDeutschland leidet unter einer diabe-tischen Neuropathie, die sich durchEmpfindungsstörungen wie Kribbeln,Brennen, Taubheit oder Schmerzen inden Füßen äußert.1 Unbehandelt kannsich daraus das diabetische Fußsyn-drom entwickeln, auf das jährlich biszu 40 000 Amputationen zurückzu-führen sind.2 Die diabetische Neuro-pathie wirkt sich nicht nur negativ aufLebensqualität und Komorbiditätenaus, sie kann auch die Lebenserwar-tung verkürzen, betonte ProfessorRalf Lobmann, Klinik für Endokrino-logie, Diabetologie und Geriatrie amBürgerhospital des Klinikums inStuttgart.

Für viele Betroffene ist die diabeti-sche Neuropathie eine große Unbe-kannte. Das zeigen die wissenschaft-lich evaluierten Ergebnisse von podo-logischen Untersuchungen, die im Rah-men der Aufklärungsinitiative „Dia-betes! Hören Sie auf Ihre Füße?“ ge-wonnen und anlässlich des diesjähri-gen Kongresses der Deutschen Diabe-tes Gesellschaft in Berlin vorgestelltwurden. Mit Informationen und Akti-onen rund um das Thema Fußgesund-heit bringt die bundesweite Initiativeallen Interessierten die Bedeutungvon Früherkennung und Präventionder diabetischen Neuropathie näher.

Aufschlussreiche Tour 2013/2014

Die Informationstour steuerte zwi-schen Mai 2013 und Oktober 2014Gesundheits- und Diabetesmessensowie Einkaufszentren in 26 deut-schen Städten an, berichtete Profes-sor Oliver Schnell, Geschäftsführen-der Vorstand der ForschergruppeDiabetes e. V. am Helmholtz-ZentrumMünchen und Kurator der Deutschen

Diabetes-Stiftung (DDS). Dabei wur-de interessierten Bürgern auch einkostenloser Fuß-Check durch einenPodologen angeboten, bei dem dieWahrnehmung von Temperatur,Druck und Vibration sowie die Fuß-pulse untersucht wurden. Die Aus-wertung von 983 podologischen Un-tersuchungen ergab bei gut der Hälfteder Untersuchten einen Verdachtauf das Vorliegen einer Neuropathie(s. Abb.).

„Bei mehr als der Hälfte der Un-tersuchten mit bekanntem Typ-2-Diabetes wurden Hinweise auf einebeginnende oder klinisch manifesteNeuropathie festgestellt. Sogar beiProbanden ohne bekannten Diabeteswies jeder Vierte Anzeichen einermoderaten oder schweren Neuropa-thie auf“, so Schnell. Bei etwa zweiDrittel der Untersuchten, bei denensich ein Verdacht auf Neuropathieergab, war vorher keine Neuropathiediagnostiziert worden (61,5 Prozentbei Typ-2-Diabetikern, 35,7 Prozentbei Typ-1-Diabetikern und 79,1 Pro-zent bei Untersuchten ohne bekann-ten Diabetes). Der Anteil von Neuro-pathie-Verdachtsfällen stieg mit demLebensalter deutlich an.

Da eine Neuropathie auch schonvor der Diagnose eines Diabetesoder im Prädiabetes-Stadium auftre-ten kann, besteht seit Herbst 2014 am

Informationsstand der Aufklärungs-initiative auch die Möglichkeit, denHbA1 c-Wert bestimmen zu lassen. DieAuswertung einer Teilgruppe ohnebekannten Diabetes zeigte, dass mehrals 30 Prozent einen auffälligenHbA1 c-Wert � 5,7 hatten.

Wichtig: Regelmäßig Füße checken

Zum klinischen Screening auf einediabetische Neuropathie gehört einejährliche Untersuchung der Füße, wieProfessor Kristian Rett, Chefarzt derAbteilung Endokrinologie und Diabe-tologie am Krankenhaus Frankfurt-Sachsenhausen erklärte. „Bei jedemDiabetes-Patienten sind die Füße aufHautbeschaffenheit, Deformitätenund Nagelbettveränderungen zu ins-pizieren, die Fußpulse zu palpierenund die Berührungs- und Vibrations-empfindung sowie die Kalt-Warm-Diskrimination mit einfachem Instru-mentarium zu testen“, betonte Rett.Angesichts der meist vorliegendenunspezifischen Symptome empfahl erdie systematische Verwendung vonScores für die Defizite und dieSymptome. Auch wies er darauf hin,dass eine möglichst frühzeitige Dia-gnosestellung anzustreben sei, dahäufig bereits ein fortgeschrittenesErkrankungsstadium vorliegt, wenneine diabetische Neuropathie sympto-matisch geworden ist.

Diabetische Neuropathie:Die große UnbekannteBei der Aktionstour der Auf-klärungsinitiative „Diabetes!Hören Sie auf Ihre Füße?“wies jeder zweite Unter-suchte einen Neuropathie-Verdacht auf, der zwei Drit-tel der Betroffenen zuvornicht bekannt war. Das zeigt,dass Früherkennung undPrävention der Neuropathieverbessert werden müssen.

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Aufklärungsinitiative „Diabetes! Hören Sie auf Ihre Füße?“ deckt Neuropathien auf

70

60

50

40

30

20

10

0möglich wahrscheinlich sicher gesamt

kein Diabetes mellitus (n=359)Typ-1-Diabetes (n=80)Typ-2-Diabetes (n=544)

29,2 30,0 30,1 16,2

8,8

17,8 8,4

5,0

7,7 53,8 43,8 55,6

Häufigkeit eines Neuropathie-Verdachts (95% Konfidenzintervall) in % nach Auswertung von 1000 Fußchecks

Quelle: Pressekonferenz „Neues von der Aufklärungsinitiative Diabetes! Hören Sie auf Ihre Füße?", 13.5.2015, Berlin Grafik: ÄrzteZeitung

Übergeordnetes Behandlungsziel istdie Normoglykämie einschließlich derKontrolle kardiovaskulärer Risikofak-

toren, so Professor Karlheinz Reinersvon der Neurologischen Klinik undPoliklinik am UniversitätsklinikumWürzburg.

Zweite Therapiesäule ist die Hem-mung pathogener Stoffwechselwegemit Substanzen, die in kontrolliertenStudien günstige Effekte auf neuro-pathische Symptome und Defizitegezeigt haben. Zu diesen Wirkstoffenzählt Benfotiamin (milgamma® pro-tekt), ein fettlösliches und gut resor-bierbares Derivat von Thiamin (Vit-amin B1), das einmal täglich einge-nommen wird. Benfotiamin ist gut

verträglich und kann die neuro-pathischen Symptome deutlich lin-dern. Experimentell konnte nach-gewiesen werden, dass die SubstanzPathways blockiert, die ursächlich fürdie Entwicklung der diabetischenNeuropathie sind, wie z. B. die Bildungvon AGEs.3, 4 Die primär metaboli-schen Wirkungen haben unmittelbareFolgen für die Funktion der Gefäß-endothelien, so dass alle mikrovasku-lären Komplikationen des Diabeteseinschließlich der Neuropathie güns-tig beeinflusst werden können. Er-folgversprechend ist die frühe Inter-

vention mit Benfotiamin, wie die Er-gebnisse klinischer Studien belegen.5, 6

Die symptomatische Therapie alsdritte Therapiesäule bei chronischschmerzhafter diabetischer Polyneu-ropathie ist eine Herausforderung.Sie sollte laut Professor Dan Zieglervom Institut für Klinische Diabetolo-gie des Deutschen Diabetes Zentrumsder Universität Düsseldorf einigenpraktischen Regeln folgen: JederPatient benötigt eine individuelleDosierung nach sorgfältiger Titrationund unter Berücksichtigung von Wir-kungen, Nebenwirkungen, Komorbi-

ditäten und potenziellen Arzneimit-telinteraktionen. Die Wirkungslosig-keit der Therapie sollte erst nach min-destens zwei bis vier Behandlungs-wochen definitiv beurteilt werden.

Bei den nicht-medikamentösenMaßnahmen steht die Prävention und– falls notwendig – die Behandlungeines diabetischen Fußsyndroms imVordergrund. Dabei kann die Physio-therapie einen wichtigen Beitrag leis-ten. Sie dient auch dazu, besondersbei älteren Menschen der Sturzgefahrvorzubeugen und langfristig die Ge-lenkbeweglichkeit aufrechtzuerhalten.

Auf drei Säulen basiert die Therapie der NeuropathieDie medikamentöse Thera-pie der diabetischen Neuro-pathie basiert auf drei Säu-len: Optimierung des Stoff-wechsels, Blockierung patho-gener Stoffwechselwege undsymptomatische Therapie.

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