Feuil - ze do rock · 2015. 10. 26. · Witwe Yoko Ono mit Tausenden von seinen Fans, um das...

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B e r l i n e r Z e i t u n g · N u m m e r 2 3 3 · M i t t w o c h , 7 . O k t o b e r 2 0 1 5 – S e i t e 2 3 ·· ·······················································································································································································································································································

Feuilleton❖

G E D E N K E N

V O N J E N S B A L Z E R

Zwei Mal werden wir noch wach,dann begehen Musikfreunde in

aller Welt ein besonderes Jubiläum:Am 9. Oktober wäre der Mitbegrün-der der Gruppe The Beatles, JohnLennon, 75 Jahre alt geworden! EineVielzahl von Feierlichkeiten ist die-sem Datum gewidmet. Schon amDienstag traf sich beispielsweise imCentral Park in New York LennonsWitwe Yoko Ono mit Tausenden vonseinen Fans, um das größte Peace-Zeichen aller Zeiten zu formen.

Auch in Deutschland wird Len-non gewürdigt. Die zentrale Jubilä-umsausstellung richtet das Ernst-Barlach-Museum in Wedel beiHamburg aus. Unter dem Titel„Imagine“ sind hier noch bis zum28. Februar 2016 Fotografien undHandschriften, Zeichnungen undFilme von Lennon und Yoko Ono zusehen. Doch leidet diese Schauunter mangelnder Unterstützungdurch die Politik: Aus dem Topf derKreiskulturförderung des zuständi-gen Landkreises Pinneberg habe es„null Euro“ Zuschuss gegeben,klagte jetzt ein Museumsmitarbei-ter gegenüber dem HamburgerAbendblatt, „ganz im Unterschiedzur Barmstedter Singgemeinschaft,dem Stephansorchester Schenefeld,der Kammermusik in Quickborn,dem Kulturverein in Holm, denChorknaben Uetersen oder zurHamburger Ratsmusik“.

Hier hat die Pinneberger Kreis-kulturförderung ohne Frage eineChance verpasst. Denn die größtedeutsche Festveranstaltung zumJohn-Lennon-Geburtstag findetnun nicht in Wedel statt, sondern inVerden an der Aller. Dies entnehmeich jedenfalls einem Brief von Ge-rald Piepenburg, der mich amDienstag erreichte. Herr Piepen-burg schreibt: „Ich bin einer der dreiaktiven Beatles- und John-Lennon-Fans aus Verden an der Aller in Nie-dersachsen, wo John Lennon 1966bei den Dreharbeiten für den Anti-Kriegsfilm ,Wie ich den Krieg ge-wann‘ mitwirkte.“ Bereits „zum 40.Jahrestag der Dreharbeiten“, so Pie-penburg, habe man „mit einer gro-ßen Ausstellung im Deutschen Pfer-demuseum“ an dieses Kapitel derLennon-Biografie erinnert. Bei die-ser Gelegenheit habe auch UweBlaschke aus Minden erstmals seineSkizzen für jenes Lennon-Denkmalgezeigt, das dann zwei Jahre späteram Originaldrehort in der StraßeMühlentor eingeweiht werdenkonnte. „Seither brauchen deutscheBeatles-Fans nicht mehr extra nachNew York oder Liverpool zu reisen,um gemeinsam in Erinnerungen zuschwelgen.“ Am Freitag lädt GeraldPiepenburg mit den beiden anderenVerdener Lennon-Fans WolfgangBielfeldt und Harry Schwertner („erschaute bei den Dreharbeiten zuund bekam dabei von Lennon einAutogramm“) zur Feierstunde ansMühlentor. Die Veranstaltung be-ginnt um 15 Uhr und soll gegen19 Uhr enden.

John Lennon zum75. Geburtstag

N A C H R I C H T E N❖

Europäische Filmpreise fürRampling und WaltzDie Schauspieler Christoph Waltzund Charlotte Rampling werden mitdem Europäischen Filmpreis ge-ehrt. Rampling bekommt den Preisfür ihr Lebenswerk, Waltz für seinenBeitrag zum Weltkino, wie die Euro-päische Filmakademie am Dienstagin Berlin mitteilte. Beide Künstlersollen ihre Auszeichnungen bei derGala zum 28. Europäischen Film-preis am 12. Dezember in Berlinentgegennehmen. Die in Englandgeborene Rampling war bereitsfünfmal für den Filmpreis nomi-niert. Sie spielte in Filmen wie„Swimming Pool“ und „Unter demSand“. Aktuell ist sie in „45 Years“ imKino zu sehen. Der gebürtige Wie-nerWaltz ist bekannt aus internatio-nalen Produktionen wie „Inglouri-ous Basterds“ und „Der Gott des Ge-metzels“. Im neuen „James Bond“-Film „Spectre“ spielt er eineNebenrolle. (dpa)

Jazz-Stipendien ausBerlins City Tax finanziertFünfzehn in Berlin lebende Jazz-musiker sind für ein Arbeits- undRecherchestipendium „Jazz 2015“ausgewählt worden, darunter dieSängerin Cymin Samawatie, der Sa-xofonist Philipp Gropper, Posau-nist Gerhard Gschlößl oder die Pia-nistin Fee Stracke. Finanziert wirddiese Förderung von je 8 000 Euroaus Mitteln der City Tax. Drei Mil-lionen Euro stehen der Kulturver-waltung aus der Bettensteuer derJahre 2014 und 2015 zur Verfügung.Vor den Jazz-Musikern erhielten 43Bildende Künstler sowie 31 Auto-ren diese punktuelle Unterstüt-zung. Insgesamt belaufen sich dieStipendien derzeit auf 688 000Euro. (kek.)

Theatergemeinde ehrtSchauspielerin Antonia BillAuch in diesem Jahr geht der Publi-kumspreis der Berliner Theaterge-meinde an eine Schauspielerin desBerliner Ensembles. Antonia Bill er-hält den Daphne-Preis für ihre „au-ßergewöhnliche darstellerische Leis-tung“. Die 26-Jährige ist fast täglichauf der Peymann-Bühne präsent.Letztes Mal wurde der nicht minderfleißige Sabin Tambrea geehrt. DieMitglieder der Theatergemeindewählen die Preisträger direkt. (BLZ)

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H I L F E

Deutsch fürFluchtlinge

U N T E R Ms t r i c h

V O N Z É D O R O C K

Heute kommen wir in unseremultradeutsh-U(nseriös)-kurs

zur lektion U. Das -a am ende eineswortes heisst weiblich, das -i neutral,das -o männlich und das -u sächlich.’Sächlich’ im sinne von dinglich, einweib kann naturlich nicht sächlichsein. Das heisst, studas sind studen-tinnen, studis sind männliche undweibliche studierenden, studos sindmännliche studenten, studus sindstudien. Und klar: das U wird bei ab-geleiteten wörtern nur zu Ü bei plu-ral (am ende des stammverbs) − dahat es einen sinn, und beim plural istes immer so: die ’fluten’ werden zumbeispil zu ’flüte’. Ansonsten bleibt

das U ein U: flucht > fluchtling. Alleandere U-regeln werden die lesisschon merken. Ausserdem wird ausaktualitätgründe bahnhofdeutschgesprochen, sonst versteht ja keiner.

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Mei Shazza sag, ich zuviel in meinbüro, tag und nacht computer, sollraus − warum nix unterrichte flucht-linge deutsch? Na gut, geh unter-richte deutsch für hilforganisationin lager für asylante, wenigstensmache was nutzlich. Aber vor unter-richt gibts fluchtlings-grillfest. Hof-fentlich noch genugend fluchtlingedanach, zum lerne deutsch. Monatspäter kriegen 2 anwesenheitlisteplus 1 abwesenheitliste − aber nor-mal in anwesenheitliste kann sehenwer abwesend? Egal, teile kurs mitlehrerin von Osteuropa − nein, nixlehrerin sondern kursleiterin. Inandre sprach teacher und student,

professeur et etu-diant, in deutschkursleiter/innenund kursteilneh-mer_innen undUnnen und an-dere geschlech-ter. Kursleiterinvon Osteuropahat gehört, nurfrauen in kurs.

Hilforganisa-tion sagen 3 an-meldung. Das iswenig, vielleichtankündigung nurin deutsch und niemand versteh? Inein asylantenheim hausmeister somache: 3 seiten hausvorschriften inbeste beamtedeutsch, eritreischemechaniker − ein monat hier − solllesen und unterschreiben bitte.

Vorher ich gehört, muss lehrennach lehrwerk. OK, kann holen lehr-werk in büro. Ah, haben gehört gibts

beamer, wo beamer?Beamer muss nochorganisieren, auchproblem sicherheit −aber bald. Gehenkurs, fang an 4 teil-nehmer. Wolle fragebetreuerin wegenanmeldung − man-che haben, manchenix, aber formularwörte wie ’Aufent-haltsstatus’ − mussallu mache? − wennim unterricht, dannheute unterricht nur

anmeldung ausfülle. Aber betreue-rin in sitzung.

Anfangen: Ich heisse Zé do Rock,wie heisst du? Wo kommst du her?Was machst du arbeit? Kommennoch zwei teilnehmer. Mache pro-nomen: ich bin schön, du bist häss-lich. Mache begrüssungfloskel. Gu-ten morgen, moin moin, hallo,

danke, bitte bitte ich habe kein geld!Komme noch teilnehmer. Machezahlen. Komme noch 2. Ich heisseZé, wie heiss du? Ali Al-Turimi? OK,nenne Turimi, weil 4 Ali in klasse zu-viel Ali. Wo komme her? Syria, Syria,aber auch andre arabische und afri-kanische land. Chinese auch −warum, China nicht blühend demo-kratie? Doch nicht nur frau in kurs,viel mehr mann, oft dunkle gestal-ten. Arbeit? Allu meglich: mechani-ker, buchhalter, techniker, brummi-fahrer. Und du, Zayid? Anwalt in Sy-rien. Und du, Zabar? Polizist in Irak?Uh! Bitte, warten, ich geh toilette,ich schleiche zu tür, Zayid sag: „Keinproblem, er polizist, ich anwalt!“

Komme noch 3 teilnehmer. Wieheisse, wo komme her, nochmalund nochmal! Make viel mimik,aber manchmal schwer. Da lieberenglisch französisch italienisch ara-bisch oder chinesisch. Leider meinchinesisch nix so gut. Syrer meist

englisch, meiste sprech noch einsprache so-so, aber manche teil-nehmer nix nix, nur eigene sprache.Ich schau google übersetzer, sag fürchinesin: huòzhe. Chinesin lach.Zeigen wörterbuch, chinesin les, ah!Huòzhe! Hab ich doch gesagt. Endevon unterricht, über dutzend leute.Dann komme betreuerin und willwisse wer gezahlt. Manche vielleichtnix zahl, manche vielleicht nix ver-steh − verb „zahlen“ noch nicht ge-habt. Und ich? Ich füll nur ein liste −muss andre 2 oder 3 auch? Nein,kriegen sowieso neue. Hilforganisa-tion und stadtregierung und landre-gierung und heimleitung, da ein re-gel, da andre, muss koordiniere.Wichtig is asylant merk, in Deutsch-land allu perfekt, muss anpasse!

Zé do Rock liest heute um 19 Uhr in derbrasilianischen Botschaft, Wallstraße 57,Eintritt frei, Anmeldungstel.:72628131

Selfie mit HitlerEine Filmsatire nach Bestsellervorlage: 70 Jahre nach seinem Tod will Hitler Deutschland zurückerobern

V O N H A R A L D J Ä H N E R

Er erscheint plötzlich genau dort,wo er vor 70 Jahren aufgehört

hat: An der Berliner Wilhelmstraßeunweit des einstigen Führerbun-kers. In dem Grünanlagengestrüppzwischen den Plattenbauten wachter auf, benommen und etwas müf-felnd in seinem verschmutztenUniformrock. „Was is’n das für’nOpfer?“, fragen sich ein paar Jungs,als Adolf Hitler aus der Grünanlagewankt. Von dieser Art ist der Witzdes neuen Films von DavidWnendt. „Sehe ich aus wie einVerbrecher?“, wird er später maljemanden anherrschen.

Zunächst findet Hitler Unter-schlupf in einem Zeitungskiosk amBrandenburger Tor, wo er anhanddes ausliegenden Schriftgutes nachund nach begreifen darf, was seit1945 passiert sein muss. Viel Zeitbleibt ihm nicht, sich darüber zuwundern, dass sein von ihm selbstdem Untergang geweihtes Volküberlebt hat und inzwischen sogar„von einer klobigen Frau mit derAusstrahlung einer Trauerweide“regiert wird. Denn schon bald wirdHitler von einem Privatsender alsvielversprechender Gag engagiert.In allen Talk- und Blödelformatenwird der vermeintliche Hitler-Dar-steller zum absoluten Quotenbrin-ger. Bei Frank Plasberg, bei Jokound Klaas, bei Thadeusz – überallsitzt Hitler mit am Tisch. Als derFührer im Spaßfernsehen bitterenErnst macht, spüren die Leute: Dasist kein Double, irgendwie ist ertatsächlich wieder da.

Der Regisseur David Wnendt istseit seiner Neonazi-Studie „DieKriegerin“ eine große Hoffnung des

neueren deutschen Films. Deshalbwurde ihm nach der Verfilmungvon Charlotte Roches „Feucht-gebieten“ mit „Er ist wieder da“zum zweiten Mal die Adaptioneines teuren Mega-Bestsellers an-vertraut. Der gleichnamige Romandes Journalisten Timur Vernes ausdem Jahr 2012 wurde allein inDeutschland über zwei MillionenMal verkauft – als „das witzigsteNo Go des Jahres“.

Die Hälfte seiner Länge bestrei-tet der Film mit der Komik, die ausHitlers Staunen über das moderneDeutschland rührt. Der WienerBurgtheater-Schauspieler OliverMasucci spielt Hitler als Alien, dersich durch seine Sturheit aus derMasse der alerten Gegenwarts-deutschen abhebt. Ob die Sender-chefin Bellini (Katja Riemann),deren intriganter StellvertreterSensenbrink (Christoph MariaHerbst) oder sein Erstentdecker,der gerade entlassene TV-Mitarbei-ter Sawatzki (Fabian Busch) – fastalle Figuren knicken schon beileisem Bellen des Führers ein, weilihnen, wie Hitler gleich erkennt,das „geistige Fundament“ für einestarke Haltung fehlt. Sie haben

nichts als ihre Karriere, Fun undWohlstand im Sinn.

Es ist schon saukomisch, Hitlerdabei zuzusehen, wie er sichabends kopfschüttelnd durch dieKanäle zappt. Kochshows, Promi-dinner, Quizsendungen, Entrüm-pelshows – das Propaganda-Geniesieht ein Traummedium vor dieHunde gegangen. Mehr Hoffnungsieht er für das „Internetz“.

Als Hitler bei einem Show-Auf-tritt die Regeln bricht, indem erschweigt, bleibt einem erstmals dasLachen im Hals stecken. Er fixiertdas Publikum, nacheinander jedenEinzelnen. Und dann sagt er:„Wenn man die Ratten im Haus hat,bestellt man keinen Clown, son-dern einen Kammerjäger.“

Das ist die erste Ausstiegsluke,die Wnendt aus der Komik desStoffs gefunden hat: ihre Selbstre-flexion. In der bittersten Szene sol-len die Gag-Autoren des Sendersauf Geheiß des Vizechefs die „roteLinie überschreiten“ und Juden-witze fabrizieren. Die Autoren mur-ren, machen sich schließlich aberdoch an die Arbeit und leiern beider Präsentation lustlos ihre Witz-chen runter. Ihre Rückgratlosigkeit

erschreckt – die Verkommenheitder Spaßgesellschaft, die Wnendtschildert, deckt sich verblüffendmit der Wahrnehmung Hitlers.

Weiter gedacht, konzentrierterauf die Medienkritik hin gedreht,hätte der Film wirklich böse wer-den und den eigenen Witz auf dieZerreißprobe stellen können. AberWnendt dreht sich geschickt nocheinmal weg und findet eine weitereAusstiegsluke: Er klettert aus derSatire heraus und begibt sich insDokumentarische. Hitler reist mitdem TV-Journalisten Sawatzkidurch Deutschland; er stellt sich anechte Imbissbuden, redet mit ech-ten Passanten in der Fußgänger-zone, hetzt echte Fußballfansgegen einen Punk auf. Die Men-schen machen Selfies mit Hitlerund lassen raus, was so gärt: Wah-len seien eh manipuliert, die klei-nen Leute zahlten die Zeche, dieAusländer würden immer frecher.

Das Problem dieser Mockumen-tary-Teile besteht darin, dass mannie genau sicher ist, wo es sich umdokumentarische und wo um insze-nierte Anteile handelt, die nur doku-mentarisch tun, so wie der BesuchHitlers im Köpenicker NPD-Büro,wo der Führer den Parteivorsitzen-den wegen der schlechten Perfor-mance zur Sau macht. Auch das istwitzig, aber nicht überzeugend imHinblick auf die Botschaft, denErnst der Lage, für den das Doku-ment herhalten soll. Man hat dasGefühl, der Regisseur wollte es mög-lichst vielen recht machen und die,die über Hitler lachen, mit denenversöhnen, die das nicht zum La-chen finden. Ernst und Pathos soll-ten noch mit ins Boot der Komik.Die Folge:Wieder Untergang.

Er ist wieder da – jedenfalls in den MedienDer Film „Er ist wiederda“: Deutschland 2015.110 Min., Farbe. Regie:David Wnendt, Kamera:Hanno Lentz, Darsteller:Oliver Masucci, FabianBusch, Katja Riemann,Christoph Maria Herbst,Franziska Wulf u. a.

Das Buch „Er ist wiederda“ von Timur Vernes er-schien 2012. Es stand20 Wochen auf der Spie-gel-Bestsellerliste,wurde in 41 Sprachenübersetzt und verkauftesich allein in Deutsch-land zwei Millionen Mal.

Adolf Hitler kommt auch2016 wieder. Für RTLplanen Ufa Fiction undBeta Film eine Serieüber Hitlers Fronterleb-nisse im Ersten Welt-krieg, seine Freund-schaften und seine poli-tischen Anfänge.

CONSTANTIN FILM

„Sehe ich wie ein Verbrecher aus?“ Hitler (Oliver Masucci) und die TV-Assistentin Krömeier (Franziska Wulf)

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