Die Ursachen des Syn- und Dystropiephänomens bei der Tuberkulose

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Beitriige zur Klinik der Tuberkulose, Bd. 105, S. 498--518 (1951).

Aus dem Tuberkulosekrankenhaus und Forschungsinstitut Paulinenberg, Bad Schwalbach im Taunus (Chefarzt: Dr. meal. habfl. K. DZEHL).

Die Ursaehen des Syn- und Dystropieph~inomens bei der Tuberkulose.

Von EltlClI MOI~LER *.

(Eingegangen am 28. Mdirz 1951.)

Uberblickt man die Literatur der Nachl~'iegszeit, so erfreuen sich The- men fiber das Sy~- und Dystropiegeschehen bei der Tuberkulose steigender Beliebtheit.

Ohne vollst~ndig zu sein, sei hinsiehtlich der allgemeinen Problematik auf die Arbeit yon I-I6Rr~G verwiesen. Ein Beitrag yon tIo•sT behandelt die Stellung der kindlichen Infektionen. P~AI)~, sowie KOCH und ScHXFFa~, untersuchen den Einflui3 der Sehflddrfise und ihrer StSrungen auf den Gang der Phthise. F~A~K~ streift die Beziehungen zum homologen Serumikterus, W~Ic r~ die Weehselwirkungen zur Magenresektion. ROSE~Br~TT greift erneut das bisher nicht ersehSpfte Problem Pulmonalstenose/Tuberkulose auf. W~ICXSEL, FRANX, PO~L~rA~N, SIE~.~rt~ bringen wiehtigste Beitriige znm Thema Typhus abdomi- nalis bzw. Paratyphus und Tuberkulose. SIT~ vertieft sich in die in~eressante

�9 Beziehung chronische Tonsillitis, Rheumatismus und ehroniseh-spezifiseher In- fekt. Diese Beispiele, die wit ans einer Vielzahl herausgegriffen haben, mSgen geniigen. In tier Vorkriegsliteratur bilden die wertvollen Ausfiihrungen yon GOEBET,, WI~.S~, KELL~R U. a. den Zugang zu jener Unzahl yon Einzelarbeiten, die, naeh einer eigenen Zusammenstellung, l~is etwa an das Ende des I. Welt- krieges zuriickreichend, in mehrere Tausende gehen.

Will man versuehen, aus diesen zahlreichen ~ul3erungen aUgemeinere Be- grfindungen ffir die beobaehteten Phi~nomene abzuleiten, so spielen hauptsi~chlich 4 Betrachtungsweisen eine Rolle.

1. Eine l~eihe yon Forschern sucht den Schliissel des Geheimnisses im Bereich der Im fektionskrankheiten im jeweiligen Erregermilieu. Wohl am bekanntesten sind die Versuche yon BIlLInG, O~.r~ieHs und Sen-WAlTZ, die unter anderem dutch eine Vorbehandlung yon Kaninchen mit LeprabaciUen eine Hemmung, bzw. ehmn gtinstigeren Verlauf der naehfolgenden Tuberkuloseinfektion, erzielen konnten. Umgekehrt gelang es ihnen, dureh eine Vorinfektion mit Koch-Bacilten und nachtri~glicher Zufnhr yon Lepra- und Colibacillen, eine friihzeitigere und ausgedehntere Herdbildung als bei den Kontrolltieren zu erzeugen. NVKATA und l~Yv fassen dahin zusammen, daI~ die Resistenz gegen Tuberkulose im allgemeinen nach einer Immunisierung mi~ Typhusbacillen, Gonokokken, Bang- und Pestbacillen steige, dagegen nach einer Vorbehandlung mit Choleravibrionen, Pneumokokken, Coli- und Keuehhusten- bacillen sinke.

* Herrn Prof. Dr. FRANZ REDECKER zum ~0. Geburtstag.

Die Ursachen des Syn- nnd Dystropieph~nomens bei der Tuberkulose. 499

2. Sich yon den Eigenschaften der Erreger liSsend, versuch~ spiiter ICKERT yon einer ganz anderen SeRe, d. h. veto K6rper her, fiber die Dreiheit: Stoffwechsel, endokriner Ring und vegetatives Nervensystem und ihre Steuerung durch Zentren im Hypophysenzwisehenhirn auch eine L6sung des Syn- und Dystropieproblems vorzunehmen.

3. Eng damit verbunden wurde im letzten Jahrzehnt, vor allem im Bereieh der Infektions- krankheiten, eine noch g~ngigere Auffassung die, dal] den beobachteten Erscheinungen par- allergische Vorg/tnge zugrunde 1/igen. Die ttauptverfechter dieser These, zu denen wieder IerZERr z~hlt, stfitzen sich dabei auf die Erfahrung, dab in ziemlich strenger zeitlieher Bindung (6--8 ~Vochen) naeh einem interkurrenten Infek~ Entzfindungsh6fe um spezifische Substrate entstehen k6nnen. Zu ihrer pathogenetischen Erkl/irung ziehen sie den yon MoRe und K]~LLER gesehaffenen Begriff der Parallergie heran, worunter jene das Mitreagieren, in unserem Falle jetzt des tuberkul6s allergischen Organismus, auf nieht spezifisehe Allergene verstehen. Ira einzelnen stell$ man sieh vor, dab die :Erreger bzw. die Leibesprodukte der Keime, die den Zwei~infekt hervorrufen, antigene Eigenschaften entfalten. ~J-ber Kreislaufst6rungen (KALB- FLEISC~) oder eine Capillarinsuffizienz (SLAucK), bzw. eine paralytische Ityper~mie (ROF.SSL~), sollen sie eine verst/irkte Wirkung tier prim/~r den KSrper beeinflussenden Antigene (also in unserem :Fall der tuberkulSsen) und damit des ganzen Entziindungsgeschehens zusbande bringen. Auf diese Weise sell die tuberkul6s-allergische Empfindlichkeit so iiberhSht werden kSnnen, dab der spezifische ProzeB nieht ruhig bleibt, sondern Aufflammungssymptome zeigt. Ob sie zu giinstigenoder ungiinstigen Fo]gen fiihren, soil yon der spezifisehen und unspezifischen Widerstandskraft der Betroffenen und nicht zuletzt der momentanen Verfassung der ange- sprochenen tuberkulSsen Substrate abhangen. Aufgepfropften Entzfindungen auf frischen K~seherden wird in allen Stadien eine andere Prognose als solehen um uralten Narben des terti~ren zugesprochen.

4. Als u einer ]etzten Ansieht diskutiert W:EICI(S~L, ~on u WWIel~A~DTS ausgehend, und wieder fiber den Rahmen heterologer Erregerwirkungen hinwegsehreitend, noeh die Aktivierung oder AbsehwRchung des reticuloendothelialen Systems durch den Zweit- infekb. :Bei diesem Erkl/~rungsversuch wird die Frage des Zu- oder Gegenarbeitens zur Tuberkulose auf eine atlgemeinere Reaktion des Organismus, d .h . die Zu- oder Abnahme einer an sich physiologischen Zelleistung zur/ickgeffihr$. Bei der einen Gruppe won Kranken w~re die Anspreehbarkeit auf irgendwelche endo- oder exogene Reize gesteigert und bei der anderen vermhlder~. Ffir den Fall des Typhus z/~hlen naeh WEIC~SEL alle jenen prognostiseh ungfins~igen Tuberkulosen zur letzteren Kategorie, die bei herabgesetzter Reaktionsbereit- sehaft des RES, die verbliebenen Reserven gegen die zusatzliche Infektion Typhus ver- brauchen und dabei dann der Erstinfektion Tuberkulose eriiegen.

Bei den V o r a r b e i t e n ffir e ine Reihe yon P u b l i k a t i o n e n zu :Ende der 30er u n d Anfang der 40er J a h r e fiber den Diabe tes , das Ulcus pep t i cum, den t t o c h d r u e k (bzw. die neuroz i rku la to r i sehe Dystonie) und die L y m p h o g r a n u l o m a t o s e in ihrer S te l lung zur Ttfberkulose (E. M, MffLLEtr s t ie i len wir selbs~verst / indl ich auch a u f diese j e t z t der l e t z t en L i t e r a t u r e n t n o m m e n e n Erk l~rungsversuehe . Sie unseren Unte r suchungse rgebn i s sen zugrunde zu Iegen, h i i t e t en wir uns , d e n n a l len Tier- e x p e r i m e n t e n zum Tro tz h a t t e KvLL~E~ schon 1938 unzwe ideu t ig zum A u s d r u e k gebrach t , da$ de r t yp i sche P n e u m o k o k k e n i n f e k t be im Menschen, d ie lob~re Pneumonie , ke ine erhShte Dispos i t ion zur Tuberku lose schafft . W i r pr f i f ten an e inem gr52eren Mate r i a l die Angabe nach u n d m u g t e n sie best i i t igen. Bei de r Bea rbe i t ung der Un te r l agen ffir unsere t I ab f l i t a t i ons sch r i f t : , ,Pept isehes Geschwiir und Tube rku lose" st ieBen wir au f die merkwf i rd ige Tatsache , dai l de r gleiehe In- fek t m i t Ruhre r rege rn , d. h. moch ten es die ve r sch iedenen Ruhrbac i l l en oder die A m S b e n sein, je n a c h d e m ob er a k u t e inwi rk te oder chronisch wurde , ve rsch iedene Fo lgen fiir das Tuberku losegeschehen zei t igte . So waren uns schon diese E r - kenn tn i s se , zu denen noch eine ganze 1-r ande re r k a m e n , Grund genug, den he t e robak t e r i e l l en G e s i e h t s p u n k t a ls ~16gliehkeit zur E rk l~ rung des Syn- und Dys t rop iegeschehens fal len zu lassen.

500 ErIc~ Mii~R:

Dasselbe galt ffir die These ICKEttTs ill bezug auf die zentrale Steuerung. Wir bearbeiteten 125 Diabetesfiflle und 500 Hochdruckkranke. Auf der Landkarte der vegetativen Zentren im Zwischenhirn lagen die Lokalisationen far die Ursache beider StSrungen in niichster Niihe. Ihre Stellung zur Phthise war aber eine abso- lut kontr/~re. Als wir schlie$lich noeh aus eigener Anschauung den zentralen Diabetes sieh nicht anders verhalten sahen als den Pankreasdiabetes und diese Beobachtung aueh im fremden Material wiederfanden, waren far uns auch fiber diese Auffassung ICKmCTs die Akten geschl0ssen, zumal die S~Mo~cDsche Kaehexie eine mit seinen Vorstellungen nicht zu vereinbarende Sonder- stellung behauptete. . . . .

Jener Gedanke ICX~Ts yon der Parallergie nahm auch uns ffirs erste ge- fangen. Ware er das allgemeine tragende Prinzip zur Erklarung des Syn- und Dystropiegeschehens, so miif~ten zumindest in der Theorie yon allen Infektionen etwa gleiche Quoten der Anfaehung oder aueh Besiinftigung der Tuberkulose gefordert werden. In Wirklichkeit ergibt sick aber dock die Seltsamkeit, dab gewisse Infektionen vorhandene spezifische Substrate weir fiber alle Resultate tier Wahrscheinliehkeitsreehnung aktivieren und auf der anderen Seite aueh wie- der nieht aktivieren. Ein schSner neuer Beleg far diese Tatsache sind die Unter- suehungsergebnisse yon tto~sT, die aus 3 Jahrgi~ngen des yon ihr fibersehenen l-Iauses mit 625 Kindern, die allgemeine, allein aus der Tuberkulose heraus ent- standene Sehubhanfigkeit mit 3,8% (d. h. 24 F/~llen) ermittelt. Ffir 66 Masern- erkrankungen findet sie mit 5 intrathorakalen Verschlechterungen, 2 Phlyktgnen und 5 aufgeflammten spezifischen Otitiden aber 18,2 %. Die Aktivierungsquote der Masern ist also um fund das 5fache hSher, w~hrend sie fiir 95 Scharlaeh-, 35 Diphtherie- sowie 75 Mumpserkrankungen im gleiehen Material 0% betrKgt. So konnte es schon im Bereieh der Infektionskrankheiten generell nicht so sein,

�9 ganz abgesehen davon, dab mit dem Phgnomen der Parallergie die aus anderen Nosologien heraus entstandenen hohen und hSehsten Syntropien Silicose III / Tuberkulose, dekompensierter Diabetes/Tuberkulose, Pulmonalstenose/Tuber- kulose keine ErklKrung finden kSnnen. Dasselbe gilt far die hohen Dystropien eroupSse Pneumonie/Tuberkulose und lymphatische Leuk~mie/Tuberkulose. So reicht auch dieser Gedanke der Parallergie nicht zu, um eine gene.relle Erkliirung far die yon 1ms ins Auge gefat ten Gesehehnisse zu geben.

Am sehwierigsten war es, eine halbwegs sichere Stellungnahme zum letzten Gedanken yon der Stiirkung oder Schwi~ehung des RES dutch einen 2. Reiz zu gewinnen. In der Art seiner Formulierung sprengte er ftirs erste, wie es aueh schon jene These yore Hypophysenzwisehenhirneinflul) tat , den Rahmen des rein In- fektiSsen. Auterdem mu t t e 2. anerkannt werden, dal3 wesentliehste Sehutz- und Abwehrvorgange des Organismus dutch das RES geleistet werden. Urn jedoch auch ffir diesen Erkliirungsversuch zu einern Ergebnis zu kommen, erstellten wit zu einer Zeit die Reihe der Syn- und Dystropiekrankheiten und besahen sie uns in bezug auf ihre RES-Inanspruchnahme. Wir bekamen so 2 Reihen, die niemals ein tragendes Prinzip abgeben konnten. Da aul~erdem alle Versuehe, dureh eine Reizung des RES der Phthise Herr zu werden, zu keinen eindeutigen Resultaten fiihrten, liel3en wir schliel31ich auch diesen Gedanken fallen und hielten nach einer anderen Betraehtungsweise Ausschau.

Die Ursachen des Syn- und Dys~ropieph~nomens bei der Tuberkulose. 501

Bevor wir uns dieser zuwenden und am Beispiel der gEngigen Infektionskrank- heiten entwickeln, halten wir den Entscheid zweier Vorfragen f(ir notwendig. Und zwar ist

1. zu kl~ren, wie in der yon uns herausgegriffenen Krankheitsgruppe die Syn- und Dystropieverh~ltnisse tats~chlich stehen, und

2. in welchem Infektionsverlauf die eigentliehen Abwandlungen liegen.

Um fiir das Gesamtgebiet der Inneren Medizin geltende Unterlagen zu be- kommen, legten wir unseren Untersuchungen ein Material yon 982 Sektionen und Ausziige aus 2600 Krankenbl~ttern. unserer friiheren Arbeitsst~tten in Beetz- Sommerfeld und Leipzig zugrunde. AuBerdem wurden fund 3500 Titel der ein- schl~gigen Literatur beriicksichtigt.

Zu 1. Bekannterweise wurde die yon v. PFAUNDLER und v. SEHT geschaffene Lehre yon den Syn- und Dystropien ziemlieh frei yon genetischen Bindungen ent- wickelt. Vom Konstitutionellen herkommend, wollten sie mit diesen Begriffen in einem Schritt zum exakt Rechnerischen bin, lediglich die gegenseitige Zu- oder Abneigung zweier oder mehrerer Krankheitszustande ausdriicken. Ihrer Definition nach handelt es sich bei der Statuierung eines solchen Verhaltnisses, was auch ffir uns recht wichtig ist, immer um eine klinische Aussage. Liegt der erreehenbare Index fiber ], so wird die Syntropie als positiv bezeichnet und es bestehen zwisehen den betraehteten Erkrankungen irgendwelche sich begiinstigen- den Zusammenhange. Ist er kleiner als 1, so wird sie negativ oder Dystropie ge- nannt. Jenseits eines neutralen Bereiches zwischen 1,0--0,6 wird sie zum eigent lichen AusschluBverhaltnis. Gehen wir yon dieser Definition aus, so ergeben sich naeh unseren Untersuchungen f(ir die 17 wichtigsten, dem Infektions- kapitel eines Lehrbuehes zugezahlten Krankheiten, die in Tabelle 1 darge- stellten Verh~ltnisse.

Aus ihr ist zu entnehmen, da2 wir fiir die iiberwiegende Zahl recht klar sehen. (~ber die Poeken k5nnen wir keine verlassigen Angaben machen. Auf die eigen- artigen Verhaltnisse beim Typhus und Paratyphus werden wir weiter unten aus- fiihrlich zu sprechen kommen.

Zu 2. Werfen wir die Frage auf, welcher Teil des Doppelinfektes abgewandelt wird und in welcher Weise es geschieht, so treffen wir als Regelverhalten das Unverandertbleiben des interkurrenten, kiirzer dauernden an (Tabelle 2). Soweit also Ver~nderungen eintreten, ]iegen sie fast ausschlieBlich im Verlaufsbilde des ehronischen, el. h. jetzt der Tuberkulose. Dabei ist fiir das Angesprochensein der Phthise durch den kiirzer wahrenden, die allen echten Syntropiekrankheiten zu eigene, jenseits aller Wahrseheinlichkeitsrechnung liegende ,,synerge" Beein- flussung des Morbus Koch, Selbstverstandlichkeit. Bei den im neutrotropen bis dystropen Verhaltnis stehenden Erkrankungen sind wir jedoch in der miBlichen Lage, nicht scharf pr~zisieren zu kSnnen, was hinsiehtlich einer mSglichen Besse- rung auf Konto einer schon vorher vorhandenen Heilungstendenz des Propanden zu setzen ist und was, als eehter dyserger Einflul~, auf die Auswirkungen der inter- kurrenten Zweitkrankheit. Aus praktisehen Erwagangen trennten wir daher beide MSgliehkeiten nicht sch~rfer. Soweit aber auf dysergem oder neutralem Boden in Ausnahmen synerge Riickwirkungen auf das Lungenleiden zu konstatieren sind, werden sie weiter unten ebenfalls eine Erkl~irung finden.

5 0 2 ERICH Mi)~ER:

Tabelle 1. StelIun9 der ffel~iu/igen In/ektionskrankheiten nach ihrem Syn-, Neutro- oder DystropieverMiltnis zur Tuberkulose.

B e m e r - N r . Y K r a n k h e i t S y n t r o p N e u t r o t r o p D y s t r o p U n M a r k u n g e n

1 2 3 4 5 6

7 8 9

10

11 12

13

14 15 16 17

l~Iasern . . . . . . . . . Seharlaeh . . . . . . . . RSteln . . . . . . . . . Poeken . . . . . . . . . Windpoeken . . . . . . . Grippe a) Kindesa l te r . . . . . .

syn t rop

b) Erwachsene . . . . . . syn t rop K e u c h h u s t e n . . . . . . - - b lumps . . . . . . . . . - - Diphther ic . . . . . . . - - T y p h u s abdominal is . . synerg

P a r a t y p h u s . . . . . . .

- - dys t rop neu~rotrop bis dys t rop

neu t ro t rop his dys t rop

wahr- scheinlich

neu t ro t rop

n e u t r o t r o p neu t ro t rop bis dys t rop neu t ro t rop bis dys t rop

und dyserg

lmklar

Zahlenv~ rh/fltnisse noeh n icht klar

unk la r I vielleicht syn t rop Brucellose . . . . . . . .

l~,uhr ' a) akute . . . . . . . . b) ehronische . . . . . . Sepsis . . . . . . . . . Fokal infekt ion . . . . . . Erysipel . . . . . . . . Malaria . . . . . . . . .

syn t rop

neu t ro t rop

n e u t r e t r e p

] _ _

syn t rop

q

- - dys t rop n e u t r o t r o p bis dys t rop

- - I dys~_rop - - I

bei chronisehem Ver lauf

Tabelle 2. VerIau/sgestaltun 9 der akuten In/ektionskrankheiten bel iMem Zusammentre]/en mit der Tuberkulose.

Nr. Krankheit Verlauf im wesentlichon

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13

14 15 16 17

Masern . . . . . . . . . . Scharlaeh . . . . . . . . . R6te ln . . . . . . . . . . . Pocken . . . . . . . . . . Windp0cken . . . . . . . . Grippe . . . . . . . . . . . K e u c h h u s t e n . . . . . . . . M u m p s . . . . . . . . . . Diphther ie . . . . . . . . . T y p h u s abdominal is . . . . P a r a t y p h u s . . . . . . . . Brucellose . . . . . . . . . R u h r . . .

a ) akute . . . . . . . . . . h) chronisehe . . . . . . . . Sepsis . . . . . . . . . . . Fokal infekt ion . . . . . . . ]~rysipel . . . . . . . . . . Malaria . . . . . . . . . .

unveri~ndert unver~nder t unve rgnde r t u n b e k a n n t wahrseheinl ich unvergnder~ unterschiedliche Beriehte gebesserb unver~nder t unver~nder~ unver~indert wahrscheinl ieh unve rgnde r t unver~nder$

unver~nder t unver~tndert unver~nder~ unver / inder t unver~nder t unver~nder t

E n t w i c k e l n w i r n u n d a s y o n u n s g e f u n d e n e S c h e m a , s o w a r e n u n s i m

V e r l a u f u n s e r e r F o r s c h u n g e n d i e V e r h g l t n i s s e be i d e n I n f e k t i o n s k r a n k h e i t e n in

d e m S i n n e u n g e m e i n w i c h t i g , a l s s ie u n s i n d e r V a r i a b i l i t ~ t i h r e r E r s c h e i n u n g s -

Die Ursachen des Syn- und Dystropieph/inomens bei der Tuberkulose. 503

und Verlaufsbilder 1 dahin belehrten, dab dieses Prinzip in allen und auch in der Tuberkulose enthalten, und damit aus ihrer allgemeinen Pathologie stammen miisse.

Zeigen wires yon seiten der Tuberkuloso her auf, so ist es bekanntlieh mSglieh, ihre Geschehnisse in zweierlei Weise darzusteHen.

Einmal kann man sich der yon l~A~x~, gesehaffenen Betraehtungsweise be- dienen, nach der es yon einem Status derUnber/ihrtheit aus, naeh der Einwirkung der infektiSsen Noxe,

1. fiber eine gewisse Vorbereitungszei~, der Inkubation, 2. zur Ansiedlung der Erreger im K6rper kommt, die dieser 3. mit einer erh6hten Reizbarkeit in Ar~ der eigentlichen Krankheit, beantwortet, die

sehlieBlieh dalm 4. entweder in Heilung oder Tod ausgeh~.

BewuBt oder unbewuBt stiitzen sich die meisten der bisherigen Erkli~rungs- versuche auf diese RA~-K~sche Konzeption.

Zweitens zeigte ttOFF, dab sich der Ablauf der Infektionslu'ankheiten, mSgen diese im Sinne des vorausgestellten H6~I~(~schen Schemas akute oder chronisch cyclisehe, Fieberanfalls- oder Anginakrankheiten oder nur lokale St6rungen sein, pathophysiologisch noch anders als nach RANKE zerlegen 1/~l]t. Wie Tabelle 3 zeigt, kann es gewissermaI]en in Art eines pathophysiologischen Grund-und Aufrisses des Entziindungsgeschehens schlechthin geschehen. :Fiir uns ist es nur wesentlich, festzustellen, dab alle yon uns im vorherigen benannten Erkrankungen diesem Schema fo]gen und anch die Tuberkulose im ganzen und im Sehub naeh diesem Plan abl~uft.

Tabelle 3. Einteilung des l~eaktionsablau/es im In]ektionsgeschehen nach HOFF.

1. :Phase 2. Phase

1. ~ieberanstieg. ~'ieberhShe 2. Leukoeytenanstieg mit myeloiseher Ten-

d e n z 3. AbfM1 der Alkalireserve (Aeidose) 4. Anstieg des Gesamtstoffwechsels 5. Vermehrter EiweiBzerfall 6. Anstieg des Blutzuekers 7. Abfall des Blutcholesterins 8. t~bergewich$ des Sympathieus

1. ~ieberabfall 2. Leukocytenabfull mit lymphatischer Ten-

denz 3. Anstieg der Alkalireserve 4. Abfall des Gesamtstoffwechsels 5. Geringerer EiweU]zerfali 6. Abfall des Blutzuckers 7. Anstieg des Bluteholesterins 8. Ubergewicht des Parasympathicus

LieBen wir aber die in Tabelle 1 aufgeffihrten Erkrankungen Revue passieren, so muBte bald auffallen, daB die im ausgesprochensten Syntropieverh/fltnis zur Tuberkulose stehenden Masern m~d die pandemische Grippe in Punkt 2, unter dem die leukocythre Reaktion aufgeffihrt ist, eine sehr bemerkenswerte und aus

1 H6RI~G unterscheidet folgende 5 Haupttypen: 1. Akute cyclische Infektionskrankheiten (z. B. Masern, Typhus); 2. chronisch cyclisehe Infektionskrankheiten (z. ]3. Tuberkulose, Syphilis); 3. Fieberanfallskmnkheiten (z. B. Malaria, Rfickfallfieber); 4. Anginakrankheiten (Angina simplex, Diphtl~erie) ; 5. lokale Infektionskrankheiten (z. B. akute Enteritis infectiosa, Ruhr, Gonorrhoe).

504 ERIC~ ~r :

de r P e r s p e k t i v e de r Tuberku lose gesehen - - deren Abwehrvorg~nge ja ganz in e rs te r Lin ie celluli~r d e t e r m i n i e r t s ind - - , die entscheidend wicht ige A u s n a h m e maehen . I ) e n n wi~hrend die biologische Vorlage in P h a s e 1 eine Vermehrung der L e u k o c y t e n m i t Tendenz zur L inksve r sch iebung und zumindes t g le ichb le ibenden L y m p h o c y t e n z a h l e n vors ieht , fa l len sie bei be iden be t r~ch t l i ch ab.

STAEHV, LIN besehre ib t das t yp i sche B l u t b i l d der Morbi l l i folgendermal3en:

,,W~hrend der Inkubation besteht eine neu/~rophfle Leukocytose mit Eosinophilie. Wahrend des Initialstadiums sinkt die Gesamtleukocytenzahl rasch ab, ebenso die der Lymphocyten. Am 1. und besonders am 2. Tage des Exanthems.besteht h/~ufig eine ausgesprochene Leukopenie mit wenig Lymphocyten und h6chstens vereinzelt Eosinophflen. In den letzten Fiebertagen steigen die Leukocyten, besonders die Lympho~yteri wieder an, die Eosinophilen erscheinen wieder und in der Rekonvaleszenz kommt es zur postinfekti6sen Lymphocytose und Eosino- phflie."

tt6RIZ~O g ib t fiir die Gr ippe folgende Blu t fo rmel an :

,,Der Blutbefund wechselt. H~nfig besteht initial eine neutrophile Leukocytose, die sehr rasch zurtickgeht und einer oft sehr hochgradigen Leukopenie Platz macht. Meistens gehen die Lymphocyten starker zurfick als die Neutrophilen, so clal] die relative Zahl der (oft stark toxisch ver~ndertcn) Neutrophilen erhSht bleibt. Die Eosinophilen verschwinden haufig ganz. In der 2. Woche gehen diese Ver~inderungen zuriick und in der I/ekonvaleszenz beobachtet man nicht selten eine reaktive Lymphoeytose und Eosinophilie. I)iese Blutvergnderungen sind aber nur etwa in einem Drittel der Falle typisch."

RErsw~.I~, GUTZmT und MANDEL sprechen sieh ebenfa l l s gan z e indeu t ig f i ir n iedr ige Leukoey t en - (d. h. im wesen t l i chen Granu loey ten - )zah len und eine aus- gesprochene L y m p h o p e n i e aus.

Ana lys i e r en wir diese Er sehe inungen und vor a l l em die h in t e r ihnen s t ehenden Ursaehen , so s ind ers tere nach OLITZKY, AVINARY und BENDERSKY keineswegs als Zufal l , sondern als A u s d r u c k besondere r E igenscha f t en der K r a n k h e i t s e r r e g e r oder ihres Stoffwechsels anzusehen. Vom K S r p e r he r mi issen wir abe r in den Cha rak t e r i s t i ken dieser B lu t fo rmeln ganz b e s t i m m t ger ich te te F u n k t i o n s - u n d Leistungszust i~nde der a b w e h r t r a g e n d e n hi~matopoet ischen Gewebe sehen.

Dem 0rganismus stehen zur Abwehr bakterieller Schiiden grundsiitzlieh 2 Abwehrsysteme zur Verfiigung. Und zwar 1. das cellulare, an die Leistungen der Granulo-, Lympho- und Monocyten gebunden, das bei der Tuberkuloseabwehr besonders beansprucht wird und 2. das humorale, dessen Bildungsstatten im wesentliehen in das RES zu verlegen ist. Beide unter- stiitzen sich gegenseitig oder besser gesagt, arbeiten Hand in Hand, und erst die Zusammen- arbeit beider maeht die vollwertigc Abwehr aus. Beide reagieren jedoch zeitlich verschieden. Die leukocytare Reaktion tri t t sofort m i t Beginn der Infektion aufi In der 1. Phase des Kampfes komm~ somit ihren Muttergeweben (Knochenmark und Lymphapparar ) die grSBere Last zu. Die humorale braucht schon zu ihrem Anlaufen 1anger und erreicht auch ihr Maximum spater. Ihr HShepunkt fallt gewShnlieh mit der auch morphologiseh eindeutig failbaren Reparationsphase, mit il~rer mono- und lymphocyti~ren Reaktion, zusammen. Nach neueren Untersuchungen yon WnvrE und DAVGHTERY fiber die Lymphocytenfunktion und die AntikSrperbildung ist auch das kein Zufall, sondern innere Bedingtheit. Wie die Lympho- cytose ist die humorale Reaktion viel nachhaltiger.

F i i r den Fa l l de r Masern h a t nun F ~ K E L D E r schon a m Anfang des P rod roma l - s t ad iums , bzw. a m E n d e der I n k u b a t i o n , sowohl an den Mande ln als aueh im W u r m f o r t s a t z gewisse Ver i inderungen gefunden, d ie sieh

,,durch Zerfallsvorgange an den Lymphocyten einerseits und durch Wucherungen am retieulaien Zellsystem, sowie Bildungen ganz eindeutiger Riesenzellen andererseits"

Die Ursaehen des Syn- und Dystropieph~nomens bei der Tuberkulose. 505

charakterisieren. Unter besonderer Betonung ihres selektiven Ausgerichtetseins auf das lymphatische und lymphoide Gewebe hat F I sc~ ,~ diese Befunde be- st~tigt. Damit steht ffir die Masern der krankheitsspezifische Zellschaden im Lymphgewebe lest.

Wie GRXFF und ECK auBcrdem betonen, handelt es sich dabei in diesen Substraten - - was in Verbindung zu unseren vorausgestellten Ausffihrungen fiber die ParaUergie zu bemerken nicht unwich~ig is~ --- nich~ um Produkte allergischer Vorgange, wie Fn~K~LD~Y anfAnglich meinte, sondern um echte und direk~e Folgen der Viruserkrankung, die eben auf diese Weise ihre Lymphotropie dokumentiert.

Den einschliigigen Verh~ltnissen bei der Grippe widmen SCKN~,TZ und GI~EIFF, unter besonderer :Betonung der Ver~,nderungen in den myeloisehen Stammgeweben, eine nicht minder interessante Studie. In ihr fassen sie, in Be- kr~ftigung der vorher gebrachten Gedankeng~nge yon OLITZKY, Au und B]~DE~SKY, ihre eigenen Eindrfieke zum ersten dahin zusammen, dab der Grad der Leukopenietendenz geradezu als Ausdruck der Schwere der Noxe, und der Akuit~t des jeweiligen Gripppeinfekts aufgefa[3t werden daft. Zweitens stellen sie lest, dab die Schwere des Befundes im Blur und im Knoehenmark parallel gehen. SehlieBlich fiihren sie drittens fiber diese in ihren Ursprfingen myelogen gearteten Grippeleukopenie aus, da[~ sie fiber die ,,Ausbildung reinen Fet tmarkes" bis zu ,,Begleitagranulocy~osen" im Sinne ROHRs gehen kann. I)ri~ngen wit die, nach dem HS~i~Gschen Blutbild ebenfalls vorhandene Lymphopenie ffir einen Moment in den Hintergrund, so steht mit diesen Untersuchungen ffir die Grippe auch der ernste myeloisehe Schaden auBer Zweifel. Reehnen wir aber diese lymphalbischen Ausfalle zu, denn je naeh dem Genius epidemicus, d .h . im wesentlichen nach der Zusammensetzung des jeweiligen Mischinfektes, wird das Sehwergewicht der Auswirkungen bald auf dem einen und bald auf dem anderern Sektor oder auch in .beiden liegen, so wird in jedem l~all die tiefergehende L~sion im hi~matopoetischen Apparat iibrig bleiben.

Kehren wir nun wieder zu dem voranges~ellten Punkt 2 des Ho•]rsehen Sche- mas und seine krankheitstypischen Abwandlungen im Verlauf der Grippe und Masern zurfick, so zeigen, nach den gerade angefiihrten Belegen, beide Infektionen in den h~matopoetischen Stammgeweben unzweffelhas ernstere Sch~den. Soweit wir die Literatur kennen, wurde jedoch bisher niemals der Versueh gemacht, wie wires tun, die Ph~tnomene der Synergie und damit aufs Numerische iibersetzt, die der Syntropie bei der Tuberkulose, allum/assend aus diesem Blickpunkt zu er- kl~ren..

Dabei erscheint es uns fiirs erste nicht wichtig, zu entscheiden, ob der kenn- zeichnende Zug der Lympho. ode r Granuloeytopenie im str6menden Blu~ und seiner Matrix ffir sich alleine es ist, der dem Phthisiker gefiihrlich wird, d .h . die Vorbedingungen ffir die Aktivierungen schafft oder ein in Parallelschaltung zur numerischen Produktion der Einzelelemente vorhandener funktioneller Schaden oder beides, was auch zu diskutieren w~ire, sondern es ist uns einstweilen nut wichtig herauszustellen, dal~ sich nach unseren eingehenden Untersuchungen die synerge Seite des Syn- und Dys~ropieproblems bei der Tuberkulose fiber alle Nosologien hinweg auf diese Weise exakt begrfinden 1/il]t. Um aber yon Anfang an richtig verstanden zu werden, sei sofort darauf verwiesen, dab mit der

506 E~Ic~ M(~LL~R :

Feststellung eines Syn- oder Dystropieverh~ltniss eln Entscheid getroffen wird, der je nach seiner zahlenm~l~igen H6he, relativ frei yon dem Begriff Individualit~t, sich nur auf die Enti t~t Krankheit bezieht. Nur aus dieser Perspektive ist die yon uns an die Sch~den im Knochenmark und Lymphapparat geknfipfte Meinung zu verstehen, dab sich im Falle des Auftretens synerg auf den Verlauf der Tuber- kulose auswirkender Zusatzerkrankungen, deren krankheitstypische Sch~den in den h~matopoetischen Muttergeweben mit den aus der tuberkul6sen Entziindung und ihrer Beherrschung kommenden Erfordernissen so unglficklich fiberdecken oder auch erg~nzen, dab in der Peripherie der cellul~re und das heii3t fiir den Fall der :Phthise in erster Linie lymphocyt~r aufgebaute Schutzwall in einer Weise beeintr~chtigt werden kann, dal~ in einer Reihe yon F~llen die Koch-Bacillen wieder auf ungeschfitztes Terrain gelangen. Da aus den gleichen Grfinden noch eine ganze Zeib nachher eine Abwehrschw~iche des Organismus anzunehmen ist, haben die Tuberkelbacillen Gelegenheit, sich relativ ungest6rt zu entwickeln, und als Foige davon stehen wir dann vor dem neuen Schub oder anders ausgedriiekt, vor der masern- oder grippebedingten Aktivierung. Dai3 diese Vorg~nge tats~ich- lich ablaufen, geht s den Fall der Morbilli unzweideutig aus Mitteilungen yon KU:ND1L~TITZ und Koc~ hervor. Denn ~]~UI~DRATITZ sah Erstinfektionen mit Tuberkulose nach Verabreichung yon Masernrekonvaleszentenserum, das von tuber- kuloseinfizierten Kindern stammte. Obwohl klinisch eine inaktive Tuberkulose vorzuliegen schien, waren also trotzdem Bacillen im Blut der Spender vorhanden. KocK konnte beobachten, dal~ schon im Prodromalstadium der MorbiUi die zellige Exsudation so ungiinstig beeinfluBt werden kann, dab eine Schiidigung des Sehutz- walles um den tuberkul6sen Einzelherd auftritt , die fiber das Freiwerden yon tuberkulinartigen Substanzen das Aufflammen alter Tuberkulinhautproben und gleiehartiger Ph~inomene noch im Vorbereitungsstadium der Krankheit erkls und andererseits durch die Freisetzung yon Koeh-Bacillen auch sparer auftretende Aktivierungen verstehen liiSt. Ffir die Grippe schreibt aber v. NEERGAARD, als einer ihrer besten Kenner, dab der durch die Viruseinwirkung verursachte Abfall des AbwehrvermSgens nicht durch eine al]gemeine Abwehrschw~ehe zustande kommt, sondern durch eine ls Zeit anhaltende ,,bestimmt gerichtete toxische Depression des leukopoetisehen Apparates". Im Falle ihres Zusammentreffens mit der Tuberkulose kann sie sich dahin realisieren, dab es im Sinne REDEKERS ZU einer Verschiebung der Reagibilitatsgrenze kommt, bei der sowohl Tuberkulin, als auch Koch-Bacillen austreten kSnnen. Damit sind also Voraussetzungen vor- handen, die auf dieselbe Weise wie bei den Masern die krankheitstypischen Akti- vierungen verstandlich machen.

Fiir die dritte, bei uns aus klimatischen Griinden weniger oft gesehene Syntro- pie, die mit der Malaria, gilt ahnliches. An die SchiitteffrSste und ihr Verschwin- den gebunden, wechseln sich Phasen der Leukocytose und der Leukopenie ab (Sc~uLTEN). Bei l~ngerer Dauer fehlt nie die Milzbeteiligung, die ihrerseits zur Granulocytopenie disponiert. Sehliel]lich finden sieh neben einer manehmal iiber- aus starken monocytaren Reaktion noch Schiiden im Lymphapparat (NAEG~.LI). Insgesamt also wieder vielfache L~i.sionen in den h~imatopoetischen Ursprungs- geweben, die jedoch im Vergleich zu den vorher angefiihrten beiden Erkrankungen in gleicher Weise geringfiigiger sind, wie auch der Verbundenheitskoeffizient niedriger liegt.

:Die Ursachen des Syn- und Dystropieph/inomens bei der Tuberkulose. 507

W e n d e n wir uns abe r zur Verdeu t l i chung des Kon~ras tes , ohne die d y n a m i s c h e r ges te l l ten Verhif l tnisse des T y p h u s abdomina l i s und der a k u t e n u n d ehronischen l~uhr h ier abgehandel~ zu haben , sofor$ den neu t ro t rop oder d i r ek t an tagon i s t i s ch zur Ph th i se e inges te l l ten Infek$ionen zu, so beschre ib t H6RI~G das B lu tb i l d des Schar laehs fo lgendermaBen:

,,Im Blur finder man in der Regel veto Beginn der Krankheit an eine Leukoeytose, die oft nur gering ist, aber auch bis fiber 20000 steigen kann und oft sehr langsam w/~hrend der Re- konvaleszenz abnimmt. Die Vermehrung betrifft haupts/iehlich die Iqeutrophilen, die zu einem grogen Prozentsatz stabkernig sizid und oft toxische Ver/inderungen im Protoplasma aufweisen, namentlieh Verklumpungen basophfler Substanz, die sog. DOHLEsehen K6rper- ehen. Charakteristiseh ist eine Vermehrung der eosinophilen Zellen, die am 2. oder 3. Tag des Exanthems auftritt und oft mehr als 10% erreicht. Die Eosinophilie, die versehieden lunge andauert, fehlt nicht nur in sehr schweren Fallen, in denen die Eosinophilen vermindert sein und ganz verschwinden kSnnen, sondern bisweflen auch bei leiehteren F/illen."

Im Mark finder sich nach LnrrNnR dazu stets eine mehr oder wenig stark ausgepr/igto myelo- oder metamyeloeyt/ire Linksverschiebung, Eosinophilie und Plasmazellvermehrung.

R6~eln:

,,Leiehte Leukoeytose am Anfang, sp~ter vermindert. Manehmal Eosinophilie. Relative Lymphoeytose mit atypischen Formen, wie Lymphoblasten und Plasmazellen, also ein Blutbild, wie beim Drfisenfieber. Die Krankhei~ wird daher auch mi~ diesem yon GLA~Z- ~AN~ als benigne infektiSse Lymphoblastose zusammengefal]t. Die Plasmazellen erreiehen am 4.--5. Tag ein Maximum (So~ULTE~r).

W i n d p o c k e n :

,,Widersprechende Befunde, anscheinend meis~ Leukopenie mi~ relativer Lymphoeytose. Gelegentlich ein buntes Blutbild wie beim Drfisenfieber" (ScHULTEN).

K e u e h h u s t e n :

,,Sehon im katarrhalischen Stadium meis~ deutliche relative und absolute Lympho- eytose, die im konvulsiven noeh zunimmt. 30000--40000, ja bis zu 200000 Leukoeyten wurden beobachte~. 1)as typische Blutbild kann aber auch, namenflieh bei Sauglingen, fehlen" (SCHULTEN).

l~[umps:

,,Die Angaben fiber das Blutbild lauten verschieden. Meistens soU im Beginn eine Leukopenie mit relativer Lymphocytose, sparer Leukocytose mit absoluter Lymphoeytose, oft mit hoher Eosinophille vorkommen" (H61~ING).

I ) i ph the r i e :

,,Das Blutbild zeigt eine neutrophile Leukocytose mit Verminderung oder Fehlen der eosinophilen Zellen" (HORING).

Im Sternalpunktat fand D~ FILr~I eine Hyperplasie des Granuloeytensystcms, an der aueh unreife Formcn beteilig~ waren.

Sepsis :

,,Befunde je nach Sepsisherd, dem speziellen Verlauf und der Erregerart sehr verschieden. Meist m~Bige An/~mie. Erheblicher nur durch GasbaciUen und durch anaerobe Strepto- kokken. H/~ufig Aussehwemmung yon Erythroblasten. Gelegentlich Ankl~nge an ein perniziSs-an~misehes Blutbild, aber bisher nie sicher Megaloblasten nachgewiesen. Sehr starke Leukocytosen. l~ur bei Gasbrandsepsis und bei eitrigen Metastasen m~Big erh6hte Werte. Gelegentlich aueh normale oder erniedrigte Leukocytenzahlen, clio bei dauerndem Besteheu auf eine ungfinstige Prognose hinweisen. Meist Fehlen oder Verminderung der Eosinophilen, merkwfirdigerweise h~ufig nicht bei den stets t6dliehen Endokarditisf/illen" (ScTrULTE~).

Nach K r ~ besteht bei der Endocarditis lenta, der Septikopyamie und auch der Gono- kokkensepsis eine m~Bige Linksversehiebung im Mark, was auch LEr r~R best~tigt.

508 Emc~biii~ER:

Fokahnfektion:

,,Bei der sog. fokalen Infektion &nd B_AI~ ein vSllig normales Blu~bild, nur wenn sich periapikale Jbscesse an den Z~hnen gebildet hatten, kam es leiehger zu neutrophfler Leuko- cytose" (SeHULTEN). Wit selbst sahen nicht selten Lymphocytosen.

Das Erysipel:

,,Neutrophile Leukocytose und Linksverschiebung etwa der Schwero der Erkrankung entsprechend" (SCHULTEN).

Bringen wir nun die ffir die angefiihrten l~eutro- und Dystropien aufgezeigten Ver/inderungen des strSmenden Blutes und seiner Matrix auf einen gemeinsamen Nenner, so zeichnen sic sich im gewShnliehen Fall durch den fehlenden Schaden im lymphatisehen System oder sogar durch dessen Reizung und andererseits durch eine fiblicherweise vorhandene Steigerung der Myelopoese aus, die nur in Aus- nahmen fehlt oder sogar durch granulocytopenische Tendenzen lahmgelegt wird. Auf einen Satz gebracht, ist das das Hauptmerkmal dieser Erkrankungen. Auf die Biologie der tuberkulSsen Entzfindung umgeschlagen, bedeutet es abet, dab dureh die krankheitstypisehen Veranderungen dieset Infektionen in den abwehr- tragenden Geweben, diese im Regelfallkeine LeiStungseinbuSen erleiden, durch die die leuko- und lymphoeyt/~ren W/~lle (und ihre Weiterentwicldungen) um die Tuberkelbaeillen ernsthaft gesch~digt werden k6nnten. So bleiben diese Sperr- riegel der Masse nach unberiihrt, ja bei einigen Erkrankungen dfirfen wir aueh der Theorie nach sogar eine zeitweiligeVerst~rkung annehmen. Auf die Realit/s dieses Blutbildverh~ltnisse und ihren h/imatologischen Voraussetzungen f'fihren wir die dyserge, d .h . ins l~umerische iibersetzt, die neutrotrope oder direkt dystrope Stellung dieser Krankheiten zur Phthise zuriick, wenn wir unter einem gelinden Abweiehen yon der v. PrAV~DL~schen Definition den Begriff dystrop mehr im Sinne des Antagonistisehen verstehen. Zu den Ausfi~llen und Sehwi~ehen der hi~matopoetisehen Gewebsverbi~nde bei den Syntropien bilden diese Ver- /inderungen das andere Grundmotiv in den Resultaten unserer Forschungen. GewissermaBen als Gegenthema zu dem erstangetSnten, begleitet es uns dutch alle Organbereiche, freilieh, wie aueh das erste, in jedem, je naeh nosologiseher Konstellation und OrganmSglichkeR, in verschiedenenMedulationen abgewandelt.

Wenden wir uns nun nach Herausarbeitung d e s Grundprinzips den bjsher noch nicht besprochenen Krankheiten des Infektionskapitels zu, so sind das, wohl mehr zur Syntropieseite h/~ngend (die Verh~ltnisse sind im Numerisehen noeh nicht klar), der Typhus und seine Homologen. Auch die Brucellose und die Ruhr behaupten Sonderstellungen, die mit der Grippe die Eigentiimlichkeit in sich tragen, Unterschiede der Beeinflussung in sieh zu haben, die yon der Dauer des Verlaufes und dem Lebensalter abhiingig erseheinen.

~berblicken wir fiir den Typhus abdominalis die Literatur, so ist ein merk- wiirdiges Undulieren in den Ansiehten fiber seine Stellung zur Tuberkulose be- merkbar. Nach i~lteren Autoreniiui3enmgen ist ein Zuarbeiten anzunehmen. Typisch daffir ist die Meinung WIDALS: ,,Der Typhus (sofern er einen Lungen- kranken befi~llt) ergreift ihn als TuberkulSsen und verl/~Bt ihn als Phthisiker." In einer Zwischenphase werden solche Rtickwirkungen weitgehend negiert. Die

Die Ursaehen des Syn- und Dystropieph/inomens bei der Tuberkulose. 509

Erfahrungen der ]etzten Jahre ~endieren wieder in Richtung der algen Beobachter, bringen aber zugleich einwandfreie Belege (s. bei FR~'~K, P6HLMA~, SIEB~RT~, WV.ICKS~L), dab sich phthisische Verl~ufe durch das Nervenfieber auch ganz auf- f~llig bessern kSnnen. I m AnschluB an das Vorausgestellte erscheing es daher direkt reizvoll, veto Standpnnkt der ~I~imatologie und des Entziindungsgeschehens aus zu diesem bisher vSllig unerkl~irlichen und launenhaften Verhalten Stellung zu nehmen.

)/[it STA~ItELIN iibereinstimmend, charakterisiert SC~LTE~ die Blutformel des Typhus folgendermaBen:

,,Ira ersten Anfang oft leichte Leukocyt~se, dann dauernd Leukopenie, gelegentlich bis 1000. Starke Verminderung der Neutrophilen mit starker Linksverschiebung und m~fliger toxischer Granulierung. Die Eosinophilen verschwinden meist ganz, um in der Rekonvaleszenz wiederzukehren und oft auf erh6hte Werte anzusteigen. Lymphocyten anfangs absolut vermindert, yon der 2. Woehe ab aber ein starker Anstieg, oft auf ein Mehrfaehes der Norm. Bei Rezidiven wiederholt sieh das Blutbild. Bei Komplikationen erleidet es je naeh deren Art Ver/~nderungen."

GALrZ~OWSKI beschreib$ die Umstellungen in h/~matopoetisehen Mutter- gewehen:

Danach zeigt das granulocytare System eine ganze Reihe yon Lasionen. Und zwar iiben die Bacillen

1. schon im strSmenden Blur eine zerstfrende Wirkung auf die einzelnen Elemente aus. I)iese steh$ aber zuriick gegenfiber jener

2. mehr oder mlnder passageren Rechtsversehiebung des Markbildes, bzw. einer direkten Markbloekade, die als Zeiehen ehmr fiberaus hohen Toxizit~t auf die granuloeyt~ren Vorstufen ~nzusehen ist. Relativ bald schl/igt sie

3. in eine Linksverschiebung um, die es jedoeh nur selten bis zum Myeloblastenmark, bzw. agranulocyt/~ren Zust~nden bringt, die aber durchaus m6glich sind. Sehliefllieh 1/iuft dieser sehr eigenartigen Beseh/~digung der weiBen Zellstr~nge

4. noch eine Proliferation des reticuloendothelialen, bald darauf aueh des lymphatisehen Systems parallel, das gegeniiber allen anf/ingliehen ELnbul]en rasch auf Ausgleich kommt. Lymphatisehes Gewebe zeigt sieh selbst an Stellen, we es sons~ nur in ganz geringera MaBe auftritt, z. B. im Mark selbst.

Fm~-K best~tigt im grol]en und ganzen diese Fes~stellungen. Fassen wir diese Sehflderungen zus~mmen, so sind sie iiberraschenderweise

ebenfalls so besehaffen, dab sie die Uneinheitlichkeit oder die Gegens~tzliehkeit der klinisehen Erfahrung beim Zusammentreffen beider Erkrankungen direkt s Denn je nachdem, wie weir die myeloisehe L/~hmung geht und wie lange sie anh/~lt, und weiter, wie raseh und in welchem Umfang sieh die lymphatische Depression erholt und sehlieBlich in eine offensiehtliehe Reizung umsehl~gt, miis- sen neben synergen Auswirkungen, die die anfiingliehen myeloisehen und lymphati- sehen Ausf/~lle mi~ sieh bringen, aueh dyserge Beeinflussungen der Tuberkulose postuliert werden. Bezeichnend sind die Beobachtungen FRA~KS. l~eben 4 Pa- tienten, die w/~hrend des Typhus eine Bef6rderung ihrer Phthise erleben und 2 anderen Frauen, die einige Monate danaeh ein Offenwerden ihrer 2hlberkulose erkennen lassen, steht ein weiterer Kranker , der sehon 6 Wochen nach Ablauf des bakteriologisch gesicherten Typhus ein fast v611iges Verschwinden der zuvor bestehenden Kaverne und eine weitgehende Rfiekbildung der Begleitentziindung zeig% Auf gleieher Linie liegen die Beobachtungen WEmKS~LS, der neben 6 Ver- sehleehterungen sogar 14 deutliehe Besserungen konstatierte.

Bci t r i ige z u r K l t n i k der Tuberkulose . Bd . 105. 34

5 1 0 ERICH ~IULLER "-

DaB aber in diesen von uns behaupteten Zusammenh/~ngen wirklich der Me- ehanismus dieser Pathodynamismen und der Schliissel des Verstehens liegt, l~Bt sieh aufs Eindrucksvollste mi~ 50 Blutbf ldem W~ICKSV.Ls belegen:

Bringt man aus seiner Tabelle 1 die unter der Rubrik ,,Art des Typhus" gegebene Cha- rakteris~ik des l~lervenfiebers mit der auf der anderen Seite vorhandenen ,,Beurteilung" der Rfiekwirkungen auf die Tuberkulose in Beziehung, so ergeben sich fiir die ].6 leichten, 21 mittelschweren und 13 schweren Typhen die in Tabelle 4 dargestellten Zusammenhfinge :

Tabelle 4. Zusammenhan9 zwischen der Schwere des Typhus und der Zaht der tuberkui6sen Aktivierungen nach dem .Material yon P. WEICKS~.L.

Tuberkulose

Nr.

Zus~millerl- schau

:Leichter Typhus Mit~elsehwerer Typhus Schwerer Typhus

1,2, 10, 37 25, 30, 32, 33, 35, 36, 40, 45,

41

Von 16 lcichben Typhen sind :

82%

3,4,8, 49 12, 13, 16, 17, 19, 22, 23, 26,,

~2

5~ 7, 50 20, 28, 38

15, 18, 21, 34, 46

l l 6,24 31, "39, 42, 47

Von 13 schweren Typhen sind:

Von 21 mittelschweren Typhen sind:

62%

14

8%

Aus ihr ist aufs Deutlichste erkennbar, dab die Zahl der Besserungen der Tuberkulose beim leichten Typhus am h6chsten (82%) und beim schweren am niedrigsten (38 %) liegt. Umgekehrt dazu bewegen sich die Hundertsi~tze fiir die Verschlechterungen. 6% beim leich~en Iqervenfieber stehb nahezu das 8fache !, d .h . 46% beim schweren gegenii)oer.

Damit ist zum ersten Male exakt bewiesen, dab im Falle des Zusammentreffens beider Erkrankungen die H~ufigkei~ der SuberkulSsen Anfachungen yon der Schwere des Abdominal typhus abhiingt.

Analysieren wir nun die beiden Fliigelgruppen der schweren und leiehten Typhen jeweils gesonder~ in ihren verschlechterten und gebesserten F/~llen in bezug au f ihre (leider nu t fragmentarisch) mitgeteilSen Blutformeln, so ergeben sich, in absolute Zahlen umgesetz~, fiir die Gruppe der ,,schweren Typhuskranken mit verschlechterter Tuberkulose", zumeist an der un~eren Grenze oder noch darunter liegende Lymphoeytenwerte (Tabelle 5).

In der Gruppe ,,schwerer Typhus mit gebesserter Tuberkulose" ist inter- essanterweise, und wie wir b a l d sehen werden, auch bedeutsamerweise, die Tendenz jedoeh umgekehrt~ d .h . es finde~ sich eine deutliehe l~eigung zu normalen oder sogar an der oberen Grenze des l~ormalen liegenden Lympho- cytenzahlen.

Wenden wir 1ms aber der korrespondierenden Tabelle 6 zu, in der fiir den leichten, Typhus dieselben Verh/iltnisse bearbeitet sind, so 1/~l]t die letzte Gruppe

Die Ursachen des Syn- und Dystropiephanomens bei der Tuberkulose. 511

Tabelle 5. Abh~ingigkelt der Besserungen, bzw. der Verschlechterungen der Tuberkulose yon der Lymphocytenzahl beim schweren Typhus nach der Arbeit yon P. WE:CKSEr,.

Schwerer Typhus mit5 ~zerschlechterer Tuberkulose

:Nr. ~ 1 7 q ~I-~no i ~uk { Nr. - - : - - - - - : - - -

6 - - - - 1 5 (1 O) _ _

2 4 18 I (800) / I

31 I 40 l 4 14500 21 ] (1800)/ /

39 / 45 - - 16400 34 / (2300) / 42 I ~)( 5 / 30oo 46

47 [ 31 I I [ 5000 [ (1500)[ /

Schwerer Typhus mit gebesserter Tuberkulose

Eoslno Lympho Mono Leuko

(1700)

4

"6

5400

3000

3000

6000

3700

Tabelle 6. AbMingigkeit der Besserungen, bzw. Verschlechterungen der TuberkuIose vonder Lymphocytenzahl beim schweren Typhus nach der Arbeit yon P. WE:CKS~L.

Leichter Typhus mi$ verschlechterter Letchter Typhus mit gebessorter Tuberkulose Tuberkulose

Nr. ] Eosino Lympho Mono Leuko Nr. Eoslno Lympho Mono Leuko

4 1 22 (32,)0)

15000 1

2 10

25

30

32

33

35

36

4O

44

45

48

41 (1800)

(31oo) 47

17501 66

11001 56

(650)

5

3

4400

70OO

5OOO

5700

7000

2400

7000

5400

3200

58O0

7200

1800

[der eine Fall mit der Verschlechterung enff/fllt, sein Blutbild diirfte schon in den allerersten Tagen, vor den eigentlichen Auswirkungen des Typhus auf die Blut- bildungsst~tten gemacht sein (s. die yon STAE~ELrS beschriebene Blutformel), oder es lagen Komplikationen vor], genau so wieder als Hauptkennzeichen die Tendenz zu normalen oder sogar betr~chtlich erhShten Lymphocytenzahlen er- kennen.

3 4 *

512 ERIe~ I~SLE~"

Beriicksichtigen wir weiter, dab ,,sgmtliche Blutbilder in der Fieberperiode des T y p h u s - also in der Zeit der eigentlichen Krankhei t : - - ausgewertet wurden" (W~IcKSEL) und mit den mitgeteilten Daten, aus der Betrachtungs- weise des Autors, im Rahmen der Gesamtzahl nur die lymphoeyt~ren und retieul~ren Antefle gebracht wurden; schliel~lieh, dab wir keine ad hoc-Unter- suehungen, sondern in dem einen Blutbild jeweils nut einen , ,momentanen" Aussehnitt aus einem in Wirklichkeit prozeBhaft ablaufenden Gesehehen erfassen, so wird aus der weehse]seitigen ~bere ins t immung unserer Tabellen die Abh~ngigkeit der Aktivierungs- und Besserungsfrage von den Alter- ationen der lymphatischen Anteile der Blut formel deutlich. DaB aber auch die Ver~nderungen tier myeloischen ~ R eihe night unwesentlieh sind, geht aus einem Fall yon HOT~INGE~, GSELL und UE~LINGER hervor, bei dem 6Woehen naeh dem Typhus eine Pleuritis exsudativa auf der reehten Seite beobaehtet wurde. Das Blutbfld zeigte dazu eine deutliche Leukol0enie (2600) mit s tarker Linksversehiebung.

Somit ist ffir das fiberaus schwierige und bisher hie geklarte Beispiel des Typhus abdominalis dargetan, yon welchen Voraussetzungen die Frage der Besserung oder Versehlechterung der Tuberkulose abh~ngt und fiber welehe Meehanismen sieh diese vollziehen. Gleichzeitig liegt in dem so wertvollen WEICKS~,Lschen Material eine erste Prfifung fiir die klinisehe Brauehbarkei t und Ergiebigkeit unserer Betraehtungsweise. Es l~Bt sich erkennen, dab fiber solche eellularen Konstellationen das Schicksal der Doppelerkrankungen und damit der Pa- t ienten entschieden wird. Das heiBt fiber die Gestaltung dieser h~matolo- gisehen Verh~ltnisse auf der einen SeRe Aktivierungen, auf der anderen aueh wieder Riiekwirkungen yon seiten des Typhus entstehen, yon denen FR~-K~. zu Recht sagt, ,,dab ihr EinfluB auf die Tuberkulose nicht immer ungfinstig sein lnuB".

DaB mit solehen in der Erstkrankhei t (Tuberkulose) und der zweiten Infektion (Typhus) gelegenen Bedin~hei ten aueh konstitutionelle Momente aufs Innigste berfihrt werden, bedarf keines weiteren Wortes.

Zwei Beispiele sollen diese Verhfiltnisse beleuchten:

Eine unserer sei~ mehr als 20 Jahren auf TuberkulosesCatlonen besch~ftlgte und nie auch nur den leisesten Infek~ zeigende Ob~rschwester erkrankt unter den schtechtesten ~uBeren Bedingungen und alllersehwerster tuberkulfser Exposition an einem sehr schwercn Typhus. Auzh unter dieser ganz ungewfhnlichen Belastung ander~ sich ihre Immunitat gegen die Koch-Bacillen nicht. Sie bleib~ yon der Tuberkulose v611ig unberiihrt.

Anders stehb es mit einer Patientin, deren Bruder, ohne rait der Kranken jemals in :Berfihrung gekommen zu sein, rasch an einer galoppierenden Schwindsucht starb. Sie akqui- rier~ auch einen Typhus und ist in der Rekonwleszenz ffir Tubcrkulose exponier~. Binnen Wochen setzt bei ihr die Phthise ein.

K e h r e n wir aber ffir den Fall des Para typhus vom Speziellen wieder ins All:- gemeine zuriick,

,,so macht er ein Blutbfld etwa wie der Typhus, nur sind alle Erscheinungen, einschlie]- lich der Eosinopenie, oft nicht so ausgesprochen" (Sc~uLT~). Die paratyphfse Gastroenteri- tis zeigt ,,~ber meist Leukocytose und durch Bluteindickung hohe Erythroeytenwerte" ( S c ~ r ~ ) .

Die Ursachen des Syn- und Dystropieph/inomens bei der Tuberku]ose. 513

Wir stehen also insgesamt vor Ver~nderungen, die im ganzen wohl weniger oft als es beim echten Nervenfieber der Fall ist, zu Aktivierungen neigen, bei einem Tefl der Kranken ist aber wohl damit zu rechnen. Wie beim Abdominal typhus selbst bedarf es daher noeh weiterer klinischer Arbeit, bis v o r ahem in bezug auf die numerischen Verh~tltnisse ein definitiver Standpunkt eingenommen werden kann. Es fehlen einstweilen noch die grol3en Serien, die eine Aussage dariiber erlauben, wohin eigentlich der gleichzeitig vorhandene Syn- und Dys- ergismus tendlert.

Ffir die Bruce]lose ste]len sich die Verh/iltnisse folgendermaBen dar:

a) .Malta]i~er: ,,u Veffasser kamen aueh auf die Untersuehung der well,on Zellreiho zurfick und best~tigen, da/3 im atlgemeinen bei der Bruceltose eine normale Leukoeytenzahl odor eine Leukopenie mit konsta~ater absoluter Lymphocy~ose und bald relativer, bald abso- lurer Granulocytopenie zu finden is~." (I~TROZZI und BASEROA.)

b) Bang]ieber: ,,])as Blutbfld zeigt im allgemeinen eine deu~liche Leukopenie und vet allem Granulocytopenie-- minimal 1160 Granuloeyten bei 4000 Leukocyten mit 81% Lympho. cyten in einem unserer l~lle - - mit ausgesproehener Lymphocytose" (L6FrLEn, ~OESCrrr.~ und WrLr~).

e) Knochenmark, Malta]ieber: ,,Abgesehen yon einer leiehten Hyperplasie des granule. plastischen Gewebes und einer gewissen Vermehrung der Plasmazellen und der retieuloendo- thelia/en Elemente zeigt das Knochenmark im allgemeinen keine spezifischen Ver~nderungen" (I~;~l~OZZI und BASr.I~GA).

d) Knochenn~ark, Morbus Bang: ,,Die bei 11 unserer Patienf~n zum Tefl wiederhoR durch- gefigarten Sternalpunktionen best~tigen uns in sehweren Fallen eine schon auf Grund der peripheren Granuloeytopenie vermutete deutliehe Hemmung der Myelopoese. Als Ausdruck derselben finder sieh im Mark eine leichte Linksverschiebung, d.h. an StelIe eines meta- myelocy~r-stabkernigen Markes is~ die myelocytare Reihe mehr nach der urtreffen Seite hin verschoben. - - Die Lymphoeyten waren bei einem Tell der F~ille, auch unter Beriicksichtigung nut dichter Markstellen, bei der Ausz/~hlung ebenfalls deutlich erh6ht. SCAF~I und MOL~rO fanden bei der Febris undulans Bang ebenfalls ~ine Vermehrung der unreifen Granulocyten und eine verminderte Erythropoese. Die Eosinophilen zeigen kein eharakteristisches Ver- halten" (L6FI~LER, MO]~SCHLII~ und ~VILLA).

Berficksich'tigen wir diese Befunde und unsere Vorstellungen iiber den Patho- dynamismus tuberkul6ser Sehfibe dureh Zweitinfekte, so wird auf diesem Hybri- denboden d~s yon LoN~o, I~T~OZZI und BAS~aGA gefundene neutrotrope bis dystrope Verh~ltnis, mi t nur gelegentliehen Aktivierungen, als die grol3e Regel verst~ndlieh.

Stellen wir jedoeh welter in Rechnung, da/3 I~T~OZZ~ und BASV.~A, die sieh um die Aufhellung dieser Verh~Itnisse besdndere Verdienste erwarben, bei ex- perimentellen Brucellains ,,kleinknotige Bildungen mi~ dem Si~z in ]ymphohistoiden, peribronchialen, perivascul~iren und interstitiellen Lymph- knoten des Lungenparenchyms" (BcR~E~, VAN~, SmNOR~LL~) beschreiben, die auch , , auf dem Sektionstiseh beim Mensehen gefunden wurden" (GIoRDA~O, W O ~ - W~L), SO wird verst~ndlich, dab sowohl aus diesen, als aueh den myeloisehen Seh~den, die die Kranldmit setzt, Anf~chungen resultieren kSnnen. Bei ~lteren Verl~tufen, die diese Voraussetzungen verwirklichen (s. bei L6F~LER, MOESC]mIN und W~LLA) lind auch bei anderen, die yon der Tuberkulose her in diesen Gewebs- verb~nden labil sind, warden sie in der Ta t auch gesehen.

:Fiir die akute Dysenterie deuteten wir oben sehon an, dab sieh keine wesentliehen ]3eziehungen zur Tuberkulose erkennen lief~en. Die neuerliehe

514 Er~C~M~LLrR:

Mono~aphie yon MARK fiber die baeiU/ire Unterar~ bes~/itig~ diese Ansehauung. Aus unserem Bliekpunkt wird sie bestens verstandlich, wenn wir die yon SCHULTV, N gegebene Besehreibung des Blutbildes zu Rate ziehen, die in seiner Charakteristik:

,,keine oder geringe Leukocytose, aul3er bei Komplikationen. Dureh Blu~eindickung ErhShung des Hamoglobins",

kaum aktivierende Momente enthalt. Dasselbe gilt fOr die akute AmSbenruhr, fiir die das Blutbild folgendermaBen lautet:

,,m~l]ige, bei Komplikationen, vor ahem bei Leberabscessen starke Leukoeytose. An- scheinend ziemlich oft ]~osinophilie, jedenfalls kein Verschwinden der Eosinophilen. Kommt es dazu, so gilt das als prognostisch ungiinstiges Zeiehen" (SCHVLTEN).

Anders liegen aber die Verh/~ltnisse bei der chronischen Ruhr beiderlei Pro- venienz. Bei ihr gleitet schliel31ich das ganze Geschehen in das der ehronischen Enteropath ie ab, fiir die die Sprue-mit ihrer Neigung zur exzessiven Lympho- und Neutropenie oder in anderer F/irbung des Krankheitsbildes, zur blofSen Neutropenie ( B A ~ r 1 6 2 das u abgibt. So ist fiber eine dyname Betraeh- tungsweise des Krankheitsgeschehens wieder eine in unserem Sinne liegende Er- kl~irun g mSglich.

Dasselbe gilt fiir die oben sehon angesproehenen Unterschiede des Einflusses der Grippe, je nachdem, ob sie die kindliche oder erwaehsene BevS]kerung heim- sueht, die mit Tuberkulose behaftet ist.

l~ach den neuesten amerikanischen Forschungen stellt sieh eine yon ihr er- griffene BevSlkerung als ein Gemiseh yon Individuen dar, das in Cyelen yon mehreren Jahren (4--6) in seiner Empfindlichkeit. schwankt. Diese Voraus- setzungen diirfen wir wohl auch aufdenan Tuberkulose erkrankten Tefl fibertragen. Au2erdem ist yon Welle zuWelle noch'mit einer verschiedenenZusammensetzung des Mischinfektes zu reehnen, aus der heraus sich jene selfsame Atypie und jene bald mehr ins Myeloische und bald mehr ins Lymphatische gehende S ch~digung und Wandelbarkeit des Blutbildes ergibt, die jedem ernsthaften Untersucher der Ver- h~ltnisse sehon aufgefallen ist. Dal~ durch seine Tendenz zum Lymphatischen dem jugendliehen Organismus fOr die Abwehr und Reparation solcher L/~sionen ganz ~ndere M6gliehkeiten zur Verffigung stehen als dem erwachsenen, ist allbekannt und braueht n~eht weiter ausgefiihrt zu werden. Der Hauptsache nach leiten wir daher aus diesen Voraussetzungen die neutralere Einstellung der Influenza in dieser Lebensphase zur Tuberkulose ab. :Aber auch in der ErwachsenenbevSlkerung " werden Lungenkranke in ausgesprochen guter Verfassung, d .h . wenn sie z. ]3. nach l~ingerem Kurgebrauch in der Leistung dieser Gewebsverb/~nde gerade auf der H~he sind, in ihrer Abwehrbereitschaft so gest~irkt und gefestigt sein, dab sie entweder gar nicht anf/~llig sind, oder wenn sie erkranken und die respiratorischen, bzw. kreislaufdynamischen Voraussetzungen zum ~Jberstehen bieten, den grippalen Tefl dos Doppelinfektes auch glatt iiberwinden. Labile oder schwere F~ille hingegen, die in ihrer immunbiologisehen (d. h. jetzt h~matologisehen) Lage am Rande der Dekompensation stehen, werden jedoch wieder, wie wir das 5fters sahen, seine Beute werden.

Solche Geschehnisse lassen uns sehlieBlich verstehen, warum wit auch bei den fiblicherweise antagonistisch oder neutral zur Tuberkulose eingestellten Krank-

Die Ursaehen des Syn- und Dystropieph~nomens bei der Tuberkulose. 515

hei ten hin und wieder Aktivierungen selien. Aueh bei ihnen kann aus irgend- einem Grunde der KSrper einmal in der Leistung seiner abwehrtragenden Gewebe erlahmen, mad dann ergeben sich auch wieder synergistische Rfickwirkungen und Kombinat ionen mit dem Lungenleiden. ])as gilt schon veto Keuchhusten, dessen Erreger oft die seltsamsten Vergesellschaftm~gen mit allen mSgliehen Begleit- keimen wiihlen, l~och deutlicher l~I3t sich das dureh die hin und wieder gesehenen septischen Endzust~nde bei der Phthise demonstrieren, die durch Begleitkeime hervorgerufen werden und es (wenn es die Zeit erlaubt) zuweilen noch zu An- fachungen bringen. In ihnen haben wir die Parallele und die gleichen Folgen wie bei den granulocytopenischen Zust~nden bei der Panmyelophthise, der akuten und chronischen myeloischen Leuk~imie und verwandten StSrungen vor uns. Die beste Best~itigung und Illustrierung unserer Gesamtkonzeption ergibt sich wieder aus einer Arbeit WSICKSELs fiber 24 Scharlacherkrankungen bei tuberkulSsen Kindern, worunter er 5 Aktivierungen sah. Betrachten wir die unter l~r. 3, 7

Nr~

3 7 9

10 14

Tabelle 7. Blut/ormeln der 5 a~ivierenden ScharIacherkrankungen wdhrend des Exanthem8 und mindestens 3 Monate danavh aus dem Material yon P. WEICKSEL.

Gesamt- za~

37700 ~ 8900

13000 ? 8700

14600 3

85 61 54 54 52

Z e i t l i e h e r

26 32 135 3 30 2

Gesamt- zaht

15200 11700

-{- 11000 10300

T 4800

o

ol 86

73 15 52 32 68 14 63 30 12 28

10 11 12

5 8 18

9, 10 und 14 geffihrten Pat ienten ihrer Blutformel nach, so zeigen sie die in Tabelle 7 vorhandenen Relationen: Ohne ins einzelne zu gehen, lassen nicht weniger als 4(!) yon diesen 5 Bluts taten tiefer gehende und l~nger w~hrende Sch~iden im myeloischen oder lymphatischen System erkennen, w~ihrend sie bei 17( ! ) yon den 19 fibrigen, die keine Aktivierungen aufweisen, wieder fehlen.

Wenn W~ICKS~.L die Anfachung noch mit der Massivit~t der Infektion und dem Erb- einflu8 zusammenbring~, so mag die erstere eine Rolle spielen. Seine Verkniipfungen zwisehen der familii~ren Belastung und dem Blutbildverhalten schlagen aber eine Richtung ein, die in der unserer friiheren Arbeit fiber die ,,Familiare Belastung und Darmtuberkulose" (E. M. MOLLER) liegt.

Ohne alle diese Zusammenhiinge weiter auszufiihren, geniigt es am SehluB nochmals festzuhalten, dab es unter Inanspruchnahme unserer These fiber die Ursachen der Syn- und Dystropie unschwer mSglich ist, auch den Mechanismus dieser Schiibe besser zu verstehen und in allgemein gfiltige Vorstellungen fiber die Geschehnisse bei der Tuberkulose und ihren Begleitkrankheiten einzupassen.

Er6rterung der Ergebnisse..

Als uns naeh manchen Vorarbeiten, in einer Nacht der ersten vierziger Jahre, beim Studium des Vortrages ROESSLEs in Marburg zu Ehren E~IL BEHRrN(~S zum ersten Male die vorangestellte Konzeption fiber dasWesen des Syn- und Dystropie. ph~nomens aufging, war es uns sofort klar, dal3 sie sich aus ihrer inneren

516 ERICH M~LLER:

Konstruktionheraus zwanglos in alIseits best~tigteVorstellungen fiber die allgemeine and spezielle Pathologie der tuberkul6sen Entziindung einffigen wfirde. Ja, dal~ sic sich nach dem Scheitern aller Anstrengungen, wirksame humorale Antik6rper bei der Tuberkulose zu finden (Ro~ssLv.), gerade des Kernstfickes der Bestand habenden immunbiologisehen Forsehung fiber die Phthise bediente, das in der Erkenntnis besteht, dab das bei allen Infektionen und so auch bei ihr sieh stellende Problem, den Ausgleich zwischen der ,,jeweils bestehenden Empfindlichkeit zu der Virulenz und St~rke der Infektion" (RoEssLE), ZU finden, fiber die Ausbildung einer ,,deutlichen leukbcyt~iren" und sparer ,,histioeyt~ren Zellinfiltration" mit schlie~licher ,,loroduktiv-zelliger Abriegelung" verwirklicht oder auch nicht ver- wirklicht wird. Es war uns sofort klar, daB, abgesehen yon der zentralen Steuerung, hier eine AnsatzmSgliehkeit vorIag, yon der aus die Pathodynamik des spezifischen Entzfindungsprozesses in jener vielf~ltigen Art beeinflul3t werden konnte, wie sie die M6glichkeiten des Syn- und Dystropiegesehehens in sich tragen. Wir meinen da- bei nicht nur, da~ es auf diese Weise leicht verstiindlich wird, weswegen wit als Syn- oder :Dystropiefolge auf der Stufen|eiter der Herdabriegelungen yore gerade entstandenen Zellh~ufchen bis zur altnarbigen oder kalkigen Ummauerung, be- vorzugt solche mit erster cellul~rer Abschirmung ansprechen sehen, sondern dal~ damit auch zweitens ein Mechanismus herausgestellt wird, ~ler sowohl die Regel als auch die Ansnahme erkliirt. Drittens, dab diese AnsatzmSglichkeit, vor allem im Falle des Zuarbeitens, auch das Prinzip der Selektion und aller jener Komplexe nich~ verletzt, die sich aus der natfirliehen Resistenz ableiten. Sehlie~lich, da~ aber viertens, allesVorausgestellte in sichtragend, in dieser Ansatzm6glichkeit das elastische Band gefunden ist, d~s nicht nur aus dem Bereich der Infektiologie, sondern aus allen Gebieten der Pathologie knfipfbar und aus allen in bezug auf die Tuberkulosegeschehnisse auch be- und entlastbar ist. Pathophysiologisch or- kennen wires in der St~rke und Sehw~ehe der Lympho- und Granuloeytopoese, die sich aus verschiedenen Nosologien heraus als ldinisches Interferenzph~nomen ergeben. Welt aber fiber.das eigentliche Syn- und Dystropiegeschehen hinaus- greifend, glauben ~ r mit der Anfdeckung dieser Pathodynamismen an~erdem auch einen eehten Beitrag zum Wesen des tuberkul6sen Schubes und fiberhaupt der Kr~nkheit Tuberkulose zu ]eisten. Entgegen allen bisherigen Vorstellungen, die yon der Konzeption RA~KEs and damit letztlich der Allergielehre ausgehend, den Tuberkel, als spezifisch-allergisehes Produkt ~ und damit die Leistung des t~ES -- , oder in noeh modernerer .Weise aus demselben Gedankengeb~ude Mem- bran- und K_reislaufprobleme und deren nervale 8teuerung in den Vordergrund rficken, meldet sich mit unseren Forschungen, als anderer realer Bestandteil der Enbz/indung gebieteriseh das Lympho- und Leuko-Granulocytensystem zu Wort. Von den Vorstelhmgen der Allergielehre iibersehattet, wttrden seine Leistungen bisher in den Itintergrund gedr~ngt, obwohl sie sonst im Entztindungsgeschehen ,,die" ausschlaggebende Rolle spielen. Aus jahrelangen Forschungen fiber das Syn- und Dystropieproblem bei der Tuberkulose zSgern wir jedoch nicht, diese auch fiir die Phthise zu behaupten. Denn aus allen Gebieten der Inneren Medi- zin, und damit den meisten Gebieten der Pathologie, sehen wir seine Auswirkungen stets fiber denselben Modus einstrahlen und auch zum Tragen kommen. Wir stehen also vor einem generell geltenden Pathodynamismus, der unseren Forsehungen nach~ auch ffir die atttochthon aus der Phthise heraus entstandenen 8chfibe gelten

Die Ursachen des Syn- und Dystropieph~nomens bei der Tuberkulose. 517

muB, da wir bis heute zwischen beiden keine Unterschiede kennen und wohl auch in Zukunft keine finden werden. Es ist selbstverst~ndlieh, dab damit unsere Konzeption aueh die Frage der An- und Hinfs und auf der anderen SeRe der Resistenz gegen den Tuberkelbaeillus aufs innigste beriihrt und beide aus dem gleichen Blickpunkt, d .h . der angeborenen oder erworbenen SchwAche oder St~rke der h~matopoetischen Muttergewebe erkl~rt. Da diese nach dem heutigen Stand unserer Forschungen ihrerseits wieder von einem noch allgemeineren Prinzip abh~ngig erscheinen, erweist sich das Studium des Syn- und Dystropieproblems und seine LSsung als der Weg in der mensehliehen Pathologie, der einerseits zu einer vertieften Schau der Krankheit Tuberkulose und yon ihr aus zu ganz neuen M~glichkeiten fiir die Forsehung und die Therapie der Phthise fiihrt.

Zusammen/assung. Nach einer Analyse der heutigen Auffassungen fiber die Ursachen des Syn-

und Dystropiephi~nomens bei der Tuberkulose wird die eigene als h~matologisches Interferenzgeschehen entwickelt.

Wie um Beispiele der gi~ngigen Infektionskrankheiten gezeigt wird, zeichnen sich alle synerg zur Phthise eingestellten Erkrankungen dureh tiefer gehende Sch~den in den lympho- bzw. granuloeyti~ren Keimzentren und damit auch dutch erkennbare Ausfiille im strSmenden Blut aus. Umgekehrt dazu verhalten sich die neutral oder direkt dyserg wirkenden Krankheiten. GewShnlich ist ihnen sogar eine Reizung in dem einen oder anderen Gewebsverband zu eigen.

Am Beispiel des Typhus abdominalis, der Brucellose, der akuten und ehroni- schen Ruhr, dem untersehiedlichen Verhalten der Grippe im Kindes- und Er- wachsenenalter wird die klinische Bedeutung des yon uns gefundenen Prinzips auf seine Richtigkeit gepriift und erl~utert.

SehlieBlieh wird seine Rolle fiir das Sehubgesehehen sehlechthin sowie ffir die kiinftige Forsehung herausgestellt.

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Dr. med. habil. ERICH ~/[~)LLER, Dozent fiir Innere Medizin, Bad Sehwalbach, Taunus, Tuberkulosekrankenhaus Paulinenberg.

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