Die (Pädagogische) Hochschule und (durchgängige) Sprachbildung Univ.-Prof. Dr. İnci Dirim...

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Die (Pädagogische) Hochschule und (durchgängige)

Sprachbildung

Univ.-Prof. Dr. İnci Dirim

Universität WienInstitut für GermanistikFachbereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache

Themen des Workshops• Mehrsprachigkeit im Hochschulsystem• DaF & DaZ und verschiedene Sprachen• Barriere Wissenschaftssprache Deutsch /

Erhebungen • Beispiel STEOP an den Universitäten• “Durchgängige Srachbildung” (Gogolin & Lange

2010) an der Universität?• Instrument “Wege zur wissenschaftlichen

Textkompetenz” (Knappik 2013)• Weitere Möglichkeiten

Mehrsprachigkeit im Hochschulsystem• i.d.R. keine genauen Erhebungen von Sprachen

der Studierenden• Spannungsverhältnis der Wissenschaftssprache

Deutsch und der (migrationsbedingten) Mehrsprachigkeit

• Mehrsprachigkeit: Potenzial und Mangel• Monolinguale deutschsprachige Lehre: Gefahr

des Scheiterns von Studierenden mit DaF & DaZ• Programme der “mehrsprachigen Hochschule”

beziehen sich i.d.R. nicht auf den Umgang mit migrationsbedingter Mehrsprachigkeit

Problematik der additiven Unterstützungsmaßnahmen (Wingate 2012)

•Unterstützungsmaßnahmen außerhalb der regulären Lehre

•in der Lehre werden Studierende erwartet, die den sprachlichen Normalitätserwartungen entsprechen

•Plädoyer für “embedded models”

Problematik monolingualer Lehrpraxis – Sicht der Lehrenden• Ergebnisse einer Befragung von 35 DozentInnen

an 8 pädagogischen Hochschulen in Österreich (Projekt “Diversität und Mehrsprachigkeit in pädagogischen Berufen”, 2011-2013, BMUKK)

• Forschungsfrage: Erfahrungen bez. Schwierigkeiten der Studierenden

• Rechtschreibung und Grammatik• Spannung zwischen Dialekt und Standardsprache• Dialekt jedoch weniger als Problem empfunden als

migrationsbedingte Zugänge zum Deutschen

Problematik monolingualer Lehrpraxis – Sicht der Studierenden• Einige Ergebnisse einer Befragung von 28

Studierenden des Masterstudium DaF & DaZ der Universität Wien (Blank u.a. 2012 in Dirim 2013):

• Forschungsfrage: “Welche Barrieren der deutschen Sprache erleben die Studierenden?”

• Schwierigkeiten der Studierenden: 76 % bei Referaten (freies Sprechen und Verwendung von Fachvokabular)

• 72% mit wissenschaftlichen Texten (Rezeption, Fachvokabular)

•50% mit dem mündlichen Vortrag der Lehrenden (v.a. Angabe “Dialekt” und Kompliziertheit der Rede)

•56% mit der mündlichen Mitarbeit (Sprechen, Verwenden von Fachvokabular, dialektale Färbung der Rede der Mitstudierenden)

•52% mit Tests und Prüfungen (Furcht vor schlechten Noten durch “Fehler”, schwierige Sprache bei Prüfungsfragen)

Problematik monolingualer Lehrpraxis ohne Unterstützung

•Eine Analyse der Ergebnisse zweier Vorlesungen

•Einführung der STEOP an der Universität Wien

•Problem von monolingualen Eingangsprüfungen

Hypothese•Wenn DaF & DaZ nicht angemessen

berücksichtigt werden, führen Eingangsprüfungen zur Ausgrenzung von Studierenden, die des Deutschen nicht ausreichend mächtig sind. Die Kehrseite der Nichtberücksichtigung wäre die Förderung der Entstehung einer deutschsprachig-österreichischen Selbstethnisierung

•= “elitebildende Selbstethnisierung” (Melter 2011a)

Analyseperspektive•Systemlinguistisch: Besonderheiten der

Wissenschaftssprache Deutsch•Aneignungstheoretisch: Besonderheiten der

Aneignung der Wissenschaftssprache Deutsch•Migrationspädagogisch: Aufdeckung von

Instrumenten zur Erzeugung sozialer Gruppen und Hierarchien und der damit zusammenhängenden Ausschlussmechanismen in Bildungskontexten, Suche nach Wegen der Reuzierung der Ausschlüsse

Was heißt “Wissenschaftssprache”?Spezifisches, hochformalisiertes und tradiertes Register, das an die schulische Bildungssprache anschließtFachübergreifende und fachspezifische Wissenschaftssprache“Alltägliche Wissenschaftssprache” (Ehlich 1995: “Lehre der deutschen Wissenschaftssprache”)

Wissenschaftssprache Deutsch aus Sicht von DaF- und DaZ-Studierenden•Studierende mit DaZ:

“BildungsinländerInnen”, unterschiedliche Sprachstände im Deutschen

•Studierende mit DaF: “BildungsausländerInnen”, Aufnahme des Studiums in Österreich mit dem Nachweis von B2 GERS

Problematik des GERS• Fremdsprachendidaktisches Instrument, daher für

die reguläre deutschsprachige Lehre nur eingeschränkt aussagekräftig

• B2 noch kein Niveau für den Umgang mit der Wissenschaftssprache

• Eignung des GERS für ein Studium in Österreich ist eine politische und keine empirische Entscheidung

• Die Reduktion des GERS auf „Stufen“ und seine Verwendung im Migrationskontext wurden bereits mehrfach stark kritisiert (vgl. Krumm 2007)

STEOPAb WiSe 2011/12 enthalten Bachelor-, Lehramts- und Diplomstudien im ersten Semester eine Studieneingangs- und Orientierungsphase (STEOP).Prufungen der STEOP• Im ersten Semester• Erst wenn alle Prüfungen der STEOP positiv bestanden sind, können weitere Lehrveranstaltungen und Prüfungen des Studiums absolviert werden• (http://spl.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/spl9/Factsheet_Bachelorstudium.pdf )

Analyse• Studierende mit DaF und DaZ kommen in einem

Semester nicht auf das Sprachniveau von Studierenden mit Deutsch als Erstsprache, die eine deutschsprachige Schullaufbahn hinter sich haben

• Studierende mit DaF und DaZ sind damit erheblich im Wettbewerbsnachteil

• Das Einfordern des C1-Niveaus wäre keine Lösung, da die geforderten Kompetenzen in der Lehre erworben werden müssen (“Alltägliche Wissenschaftssprache” – Ehlich 1995)

Folgen• Die monolinguale Eingangspraxis ohne

Rücksicht auf Studierende mit DaF und DaZ führt im Extremfall zu deren Ausschluss

• Dies führt zu einer Selbstethnisierung der deutschsprachigen Majorität i.S.v. “Elitebildende Selbstethnisierung” (Melter 2011) und läuft zudem der Internationalisierung von Bildung zuwider

• Zudem handelt es sich möglicherweise um eine Maßnahme der “institutionellen Diskriminierung” durch Gleichbehandlung (Radtke & Gomolla 1998)- ein System, dem Studierende wie DozentInnen Folge leisten müssen

Lösungen• Umgang mit der Sprache von Eingangsprüfungen• in der Germanistik: Zulassung von

Wörterbüchern für ERASMUS-Studierende• Unterschiedliche Bewertung von

Freitextaufgaben von Studierenden mit DaF & DaZ und DaM (interessante Ansätze in England, Stufenmodell der “Lesehaltungen”: Matsuda/Cox 2004 in Dirim 2013)

• Formulierung der Fragen auf dem Niveau B2 (Aufgabe von DozentInnenfortbildung: Textentlastung)

Übertragung von Methoden der “sprachlichen Bildung” aus dem Schulbereich

•Explizite Mitbehandlung der fächerübergreifenden Wissenschaftssprache in den Lehrveranstaltungen

•Explizite Mitbehandlung der Fachsprachen in den Lehrveranstaltungen

•Diagnosegestützte Unterstützung der Studierenden in der Entwicklung der Wissenschaftlichen Textkompetenz (Knappik 2013)

•“Wege zur wissenschaftlichen Textkompetenz”

•Kurzvorstellung eines neuen Instruments für die Unterstützung von Studierenden an Pädagogischen Hochschulen (Folien: © Magdalena Knappik)

•Download unter: https://www.bmbf.gv.at/schulen/unterricht/ba/sprachen_sfrp_broschuere_26215.pdf?4dzgm2

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Perspektive: Förderdiagnostik• Aufbau:

- Diagnosebögen - Schreibdidaktische Vorschläge- Checkliste zur Selbstevaluation

• Ziele:a) Ermöglichung eines konkreten Textfeedbacks b) Auswahl passender Fördervorschläge

Folie: © Magdalena Knappik

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Kompetenzmodell

Wege zur wissenschaftlichen Textkompetenz, S. 8

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Entwicklung Kompetenzmodell•35 Interviews mit DozentInnen an 7 Pädagogischen

Hochschulen•Analyse eines Korpus von studentischen Arbeiten

(n=115)

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Vorgehensweise•Schritt 1: Diagnose

•Schritt 2: Überlegen: Was ist da, was fehlt noch, was könnte der nächste Schritt sein?

•Schritt 3: Textrückmeldung mit ausgewählten Übungsvorschlägen

Teilbereiche der Diagnose•AutorInnenschaft•Struktur•Intertextualität •Adressatenorientierung•Aneignung einer Fachsprache•Morphosyntax•Orthographie und Interpunktion

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Einsatzmöglichkeiten und Anliegen

• Textfeedbackgespräche• Peer-Analysen und Peer-Feedbacks• Interne Diskussion über Erwartungen an Studierende („Angemessenheit“)• Erleichterung der Explizierung dieser Erwartungen

• KEIN Ersatz für die Einrichtung von Schreibzentren und von Schreibberatung

Einbezug von Mehrsprachigkeit•Qualifikationsangebote in verschiedenen

Wissenschaftsprachen •Nutzung der Sprachen in Lehrangeboten

(Erfarungen mit einem ERASMUS IP an der Universität Wien)

Weitere Möglichkeiten?

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Zitierte Literatur• Dirim, İnci (2013): "Ich schäme mich etwas zu sagen, weil ich zu viele Fehler mache".

Überlegungen zum integrierten Umgang mit Deutsch als Zweitsprache und Mehrsprachigkeit in der akademischen Lehre. Ersch. in (Hrsg).: Springsits, Birgit, Clar, Peter und Markus Greulich (Hrsg): Zeitgemäße Verknüpfungen. Wien (Böhlau), S. 408-425

• Gogolin, Ingrid & Imke Lange (2010): Durchgängige Sprachbildung. Münster (Waxmann)• Gomolla, Mechtild & Frank-Olaf Radte (1998): Institutionelle Diskriminierung: Die

Herstellung ethnischer Differenz in der Schule. Opladen (Verlag für Sozialwissenschaften)• Ehlich, Konrad (1995). Die Lehre der deutschen Wissen schafts sprache: sprachliche

Strukturen, didaktische Desiderate, in: Kretzenbacher, Heinz/Weinrich, Harald (Hg.): Linguistik der Wissen schafts sprache. Berlin, New York, 325-351.

• Knappik, Magdalena (2013): Wege zur wissenschaftlichen Textkompetenz – Schreiben für reflexive Professionalisierung. BMUKK (Broschur), Download unter: https://www.bmbf.gv.at/schulen/unterricht/ba/sprachen_sfrp_broschuere_26215.pdf?4dzgm2

• Krumm, Hans-Jürgen (2007). Profiles instead of Levels: The Common European Framework of Reference for Languages and its (Ab)Uses in the Context of Migration, in Modern Language Journal 91 (2007), 666 - 668.

• Melter, Claus (2011b). Wer darf an die Universität? Aspekte der rechtlichen und institutionellen Diskriminierung von Studierenden aus Drittstaaten, in: Spannring, Reingard/Arens, Susanne/Mecheril, Paul (Hg.): bildung-macht-unterschiede. 3. Innsbrucker Bildungstage. Innsbruck, 133-152.

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