Druck genügt

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T R E F F P U N K T FO R SC H U N G |

K U N S T S TO F F- R EC YC L I N G |Druck genügtForscher am MIT haben eine neue Art von Zweikomponenten-Kunststoffentwickelt, der sich schon bei Zimmertemperatur allein durch Druck ineinen zähflüssigen Zustand versetzen und in neue Formen pressen lässt.

Beim herkömmlichen Kunststoff-recycling, wie es im Dualen SystemDeutschland seit zehn Jahren prakti-ziert wird, müssen die sortenreinenPolymere auf Temperaturen um 200 °C erhitzt werden, bevor sie neugeformt werden. Laborversuche zei-gen, dass die durchschnittliche Poly-merkette diesen Zyklus nur fünf- biszehnmal mitmacht. Bei PET-Flaschen,die in einem realitätsnahen Nut-zungszyklus immer wieder zu neuenFlaschen umgeschmolzen werden, istnach sechs Durchgängen der Verfallder Kohlenstoffketten bereits offen-sichtlich und eine weitere Verwen-dung nur mit Nachkondensationmöglich.

Die Arbeitsgruppe von Anne May-es am MIT hat nun eine neue Art vonKunststoffen vorgestellt, die man beiRaumtemperatur allein durch Druckschmelzen und umformen kann [1].Die Forscher kombinierten jeweils ei-ne Polymersorte, die sich bei Normal-temperatur gummiartig elastisch ver-hält, mit einer glasartig plastischen zuBlock-Copolymeren oder zu Nano-kügelchen von etwa 70 NanometernDurchmesser.Theoretische Berech-nungen legen nahe, dass unter Druck(ca. 350 bar) die glasartige Kompo-nente (z.B. Polystyrol, PS) hinrei-chend flüssig werden sollte, um sozu-sagen als Lösungsmittel für die elasti-sche Komponente (z.B. Poly-n-butyl-acrylat, PBA) zu dienen.

Erste Recyclingversuche aus demMIT-Labor zeigen, dass sich diese Ma-terialien, die Mayes “Baroplastics” ge-tauft hat, tatsächlich so verhalten wieerhofft. Ihre Mitarbeiter erzeugtenverschiedene Testobjekte, die siedann in drei Millimeter große Schnip-sel zerteilten und mittels der Druck-behandlung (350 bar, 30 °C) wiederin neue Formen pressen konnten.Untersuchungen mittels Neutronen-Kleinwinkelstreuung belegen, dassselbst nach zehn Durchgängen dieMaterialeigenschaften sich nicht messbar verändert haben.

Damit wäre das Baroplastik imPrinzip den herkömmlichen Kunst-stoffen in seiner Recyclingfähigkeitüberlegen. Dieser Vorteil würde je-doch nicht ausreichen, um die Sham-poo- und Getränkehersteller davonzu überzeugen, dass sie ihre Produktemit dem neuen Material umhüllen.Dazu muss erst einmal ein handfesterwirtschaftlicher Vorteil nachweisbarsein. Der könnte, so spekuliert zu-mindest Mayes, aus den geringerenProduktionskosten bei der Herstel-lung und Formung von Baroplastikerwachsen, da die niedrigeren Tem-peraturen Energie sparen. Ob der Kostenvorteil ausreicht, um den neu-en Kunststoffen am Markt eine Chan-ce zu geben, ist allerdings noch nichtabsehbar.

Die kalte Formbarkeit könntesich aber in anderen Anwendungs-bereichen als vorteilhaft erweisen,wo hohe Temperaturen unerwünschtsind. Zum Beispiel wäre es denkbar,dass solche Kunststoffe als Träger-material für biologische (also hitze-empfindliche) Therapeutika dienenkönnten.

[1] J. A. Gonzalez-Leon et al., Nature 22000033,426, 424.

Michael Großwww.michaelgross.co.uk

8 | © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2004, 38, 6 – 9

R E S TAU R I E R E N |Historische Rezepturen

Welche Farbmittel Künstler vergange-ner Jahrhunderte verwendeten, ist so-wohl kunstgeschichtlich als auch fürdie fachgerechte Restaurierung einesKunstwerks von entscheidender Be-

deutung. Zur Beant-wortung dieser Fra-ge dienen die Analy-se der Farbmittel amObjekt selbst unddie Auswertung his-torischer Quellen-texte zur Farbher-stellung. Allerdingssind vor allem mit-telalterliche undfrühneuzeitliche Re-zepturen oft unklarund lassen sichnicht einfach „nach-kochen“. Auch fließthäufig alchemisti-sches und magi-sches Gedankengutin die Texte ein.Am Institut für Res-taurierungswissen-schaft der Fachhoch-schule Köln wurden

kupferhaltige Farbpigmente rekons-truiert, um den restauratorischen und künstlerischen Bedarf zudecken. Kupferverbindungen wurdenvon der Antike bis in die Neuzeit alsgrüne oder blaue Farbpigmente ver-wendet. Einige werfen konservatori-sche Probleme auf, da sie mit demMalgrund reagieren und diesen schä-digen. So verursacht der „Grünspan-fraß“ in Bibliotheken Schäden in Mil-lionenhöhe. Um sie beheben zu kön-nen, ist die genaue Kenntnis der che-mischen Zusammensetzung derGrünpigmente notwendig.

Das Institut besitzt darüber hi-naus eine umfangreiche Sammlunghistorischer Rezepturen, die auchüber das Internet zugänglich ist(www.re.fh-koeln.de/projekte/rezep-tesammlung.htm#inhalt).

Rezeptur zur Her-stellung von„gutem gruen“;darunter KristalleverschiedenerKupferacetate.

Über Möglich-keiten und Grenzen desRecyclings „klassischer“Kunststoffe informiert einAufsatz in Heft 5/2000 derChiuZ.

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