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Der Wandel im Handel nimmt Fahrt auf. Auf der Suche nach zeitgemäßer Identität agieren einige Modehändler höchst einfallsreich bis experimentell im Spannungsfeld zwischen emotional und digital, physisch und mobil. Neue Allianzen brechen alte Strukturen auf.

TExT

Konny SCHolZ

FOTO talBot RunHof

> >

Nina Blasberg braucht keinen

Laden, obwohl sie mit Mode

handelt. Sie betreibt einen On -

line-Fashion-Verleih, ein Pendant etwa zu

US-Vermietplattformen wie ‚Rent the

Runway‘ oder ‚The Tote‘. Zum festen

Abo-Preis erhalten die Kundinnen von

myonbelle.de regelmäßig Fashion-Boxes

mit zuvor online ausgewählten Styles.

Das Sortiment, modische Teile tendenziell

kleinerer Labels, hat Nina Blasberg selbst

zusammengestellt und eingekauft. Ist sie

Einzelhändlerin? Mode-Ma nagerin, -Mak-

lerin, Internet- Unterneh merin? Von allem

etwas? Egal. Was zählt, ist, dass ihr

Geschäftstyp diverse Aspekte aufweist, die

Zukunftsgewandtheit zur Realität werden

lassen: Der Kundin garantiert der „unend-

liche Kleiderschrank“ der Verleih-Plattform

permanente Abwechslung in ihrer eige-

nen Garderobe bei niedrigem Kostenein-

satz. Nachhaltig ist das System auch ein

bisschen. mMyonbelle.de übersetzt den

Sharing-Trend ins Modegeschehen. Viele

Trendforscher erkennen in der ‚Sharing

Economy’ eine logische Konsequenz für

das Konsumverhalten einer gesättigten

Gesellschaft, ganz im Sinne von Lynn

Jurich’s Ausspruch, der um die Welt ging:

„The new status symbol is not what you

own, it’s what you‘re smart enough not to

own.“ Der digitale Zugang schließlich ist

Basis und Motor des Formats myonbelle.

Blasberg zählt aktuell rund 800 zahlende

Kundinnen. Ihr Einzugsgebiet: quasi un-

begrenzt.

kaufspassage in eine kuriose, quirlige Pop-

up-Mall mit einem Mix aus Design, Impro-

visation und Off-Kultur verwandelte, die bei

Alt und Jung sehr gut angenommen wurde.

Ein Querdenker im Stile Karl-Heinz Müllers

also, der der vergleichsweise konventionell

geknüpften Handelslandschaft Stuttgarts

zwar nicht mit einer Bread & Butter, aber

doch mit frischen Impulsen auf die Sprünge

hilft. Dass der Modehandel mehr Quer-

denker ans Werk lassen sollte, ist übrigens

auch ein Tenor unserer Umfrage unter den

Retail-Coaches (ab S. 32).

Dass aus dem Charme des Experiments

unterm Strich dann immer auch ein wirt-

schaftlich tragfähiges Geschäftsmodell

heranreift, ist keineswegs gesichert.

Augenscheinlich muss hier und dort ein

offenes Ende in Kauf genommen werden

– auch wenn der eigentliche Treiber die

pure Notwendigkeit ist, gezeichnet durch

Waren- und Flächen-Überbesatz, sinkende

Umsätze und schwächliche Kunden-

frequenzen. Das impliziert ein mögliches

Scheitern. Und es verlangt Mut.

Alte Muster aufzubrechen wagte auch

Krüger Landhausmode, starker Trachten-

Versender mit Sitz und Shop im westfä-

lischen Steinheim, 13.000 Einwohner,

40.000 im Einzugsgebiet. Am Standort

eröffnete das Traditionshaus vor wenigen

Tagen erst einen stylishen Fashion-Ableger:

Die Trendhütte Steinheim bietet einen

Fashion-Mix aus Preiseinstieg und spezi-

ellen Trendteilen in einem markant und

jung gestalteten Interior. Zentrale Bestand-

teile im Store sind eine 20 Meter lange

Theke „zum Essen und Quatschen“ sowie

ein 50 Quadratmeter großes ‚Umkleidezim-

mer‘, gemütlich eingerichtet mit Teppich,

Sofa, Tisch und Umkleidenischen. Ein

begleitender Blog, Facebook- und Insta-

gram-Seiten werden von den Mitarbeitern

mit Style-Infos und Fotos gefüllt, um die

Vernetzung anzuschieben.

Die einzelnen Versatzstücke, aus denen

sich ein zeitgemäßes Einzelhandelskonzept

zusammenfügt, sind nicht mehr nur phy-

sischer Natur. Kollektionen und Regale

reichen einfach nicht mehr. Stationär und

mobil, emotional und digital verschmelzen.

Die Wege dorthin sind vielfältiger denn je.

Auch im ‚normalen‘ stationären Modehan-

del brechen die klassischen Strukturen auf.

Chanel eröffnete im letzten Sommer ein

Pop-up in Aspen, Dolce & Gabbana vergan-

genen Monat in Portofino. Die Taschen-

marke MCM ging kürzlich für zwei Monate

an den Münchner Flughafen, Hallhuber

für sechs Monate in die Berliner Münz-

straße. H&M hatte bereits 2011 eine Con-

tainerbox als Pop-up-Store an den Strand

von Den Haag geflanscht und fehlte auch

auf dem Coachella-Festival in Kalifornien

vor ein paar Wochen nicht. Den Nagolder

Strand, besser: Beach Club, nahmen sich in

diesem Sommer das Modehaus Finkenbei-

ner und das Schuhhaus Grüninger vor.

Gemeinsam starteten sie hier eine gemein-

same Fashion-Kompilation im Strandhüt-

ten-Pop-up. Solche Retail-Stationen bewe-

gen sich an Orte, an denen sie in definierten

Zeiträumen spezifischen Bedarf vermuten

und die Kunden der Umstände halber

tendenziell ‚gut drauf‘ sein dürften. Das

Stationäre wird volatil. Und mobil. Der

temporäre Betriebstyp Pop-up-Store, der

von Anbieterseite immer in erster Linie als

Marketing-Instrument angesehen wurde,

etabliert sich augenscheinlich durchaus

auch als Verkaufsplattform. Denn er ver-

schafft den Kunden Abwechslung, Begeis-

terung, Überraschung, Erlebnis, kleine

Fluchten, Inspiration, entspannte und je

nach Zielgruppe auch schrille Events statt

kleiner Karos. Die Stimmung steuert die

Käufe in hohem Maße mit.

Um klassische Einkaufsgegenden mit Inno-

vation, Spannung und Stimmung zu befül-

len, werden auch anderswo seltsame neue

Allianzen erprobt. Ein aktuelles Beispiel: Im

GERBER, einem Stuttgarter Wohn- und

Einkaufsquartier modernen Zuschnitts,

holte man vor wenigen Wochen Hannes

Steim als Projektmanager an Bord, um das

Obergeschoss „zeitgemäß weiterzuentwi-

ckeln“: Der Mann soll eine Mischung aus

Handel, Dienstleistung, Pop-up-Boxen,

Start-ups und Design hier installieren, die

die Besucher als attraktives Angebot wahr-

nehmen und nutzen. Hannes Steim, muss

man wissen, gelangte im letzten Jahr zu

plötzlicher lokaler Prominenz, als er eine

veraltete, leerstehende Stuttgarter Ein-

Auch die Funktionalität von Ladenbau und

Storedesign bezieht die Frage nach ihrem

emotionalen Wert immer mit ein. Natürlich

ist eine gute Warenpräsentation eines

ausdrucksstarken Sortiments Vorausset-

zung. Der digitale Kanal ist in der Regel

integraler Bestandteil eines stationären

Konzepts, ob als Treiber, Kommunikations-

instrument und/oder verlängertes Regal.

Ins Verkaufskonzept integrierte Tablets

oder interaktive Wände dienen jedoch

dabei oft lediglich als Instrumente. Erzeu-

ger von Emotionen sind sie eher nicht.

Inszenierungen am PoS, die emotional

berühren, reichen von beliebigen Maßnah-

men zu ‚Stressabbau‘ und multisensualer

Stimmungshebung über filmreife Choreo-

grafien von Erlebnis-, Produkt- und Mar-

kenwelten bis hin zur völligen Flexibilisie-

rung und Mobilisierung des Stationären

– wie bei den Pop-ups.

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Die Lust der Inszenierung basiert auf Werten wie Emotion und Inspiration. Hier eine imposante Ansicht aus dem Preysing Palais in der Münchner Theatinerstraße, in dem Talbot Runhof seine Flagship-Boutique eingerichtet hat. Interior Design: Patrick Ferrier.

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…wie Zuhause, beim Männertaschen-Label Property of… in Hamburg.

Reifes Obst? Falsch, Seife. Markthallen-Lookalike im Flagship-Store von Lush in London. Konzept: Inhouse / Design: Time Leeds

Das feine Handwerk wurde beim britischen Traditions-Schuhmacher Joseph Cheaney in London in ein Storekonzept mit Manufaktur-Charakter- verwandelt. Storekonzept: Checkland Kindleysides

Das Zusammenspiel ästhetischer Kontraste erhob Interior-Designer Patrick Ferrier im neuen Store von Talbot Runhof zur Gestaltungsmaxime. Die historische Substanz des Palais Preysing in der Münchner Innenstadt, einem spät barocken Kleinod, kombinierte er mit elegant-zeitgemäßer, zur Mode passender Inneneinrichtung, um das Flagship der Designer zu einem besonderen Ort zu machen. Foto: Talbot Runhof

Umkleideraum mit Wohnzimmer-Atmo: In der Trendhütte Steinheim lädt ein 50 Quadratmeter großer separater Raum ein, das komplette Sorti-ment durchzuprobieren… Foto: TeamScio

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Vertikale Pflanzenwände und Indoor-Gärten sind nicht nur schön, sie reinigen auch das Klima und sorgen nachweislich für Erholung.

Tische wie Pfützen in einer stilisier-ten regennassen Naturlandschaft: Das Gummistiefel-Erlebnis im Hunter-Flagship-Store in London. Storekonzept: Checkland Kindleysides.

Den freien Blick auf die Kakteen-Landschaft im Atrium des Gebäudes gewährt die Glaswand im A.P.C.-Store in L.A.

Puppenschaukel – bei Marc Cain in Mailand.

Immer virtuos in Sortimentsführung, Storedesign und Warenpräsention: Der Concept Store 10 Corso Como, hier der Ableger in Beijing.

Optisch, haptisch und olfaktorisch ein Erleb-nis: Die Fassade aus echtem Moos, die den Liebeskind-Store im Shopping Center Minto in Mönchengladbach ziert. Konzept: kplus konzept, Foto: mfi/Alina Cara Tobi

Gassigehen in der Reminiszenz eines nostalgischen Gartens bei MCM in München.

GReen effeCT

KUnsT DeR InszenIeRUnG

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