Durchs Gedenken gestört, taz, 25.11.2009

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Durchs Gedenken gestört, taz, 25.11.2009, Roger Repplinger

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25.11.2009

Durchs Gedenken gestörtERINNERUNG Die Tafel, die an die Opfer des KZ Spaldingstraßeerinnert, irritierte die Anwohner. Deshalb hängte sie derHausbesitzer um - nun ist sie wieder am alten Platz

VON ROGER REPPLINGER

Im Moment hängt sie wieder, die Tafel an der Spaldingstraße 160. Am26. Oktober war sie in einer Feierstunde enthüllt worden. Nikolas Hill,Staatsrat der Kulturbehörde, hielt eine Rede. Karl-Heinz Schultz, derVorsitzende des Freundeskreises der KZ-Gedenkstätte Neuengamme,war dabei und Barbara Brix, Geschichtslehrerin des GymnasiumsKlosterschule, die mit ihren Schüler die Geschichte des KZSpaldingstraße erforscht hat und mit ehemaligen Häftlingen Kontaktaufgenommen hat.

Die Tafel erinnert an die Opfer des Konzentrationslagers in derSpaldingstraße, einem Außenlager des KZ Neuengamme. Das KZSpaldingstraße war eines der größten im Hamburger Stadtgebiet,zwischen November 1944 und Befreiung waren hier etwa 2.000 Häftlingeinhaftiert, von denen etwa 800 ermordet wurden.

Seit zwei Jahren gehört das Haus derImmobilienverwertungsgesellschaft Asset Management GmbH (IVG) mitSitz in Bonn und Hamburger Niederlassung am Baumwall. DerVorbesitzer hatte sich über Jahre hinweg geweigert, eine Tafel am Hausanbringen zu lassen. Doch die nun angebrachte hat bereits einewechselvolle Geschichte hinter sich. In der Nacht auf Samstag wurde sieauf Veranlassung des Hamburger IVG-Niederlassungsleiters LarsFlechsig entfernt und um die Ecke, im Innenhof, angebracht. Nach Kritikin der Hamburger Morgenpost wurde sie in der Nacht auf Sonntagwieder an ihren ursprünglichen Ort vorne am Haus montiert. Für einGespräch mit der taz stand Flechsig am Dienstag nicht zur Verfügung.

"Es gab große Unruhe mit dem Mieter", erklärt an seiner stattIVG-Konzernsprecher Jens Friedemann. Dieser Mieter, derBüroausstatter Broders & Knigge GmbH, sei "in unflätiger Weise"beschimpft worden. Es seien Zettel mit dem Tenor aufgetaucht: "Soetwas habe es in der DDR nicht gegeben." Und: "Die Mauer müssewieder her." Der Büroausstatter habe sich "belästigt gefühlt", er sei"ziemlich irritiert" gewesen. Grundsätzlich sei die Broders & KniggeGmbH wohl der Meinung, "eine solche Tafel gehöre an einen Ort derRuhe und des Gedenkens, und nicht neben ein Schaufenster", sagtFriedemann. Nach den Vorkommnissen habe der Mieter mit Auszuggedroht und "Gründe für eine Mietminderung" gesehen, woraufNiederlassungsleiter Flechsig mit der Entfernung der Tafel reagiert habe.

"Falsch natürlich", sagt Friedemann, "falsch reagiert." Flechsig habeweder die Kulturbehörde noch den Freundeskreis der GedenkstätteNeuengamme über seine Pläne informiert. Inzwischen habe er sich aberbei ihnen entschuldigt. Friedemann will nun auf ein Gespräch mit Broders& Knigge hinwirken, um sie über die Geschichte des Gebäudekomplexesaufzuklären.

Die Schwierigkeiten haben sich vielleicht schon in einer kleinen Szene beider Enthüllung der Tafel angedeutet. Damals wurde mit großem Lärmein Rollladen aufgestoßen und zwei Männer erschienen, von denen einergeräuschvoll sein Auto startete und davonfuhr. Für einige Minuten wardie Veranstaltung unterbrochen und die Männer genossen dieAufmerksamkeit aller Anwesenden.

IVG-Sprecher Jens Friedemann

1 von 2 25.11.2009 06:41

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