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Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt | Juli 2021
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen
und Männern 2020
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
2
Impressum
Produktlinie/Reihe: Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt
Titel: Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern 2020
Veröffentlichung: Juli 2021
Herausgeberin: Bundesagentur für Arbeit
Statistik/Arbeitsmarktberichterstattung
Rückfragen an: Kirsten Singer
Nicole Fleischer
Regensburger Straße 104
90478 Nürnberg
E-Mail: arbeitsmarktberichterstattung@arbeitsagentur.de
Telefon: 0911 179-1080
Fax: 0911 179-3532
Internet: https://statistik.arbeitsagentur.de
Zitierhinweis: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt – Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Män-
nern 2020, Nürnberg, Juli 2021
Nutzungsbedingungen: © Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Sie können Informationen speichern, (auch auszugsweise) mit Quellenangabe weiter-
geben, vervielfältigen und verbreiten. Die Inhalte dürfen nicht verändert oder ver-
fälscht werden. Eigene Berechnungen sind erlaubt, jedoch als solche kenntlich zu ma-
chen.
Im Falle einer Zugänglichmachung im Internet soll dies in Form einer Verlinkung auf
die Homepage der Statistik der Bundesagentur für Arbeit erfolgen.
Die Nutzung der Inhalte für gewerbliche Zwecke, ausgenommen Presse, Rundfunk
und Fernsehen und wissenschaftliche Publikationen, bedarf der Genehmigung durch
die Statistik der Bundesagentur für Arbeit.
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
3
Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste in Kürze .................................................................................................................................................................. 4
1 Erwerbsneigung und Erwerbsbeteiligung ............................................................................................................................... 5
1.1 Erwerbsneigung und -beteiligung in Deutschland .............................................................................................................. 5
1.2 Erwerbstätigkeit in Europa ................................................................................................................................................. 7
2 Beschäftigung ........................................................................................................................................................................ 9
2.1 Beschäftigung im längerfristigen Zeitvergleich .................................................................................................................. 9
2.2 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung - Aktuelle Entwicklung ................................................................................. 9
2.3 Formen der Beschäftigung .............................................................................................................................................. 10
2.4 Minijobs - Aktuelle Entwicklung ....................................................................................................................................... 12
2.5 Beschäftigung nach Branchen ......................................................................................................................................... 13
2.6 Soziodemografie der Beschäftigten ................................................................................................................................. 14
2.7 Entlohnung und Führungsverantwortung ......................................................................................................................... 14
2.8 Beschäftigung nach Bundesländern ................................................................................................................................ 15
2.9 Kurzarbeit ........................................................................................................................................................................ 16
3 Arbeitslosigkeit ..................................................................................................................................................................... 19
3.1 Arbeitslosigkeit im längerfristigen Zeitvergleich ............................................................................................................... 19
3.2 Arbeitslosigkeit - Aktuelle Entwicklung ............................................................................................................................. 19
3.3 Dynamik und Dauer der Arbeitslosigkeit .......................................................................................................................... 21
3.4 Soziodemografie der Arbeitslosen ................................................................................................................................... 22
3.5 Arbeitslosigkeit nach Bundesländern ............................................................................................................................... 25
3.6 Erwerbslosigkeit in Europa .............................................................................................................................................. 25
4 Förderung ............................................................................................................................................................................ 26
Glossar ......................................................................................................................................................................................... 28
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
4
Das Wichtigste in Kürze
Die Erwerbsneigung und Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern sind in Deutschland in den letzten
zehn Jahren deutlich gestiegen. Nur in wenigen Ländern Europas ist die Erwerbsbeteiligung insgesamt und
insbesondere von Frauen so hoch wie in Deutschland.
Frauen und Männer sind unterschiedlich in den verschiedenen Formen der Erwerbstätigkeit vertreten:
Rund zwei Drittel der Selbständigen sind Männer. Die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sowie die
Beamten sind ebenfalls mehrheitlich männlich. Minijobs sind hingegen eine Frauendomäne.
Die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen ist auf lange Sicht gewachsen. Infolge der
Corona-Krise bzw. der Maßnahmen zu deren Eindämmung wurde das Wachstum jedoch bei Frauen wie
bei Männern im Frühjahr 2020 vorübergehend gestoppt.
Frauen sind überproportional im tertiären Sektor, Männer häufiger im Verarbeitenden Gewerbe, dem Be-
reich Verkehr und Lagerei sowie im Baugewerbe beschäftigt. Da die Corona-Krise – anders als frühere Kri-
sen – auch weite Teile des Dienstleistungssektors beeinträchtigt, sind Frauen von den Folgen wie Beschäf-
tigungseinbußen und Kurzarbeit ebenfalls stark betroffen.
Teilzeitbeschäftigung kommt bei Frauen weiterhin deutlich häufiger vor als bei Männern.
Männer verdienen im Mittel deutlich mehr als Frauen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie reichen von der
Berufswahl über die Familienpflichten bis hin zu den Rahmenbedingungen für eine Aufwärtsmobilität. Dabei
wird der Unterschied in sehr kleinen Schritten geringer.
In Führungspositionen sind Frauen auch bei gleicher Qualifikation unterrepräsentiert.
Aufgrund der Corona-Krise stieg die Arbeitslosigkeit sowohl bei Frauen als auch bei Männern in erhebli-
chem Maße. Die Arbeitslosenquote der Frauen ist aber nach wie vor geringer als die Quote der Männer.
Männer haben ein höheres Risiko ihre Beschäftigung zu verlieren und arbeitslos zu werden, aber auch bes-
sere Chancen Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer Beschäftigung wieder zu überwinden. Das liegt auch
daran, dass Männer öfter in konjunktur- bzw. saisonabhängigen Berufen arbeiten.
Der Anteil der Langzeitarbeitslosen unterscheidet sich zwischen Männern und Frauen nur noch leicht.
Frauen stehen erheblich häufiger als Männer vor der Herausforderung, neben der Arbeitsuche allein für die
Erziehung eines oder mehrerer Kinder verantwortlich zu sein.
Frauen sind in etwa entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitslosen und ihrer relativen Betroffenheit von
Arbeitslosigkeit an der Förderung durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen beteiligt.
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
5
1 Erwerbsneigung und Erwerbsbeteiligung
Sowohl die Erwerbsneigung als auch die Erwerbsbeteiligung
von Frauen und Männern sind bis 2019 deutlich gestiegen.
Auch im internationalen Vergleich wird dies deutlich: Nur in
wenigen europäischen Volkswirtschaften ist die Beteiligung
von Frauen und Männern am Erwerbsleben so hoch wie in
Deutschland. Trotzdem existieren auch am deutschen Ar-
beitsmarkt weiterhin erhebliche Unterschiede zwischen den
Geschlechtern.
1.1 Erwerbsneigung und -beteili-
gung in Deutschland
2019 gingen in Deutschland 42,4 Millionen Menschen einer
Erwerbstätigkeit nach – 22,6 Millionen Männer und 19,8 Milli-
onen Frauen. Addiert man zu den Erwerbstätigen die Zahl
der Erwerbslosen, ergibt sich eine Zahl von insgesamt
43,8 Millionen Erwerbspersonen, die dem deutschen Arbeits-
markt 2019 zur Verfügung standen.
ERWERBSPERSONEN
2019 lebten in Deutschland 26,4 Millionen Frauen und
27,1 Millionen Männer im erwerbsfähigen Alter von 15 bis
unter 65 Jahren. Die Zahl der Frauen in dieser Altersgruppe,
die eine bezahlte Tätigkeit ausübten oder suchten, ist in den
zehn Jahren von 2009 bis 2019 um knapp eine Million auf
19,8 Millionen gestiegen. Dieses deutliche Plus bei den
weiblichen Erwerbspersonen trug den überwiegenden Teil
zum Wachstum der Zahl der 15- bis 64-jährigen Erwerbsper-
sonen insgesamt bei.
Als Maß für die Erwerbsneigung kann die Erwerbsquote her-
angezogen werden, welche die Zahl der Erwerbspersonen in
Relation zur Bevölkerung setzt. Hier zeigt sich bei den
Frauen innerhalb der letzten zehn Jahre ein stetiger Anstieg:
Waren 2009 nur 70,3 Prozent der Frauen zwischen 15 und
65 Jahren erwerbstätig oder auf der Suche nach einer Er-
werbstätigkeit, galt dies 2019 bereits für 74,9 Prozent
(Abb. 1). Die Erwerbsquote der Männer erhöhte sich bis
2011 leicht und war in den folgenden Jahren etwas rückläu-
fig. Seit 2017 stieg sie wieder an bis auf 83,5 Prozent im
Jahr 2019.
Der Abstand zwischen den Geschlechtern hat damit in der
langfristigen Betrachtung seit 2009 um mehr als drei Pro-
zentpunkte abgenommen. Nach einem geringen Anstieg
2018 stagniert dieser allerdings 2019. Die Erwerbsquote der
Männer liegt somit weiterhin deutlich über derjenigen der
Frauen.
Abbildung 1
Erwerbsquoten und Erwerbstätigenquoten von Frauen und Männern
Datenquelle: Statistisches Bundesamt, M ikrozensus
Anteil der Erwerbspersonen bzw. Erwerbstätigen an der Bevölkerung (15 bis unter 65 Jahre)
Deutschland
70,7%74,9%
66,0%
72,8%
2010 2013 2016 2019
82,1% 83,5%
75,9%80,5%
2010 2013 2016 2019
Frauen Männer
Erwerbsquote
Erwerbstätigen-quote
Erwerbsquote
Erwerbstätigen-quote
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
6
ERWERBSTÄTIGKEIT
Ausschlaggebend für den Anstieg der Erwerbspersonen ist
ein deutliches Wachstum bei den Erwerbstätigen. Deren
Zahl ist in den zehn Jahren bis 2019 um 3,1 Millionen Er-
werbstätige zwischen 15 und 65 Jahren auf 41,0 Millionen
gestiegen. Mit einem Plus von 1,8 Millionen trugen Frauen
deutlich stärker zu diesem Wachstum bei als Männer mit
+1,2 Millionen. Die Zahl der erwerbslosen Menschen in die-
ser Altersgruppe hat sich im gleichen Zeitraum mehr als hal-
biert.
Während das Wachstum der Erwerbstätigkeit bei den Frauen
in den letzten zehn Jahren ungebrochen ist, gab es bei der
Zahl der erwerbstätigen Männer – jeweils im Zusammen-
hang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 und
der Europäischen Staatschuldenkrise 2011/2012 – geringfü-
gige Rückgänge. Die Erwerbstätigenquote, also der Anteil
der männlichen Erwerbstätigen an allen Männern zwischen
15 und 65 Jahren, hat sich zuletzt spürbar erhöht. Dabei ver-
zeichnen gerade die jüngeren Altersgruppen bis unter 30
Jahren deutliche Anstiege bei den Erwerbstätigenquoten.
Der Anstieg der Erwerbstätigenquote der Frauen verteilt sich
auf alle Altersgruppen. Von 2009 bis 2019 hat sie sich um
knapp acht, die der Männer um gut fünf Prozentpunkte er-
höht. 2019 waren damit 72,8 Prozent der Frauen in Deutsch-
land zwischen 15 und 65 Jahren erwerbstätig; bei den Män-
nern waren es 80,5 Prozent. Am stärksten ausgeprägt ist die
unterschiedliche Beteiligung der Geschlechter am Erwerbsle-
ben bei den 30- bis unter 35-Jährigen von mehr als zwölf
Prozentpunkten. Bei diesen Altersgruppen spielt offenbar
eine Rolle, dass Frauen in der Zeit der Familiengründung
und Kindererziehung noch öfter die Erwerbstätigkeit unter-
brechen. Die stetig steigende Erwerbstätigenquote der 35-
bis unter 40-jährigen Frauen – und damit einhergehend die
sinkende Differenz zur vergleichbaren Quote der Männer –
spricht dagegen dafür, dass im Anschluss daran schneller
ein (Wieder-) Einstieg ins Erwerbsleben gesucht wird. Seit
2009 haben sich die Erwerbstätigenquoten der beiden Ge-
schlechter am stärksten in der Altersgruppe der 60- bis unter
65-Jährigen angenähert. Der Unterschied liegt 2019 mit fast
zehn Prozentpunkten jedoch weiterhin auf hohem Niveau.
FORMEN DER ERWERBSTÄTIGKEIT
Etwa 80 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland sind so-
zialversicherungspflichtig beschäftigt. Neben diesen zählen
ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigte, Beamtin-
nen und Beamte, Selbständige und mithelfende Familienan-
gehörige sowie Menschen in Arbeitsgelegenheiten zu den
Erwerbstätigen. Die Beteiligung von Frauen und Männern an
diesen Formen der Erwerbstätigkeit fällt unterschiedlich aus
(Abb. 2). Nur gut ein Drittel der Selbständigen und mithelfen-
den Familienangehörigen ist weiblich. Blendet man die mit-
helfenden Familienangehörigen aus, fällt der Frauenanteil
Abbildung 2
Formen der Erwerbstätigkeit - Insgesamt und Frauenanteil
Datenquelle: Statistisches Bundesamt, M ikrozensus, Statistik der Bundesagentur für Arbeit Juni*, Jahresdurchschnitt**
Deutschland
Sozialversiche-rungspflichtigBeschäftigte*
ausschließlich geringfügig
entlohnt Beschäftigte*
Im Nebenjob geringfügig
entlohntBeschäftigte*
Selbständige, Mithelfende Famillienan-gehörige**
Arbeits-gelegen-
heiten**
Beamtinnen
und Beamte**
46%
2020: 33,3 Mio
34%
2019: 4,1 Mio
61%
2020: 4,3 Mio
55%
2020: 2,8 Mio
48%
2019: 2,1 Mio
40%
2020: 59.000
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
7
bei den knapp 4,0 Millionen Selbständigen um einen Pro-
zentpunkt geringer aus, denn gerade bei den 119.000 mithel-
fenden Familienangehörigen überwiegt der Frauenanteil mit
zwei Dritteln deutlich. Da die Zahl der weiblichen Beamten
seit 2009 nahezu kontinuierlich steigt, während die Zahl der
männlichen Beamten stetig sinkt, ist im Zuge dessen der
Frauenanteil bei den gut zwei Millionen Beamtinnen und Be-
amten seither um mehr als acht Prozentpunkte auf über
48 Prozent gestiegen. Auch Personen in Arbeitsgelegenhei-
ten nach dem SGB II sind mehrheitlich männlich. Dagegen
ist die geringfügige Beschäftigung eine Frauendomäne.
Deutlich mehr als die Hälfte der im Nebenjob geringfügig ent-
lohnt Beschäftigten und mehr als sechs von zehn der aus-
schließlich geringfügig entlohnt Beschäftigten sind Frauen.
ZUKÜNFTIGE ENTWICKLUNG UND FACHKRÄF-
TESICHERUNG
Aufgrund des demografischen Wandels wird die Zahl der Er-
werbspersonen in Deutschland bis 2060 voraussichtlich –
unter anderem durch das Ausscheiden der geburtenstarken
Jahrgänge 1955 bis 1970 aus dem erwerbsfähigen Alter –
deutlich zurückgehen.1 Auch wenn die Zuwanderung dem
derzeit noch entgegenwirkt, besteht die Gefahr, dass sich ein
1 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilun-
gen/2020/11/PD20_436_12411.html 2 Vgl. dazu: WSI-Genderportal https://www.boeckler.de/51973.htm
Mangel an Fachkräften entwickelt. Eine steigende Erwerbs-
neigung der Frauen wird wahrscheinlich den Effekt des Be-
völkerungsrückgangs nicht ausgleichen. Bei den Frauen
könnte damit trotz steigender Erwerbsquote die Zahl der Er-
werbspersonen sinken.
Ein wesentliches Potenzial besteht in einer Erhöhung des Ar-
beitszeitvolumens von Frauen. Vor allem Mütter haben eine
geringere wöchentliche Arbeitszeit als Männer und Frauen
ohne Kinder.2 Eine Möglichkeit, rückläufigen Zahlen bei den
Erwerbspersonen und einem drohenden Mangel an Arbeits-
kräften zu begegnen, kann in einer Umwandlung von Teil-
zeit- in Vollzeitstellen und einer Erhöhung der durchschnittli-
chen Arbeitszeit berufstätiger Mütter liegen. Dazu müssen
die Rahmenbedingungen weiter verbessert werden.
1.2 Erwerbstätigkeit in Europa
Für internationale Vergleiche liegen von Eurostat, dem Sta-
tistischen Amt der Europäischen Union, erste Angaben zur
Erwerbstätigkeit in Europa bereits für 2020 vor3.
Die Erwerbsbeteiligung der 15- bis unter 65-jährigen Frauen
und Männer in Deutschland zählt zu den höchsten in Europa.
3 https://ec.europa.eu/eurostat/web/main/data/database
Abbildung 3
Erwerbstätigenquoten von Frauen und Männern im europäischen Vergleich
Datenquelle: Eurostat
15 bis unter 65 Jahre, Jahresdurchschnitt 2020
Frauen Männer
#03_Erwerbstätigenquote
männer
unter 60%
60% bis unter 65%
65% bis unter 70%
70% bis unter 75%
75% und höher
#03_Erwerbstätigenquote
frauen
unter 60%
60% bis unter 65%
65% bis unter 70%
70% bis unter 75%
75% und höher
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
8
Nach den vorliegenden Daten hatten aufgrund der Corona-
Krise im Jahr 2020 fast alle europäischen Länder Rückgänge
der Erwerbstätigenquoten zu verzeichnen. In Deutschland
betrug dieser nach deutlichen Zuwächsen in den vorange-
gangenen Jahren 0,5 Prozentpunkte, die Erwerbstätigen-
quote lag damit 2020 bei 76,2 Prozent.
ERWERBSBETEILIGUNG
Die Erwerbstätigenquote der Männer im Alter von 15 bis un-
ter 65 Jahren betrug 2020 im Durchschnitt der 27 EU-Staa-
ten 72,8 Prozent. Deutschland liegt mit einer Quote von
79,0 Prozent deutlich über dem EU-Wert. Übertroffen wird
Deutschland innerhalb der EU nur von Malta (81,8 Prozent),
den Niederlanden (81,6 Prozent) sowie der Tschechischen
Republik (81,4 Prozent). Darüber hinaus ist die Erwerbstäti-
genquote der Männer auch in Island und der Schweiz höher
als in Deutschland (Abb. 3).
Die Erwerbstätigenquote von Frauen im Alter von 15 bis un-
ter 65 Jahren liegt in allen europäischen Ländern gut zehn
Prozentpunkte unter der von Männern. EU-weit betrug sie
2020 62,5 Prozent. Deutschland hat mit einer Quote von
73,2 Prozent die dritthöchste in der EU und wird nur von den
Niederlanden (73,9 Prozent) und Schweden (73,5 Prozent)
übertroffen. Außerhalb der EU erreichen Island und die
Schweiz ebenfalls höhere Erwerbstätigenquoten von Frauen
als Deutschland.
Die Unterschiede in den Erwerbstätigenquoten von Frauen
und Männern sind in Europa zum Teil beträchtlich, auch
wenn sie überwiegend geringer geworden sind. Am gravie-
rendsten sind sie in Italien (18,2 Prozentpunkte) sowie Ru-
mänien (17,9 Prozentpunkte) und Griechenland (17,7 Pro-
zentpunkte) ausgeprägt. Demgegenüber sind die Unter-
schiede zum Teil im Baltikum sowie in den skandinavischen
Ländern gering. Und auch in Deutschland fällt der Ge-
schlechterunterschied (5,8 Prozentpunkte) geringer aus als
im Durchschnitt der EU (10,3 Prozentpunkte).
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
9
2 Beschäftigung
Die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bilden mit Ab-
stand die größte Gruppe der Erwerbstätigen in Deutschland
und der Anteil wächst, zuletzt auf rund 80 Prozent.
Nach der Wirtschaftskrise 2008/2009 war die Beschäftigung
von Frauen über einige Jahre stärker gewachsen als die der
Männer. Ab 2017 ist jedoch die Zahl der beschäftigten Män-
ner zunächst wieder deutlicher gestiegen. Eine Ursache
dürfte hier auch die Flüchtlingszuwanderung sein, da die Er-
werbsbeteiligung unter den weiblichen Geflüchteten bislang
geringer ist4.
Im Jahr 2020 haben die Auswirkungen der Corona-Pande-
mie die Entwicklung am Arbeitsmarkt stark beeinträchtigt und
den zehnjährigen Beschäftigungsaufbau gestoppt. Dass es
bislang nicht zu erheblichen Rückgängen der sozialversiche-
rungspflichtigen Beschäftigung gekommen ist, ist nicht zu-
letzt dem massiven Einsatz von Kurzarbeit geschuldet.
2.1 Beschäftigung im längerfristi-
gen Zeitvergleich
Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung5 hat inner-
halb der letzten zehn Jahre ein deutliches Wachstum erlebt.
Von Juni 2010 auf Juni 2020 ist sie um 18 Prozent auf
32,9 Millionen Beschäftigte angestiegen. Wie bei allen Er-
werbstätigen profitierten auch bei den sozialversicherungs-
pflichtig Beschäftigten in der längerfristigen Betrachtung
Frauen relativ gesehen etwas stärker vom Wachstum
(+20 Prozent, Männer: +17 Prozent). Absolut gesehen ver-
zeichnen die Männer mit einer Steigerung von fast 2,6 Millio-
nen das größere Plus (Frauen +2,5 Millionen).
KONJUNKTUR- UND JAHRESVERLAUF
Die Beschäftigungsentwicklung der letzten fünfzehn Jahre
war bei den Frauen wesentlich konstanter und weniger kon-
junkturreagibel als bei den Männern. So waren Männer in
deutlich größerem Ausmaß von der Wirtschafts- und Finanz-
krise 2008/2009 betroffen als Frauen. Das Gleiche gilt –
wenn auch deutlich abgeschwächter – für die europäische
Staatsschuldenkrise 2011/2012. Ein zentraler Faktor, warum
die Beschäftigung von Männern stärker dem Auf und Ab der
Wirtschaft folgt, liegt in der unterschiedlichen Beschäftigung
nach Branchen. Während Männer überproportional im kon-
4 http://doku.iab.de/kurzber/2021/kb2021-08.pdf 5 Wenn nicht anders angegeben, werden hier die Beschäftigten im erwerbsfä-
higen Alter (15 bis 65 Jahre) betrachtet.
junkturabhängigen Verarbeitenden Gewerbe tätig sind, arbei-
ten überdurchschnittlich viele Frauen in weniger konjunktur-
abhängigen Dienstleistungsbereichen wie dem Gesundheits-
und Sozialwesen (s.a. Kapitel 2.5.).
Mit einem Hoch im Spätsommer und einem Tief zu Jahres-
beginn schwanken die Beschäftigtenzahlen bei Männern
auch im Jahresverlauf stärker als bei Frauen. Diese Entwick-
lung ist ebenfalls in Zusammenhang mit geschlechtsspezifi-
schen Schwerpunkten bei der Berufswahl zu sehen. So ar-
beiten nach wie vor z.B. sehr viel mehr Männer als Frauen in
Berufen, deren Beschäftigung ein klares Saisonmuster be-
sitzt, wie beispielsweise in Bau- und Außenberufen.
2.2 Sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung - Aktuelle Ent-
wicklung
Im Juni 2020 lag die Zahl der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten um 84.000 bzw. 0,3 Prozent unter der des
Vorjahres. Einen Monat zuvor hatte die sozialversicherungs-
pflichtige Beschäftigung insgesamt erstmals seit der Wirt-
schafts- und Finanzkrise das Vorjahresniveau unterschritten
und damit das Ende eines zehnjährigen Beschäftigungsauf-
baus markiert. Dabei hatte die Zahl der männlichen Beschäf-
tigten infolge der Corona-Krise bzw. der Maßnahmen zu de-
ren Eindämmung bereits im April 2020 den Vorjahreswert
unterschritten; bei den Frauen gab es bis zum Juni 2020
noch minimale Anstiege.
Typischerweise sind in Krisen vorrangig Männer vom Ar-
beitsplatzabbau betroffen (s.a. Kapitel 2.1), weil häufig in-
dustrielle Arbeitsplätze leiden. Aufgrund der beinahe flächen-
deckenden Betroffenheit der Wirtschaft durch die Corona-
Pandemie, sind im Jahr 2020 hingegen Männer und Frauen
gleichermaßen von der schlechteren Entwicklung der sozial-
versicherungspflichtigen Beschäftigung betroffen.
Zur Abschätzung der coronabedingten Auswirkungen auf die
Beschäftigung wird der sogenannte Corona-Effekt herange-
zogen6. Er wird berechnet, indem die Beschäftigungsent-
wicklung in den Monaten seit Beginn der Krise mit der in den
entsprechenden Vorjahresmonaten verglichen wird. Dabei
wird unterstellt, dass sich die Entwicklung, die sich bis vor
Einsetzen der Corona-Krise in den Daten zeigte, fortsetzt,
weil in den Veränderungen des Vorjahres auch der Trend
6 Ausführliche und monatsaktuelle Informationen zu den Auswirkungen der
Corona-Krise auf den Arbeitsmarkt auch im Arbeitsmarkt kompakt: Corona https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsu-che_Formular.html?nn=20726&topic_f=am-kompakt-corona
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
10
des Vorjahres enthalten ist. Der so berechnete Corona-Effekt
bringt zum Ausdruck, um wie viel höher die Beschäftigung
bis März 2021 gewesen wäre, wenn es die Corona-Krise
nicht gegeben hätte und sich der Vor-Corona-Trend tenden-
ziell steigender Beschäftigung fortgesetzt hätte.
Von März 2020 bis März 2021 sind dieser Berechnung fol-
gend rund eine halbe Million sozialversicherungspflichtige
Arbeitsplätze verloren gegangen oder nicht entstanden. Da-
von gehen 47 Prozent auf Frauen zurück, was in etwa auch
ihrem Beschäftigungsanteil von rund 46 Prozent entspricht.
Zwar liegen keine hochgerechneten geschlechtsspezifischen
Daten zur Beschäftigung nach Branchen vor, der Blick auf
die Entwicklung der Gesamtbeschäftigung am aktuellen
Rand (März 2021) zeigt jedoch eine breite Branchenbetrof-
fenheit: Neben dem in Krisen häufig gebeutelten Produzie-
renden Bereich sind durch die Maßnahmen zur Eindämmung
der Corona-Pandemie auch Dienstleistungsbranchen betrof-
fen, in denen häufig Frauen einen großen Teil der Beschäf-
tigten stellen. So dürfte sich die etwa gleiche Betroffenheit
von Männern und Frauen in dieser Krise erklären. Die höchs-
ten Anteile am Corona-Effekt bis März 2021 haben das Gast-
gewerbe mit 36 Prozent, das Verarbeitende Gewerbe
(23 Prozent) und die Sonstigen wirtschaftliche Dienstleistun-
gen (ohne Arbeitnehmerüberlassung) – hierzu gehören
bspw. Reisebüros und Reiseveranstalter sowie Messe- und
Ausstellungsveranstalter (14 Prozent). Auf den Handel und
die Sonstigen Dienstleistungen, wie etwa Friseure oder Frei-
zeiteinrichtungen, kamen je 12 Prozent.
2.3 Formen der Beschäftigung
Teilzeitarbeit und Minijobs sind Frauendomänen. Beinahe
viermal so viele Frauen wie Männer arbeiten in Teilzeit;
knapp zwei Drittel aller ausschließlich geringfügig entlohnt
Beschäftigten im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 65
Jahren sind weiblich. Die weitaus stärkere Nutzung dieser
beiden Beschäftigungsformen durch Frauen stellt zwei der
markantesten Unterschiede zwischen den Geschlechtern am
Arbeitsmarkt dar. Darüber hinaus üben merklich mehr
Frauen als Männer neben einer sozialversicherungspflichti-
gen Hauptbeschäftigung einen Minijob als Nebenjob aus.
TEILZEITBESCHÄFTIGUNG
49 Prozent aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten
Frauen arbeiteten im Juni 2020 in Teilzeit, d. h. weniger als
die tariflich oder vertraglich vereinbarte Arbeitszeit der Voll-
zeitbeschäftigten beim jeweiligen Arbeitgeber. Bei den Män-
nern sind es nur elf Prozent. In Abhängigkeit vom Alter gibt
es deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Bei
weiblichen Beschäftigten steigt die Teilzeitquote bis auf ein
Abbildung 4
Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit * Dezember 2020 bis M ärz 2021 hochgerechnet und daher vorläufig
Januar 2019 bis März 2021* und Vorjahresveränderung in Prozent
Deutschland
+2,2
-0,1
+1,8
+0,0
Jan 19 Jun 19 Nov 19 Apr 20 Sep 20 Feb 21
17,8 Mio 18,1 Mio 18,0 Mio
15,4 Mio 15,6 Mio 15,6 Mio
Männer
Frauen
1. Lockdown im März 2020
erneute Beschränkungen im
November 2020
2. Lockdown im Dezember 2020
Mrz 21
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
11
kurzes Plateau von Mitte bis Ende der 20er Jahre kontinuier-
lich an und erreicht Mitte der 40er Jahre den Höchstwert von
59 Prozent. Danach nimmt die Teilzeitquote bis zu den ren-
tennahen Altersgruppen nur geringfügig ab. Teilzeitquoten
von nennenswert mehr als zehn Prozent haben männliche
Beschäftigte in den 20er bis zu Beginn der 30er Jahre.
Hierzu könnten die Regelungen zur Elternzeit plus beitragen.
Aber auch sich langsam wandelnde Rollenbilder der jünge-
ren Generation könnten sich hier bereits niederschlagen.
Zum anderen sind es bei den Männern die Über-60-Jähri-
gen, die vermehrt Teilzeitarbeit in Anspruch nehmen (vgl.
Abb. 5).
In allen Wirtschaftszweigen ist der Teilzeitanteil bei den
Frauen höher als bei den Männern. Besonders auffällig sind
die Differenzen in den folgenden Gebieten: Im Bereich Erzie-
hung und Unterricht, im Gastgewerbe, im Gesundheits- und
Sozialwesen sowie im Handel sind jeweils mehr als die
Hälfte der beschäftigten Frauen in Teilzeit tätig, aber nur
etwa jeder dritte (Erziehung und Unterricht, Gastgewerbe)
bzw. jeder vierte (Gesundheits- und Sozialwesen) beschäf-
tigte Mann. Im Handel liegt der Anteil der Teilzeitbeschäftig-
ten Männer mit elf Prozent auf dem Durchschnitt über alle
Branchen. In einigen Branchen übertrifft die Teilzeitquote der
Frauen die der Männer um ein Vielfaches: In der öffentlichen
Verwaltung ist fast die Hälfte der Frauen, aber nur knapp je-
der zehnte Mann in Teilzeit angestellt. Im Finanz- und Versi-
cherungssektor sind 46 Prozent der Frauen teilzeitbeschäf-
tigt, aber nur acht Prozent der Männer.
MINIJOBS
Mitte 2020 waren insgesamt 7,1 Millionen Menschen gering-
fügig entlohnt Beschäftigte. Diese Beschäftigungsform wird
umgangssprachlich oft als „Minijob“ bezeichnet. Minijobberin-
nen und -jobber können diese Tätigkeit neben einer weiteren
Beschäftigung ausüben (geringfügig Beschäftigte im Neben-
job) oder ausschließlich im Minijob beschäftigt sein (aus-
schließlich geringfügig Beschäftigte). Ausschließlich gering-
fügig entlohnt beschäftigt waren insgesamt 4,3 Millionen Per-
sonen, darunter 3,2 Millionen im Alter zwischen 15 und 65
Jahren. Die allein vom Arbeitgeber zu tragende Abgaben-
pauschale und das deutsche Steuersystem („Ehegattensplit-
ting“) machen Minijobs zumindest auf den ersten Blick zu ei-
ner attraktiven Erwerbsform für Paare, die nicht beide Voll-
zeit arbeiten (wollen oder können). Unter diesen Rahmenbe-
dingungen erscheint es bei einem häufig immer noch traditio-
nellen Rollenverständnis nicht verwunderlich, dass zwei Drit-
tel der ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigten im
erwerbsfähigen Alter Frauen sind.
Die meisten ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftig-
ten im erwerbsfähigen Alter sind im Handel (inkl. Instandhal-
tung und Reparatur von Kfz 623.000) sowie im Gastgewerbe
(431.000) beschäftigt. Ähnlich wie bei der sozialversiche-
rungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung ist auch bei den Mi-
nijobs der Frauenanteil im Gesundheits- und Sozialwesen
besonders hoch (81 Prozent). Ebenfalls hoch fällt er im Be-
reich der Sonstigen Dienstleistungen und der Privaten Haus-
halte aus (73 bzw. 92 Prozent).
MINIJOB ALS NEBENJOB
Mitte 2020 hatten 2,8 Millionen Beschäftigte im erwerbsfähi-
gen Alter zusätzlich zu ihrer sozialversicherungspflichtigen
Hauptbeschäftigung einen Minijob als Nebenjob. Bei Mi-
nijobs als Nebenjob sind die pauschalen Abgaben – ebenso
wie bei ausschließlich geringfügiger Beschäftigung – allein
vom Arbeitgeber zu tragen. Das kann dazu führen, dass bei
gleicher Zahl Arbeitsstunden eine Kombination aus Haupt-
und Nebenjob finanziell günstiger ist als eine sozialversiche-
rungspflichtige Beschäftigung allein. Allerdings kann dieser
aktuelle positive finanzielle Vorteil zu langfristigen finanziel-
len Nachteilen führen.
Auch sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit geringfü-
gig entlohntem Nebenjob sind mehrheitlich weiblich (1,5 Milli-
onen; Männer: 1,3 Millionen). Der Unterschied zwischen den
Geschlechtern ist jedoch wesentlich geringer als bei den
Abbildung 5
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
nach Alter, Geschlecht und ArbeitszeitJuni 2020
Frauen Männer
15
25
35
45
55
65
VollzeitTeilzeit Vollzeit Teilzeit
500.000 500.000250.000 250.000Alter
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
12
ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigten. In Relation
zur Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zeigt
sich der Unterschied zwischen Frauen und Männern etwas
deutlicher: Bundesweit hat jede zehnte sozialversicherungs-
pflichtig beschäftigte Frau einen Minijob als Nebenjob, aber
nur jeder vierzehnte Mann.
2.4 Minijobs - Aktuelle Entwicklung
Im Juni 2020 waren 4,3 Millionen Menschen in Deutschland
ausschließlich geringfügig entlohnt beschäftigt, 1,7 Millionen
Männer und 2.6 Millionen Frauen. Das waren acht Prozent
weniger als ein Jahr zuvor, Frauen waren dabei mit einem
Minus von neun Prozent etwas stärker betroffen als Männer
(-7 Prozent). Mini-Jobs waren zwar schon länger rückläufig,
doch bei weitem nicht so stark.
Anders als bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäfti-
gung setzte der verstärkte Rückgang unmittelbar mit dem
ersten Lockdown im März 2020 ein. Geringfügig entlohnte
Beschäftigungsverhältnisse als flexiblere Beschäftigungs-
form haben in ihrer Entwicklung damit schneller und deutli-
cher als sozialversicherungspflichtige auf Maßnahmen zur
Eindämmung der Corona-Pandemie reagiert, zumal sie nicht
durch Kurzarbeit stabilisiert werden können. Insgesamt wird
der coronabedingte Rückgang bis zum März 2021 auf rund
344.000 beziffert.
Die Auswirkungen waren insbesondere während des ersten
und zweiten Lockdowns sichtbar, da mehr als die Hälfte die-
ses Rückgangs auf das Gastgewerbe zurückzuführen ist.
Sowohl im Frühjahr 2020 als auch im Winter 2020/2021 wirk-
ten sich die Schließungen spürbar und zeitnah auf die ge-
ringfügigen Beschäftigungsverhältnisse aus.
Relativ stark betroffen von den Maßnahmen zur Eindäm-
mung der Corona-Pandemie waren bei den Mini-Jobs zudem
die Sonstigen Dienstleistungen, zu denen u.a. Friseursalons
gehören. Auch hier schlugen sich Betriebsschließungen zur
Eindämmung der Pandemie nieder. Da dort gut drei Viertel
der Beschäftigten weiblich sind, trug dies ebenfalls zu der
stärkeren Betroffenheit von Frauen bei.
Da die Daten zur geringfügigen Beschäftigung nicht ge-
schlechtsspezifisch hochgerechnet werden, kann der
Corona-Effekt für die ausschließlich geringfügig entlohnte
Beschäftigung hier nur bis November 2020 ausgewiesen
werden. Bis zum ersten Monat des zweiten Lockdowns be-
trug der Corona-Effekt 264.000. Davon gehen 65 Prozent auf
Frauen zurück. Ihr Anteil an der ausschließlich geringfügig
entlohnten Beschäftigung ist mit 61 Prozent etwas geringer.
Abbildung 6
Ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigte
Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Januar 2019 bis November 2020 und Vorjahresveränderung in Prozent
Deutschland
-0,8
-3,7-6,6
-2,5
-5,7
-9,0
Jan 19 Mrz 19 Mai 19 Jul 19 Sep 19 Nov 19 Jan 20 Mrz 20 Mai 20 Jul 20 Sep 20 Nov 20
1,8 Mio 1,8 Mio 1,7 Mio 1,6 Mio
2,8 Mio 2,8 Mio 2,6 Mio 2,5 Mio
Männer
Frauen
1. Lockdown im März 2020
erneute Beschränkungen im
November 2020
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
13
2.5 Beschäftigung nach Branchen
Frauen und Männer setzen nach wie vor in ihrer Berufswahl
und bei den Branchen, in denen sie tätig sind, unterschiedli-
che Schwerpunkte. So sind über einen langen Zeitraum vor
allem das Gesundheits- und Sozialwesen sowie Erziehung
und Unterricht die Wirtschaftszweige, in denen viel mehr
Frauen als Männer tätig sind. Das Verarbeitende Gewerbe,
der Bereich Verkehr und Lagerei sowie das Baugewerbe
sind dagegen Männerdomänen.
FRAUEN- UND MÄNNERDOMÄNEN
Allgemein sind Frauen eher im Dienstleistungssektor, Män-
ner hingegen vor allem in der Industrie sowie im Bauge-
werbe beschäftigt (Abb. 7). Mit gut 3,8 Millionen sozialversi-
cherungspflichtig beschäftigten Frauen und einem Anteil
weiblicher Beschäftigter im erwerbsfähigen Alter von 77 Pro-
zent im Juni 2020 war das Gesundheits- und Sozialwesen
unverändert der Wirtschaftszweig mit absolut den meisten
Frauen. Einen hohen Frauenanteil verzeichnet auch der Be-
reich Erziehung und Unterricht (72 Prozent; 0,9 Millionen
Frauen). In Privathaushalten und sonstigen Dienstleistungen,
zu denen u. a. Friseur- und Kosmetiksalons zählen, und in
der öffentlichen Verwaltung waren etwa zwei Drittel der Be-
schäftigten Frauen. Von Männern dominiert ist vor allem das
Baugewerbe – fast neun von zehn Beschäftigten im erwerbs-
fähigen Alter sind hier Männer (1,7 Millionen). Im Bereich
Verkehr und Lagerei und im Verarbeitenden Gewerbe waren
drei von vier Beschäftigten Männer (1,4 bzw. 5,1 Millionen).
Anzeichen für eine grundlegende Änderung dieser Schwer-
punkte von Männern und Frauen gibt es zumindest auf
Ebene der Fachkräfte kaum. In der Berufswahl und Tätigkeit
der 1,6 Millionen sozialversicherungspflichtig beschäftigten
Auszubildenden im September 2020 spiegeln sich weitge-
hend die hergebrachten Muster. Die meisten männlichen
Auszubildenden gab es unverändert in Maschinenbau- und
Fahrzeugtechnikberufen sowie in Metall- und Elektroberufen,
ein Drittel der männlichen Auszubildenden sind hier beschäf-
tigt. Die meisten weiblichen Auszubildenden gab es in medi-
zinischen wie nicht medizinischen Gesundheitsberufen und
in Büroberufen, die Hälfte aller weiblichen Auszubildenden
war in diesen Bereichen beschäftigt.
Die unterschiedliche Verteilung der Geschlechter auf die
Branchen hat vielfältige Folgen: Unterschiedliche saisonale
und konjunkturelle Muster der Beschäftigung werden
dadurch ebenso beeinflusst wie geschlechtsspezifische Ver-
änderungen der Arbeitslosenzahlen im Konjunktur- und Jah-
resverlauf oder die erzielten Entgelte.
Abbildung 7
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Branchen, Geschlecht und Arbeitszeit
Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Juni 2020, 15 bis unter 65 Jahre, Anteile in Prozent
DeutschlandFrauen Männer
Vollzeit Teilzeit VollzeitTeilzeit
24
35
30
33
29
30
25
23
26
22
20
18
14
14
7
23
42
42
31
35
25
29
28
21
11
13
8
10
7
6
6
6
10
4
9
3
17
6
8
7
8
2
10
3
6
48
17
18
32
26
41
30
43
45
60
59
72
66
75
81
Insgesamt
Gesundheits- und Sozialwesen
Erziehung und Unterricht
Öff. Verwaltung, Verteidigung; Sozialvers.
Sonst. Dienstleistungen, Priv. Haushalte
Finanz- und Versicherungsdienstl.
Gastgewerbe
Handel, Instandhalt. u. Reparatur v. KfZ
Wirtschaftliche Dienstleistungen
Information und Kommunikation
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei
Verarbeitendes Gewerbe
Verkehr und Lagerei
Bergbau, Energie, Wasser/ Entsorgung
Baugewerbe
32,93
4,96
1,31
1,87
1,16
0,96
1,01
4,45
4,72
1,16
0,25
6,80
1,80
0,58
1,90
BeschäftigteInsg. in Mio
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
14
2.6 Soziodemografie der Beschäf-
tigten
In der Altersstruktur der sozialversicherungspflichtig beschäf-
tigten Frauen machen sich vor allem ihr Ausbildungsverhal-
ten sowie die Jahre der Familiengründung bemerkbar. Die
Beschäftigung von Menschen ohne deutschen Pass hat sich
bei beiden Geschlechtern in den vergangenen zehn Jahren
etwa verdoppelt.
ALTERSSTRUKTUR
Die Verteilung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
auf die Altersgruppen folgt bei Männern ebenso wie bei
Frauen weitgehend der Bevölkerungsstruktur. Über alle Al-
tersgruppen hinweg beträgt der Frauenanteil 46 Prozent. Un-
mittelbar zum (möglichen) Beginn des Erwerbslebens liegt
der Frauenanteil an den Beschäftigten jedoch unter 40 Pro-
zent. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass junge
Frauen eher zu schulischen Berufsausbildungen sowie zu
höheren Schulabschlüssen neigen und damit länger im
Schulbildungssystem verbleiben als gleichaltrige Männer. Bis
in die Mitte der Zwanziger steigt der Frauenanteil auf 46 Pro-
zent. Die anschließende Delle des Frauenanteils auf bis zu
44 Prozent, die bis Ende der 30er Jahre sichtbar ist, dürfte
die Zeit der Familienphase markieren. In den folgenden Wie-
dereinstiegsjahren steigt der Anteil der teilzeitarbeitenden
Frauen an allen Frauen auf bis zu 59 Prozent. Gleichzeitig
nimmt der Anteil weiblicher Beschäftigter zu Beginn 40er
Jahre wieder zu und liegt über dem Durchschnitt. Gleichzei-
tig bleibt der Teilzeitanteil der Frauen im weiteren Erwerbs-
verlauf bei über 50 Prozent und damit über dem Durchschnitt
von 49 Prozent.
Die Altersstruktur sozialversicherungspflichtiger beschäftigter
Männer ist homogener, als die der Frauen (Abb. 5). Im
Durchschnitt über alle Altersgruppen sind rund 54 Prozent
der Beschäftigten männlich. Im Alter zwischen 15 und 20
Jahren, zu Beginn des Erwerbslebens, ist ihr Anteil an den
Beschäftigten mit teilweise über 60 Prozent deutlich überpro-
portional. Junge Männer wählen tendenziell häufiger eine du-
ale Berufsausbildung oder steigen häufiger direkt nach der
schulischen Ausbildung in das Berufsleben ein. Ein weiterer
Grund für den hohen Männeranteil in dieser Altersgruppe
dürfte die Zuwanderung von Geflüchteten in den letzten Jah-
ren sein. Diese Personengruppe zeichnet sich durch einen
hohen Anteil junger Männer aus. Bei den jüngeren Männern
im Alter zwischen 20 und 30 Jahren fällt darüber hinaus ein
erhöhter Teilzeitanteil auf: knapp jeder Fünfte in dieser Al-
tersgruppe arbeitet in Teilzeit. Danach fällt der Anteil wieder
auf die durchschnittlichen 12 Prozent (vgl. Kapitel 2.3).
STAATSANGEHÖRIGKEIT
Zehn Prozent der Frauen und 15 Prozent der sozialversiche-
rungspflichtig beschäftigten Männer besitzen keinen deut-
schen Pass. Mit Abstand die größte Gruppe, sowohl bei den
Frauen als auch bei den Männern, stellen Beschäftigte türki-
scher Staatsangehörigkeit. Auf Platz zwei folgen polnische,
danach rumänische und italienische Beschäftigte. Der Zu-
wachs der Beschäftigung wird sowohl bei Frauen als auch
bei Männern stark von der Zuwanderung geprägt. So geht
der Beschäftigungszuwachs der vergangenen zehn Jahre
bei den Männern zu beinahe drei Fünfteln auf ausländische
Beschäftigte zurück und bei den Frauen zu einem Drittel.
Die Auswirkungen der Corona-Krise haben jedoch im letzten
Jahr erstmals seit zehn Jahren das Wachstum der Beschäf-
tigten mit ausländischem Pass gebremst: Insgesamt ist ihre
Zahl um 79.000 bzw. 1,9 Prozent gewachsen, ein Jahr zuvor
waren es noch +7,9 Prozent. Bis 2019 hatten ausländische
Männer die größeren Beschäftigungsanstiege, im Krisenjahr
2020 entwickelte sich jedoch die Beschäftigung der Frauen
sowohl absolut als auch prozentual etwas besser (+44.000
bzw. +2,9 Prozent). Bei den deutschen Beschäftigten hinge-
gen war bei beiden Geschlechtern ein Rückgang zu ver-
zeichnen.
2.7 Entlohnung und Führungsver-
antwortung
Das monatliche Bruttoarbeitsentgelt von sozialversiche-
rungspflichtig Vollzeitbeschäftigten der Kerngruppe insge-
samt lag 2019 (neuere Daten liegen nicht vor) im Mittel bei
3.401 €. Dabei bezogen Männer mit 3.560 € ein deutlich hö-
heres mittleres monatliches Bruttoarbeitsentgelt als Frauen
mit 3.117 €. Sie verdienten damit im Durchschnitt zwölf Pro-
zent weniger als Männer. Fünf Jahre zuvor hatte der Unter-
schied noch 16 Prozent betragen. Besonders deutlich fällt
der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen in
Aufsichts- bzw. Führungspositionen aus: Männer verdienen
hier im Durchschnitt mindestens 21 Prozent mehr als
Frauen.
Dieser sogenannte unbereinigte Gender Pay Gap hat ver-
schiedene Ursachen. Eine entscheidende Rolle spielen da-
bei die unterschiedlichen Berufsfelder bzw. Branchenschwer-
punkte von Frauen und Männern. Zudem verfügt ein höherer
Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Männer
über ein abgeschlossenes (Fach-)Hochschulstudium. Mit ei-
nem akademischen Abschluss geht bei entsprechender Be-
rufserfahrung in der Regel eine höhere Entlohnung einher.
Neben den beschriebenen Unterschieden weisen Frauen
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
15
häufiger familienbedingte Erwerbsunterbrechungen oder fa-
milienbedingte Teilzeitarbeit auf. Damit werden möglicher-
weise Aufstiegschancen und in diesem Zuge höhere Er-
werbseinkommen verzögert oder verhindert. Aber auch unter
Berücksichtigung verschiedener Merkmale, wie z.B. Alter,
Beruf und Qualifikation bei der Berechnung des bereinigten
Gender Pay Gap, lag 2018 der Gehaltsunterschied zwischen
Männern und Frauen laut Statistischem Bundesamt noch bei
immerhin sechs Prozent. Basis ist die Verdienststrukturerhe-
bung, die alle vier Jahre durchgeführt wird und aktuell für
2018 vorliegt7.
FRAUEN IN FÜHRUNGSPOSITIONEN
Obwohl knapp die Hälfte der Beschäftigten weiblich ist, sind
Frauen in Aufsichts- und Führungspositionen nach wie vor
unterrepräsentiert (vgl. Abb. 8). Lediglich 517.000 bzw.
27 Prozent der Beschäftigten mit Aufsichts- und Führungs-
funktionen sind weiblich. Auch bei gleicher Qualifikation (glei-
cher Berufsabschluss) sind Frauen in Aufsichts- und Füh-
rungspositionen unterrepräsentiert: Knapp die Hälfte der Be-
schäftigten mit akademischem Abschluss sind weiblich. Ihr
Anteil unter den Aufsichts- bzw. Führungskräften beträgt je- 7 Verdienststrukturerhebung 2018: https://www.destatis.de/DE/Themen/Ar-
beit/Verdienste/Verdienste-Verdienstunterschiede/Tabellen/bgbp-stunden-la-ender-2018.html
doch nur 34 bzw. 25 Prozent. Insbesondere bei Führungspo-
sitionen fällt auf, dass der Anteil von Frauen mit höherem
Abschluss kleiner ist.
2.8 Beschäftigung nach Bundeslän-
dern
Die Beschäftigungsquote setzt die quantitativ bedeutendste
Erwerbstätigengruppe, die sozialversicherungspflichtig Be-
schäftigten, ins Verhältnis zur Bevölkerung. Wie die Erwerbs-
tätigenquote liegt auch die Beschäftigungsquote, bezogen
auf die 15- bis unter 65-Jährigen, für Frauen mit 57,6 Pro-
zent unter dem Wert für Männer (64,2 Prozent). Die regiona-
len Unterschiede sind allerdings beachtlich: fast zwei Drittel
der Sächsinnen im erwerbsfähigen Alter sind sozialversiche-
rungspflichtig beschäftigt (65,4 Prozent), aber nur gut jede
zweite Frau in Bremen (51,6 Prozent).
In den Bundesländern fallen die Abweichungen zwischen der
Beschäftigungsquote für Frauen und der für Männern sehr
unterschiedlich aus: Während in Nordrhein-Westfalen die
Beschäftigungsquote von Frauen um gut neun Prozent-
Abbildung 8
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit Leitungsfunktion nach dem Berufsabschluss
Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Juni 2020, Anteile in Prozent
Deutschland
Anteile ohne nicht zuordenbare Angaben.
24
49
3444
72
49
62
53
4
2
4
3
562.000
815.000
210.000
307.000
Aufsicht Führung Aufsicht Führung
Akademischer Berufsabschluss
Anerkannter Berufsabschluss
Ohne Berufsabschluss
FrauenMänner
46
SvB Insgesamt
Frauen-anteil
27
SvBAufsicht/FührungFrauen-anteil
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
16
punkte geringer ist als jene für Männer, übertraf in Mecklen-
burg-Vorpommern und Brandenburg die Beschäftigungs-
quote von Frauen sogar die der Männer.
Generell liegt die Beschäftigungsquote der Frauen in Ost-
deutschland mit 61,6 Prozent unverändert über der in West-
deutschland (56,6 Prozent). Zudem haben Männer und
Frauen in den ostdeutschen Bundesländern annähernd
gleich hohe Beschäftigungsquoten. Allerdings war seit 2016
sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland eine Zunahme
der Differenz zwischen den Geschlechtern zu beobachten,
welche jedoch 2020 – vermutlich im Zuge der Corona-Krise
– gebremst wurde.
In längerfristiger Beobachtung nähern sich die Beschäfti-
gungsquoten der Männer in Ost und West immer mehr an.
2020 lag diese für die westdeutschen Männer 2,3 Prozent-
punkte über derjenigen ostdeutscher Männer. Bei den weibli-
chen Beschäftigten liegt die Quote in Ostdeutschland deut-
lich über der westdeutschen. Dabei war die Differenz im
langfristigen Vergleich weitgehend stabil, verringerte sich
aber in den letzten beiden Jahren nennenswert auf nunmehr
5,0 Prozentpunkte.
2.9 Kurzarbeit
Die Maßnahmen zu Eindämmung der Corona-Pandemie hat-
ten enorme Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Dem massi-
ven Einsatz von Kurzarbeit, die die Beschäftigungsverhält-
nisse in erheblichem Umfang stabilisiert hat, ist es zu ver-
danken, dass das Beschäftigungswachstum nur vergleichs-
weise moderat gedämpft wurde. Im April 2020 – dem am
stärksten betroffenen Monat – bezogen knapp sechs Millio-
nen Beschäftigte Kurzarbeitergeld aus konjunkturellen Grün-
den. Der Einsatz von Kurzarbeit hat damit in der Spitze rech-
nerisch Arbeitsplätze rund 3 Millionen Beschäftigte gesichert
und deren vorübergehende Arbeitslosigkeit verhindert.
Im Laufe des Sommers 2020 sanken die Kurzarbeiterzahlen
bis Oktober 2020. Die erneuten Eindämmungsmaßnahmen
ab November führten bis zum Februar 2021 wieder zu stei-
genden Kurzarbeiterzahlen. Im März 2021 ließen u.a. die an-
ziehende Industriekonjunktur und die Aussicht auf eine brei-
tere Verfügbarkeit von Impfstoffen die Geschäftserwartungen
und die Hoffnung auf (Teil-)Öffnungen der geschlossenen
Bereiche steigen und die Zahl der Kurzarbeiterinnen und
Kurzarbeiter ist erstmals seit Oktober 2020 wieder gesunken.
Aufgrund der Branchenstruktur – die Maßnahmen zur Ein-
dämmung der Corona-Pandemie haben insbesondere Teile
des Dienstleistungssektors beeinträchtigt – sind in der
Abbildung 9
Beschäftigungsquoten von Frauen in Prozent
Datenquelle: Statistisches Bundesamt, M ikrozensus, Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Juni 2020, 15 bis unter 65 Jahre, Vergleich zu Männern
Deutschland
+1,5
+0,3
-0,3
-1,4
-1,6
-1,8
-4,1
-4,8
-6,4
-6,6
-7,3
-7,4
-7,5
-7,9
-8,1
-8,2
-9,2
Mecklenburg-Vorpommern
Brandenburg
Sachsen
Berlin
Sachsen-Anhalt
Thüringen
Schleswig-Holstein
Hamburg
Saarland
Deutschland
Bayern
Bremen
Rheinland-Pfalz
Hessen
Baden-Württemberg
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Beschäftigungsquote der Frauen liegt um ... Prozent-punkte über/ unter der der Männer
frauen_akt_rund
unter 55%
55% bis unter 60%
60% bis unter 65%
65% und höher
BeschäftigungsquoteDeutschlandFrauen: 57,6Männer: 64,2
Hamburg58,5
Bremen51,6
Berlin55,1
Sachsen-Anhalt62,8
Thüringen63,4
Hessen56,0
Niedersachsen56,6
Bayern60,3
Brandenburg63,4
Baden-Württemberg
58,4
Sachsen65,4
Schleswig-Holstein
57,0Mecklenburg-Vorpommern
61,9
Rheinland-Pfalz54,9
Saarland53,9
Nordrhein-Westfalen
53,6
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
17
Corona-Krise deutlich mehr Frauen von Kurzarbeit betroffen
als in vorangegangenen Krisen. Während der Anteil der
Kurzarbeiterinnen üblicherweise bei 20 bis 25 Prozent aller
kurzarbeitenden Beschäftigten liegt, lag er im Jahr 2020 teils
über 40 Prozent. In der Spitze waren zu Beginn der Pande-
mie im März 2020 gut 46 Prozent der Beziehenden von
Kurzarbeitergeld weiblich. Damit war der Frauenanteil dop-
pelt so hoch wie während der Großen Rezession, als
schwerpunktmäßig das Verarbeitende Gewerbe – und damit
mehrheitlich Männer (78 Prozent) – betroffen war.
Im Laufe des Sommers 2020 sank der Frauenanteil wieder
deutlich unter 40 Prozent. Aufgrund der erneut starken Be-
troffenheit von Handel und Gastgewerbe stieg er im Novem-
ber 2020 allerdings wieder auf 42 Prozent (vgl. Abb. 10). Ak-
tuellere Werte liegen nicht vor, da keine Hochrechnung der
realisierten Kurzarbeit nach Geschlecht möglich ist.
Insgesamt waren im November 2020 7,0 Prozent der sozial-
versicherungspflichtig Beschäftigten in Kurzarbeit (Kurzarbei-
terquote). Bei den männlichen Beschäftigten lag die Kurzar-
Abbildung 11
Konjunkturelle Kurzarbeit - Kurzarbeiterquote* nach Geschlecht und Branchen
Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Mai 2020 und November 2020, in Prozent
Deutschland
* Anteil Kurzarbeiter an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im jeweiligen M onat
18,715,3
7,66,4
Gesamt
29,729,1
10,611,1
VerarbeitendesGewerbe
20,117,3
6,45,8
Handel
64,161,1
51,8
47,7
Gastgewerbe
17,519,6
6,79,5
Sonstige wirt-schaftliche
Dienstleistungen
25,921,9
18,316,1
Sonst. Dienst-leistungen sow.Kunst, Unterh.und Erholung
Männer November 2020Frauen November 2020
Männer Mai 2020Frauen Mai 2020
Abbildung 10
Realisierte konjunkturelle Kurzarbeit
Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Zahl der Kurzarbeitenden* und Frauenanteil
* Werte von Dezember 2020 bis M ärz 2021 werden hochgerechnet und sind daher noch vorläufig
Deutschland
Frauenanteil1,4 Mio
6,0 Mio
2,6 Mio
22% 19% 19%
46%
44% 41%39%
38% 38% 37% 37% 42%
Sep 19 Dez 19 Mrz 20 Jun 20 Sep 20 Dez 20 Mrz 21
Kurzarbeitende
Mai 09 Jan 20
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
18
beiterquote bei 7,6 Prozent, bei den weiblichen mit 6,4 Pro-
zent darunter. Während der gesamten Krise waren Frauen
etwas weniger von Kurzarbeit betroffen. In früheren Krisen,
bspw. der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 war der
Abstand zwischen Männern und Frauen deutlich größer ge-
wesen (Mai 2009: Männer 7,5%, Frauen 2,5%). Damals war
vor allem der Produzierende Bereich von den Folgen der
Krise betroffen, in dem schwerpunktmäßig Männer beschäf-
tigt sind.
Innerhalb der Branchen unterscheidet sich die Betroffenheit
von Kurzarbeit zwischen Männern und Frauen nicht wesent-
lich. Dass in den Sonstigen Wirtschaftlichen Dienstleistungen
ein höherer Prozentsatz der weiblichen als der männlichen
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Kurzarbeit war,
dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass hierzu un-
ter anderem die Reisebüros gehören, in denen viele Frauen
arbeiten. Diese waren durch die tiefgreifenden Einschnitte in
den Tourismus hart von den Folgen der Corona-Pandemie
getroffen.
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
19
3 Arbeitslosigkeit
Die Arbeitslosigkeit von Frauen und Männern konnte in den
letzten Jahren tendenziell abgebaut werden. Im Jahr 2020
haben die Auswirkungen der Corona-Pandemie die Entwick-
lung am Arbeitsmarkt stark beeinträchtigt und diesen Trend
gebrochen. Zwar liegt die Arbeitslosenquote von Frauen wei-
terhin unter der Quote von Männern. Einige Probleme von
Frauen am Arbeitsmarkt, wie die Herausforderung alleiner-
ziehend und arbeitsuchend zu sein sowie geringere Ab-
gangschancen, bestehen aber fort.
3.1 Arbeitslosigkeit im längerfristi-
gen Zeitvergleich
Die Zahl der arbeitslosen Menschen in Deutschland ist 2020
auf 2,7 Millionen im Jahresdurchschnitt gestiegen – gegen-
über 2005, als die Arbeitslosigkeit einen Höchststand hatte,
hat sie sich aber immer noch beinahe halbiert (-2,2 Millio-
nen). Frauen und Männer konnten bis zum Ausbruch der
Corona-Pandemie von der guten Arbeitsmarktlage profitie-
ren.
Diese Entwicklung bei den absoluten Arbeitslosenzahlen
drückt sich auch in einer in langfristiger Tendenz rückläufi-
gen Arbeitslosenquote aus, die 2020 für Frauen 5,5 Prozent
und für Männer 6,3 Prozent betrug (Abb. 12).
Die Arbeitslosenquote der Frauen lag damit das zwölfte Jahr
in Folge – wenn auch teils sehr knapp – unter der Quote der
Männer. Noch in den 1990-er Jahren war das umgekehrt, bei
deutlich größerem Abstand zwischen den Geschlechtern. Ur-
sache war vor allem die hohe Frauen-Arbeitslosigkeit im Os-
ten. Danach gab es lediglich im Zusammenhang mit der Ein-
führung des SGB II eine Phase, in der die Arbeitslosenquote
der Frauen über der Quote der Männer lag (2005-2008).
3.2 Arbeitslosigkeit - Aktuelle Ent-
wicklung
In Folge der Corona-Pandemie und der begleitenden Ein-
dämmungsmaßnahmen war die Arbeitslosigkeit im Frühjahr
2020 sprunghaft angestiegen. Aufgrund der Verbesserung
der Pandemie-Lage und damit einhergehender Lockerungen
im Sommer 2020 ging die Arbeitslosigkeit zwar leicht zurück,
der zweite Lockdown ab November 2020 führte jedoch er-
neut zu Anstiegen. So lag die Arbeitslosigkeit im Mai 2021
sowohl bei Frauen wie auch bei Männern 20 Prozent über
dem entsprechenden Vorkrisenniveau (Mai 2019).
Der gesamte Corona-Effekt auf die Arbeitslosigkeit seit Be-
ginn der Krise lässt sich – ähnlich wie bei der Beschäftigung
– abschätzen, indem deren Entwicklung in den Monaten seit
Abbildung 12
Arbeitslosenquoten nach Geschlecht
Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Jahresdurchschnitte in Prozent
Deutschland
8,5
10,8
9,911,7
8,3
5,2
6,3
10,6
12,2
9,5
11,8
7,9
4,75,5
1995 2000 2005 2010 2015 2020
Frauen
Männer
Wirt-schafts-
u. Finanz-krise
Corona-Krise
europ. Staats-
schulden-krise
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
20
Beginn der Krise mit der in den entsprechenden Vorjah-
resmonaten verglichen wird. Auch hier wird unterstellt, dass
die Entwicklung, die sich bis vor Einsetzen der Corona-Krise
zeigte, fortsetzt, weil in den Veränderungen des Vorjahres
auch der Trend des Vorjahres enthalten ist. Der so berech-
nete Corona-Effekt bringt zum Ausdruck, um wie viel niedri-
ger die Arbeitslosigkeit bis Mai 2021 gewesen wäre, wenn es
die Corona-Krise nicht gegeben hätte und sich der Vor-
Corona-Trend fortgesetzt hätte. Demnach hätte die Zahl der
Arbeitslosen bis Mai 2021 um gut 450.000 niedriger gelegen.
Dies hätte eine um einen Prozentpunkt niedrigere Arbeitslo-
senquote bedeutet.
Aufgrund ihrer unterschiedlichen Betroffenheit eignet sich die
Arbeitslosenquote auch besser als der absolute Effekt zur
Beurteilung der Auswirkungen der Pandemie auf die Arbeits-
losigkeit von Männern und Frauen. So gingen im Mai 2021
von der Arbeitslosenquote der Männer 0,9 Prozentpunkte,
bei den Frauen 1,1 Prozentpunkte, auf die Corona-Pandemie
und die Maßnahmen zu deren Eindämmung zurück. Damit
weisen Frauen im Mai 2021 einen etwas höheren Effekt auf,
anfangs waren es Männer (Abb.14). Der Unterschied betrug
aber nie mehr als 0,2 Prozentpunkte.
In den ersten Monaten zeigten sich die Folgen der Pandemie
stärker bei Männern; sowohl die gestiegenen Neu-Meldun-
gen von Arbeitslosen als auch die schlechteren Beschäfti-
gungschancen für Arbeitslose beeinträchtigten diese anfangs
stärker als Frauen. Insbesondere die Arbeitslosmeldungen
von Männern nach vorheriger Beschäftigung haben sich aber
nach dem Anstieg im April und Mai 2020 schnell erholt. Seit-
dem werden sogar monatlich weniger Männer im Anschluss
an eine Beschäftigung arbeitslos als ein Jahr zuvor und auch
insgesamt haben seit Beginn der Krise weniger Männer ihre
Beschäftigung verloren als im entsprechende Vorjahreszeit-
raum.
Seit den Sommermonaten ist daher bei männlichen Arbeits-
losen ein Erholungsprozess zu beobachten, der sich bei
Frauen nicht im gleichen Umfang zeigt. Eine der Ursachen
dürfte sein, dass sich die männerdominierte Industrie nach
dem ersten Schock im Frühjahr 2020 schnell gefangen hat,
wohingegen die Dienstleistungsbranchen wie Handel und
Gastgewerbe, in denen Frauen jeweils gut die Hälfte der Be-
schäftigten stellen, bis heute leiden.
Neben den oben beschriebenen fehlenden Beschäftigungs-
aufnahmen direkt aus der Arbeitslosigkeit, fehlten aber auch
Beschäftigungsmöglichkeiten für Absolventen arbeitsmarkt-
politischer Maßnahmen. Darüber hinaus beeinflussen auch
ausgebliebene Förderungen und geschlossene Dienststellen
in Folge der Eindämmungsmaßnahmen die Arbeitslosigkeit
negativ. Inwieweit sich hier die Effekte zwischen den Ge-
schlechtern unterscheiden lässt sich nicht beziffern.
Abbildung 13
Entwicklung der Arbeitslosigkeit
Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Januar 2019 bis Mai 2021
Deutschland
1,3 Mio
1,5 Mio
1,0 Mio
1,2 Mio
Jan 19 Aug 19 Mrz 20 Okt 20 Mai 21
Frauen
Männer
saisonbereinigte Werte
Ursprungswerte
Abbildung 14
Arbeitslosenquoten und Abgangsraten
Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
in Prozent, jeweils Mai
Deutschland
5,1 4,6 5,1 4,5 5,2 4,4
1,41,2
0,91,1
5,14,6
6,55,7 6,1
5,5
ohne Corona
Corona-Effekt
Arbeitslosen-quote
2019 2020 2021
8,32
4,82
7,056,77
3,78
5,34
Mä
nn
er
Fra
ue
n
2019 2020 2021
Abgangsraten - gleitende Monatswerte
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
21
3.3 Dynamik und Dauer der Arbeits-
losigkeit
Das Risiko arbeitslos zu werden ist für Frauen seit Jahren
geringer als für Männer. Einmal arbeitslos sind ihre Chan-
cen, die Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme einer Beschäfti-
gung zu beenden, aber ebenfalls niedriger.
DYNAMIK DER ARBEITSLOSIGKEIT
Bezieht man die Zahl der Personen, die ihre Beschäftigung
verloren haben und sich arbeitslos melden, auf die sozial-
versicherungspflichtig Beschäftigten, erhält man ein Maß für
das Risiko arbeitslos zu werden. Das Gegenstück ist die Ab-
gangschance aus Arbeitslosigkeit, die die Zahl der Arbeitslo-
sen, die eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt er-
greifen, in Relation zum Arbeitslosenbestand setzt.
Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise bis zum Jahr 2018 war
das Risiko arbeitslos zu werden sowohl für beschäftigte
Frauen als auch Männer kontinuierlich gesunken. Während
es im Jahr 2019 für Frauen in der Tendenz noch leicht zu-
rückging, stieg es für Männer aufgrund der konjunkturellen
Abkühlung leicht an. Mit der Corona-Krise, insbesondere
während des ersten Lockdowns, stieg das Zugangsrisiko al-
lerdings kräftig an. Für Frauen ist das Risiko arbeitslos zu
werden geringer als für Männer. Sind sie jedoch arbeitslos
geworden, finden sie schwerer als Männer eine Beschäfti-
gung und bleiben häufiger und länger arbeitslos. Die
Chance, Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme einer Beschäf-
tigung zu überwinden, hat sich entsprechend entwickelt und
ist 2020 sowohl bei Frauen als auch bei Männern kräftig ge-
sunken (Abb. 15).
Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen können vor
allem durch die immer noch vorhandenen geschlechtstypi-
schen Muster der Berufswahl erklärt werden. So arbeiten
Männer vorwiegend in konjunkturreagiblen und saisonabhän-
gigen Berufen und Branchen, die Einfluss auf die Dauer der
Beschäftigungsverhältnisse haben (vgl. Kapitel 2.5). Von al-
len beendeten Beschäftigungsverhältnissen 2019 wurden bei
Männern 41 Prozent nach weniger als sechs Monaten been-
det; bei Frauen waren es lediglich 35 Prozent. Darüber hin-
aus kann die Beschäftigungsaufnahme von Frauen auch
dadurch erschwert werden, dass Kinderbetreuungsmöglich-
keiten fehlen oder Wünsche nach Teilzeit oder zur Lage bzw.
Verteilung der Arbeitszeit nicht realisiert werden können.
DAUER UND LANGZEITARBEITSLOSIGKEIT
Mit einer durchschnittlichen bisherigen Dauer von 63 Wo-
chen waren arbeitslose Frauen 2020 im Mittel drei Wochen
länger arbeitslos als Männer. Knapp ein Drittel der arbeitslo-
sen Frauen (31 Prozent bzw. 364.000 Frauen) waren bereits
Abbildung 15
Zugangsrisiken in und Abgangschancen aus Arbeitslosigkeit nach Geschlecht
Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
gleitende Jahresdurchschnitte Dezember 2010 bis Dezember 2020 in Prozent
Deutschland
8,09
6,48
5,79 5,65
2010 2012 2014 2016 2018 2020
1,090,76
0,80 0,58
2010 2012 2014 2016 2018 2020
Männer
Frauen
Abgangschancen
Zugangsrisiken
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
22
ein Jahr oder länger arbeitslos und werden daher als lang-
zeitarbeitslos bezeichnet. Damit liegt der Anteil der Langzeit-
arbeitslosen auch im Krisenjahr 2020 bei Frauen nur noch
geringfügig über dem Anteil langzeitarbeitsloser Männer
(30 Prozent) (Abb. 16).
Bis 2015 lag die Zahl der Langzeitarbeitslosen im Jahres-
durchschnitt über einer Million, 2016 wurde diese Grenze un-
terschritten. Im April 2020 hat ihre Zahl erstmals wieder zu-
genommen und lag Jahresdurchschnitt 2020 bei 817.000.
Anstiege gab es bei beiden Geschlechtern, bei Frauen war
die Zunahme merklich schwächer als bei Männern (+9 Pro-
zent auf 364.000 bzw. +15 Prozent auf 453.000).
Bei Frauen führt insbesondere die Kombination der fehlen-
den Berufsausbildung und des Status alleinerziehend häufi-
ger zu Langzeitarbeitslosigkeit. Aber auch ausländische
Frauen ohne Berufsausbildung werden deutlich häufiger
langzeitarbeitslos, das gilt – anders als bei Männern – auch
für Frauen aus dem Europäischen Wirtschaftsraum.
Da im Jahr 2020 die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes
stark eingeschränkt war, gab es viele Arbeitslose, die die kri-
tische Schwelle von 12 Monaten Arbeitslosigkeit erst kurz
überschritten hatten. Die durchschnittliche bisherige Dauer
der Arbeitslosigkeit ist daher trotz des Anstieges der lang-
zeitarbeitslosen Personen um über zehn Wochen gesunken.
2020 waren langzeitarbeitslose Frauen im Mittel 160 Wo-
chen und Männer 156 Wochen (je -10 Wochen) arbeitslos.
3.4 Soziodemografie der Arbeitslo-
sen
Männer sind im Vergleich zu Frauen häufiger am Anfang des
Berufslebens arbeitslos. Frauen üben dagegen eher in der
Mitte des Erwerbslebens keine bezahlte Tätigkeit aus.
Darüber hinaus zeigen sich wenig Unterschiede hinsichtlich
Alter, formaler Berufsabschlüsse oder der Frage, ob die Ar-
beitslosen einen deutschen oder ausländischen Pass besit-
zen (Abb. 17). Große Unterschiede hingegen ergeben sich
nach wie vor durch die weit größeren Anteile, die Frauen bei
der sogenannten Care-Arbeit übernehmen sowie den (noch)
verbreiteten tradierten Rollenverteilungen. Dadurch sind die
Anteile Alleinerziehender sowie Berufsrückkehrender bei ar-
beitslosen Frauen erheblich höher als bei Männern.
ALTERSSTRUKTUR
Die Altersstruktur der 1,2 Millionen arbeitslosen Frauen und
der 1,5 Millionen arbeitslosen Männer unterscheidet sich nur
wenig (Abb. 17). So sind jeweils gut 20 Prozent der arbeitslo-
sen Frauen und Männer 55 Jahre oder älter. Innerhalb dieser
Abbildung 16
Langzeitarbeitslosigkeit
Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Januar 2019 bis Mai 2021 und Vorjahresveränderung in Prozent
Deutschland
-10,4
+38,2
-11,5
+34,6
Jan 19 Mai 19 Sep 19 Jan 20 Mai 20 Sep 20 Jan 21 Mai 21
417.000 397.000 390.000
596.000
357.000 337.000 318.000
469.000
Männer
Frauen
1. Lockdown im März 2020
erneute Beschränkungen im
November 2020
2. Lockdown im Dezember 2020
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
23
Altersgruppe zeigt sich allerdings im Verlauf der letzten zehn
Jahre ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosen, die 60 Jahre
oder älter sind. Der Anstieg lässt sich mit der demografi-
schen Entwicklung, der Anhebung des Renteneintrittsalters
sowie den ausgelaufenen Sonderregelungen nach § 428
SGB III erklären. Einen Unterschied zwischen den Ge-
schlechtern gibt es in dieser Altersgruppe nicht mehr.
Dass der Anteil der jüngeren Männer unter 25 Jahre mit
elf Prozent aller arbeitslosen Männer etwas höher ist als der
entsprechende Anteil bei den Frauen (8 Prozent), dürfte zum
einen noch mit der Flüchtlingszuwanderung und zum ande-
ren mit dem längeren Verbleib junger Frauen im Bildungs-
system zusammenhängen. In der Mitte des Erwerbslebens
zwischen 25 und 55 Jahren sind relativ mehr Frauen als
Männer arbeitslos. Dies dürfte auch darin begründet sein,
dass der Wiedereinstieg von Frauen nach einer familien-be-
dingten Pause nicht immer einfach ist.
QUALIFIKATION
Fehlende Qualifikation stellt für sehr viele Arbeitslose eine
Hürde bei der Integration ins Erwerbsleben dar. Gut 1,4 Milli-
onen arbeitslose Menschen hatten 2020 keine abgeschlos-
sene Berufsausbildung. Die Unterschiede zwischen den Ge-
schlechtern sind gering. Der Anteil Arbeitsloser ohne Ausbil-
dung betrug bei Frauen und Männern jeweils 52 Prozent.
Der Akademikeranteil ist in den vergangenen zehn Jahren
bei beiden Geschlechtern gestiegen und war bei Frauen
durchweg höher als bei Männern. Im Jahr 2020 lag er mit
zehn Prozent zwei Prozentpunkte über dem der Männer
(8 Prozent).
STAATSANGEHÖRIGKEIT
In der Entwicklung der Arbeitslosigkeit zeigten sich auch
2020 die Auswirkungen der Zuwanderung – insbesondere
seit 2015. Der Anteil der arbeitslosen Ausländer hat sich seit-
dem nochmals deutlich erhöht, so dass inzwischen beinahe
jeder dritte Arbeitslose keinen deutschen Pass besitzt: Das
waren 352.000 Frauen und 443.000 Männer. Unterschiede
zwischen den Geschlechtern gibt es dabei kaum noch.
ALLEINERZIEHENDE
Die Zahl der alleinerziehenden Arbeitslosen hat sich in den
vergangenen zehn Jahren positiver entwickelt als die Ar-
beitslosigkeit insgesamt. Auch der – zwar kräftige – Anstieg
im Vergleich zu 2019 von plus zehn Prozent war geringer als
bei nicht Alleinerziehenden (+20 Prozent). Trotzdem war
weiterhin jeder dreizehnte Arbeitslose (203.000 Personen)
alleinerziehend. Dabei tragen weibliche Arbeitslose sehr viel
öfter als Männer die alleinige Verantwortung für ein oder
mehrere Kinder. Die Zahl der alleinerziehenden Frauen, die
arbeitslos gemeldet waren, war 2020 mit 184.000 mehr als
Abbildung 17
Arbeitslosigkeit nach Merkmalen und Geschlecht
Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit Anteile ohne Werte, für die keine Angabe vorliegt
Jahresdurchschnitt 2020; Anteil an allen Arbeitslosen
Deutschland
8
70
22
70
30
10
37
52
16
3
31
1,2 Mio Frauen 1,5 Mio Männer
11
68
21
70
29
8
39
52
1
0,2
30
unter 25 Jahre
ohne abgeschl.Berufsausbildung
Alleinerziehende
Berufsrückkehrende
55 Jahre und älter
Deutsche
Ausländer
Akademische Ausbildung
25 bis unter 55 Jahre
betriebliche/ schul. Ausbildung
Langzeitarbeitslose
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
24
zehnmal so hoch wie die Zahl der arbeitslosen alleinerzie-
henden Männer (18.000). Insgesamt waren 16 Prozent der
arbeitslosen Frauen alleinerziehend (Männer: 1 Prozent).
Arbeitslose Alleinerziehende sind meist schlechter qualifiziert
als der Durchschnitt aller Arbeitslosen. So hatten 2020 fast
62 Prozent aller alleinerziehenden Arbeitslosen keine abge-
schlossene Berufsausbildung (zum Vergleich alle Arbeitslo-
sen: 52 Prozent). Hinzu kommt, dass sie vergleichsweise oft
Beschäftigungen in Berufen suchen, die häufig eine hohe
zeitliche Flexibilität verlangen und unterdurchschnittlich ent-
lohnt werden (z.B. im Verkauf, als Reinigungskräfte, Haus-
wirtschaftsberufe oder Erziehungs- und soziale Berufe). Sie
sind deshalb vergleichsweise lange arbeitslos und werden
überwiegend von Jobcentern betreut (82 Prozent, zum Ver-
gleich nicht Alleinerziehende: 56 Prozent).
Dass es für Alleinerziehende besonders schwer ist, Kinder-
ziehung und Beruf zu vereinbaren, weil entweder die Kinder-
betreuung nicht im erforderlichen Maße gesichert werden
kann oder aber Arbeitszeitwunsch und -angebot nicht zu-
sammenpassen8, zeigt sich auch in der SGB II-Hilfequote.
Während im Schnitt knapp neun Prozent der Haushalte Leis-
tungen aus der Grundsicherung beziehen, ist es bei Alleiner-
ziehenden-Bedarfsgemeinschaften ein Drittel (33 Prozent).
Mit steigender Kinderzahl nimmt die Hilfequote drastisch zu.
8 https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldun-
gen/2021/maerz/arbeitszeit-von-maennern-und-frauen-wunsch-und-wirklich-keit-klaffen-auseinander
Bei Alleinerziehenden-Bedarfsgemeinschaften mit drei und
mehr minderjährigen Kindern liegt sie bei 70 Prozent (zum
Vergleich: Paar-Bedarfsgemeinschaften mit drei und mehr
Kindern 18 Prozent). Dabei erzielen alleinerziehende er-
werbsfähige Leistungsberechtigte anteilig häufiger Einkom-
men aus Erwerbstätigkeit (28 Prozent bzw. 140.000 Perso-
nen) das den Bedarf der Bedarfsgemeinschaft jedoch nicht
deckt. Dieser Anteil liegt damit über dem aller erwerbsfähi-
gen Leistungsberechtigten (24 %). Hilfebedürftigkeit von er-
werbstätigen Alleinerziehenden entsteht überwiegend des-
halb, weil sie entweder nur einen Minijob (55.000 Personen)
oder eine (Teilzeit-)Beschäftigung mit einem Einkommen un-
ter 1.300 Euro ausüben (66.000 Personen).
BERUFSRÜCKKEHRENDE
Berufsrückkehrende sind Frauen und Männer, die ihre Er-
werbstätigkeit oder Arbeitslosigkeit zur Betreuung von Kin-
dern oder pflegebedürftigen Angehörigen unterbrochen ha-
ben und innerhalb angemessener Zeit wieder in den Beruf
zurückkehren wollen (§ 20 SGB III). Mit zwei Prozent aller
bei Agenturen für Arbeit und Jobcentern gemeldete Arbeits-
losen sind Berufsrückkehrerinnen und Berufsrückkehrer eine
vergleichsweise kleine Gruppe. Mit einem Frauenanteil von
Abbildung 18
Arbeitslosenquoten von Frauen in Prozent
Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Jahresdurchschnitt 2020, Vergleich zu Männern
Deutschland
-0,5
-0,5
-0,6
-0,6
-0,7
-0,8
-0,8
-0,9
-1,0
-1,0
-1,1
-1,3
-1,3
-1,4
-1,5
-1,6
-1,6
Hessen
Bayern
Rheinland-Pfalz
Baden-Württemberg
Niedersachsen
Deutschland
Nordrhein-Westfalen
Thüringen
Hamburg
Schleswig-Holstein
Sachsen
Brandenburg
Sachsen-Anhalt
Berlin
Saarland
Bremen
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitslosenquote der Frauen liegt um ... Prozent-punkte unter der der Männer
ArbeitslosenquoteDeutschlandFrauen: 5,5Männer: 6,3
Hamburg7,0
Saarland6,4
Bremen10,3 Berlin
9,0
Sachsen-Anhalt
7,0
Thüringen5,5
Hessen5,1
Niedersachsen5,4
Nordrhein-Westfalen
7,1
Brandenburg5,5
Sachsen5,5
Schleswig-Holstein
5,3Mecklenburg-Vorpommern
6,9
Rheinland-Pfalz4,9
Bayern3,4Baden-
Württemberg3,8
Arbeitslosenquote
frauen_akt_rund
unter 5,0%
5,0% bis unter 6,0%
6,0% bis unter 7,0%
7,0% und höher
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
25
92 Prozent waren 2020 die meisten der insgesamt 42.000
arbeitslosen Berufsrückkehrenden Frauen.
Aufgrund ihres Alters – fast drei Viertel ist zwischen 30 und
50 Jahre – und ihrer überdurchschnittlichen Qualifikation –
gut zwei Drittel verfügen über eine abgeschlossene Berufs-
ausbildung – stellen Berufsrückkehrende aber eine interes-
sante Gruppe zur Sicherung des Fachkräftebedarfs dar.
3.5 Arbeitslosigkeit nach Bundes-
ländern
Die Unterschiede bei der Arbeitslosigkeit der Bundesländer
werden grundsätzlich von demografischen Entwicklungen,
aber auch regionalen Unterschieden in der Wirtschaftskraft
der Bundesländer bestimmt. Im Süden Deutschlands ist die
Arbeitslosigkeit nach wie vor deutlich geringer als im Osten
und Norden. Die geringsten Arbeitslosenquoten sowohl für
Frauen als auch für Männer wurden 2020 mit 3,4 bzw.
3,9 Prozent unverändert in Bayern erreicht. Die höchsten Ar-
beitslosenquoten wies unverändert Bremen aus. Hier betrug
die Arbeitslosenquote für Frauen 10,3 Prozent und für Män-
ner lag sie bei 11,9 Prozent.
Die Arbeitslosenquote der Männer übersteigt die der Frauen
in allen Bundesländern. In Mecklenburg-Vorpommern und
Bremen ist die Differenz der Arbeitslosenquoten von Män-
nern und Frauen mit 1,6 Prozentpunkten am größten. In Bay-
ern und Hessen sind Frauen und Männer etwa gleicherma-
ßen von Arbeitslosigkeit betroffen.
3.6 Erwerbslosigkeit in Europa
Die international vergleichbare Erwerbslosenquote der 15-
bis 64-Jährigen belief sich in Deutschland 2020 auf 3,9 Pro-
zent9. Das war – gemeinsam mit den Niederlanden – die
drittniedrigste Quote in der Europäischen Union. Eine gerin-
gere Quote wiesen nur die Tschechische Republik mit
2,6 Prozent und Polen mit 3,2 Prozent auf. Im Durchschnitt
der 27 EU-Staaten war die Erwerbslosenquote der 15- bis
64-Jährigen 2020 mit 7,2 Prozent fast doppelt so hoch wie in
Deutschland.
Anders als in Deutschland, wo die Erwerbslosenquote der
Frauen mit 3,4 Prozent deutlich unter der von Männern lag
(4,3 Prozent), war die weibliche Erwerbslosenquote im
Durchschnitt der 27 EU-Staaten etwas höher als die männli-
che (7,5 bzw. 7,0 Prozent).
Bei längerfristiger Betrachtung unterscheidet sich die Ent-
wicklung in Deutschland vom EU-Trend: Während die euro-
paweite Erwerbslosenquote der Frauen von 2010 bis 2013
stetig zunahm und erst in den darauffolgenden sechs Jahren
rückläufig war, hat sich die deutsche Quote in dieser Zeit ste-
tig verringert. 2020 ist – durch die Auswirkungen der Corona-
Krise – sowohl für den europäischen Durchschnitt als auch
für Deutschland ein Anstieg zu erkennen. Dies gilt auch für
die Erwerbslosenquote der Männer.
Allerdings kommen die Auswirkungen der Corona-Krise auf
den europäischen Arbeitsmärkten in diesen Daten nur un-
vollständig zum Ausdruck. So verweist Eurostat auf die Dis-
krepanz zwischen den Zahlen zu den registrierten Arbeitslo-
sen und denen der Erwerbslosen nach dem ILO-Erwerbs-
konzept, die u.a. dadurch erklärt wird, dass ein signifikanter
Teil der registrierten Arbeitslosen nicht als Erwerbslose ge-
zählt werden, weil sie aufgrund der Kontaktbeschränkungen
keine aktiven Suchschritte unternommen hatten oder dem
Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung standen.
Die schlechte Lage auf dem Arbeitsmarkt, die sich in hohen
Erwerbslosenquoten ausdrückt, ist vor allem in den südeuro-
päischen Staaten ein Hindernis für eine stärkere Erwerbsbe-
teiligung von Frauen und Männern. Während im EU-Schnitt
die weibliche und männliche Erwerbslosenquote nur wenig
differieren, waren in den Staaten mit ohnehin hoher Erwerbs-
losigkeit, wie Griechenland, Spanien und Italien, Frauen
noch stärker von Erwerbslosigkeit betroffen als Männer.
9 https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/main/data/database
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
26
4 Förderung
Frauen profitieren in etwa entsprechend ihrem Anteil an den
Arbeitslosen und der relativen Betroffenheit von Arbeitslosig-
keit von Fördermaßnahmen. Dabei sind Unterschiede zwi-
schen den Rechtskreisen erkennbar. Diese können unter-
schiedlichen Bedarfen in der Unterstützung von Frauen und
Männern folgen.
MINDESTBETEILIGUNG VON FRAUEN
Der Gesetzgeber verpflichtet Arbeitsagenturen und Jobcen-
ter die berufliche Situation von Frauen zu verbessern und sie
mit den Mitteln der Arbeitsmarktpolitik entsprechend ihrem
Anteil an den Arbeitslosen und ihrer relativen Betroffenheit
von Arbeitslosigkeit zu fördern (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 SGB III). Ba-
sierend auf dem Anteil von Frauen an allen Arbeitslosen und
der geschlechtsspezifischen Arbeitslosenquote kann eine
Mindestbeteiligung für Frauen an Fördermaßnahmen be-
rechnet werden. In der Arbeitslosenversicherung wurde die
Zielförderquote von 37,1 Prozent mit einem Frauenförderan-
teil von 43,4 Prozent wie im Vorjahr deutlich übertroffen. In
der Grundsicherung wurde der Zielwert von 42,7 Prozent da-
gegen mit 41,0 Prozent erneut nicht erreicht.
INSTRUMENTE DER ARBEITSMARKTPOLITIK
Im Jahresdurchschnitt 2020 nahmen 335.000 Frauen und
466.000 Männer an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme
teil. Gegenüber 2019 ist die Zahl Geförderten deutlich zu-
rückgegangen, bei Teilnehmerinnen etwa gleich stark wie bei
Teilnehmern (-8 Prozent). Das dürfte vor allem auf die Kon-
taktbeschränkungen im Zusammenhang mit der Corona-
Pandemie zurückzuführen sein.
Die Förderschwerpunkte von Frauen und Männern unter-
scheiden sich erheblich: Männer nutzen überdurchschnittlich
oft Maßnahmen zur Berufswahl und -ausbildung (23 Prozent
aller Maßnahmeteilnehmer, Frauen: 16 Prozent). Ein
Schwerpunkt der Förderung von Frauen liegt in der berufli-
chen Weiterbildung. Mehr als jede vierte Maßnahmeteil-
nahme einer Frau galt der beruflichen Weiterbildung (28 Pro-
zent; Männer 19 Prozent). Darüber hinaus nahmen jeweils
gut ein Fünftel der geförderten Frauen und Männer an Maß-
nahmen der Aktivierung und beruflichen Eingliederung teil.
Im Jahr 2020 befanden sich 39.000 Frauen und 35.000 Män-
ner in Maßnahmen, die zu einem anerkannten Berufsab-
schluss führen. Das waren bei allen Teilnehmerinnen in
Maßnahmen geförderten Weiterbildung mehr als die Hälfte
und bei allen Teilnehmern an einer geförderten Weiterbil-
dung 45 Prozent. Dabei unterscheiden sich die Aus- und
Weiterbildungsziele von Frauen und Männern deutlich. Bei
Frauen dominieren – so wie auch bei der Erstausbildung –
die sozialen Berufe: Fast jede dritte der 39.000 Teilnehme-
rinnen im Jahresdurchschnitt 2020 will einen Beruf in der Al-
tenpflege erlernen (13.000 Teilnahmen). Ebenfalls beliebt
sind Ausbildungen im Büro- und Sekretariatswesen und im
Bereich Erziehung, Sozialarbeit, Heilerziehungspflege (6.000
bzw. 3.000) sowie der Verwaltung (3.000). Die meisten der
35.000 Männer streben dagegen einen Abschluss in techni-
schen oder ähnlichen Berufen an: An der Spitze steht der
Bereich Informatik (3.000 Teilnehmer), gefolgt von der Ma-
schinenbau- und Betriebstechnik (3.000) sowie der Alten-
pflege (3.000), dem einzigen sozialen Beruf unter den
Top 10 der Weiterbildungsziele von Männern. Auf Rang vier
stehen Qualifizierungen in der Lagerwirtschaft (2.000).
QUALIFIZIERUNGSCHANCENGESETZ
Im Jahr 2019, mit Inkrafttreten des Qualifizierungschancen-
gesetzes, wurde die Möglichkeit der Förderung der berufli-
chen Weiterbildung Beschäftigter erweitert. Dadurch gab es
Abbildung 19
Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente
Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Bestand, Frauenanteil in Prozent, Jahresdurchschnitte
Deutschland
41,6 41,0 41,3 41,6 41,8
868.000893.000
843.000873.000
801.000
2016 2017 2018 2019 2020
Männer
Frauen
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
27
einen deutlichen Anstieg dieser Qualifizierungsform und ins-
gesamt begannen 2019 knapp 35.000 Beschäftigte eine
durch eine Arbeitsagentur oder ein Jobcenter geförderte
Weiterbildung, 16.000 Frauen und 18.000 Männer. Der An-
stieg wurde durch die enorme Steigerung der Förderung
weiblicher Beschäftigter getragen (plus 19 Prozent; Männer
minus 3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Hauptursache
dürften die erweiterten Fördermöglichkeiten im Bereich der
Altenpflege gewesen sein. Im Corona-Jahr 2020 war – wie
über alle Eintritte hinweg – allerdings auch die Zahl der be-
gonnenen Beschäftigtenqualifizierungen stark rückläufig.
Frauen waren dabei mit einem Minus von 3.000 etwas stär-
ker betroffen als Männer (minus 2.000).
WIRKSAMKEIT ARBEITSMARKTPOLITISCHER
INSTRUMENTE
Die Wirksamkeit arbeitsmarktpolitischer Instrumente kann
anhand der Eingliederungsquote aufgezeigt werden. Die Ein-
gliederungsquote gibt den Anteil der Maßnahmeabsolventen
an, der sechs Monate nach Maßnahmeende sozialversiche-
rungspflichtig beschäftigt ist. Eingliederungsquoten liegen
aktuell für die Maßnahmeaustritte im Zeitraum August 2019
bis Juli 2020 vor.
Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind die Eingliederungs-
quoten coronabedingt bei den meisten Instrumenten zurück-
gegangen, unabhängig vom Geschlecht. Für Frauen und
Männer liegen sie meist nah beieinander. Insbesondere bei
der beruflichen Weiterbildung waren die Eingliederungsquo-
ten fast identisch (Frauen: 49,3 Prozent; Männer: 49,1 Pro-
zent).
Abbildung 20
Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente
Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
Bestand, Jahresdurchschnitt 2020, Anteile in Prozent
Deutschland
1415
8
912
1428
1916
2323
21
Frauen Männer
Aktivierung und berufliche Eingliederung
Berufliche Weiterbildung
Förderung Erwerbstätigkeit
Maßn. z. Teilh. beh. Menschen
Sonstige Maßnahmen
Berufsorientierung, -ausbildung
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
28
Glossar
Erwerbspersonen/ Erwerbsquote
Erwerbstätige und Erwerbslose bilden die Gruppe der Erwerbspersonen. Die Erwerbsquote ist ein Maß für die Beteiligung der
Wohnbevölkerung am Erwerbsleben. Sie wird berechnet als Anteil der Erwerbspersonen (Erwerbstätige und Erwerbslose) an
der Bevölkerung. Eine Einschränkung auf Personengruppen ist möglich, z.B. die Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65
Jahren.
Erwerbstätige/Erwerbstätigenquote
Als Erwerbstätiger gilt gemäß dem Konzept der ILO, wer älter als 15 Jahre ist und pro Woche mindestens eine Stunde gegen
Entgelt arbeitet; auf den zeitlichen Umfang der Tätigkeit kommt es nicht an. Die Erwerbstätigenquote ist der Anteil der Erwerb-
stätigen (einer bestimmten Personengruppe) an der entsprechenden Gesamtbevölkerung. Im Gegensatz zur Beschäftigungs-
quote werden hier neben den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auch andere Erwerbstätige berücksichtigt; die Er-
werbstätigenquote liegt daher höher als die Beschäftigungsquote.
Erwerbslose
Zu den Erwerbslosen zählt, wer nicht erwerbstätig ist, aber in den letzten vier Wochen aktiv nach einer neuen Tätigkeit ge-
sucht hat.
Beschäftigungsquote
Die Beschäftigungsquote ist der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (einer bestimmten Personengruppe) an
der entsprechenden Gesamtbevölkerung. Im Gegensatz zur Erwerbstätigenquote berücksichtigt die Beschäftigungsquote nur
die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, nicht aber bspw. Selbstständige oder Minijobber. Sie ist daher niedriger als die
Erwerbstätigenquote.
Geringfügig Beschäftigte
Bei der geringfügigen Beschäftigung wird zwischen zwei Arten unterschieden:
1. geringfügig entlohnte Beschäftigung: Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung nach § 8 (1) Nr.1 SGB IV liegt vor,
wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung (§ 14 SGB IV) regelmäßig im Monat 450,- € nicht überschreitet.
Auch bei Kombination einer sozialversicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung mit einem Mini-Job bleibt dieser sozi-
alversicherungsfrei.
2. kurzfristige Beschäftigung: Eine kurzfristige Beschäftigung liegt nach § 8 (1) Nr.2 SGB IV vor, wenn die Beschäfti-
gung für eine Zeitdauer ausgeübt wird, die im Laufe eines Kalenderjahres seit ihrem Beginn auf nicht mehr als drei
Monate oder insgesamt 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich be-
grenzt ist.
Abgangschance/Chance, Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu beenden
Die Abgangschance bezieht den Abgang aus Arbeitslosigkeit eines Monats in Beschäftigung am 1. Arbeitsmarkt einschließlich
(außer-)betrieblicher Ausbildung auf den Arbeitslosenbestand des Vormonats. Um saisonale Schwankungen auszugleichen,
wird in der Regel ein gleitender Jahresdurchschnitt verwendet.
Förderung von Frauen – Mindestbeteiligung nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 SGB III
Die Agenturen für Arbeit und die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind verpflichtet zur Verbesserung der berufli-
chen Situation von Frauen beizutragen. Frauen sollen mindestens entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitslosen und ihrer
relativen Betroffenheit von Arbeitslosigkeit gefördert werden (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 SGB III). Der angestrebte Förderanteil für
Frauen berechnet sich wie folgt:
rkFAF = AanALF * rkALQF / (AanALF * rkALQF + AanALM * rkALQM)
(AanALF: Anteil der Frauen an den Arbeitslosen nach dem Rechtskreis; rkALQF: rechtskreisanteilige Arbeitslosenquote
Frauen; AanALM: Anteil der Männer an den Arbeitslosen nach dem Rechtskreis; rkALQM: rechtskreisanteilige Arbeitslosen-
quote Männer)
Zugangsrisiko/Risiko, aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung heraus arbeitslos zu werden
Das Risiko, aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung heraus arbeitslos zu werden, bezieht den Zugang in Arbeitslosig-
keit aus Beschäftigung am 1. Arbeitsmarkt einschließlich (außer-)betrieblicher Ausbildung eines Monats auf den Bestand an
sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung des Vormonats. Um saisonale Schwankungen auszugleichen, wird ein gleitender
Jahresdurchschnitt verwendet. Aufgrund von Datenrevisionen kann es zu Abweichungen mit früheren Veröffentlichungen
kommen
Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern
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Statistik-Infoseite
Im Internet stehen statistische Informationen unterteilt nach folgenden Themenbereichen zur Verfügung:
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Ausbildungsmarkt
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Die Methodischen Hinweise der Statistik bieten ergänzende Informationen.
Die Qualitätsberichte der Statistik erläutern die Entstehung und Aussagekraft der jeweiligen Fachstatistik.
Das Glossar enthält Erläuterungen zu allen statistisch relevanten Begriffen, die in den verschiedenen Produkten
der Statistik der BA Verwendung finden.
Abkürzungen und Zeichen, die in den Produkten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit vorkommen, werden im
Abkürzungsverzeichnis bzw. der Zeichenerklärung der Statistik der BA erläutert.
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