Einführung in die Altorientalistik · 2021. 1. 27. · Jt. mit Titel: ischkar...

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Einführung in die Altorientalistik

11. Literatur Mesopotamiens

Prof. Dr. Michael P. StreckWS 20/21

Übersicht

• Definition

• Historische Entwicklung

• Genres

• Autoren, Kataloge, Bibliotheken

• Ausgewählte Beispiele

Keilschriftliches Schrifttum

• Alltagstexte

• Monumentale Texte

• Kanonische Texte

• Wissenschaftliche Texte

• Literarische Texte

Späte frühdynastische Zeit (2500–2350)

• erste literarische Texte in beiden Sprachen aus Fara, Tell Abu Salabih und Ebla

Sonnengotthymnus

aus Tell Abu

Salabikh, TAS

326+342

Altbabylonische Zeit (2000–1500)

• Sumerische Literatur durch Verschriftung in großem Umfang konserviert. Zentrum sumerischer Literatur Nippur.

• Akkadische Literatur ebenfalls verschriftet und in zahlreichen unterschiedlichen Genres belegt: z. B. Gilgameschepos, Sintfluterzählung.

Lugalbandaepos,

Hilprecht-Sammlung

(HS) 1479+, Jena,

Sumerisch, Nippur

Altbabylonische

Tafel des

Gilgamesch-Epos

(sog. Yale-Tafel),

Akkadisch

Mittelbabylonische Zeit (1500–1000)

• Akkadische Literatur besonders aus der Peripherie: Emar, Ugarit, Hattuscha, Amarna.

• Literarische Texte aus Assyrien in Babylonisch geschrieben.

Literarische Texte

aus Assyrien in

babylonischem

Dialekt

1. Jt. v. Chr.

• sämtliche literarische Genres belegt.

• "Kanonisierung" akkadischer Literatur.

• Sumerische Literatur noch im Kult gebraucht.

• Letzte literarische Texte aus dem 2. Jh. v. Chr.

Genres• Epen und Mythen

• Hymnen, Klagen, Gebete

• Liebeslyrik

• Weisheitsliteratur (Sprichwörter, Fabeln, Dialoge, Satiren …)

• Beschwörungen

• Gottesbriefe

• Prophetien

• Grabinschriften

Problematik der Genrebezeichnungen

• Einheimische Taxonomie (Bezeichnungen wie z. B. "Lied") betreffen eher die Aufführungspraxis; keine einheimische ars poetica

• - > Daher zwangsläufig Übertragung von Begriffen aus der griechisch-römischen (z. B. "Epos", "Hymnus") und alttestamentlichen ("Weisheit") Literatur

Zwei Arten des Bezugs auf ein Literaturwerk

• Anfangswörter, z. B. [enum]a elisch "Als droben" AOAT 25, 314: 22.

• Mehrtafelige Literaturwerke im 1. Jt. mit Titel: ischkar Gilgamesch "Serie of Gilgameš" JCS 16, 66 vi 10.

"Der Autor dieses Textes war Kabti-ilāni-Marduk aus der Familie Dabibi. Er (der Gott Erra)

enthüllte es (das Epos) in der Nacht, und so wie er (der Gott) es mitteilte, während der

(Schreiber) erwachte, ließ er (der Schreiber) nichts aus noch fügte er eine Zeile hinzu. Als Erra

es hörte billigte er es … Alle Götter preisen sein Zeichen (den Text)" (Erraepos, Foster 2005,

910).

Autoren

Die Bibliothek aus Sippar (spätbabylonisch)

Ischtar-Hymne des

altbabylonischen

Königs Ammiditina

(ca. 1683-1647)

1 Die Göttin besingt, die Ehrfurchtgebietende unter den Göttinen!

Gepriesen sei die Herrin der Menschen (nišī), die Größte unter den Igigi-Göttern.

Ischtar besingt, die Ehrfurchtgebietende unter den Göttinen! Gepriesen sei

die Herrin der Frauen (iššī), die Größte unter den Igigi-Göttern.

2 Sie, voll Freuden, mit Liebreiz ist sie bekleidet (labšat)

Angetan ist sie (zaʾnat) mit verführerischem Aussehen, Kosmetik und Attraktivität.

Ischtar, voll Freuden, mit Liebreiz ist sie bekleidet (labšat).

Angetan ist sie (zaʾnat) mit verführerischem Aussehen, Kosmetik und Attraktivität.

3 Mit süßen Lippen, ist ihr Mund Leben.

Wer ihre Züge sieht, dem sprießt das Lachen.

Sie ist prächtig. Juwelen sind auf ihr Haupt gelegt (irimmū ramû rēšušša).

Ihr Teint ist wunderschön. Leuchtend und schillernd sind ihre Augen.

4 Die Göttin – guter Rat ist bei ihr zu finden.

Sie hält die Schicksale von Allem in ihren Händen.

Unter ihrem Blick entstehen Gedeihen (banī buʾāru),

Würde (bāštum), Pracht, Schirm und Schutz.

Ischtar-Hymne des Ammi-Ditana RA 22, 169ff.

11 Der König, ihr Günstling, Liebling ihres Herzens

pflegt ihnen prächtig sein reines Opfer darzubringen.

Ammiditana macht das reine Opfer aus seinen Händen

glanzvoll vor ihnen: fette Stiere und Widder.

12 Von Anum, ihrem Gatten, erbat sie (Ischtar) für ihn (den König)

ein langes ewiges Leben.

Zahlreiche Lebensjahre

schenkte und gab Ischtar dem Ammiditana.

13 Durch ihr Geheiß unterwarf sie (tušaknišaššum)

die vier Weltregionen seinen Füßen

und die ganze bewohnte Erde

spannte sie (taṣṣamissunūti) in sein Joch.

14 Ihr (Ištars) Herzenswunsch, das Lied (zamār) ihrer (Ištars) Schönheit,

geziemen seinem (des Königs) Mund. Des Gottes Ea Worte führte er (Ammiditana)

für sie (Ištar) aus.

Er (Ea) hörte ihren (Ištars) Preis (tanittaša) und jubelte über ihn (Ammiditna):

“Möge er leben. Möge sein König (Gott Marduk?) ihn (Ammiditana) ewig lieben.”

Antiphon:

O Ischtar, schenke dem Ammiditana, dem König, der dich liebt, ein langes, ewiges

Leben!

Möge er leben!

Sein Antiphon (giš-gi4-gál-bi)

Die Schlangenbeschwörung TIM 9, 65

1 Hiermit ergreife ich den Mund aller Schlangen, (auch) die Viper,

2 auch die Schlange(n), die (sonst) nicht beschworen werden können: die Alabaster-

Frosch-Schlange,

3 die Fisch-Schlange mit bunten Augen,

4 die Aal-Schlange, die Zischer-Schlange, die Zischerin, die Schlange am Fenster.

5 Sie kam durch ein Loch herein und ging durch das Bewässerungsrohr hinaus.

6 Sie “schlug” die schlafende Gazelle, machte sich in eine verdorrte Eiche davon.

7 Die Schlange lauert auf den Dachbalken.

8 Die Schlange lauert im Schilfdickicht.

9 Sechs sind die Münder der Schlange, sieben ihre Zungen.

10 Sieben und sieben(mal) ging alles aus ihrem Inneren hinaus.

11 Sie ist buschig an Haar, furchtbar an Aussehen.

12 Ihre Augen sind Schreckensglanz, Furchtbares kommt aus ihrem Mund heraus.

13 Ihr Gift spaltet den Stein.

14 Beschwörung (tu-en-né-nu-ri)

Aruḫum hat folgendes bei mir vorgebracht: „Dass du die Gerste, die er (der Gläubiger) bei

mir gut hat, aus dem Haus meines Verwalters wegbringen darfst, hatte ich ihm (dem

Gläubiger schon) versprochen. Er aber hat die Dienerin, die das Haus bewahrt und unsere

Speise mahlt, in Schuldhaft geführt.“ Es geht [nicht] an, zu einem Abwasserkanal noch

Wasser hinzuzufügen! ([lā] naṭû ana mušēṣītim mê ruddû) Statt dass du ihm zur Hilfe

kommst, „Sorge dich nicht!“ sagst (und) sein Kinn anfasst (= ihn stützt), führst du seine

Dienerin in Schuldhaft! Wenn du mich in Wahrheit liebst, lass seine Dienerin am 5. (dieses

Monats) frei! Bist du (denn) ein Fremder? Ist das denn nicht eure Familie?

Ein Sprichwort in einem Brief: Altbabylonische

Briefe (AbB) 4, 154

Zusammenfassung

• Literarische Texte Untergruppe der kanonischen Texte

• Keine einheimische ars poetica, daher begriffliche Übertragung literarischer Genres

• Altorientalische Literatur anonym

• Stilmittel wie Alliteration, Parallelismus und Bildersprache

Edzard, D. O./Röllig, W. 1987–1990: Literatur, Reallexikon der Assyriologie und Vorderasiatischen

Archäologie 7, 35–66 .

Edzard, D. O. 2004: Altbabylonische Literatur und Religion, Orbis Biblicus et orientalis 160/4. Dort S.

491–572 zu Literatur.

ETCSL: Electronic Text Corpus of Sumerian Literature. http://etcsl.orinst.ox.ac.uk/.

Foster, B. R. 2005: Before the muses: an anthology of Akkadian literature. 3rd ed. Bethesda: CDL.

Foster, B. R. 2007: Akkadian Literature of the Late Period (= GMTR 2). Münster: Ugarit-Verlag.

Franke, S. 2013: Al die Götter Mensch waren. Eine Anthologie altorientalischer Literatur. Philipp von

Zabern, Mainz.

Hallo, W. W. 1997–2003 (ed.): The context of scripture. Canonical compositions, monumental

inscriptions, and archival documents from the biblical world. Leiden: Brill.

Reiner, E. 1985: Your thwarts in pieces, your mooring rope cut: Poetry from Babylonia and Assyria.

University of Michigan.

Reiner, E. 1991: First-millennium Babylonian literature, Cambridge Ancient History 3/2, 293–321.

SEAL: Streck, M. P./Wasserman, N. 2007ff.: Sources of Early Akkadian Literature.

https://seal.huji.ac.il.

Texte aus der Umwelt des Alten Testaments (TUAT).

Wasserman, N. 2003: Style and Form in Old-Babylonian Literary Texts (= CM 27). Leiden/Boston:

Brill.

Bibliografie

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