Ein chemischer Spiegel für den Mond?

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| T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

Die Oberfläche einer gleichmäßigrotierenden Flüssigkeit nimmt dieForm eines Paraboloids an. Mit ei-ner schön spiegelnden Flüssigkeitwie Quecksilber kann man des-halb sehr große Spiegel für astro-nomische Teleskope bauen. Nunwürden die Kosmologen aber amliebsten ein solches Teleskop aufdem Mond stationieren. Mit Hilfeder Chemie wird selbst das baldmöglich.

Um Einblicke in die am weitestenentfernten und damit ältesten Struk-turen des Universums zu erhalten,benutzen Forscher gegenwärtig dasHubble-Weltraumteleskop und dasSpitzer-Infrarotteleskop. Um aller-dings noch besser und weiter inRaum und Zeit vordringen zu kön-nen, wäre ein um ein Vielfachesgrößeres Weltraumteleskop wün-schenswert. Ein perfekter Standortwäre die von der Erde abgewandteSeite des Mondes, und eine attraktiveTechnologie wäre die eines rotieren-den Flüssigkeitsspiegels.

Doch halt, auf dem Mond gibt eskeinen Atmosphärendruck, da würdejede Flüssigkeit sofort verdampfenund auf Nimmerwiedersehen imWeltraum verschwinden. Zum Glückgibt es aber die ionischen Flüssig-keiten, die in den letzten Jahren ver-stärkt als umweltfreundliche Lö-sungsmittel ins Gespräch gekommensind, weil sie nämlich keinen Dampf-druck haben. Ionische Flüssigkeitensind im Prinzip Salze, die bei Raum-temperatur und oft sogar bei tieferenTemperaturen noch flüssig bleiben.Zahlreiche organische Anionen undKationen, die zur Bildung solcherFlüssigkeiten geeignet sind, hat dieForschung schon identifiziert, so dasses inzwischen Hunderttausende vonKombinationsmöglichkeiten gibt.

Ermanno Borra von der Univer-sität Laval in Kanada hat zusammen

mit Kollegen in Kanada und den USAjetzt aus einer solchen ionischenFlüssigkeit ein System entwickelt, dassich für flüssige Spiegel eignet undmit zusätzlicher Optimierung auchauf dem Mond zum Einsatz kommenkönnte.

Nach vergeblichen Versuchen mitSilikonöl und Polymeren wählten dieForscher eine bereits kommerziell er-hältliche hydrophile ionische Flüssig-keit, nämlich 3-Methylimidazolium-ethylsulfat. Sie beschichteten dieseFlüssigkeit mit Silber und erhielteneinen Spiegel, der schon nah an dieerwünschten optischen Eigenschaf-ten herankam. Ein zusätzlicher Trick,nämlich das Aufbringen einer Chrom-Schicht vor der abschließenden Ver-edelung mit Silber, machte den Spie-gel perfekt. Nun, noch nicht ganzperfekt, aber doch so gut, dass derRest eine Sache der Feinabstimmungder Produktionsbedingungen ist.

Ganz startbereit für die Mond-reise ist das System dann immer nochnicht. Die gewählte ionische Flüssig-keit gefriert bei 175 K; für den Ein-satz auf dem Mond sollte der Gefrier-punkt aber unter 130 K liegen.Ange-sichts der Zahl der Kombinations-möglichkeiten bereits bekannterAnionen und Kationen, die rund eineMillion beträgt, sind Borra und seineMitarbeiter allerdings optimistisch,dass die perfekte Flüssigkeit für einen Spiegel auf dem Mond bald ge-funden wird.

Dann bleibt nur noch das kleineProblem, das Flüssigteleskop auf den Mond zu transportieren und dortaufzubauen ...

Borra, E. F. et al. Nature, 22000077, 447, 979.

Michael Großwww.michaelgross.co.uk

Chem. Unserer Zeit, 2007, 41, 358 – 363 www.c hiuz.de © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim | 359

I O N I S C H E F L Ü SS I G K E I T E N |Ein chemischer Spiegelfür den Mond?

N AT Ü R L I C H E K R E I S L Ä U F E |Der SchwefelzyklusDie natürlichen Rezyklisierungen von Stickstoff, Koh-lenstoff, ja auch Sauerstoff sind wohlbekannt, wennauch meist nicht verantwortlich gestützt. Aber dassauch Schwefel einem Kreislauf in der Natur vomanorganischen Meeressediment zum biologischenMolekül und zurück zum Mineral unterliegt, ist vielweniger biochemisches Allgemeingut.

Bereits John Lovelock, der Erfinder des EC-Detektors zumGaschromatographen, hat darauf hingewiesen, dassSchwefel durch Abbauprozesse aus ozeanischem Biomate-rial über das flüchtige Dimethylsulfid (CH3)2S (DMS) unddaran anschließende S-Verbindungen mineralisiert, wiederan Land gebracht wird oder als Aerosole in den Klima-haushalt der Erde eingreift [1].

Meeresphytoplankton bewirkt die Assimilation vonSulfaten und die Synthese von Dimethylsulfoniumpropio-nat, (CH3)2S+-(CH)2-CO2

– (DMSP), dem unmittelbaren Vor-läufer von DMS und zugleich Osmolyt,Antioxidans undKontrollsignal, das beim Zerfall der Einzeller in das Wassergelangt.Aus diesem wird es im Dunklen von prokaryoti-schen coccalen Blaualgen aufgenommen und zersetzt; imLicht von Kern- und Chlorophyll a-haltigen Diatomeen as-similiert [2].Auf diese Weise teilen sich diese Organismendes Phytoplanktons die Kontrolle des S-Rücklaufs über dieAtmosphäre oder die Biosphäre. Das ist wesentlich für die Regelung des biologischen und atmosphärischen S-Zyk-lus. Der Schlüsselschritt der Demethylierung und Lyse vonDMSP wird durch das Genprodukt von dmdAA (in Silici-bacter, einem Roseobacter-Stamm) oder dmdAD (in Pleagi-bacter) katalysiert. DmdA-Enzyme sind Glieder der Glycin-spaltenden T-Enzyme: H3N+-CH2-COO– → H2N-CH3 + CO2,bzw. DMSP → ~ 80 (CH3)2S und ~ 1 CH3SH + C3-Rest, derin den Glykolysezyklus eingeht (E. C. Howard et al., M.A.Moran, l.c. 649 – 652). Nach Genkartierung sind diese En-zyme in Meeresbakterien weit verbreitet.

Literatur[1] J. E. Lovelock, R. J. Maggs, R. A. Rasmussen,

Nature 11997722, 237, 452 – 453; R. J. Charlson, J. E. Lovelock, M. G., Andreae, S. G. Warren, l. c. 11998877, 326, 655 – 661.

[2] M. Vila-Costa, R. Simó et al. Science 22000066, 314, 652– 654.

Lothar Jaenicke,Köln

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