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Filmmusik
ususikMDas Praxismagazinfür die Klassen 5 bis 13
1181. Quartal 2015Best.-Nr. 19118
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AKTUELLER HIT: „Uptown Funk“ von Mark Ronson feat. Bruno Mars
MOODTECHNIK UND NEW AGE:
„Ziemlich beste Freunde“
KLASSIK VERSTEHEN: Der Gigant Beethoven
von Anfang bis Abi
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LUGERT VERLAG
Musikunterricht hat sich in den letzten Jahren stark verändert. An
Gymnasien und anderen weiterführenden Schulformen befi ndet
sich das künstlerische Fach schon lange im Diskurs zwischen
kompetenzorientiertem Unterricht und seinen ästhetischen In-
halten. Ein Spagat, den Sie als Musiklehrer täglich bewältigen.
Als ob das nicht schon genug wäre: Natürlich möchte auch das
musikalische Rahmenprogramm einer jeden größeren Schule
gern öffentlichkeitswirksam und künstlerisch ansprechend ge-
staltet werden. Sicher eine schöne Aufgabe, aber eben auch nicht
immer eine leichte.
Um diese Situation wohl wissend, haben wir im Lugert Verlag und
auf der Grundlage Ihrer Rückmeldungen, von Befragungen und
zahlreichen Autorengesprächen unser Konzept neu aufgestellt.
Der druckfrische „Relaunch“ unseres Traditionsmagazins liegt
nun vor Ihnen: optisch, inhaltlich, didaktisch.
Material für Klasse 5 bis 13
Wir denken Unterrichtsmaterial für die Praxis – von der Unterstufe
bis zum Abitur, von Musik machen und hören bis zu Musik ver-
stehen und refl ektieren. In jedem Heft werden alle Altersstufen
berücksichtigt, lehrplanbezogen und direkt umsetzbar.
Für die Mittelstufe hat Andrea Amann in diesem Heft einen Bau-
stein entwickelt, der die Heterogenität der Schülerschaft in den
Blick nimmt und hierzu differenzierende Materialien anbietet. Ein
aktuell vielfach diskutiertes und zugleich in unserem Fach beson-
ders drängendes musikdidaktisches Aufgabenfeld. Dabei geht es
ihr vor allem um das sinnliche und zugleich analytische Hören
von Musik. Sie setzt damit auch thematisch einen Kontrapunkt
zu einer reinen „Musikmach-Didaktik“.
Starker Schwerpunkt
Das Thema des Heftes – Filmmusik – wird von vielen Seiten aus
beleuchtet, methodisch vielfältig, inhaltlich „up to date“ und schüler-
nah. Neben den Praxisartikeln zu den Filmen „Hobbit 3“, „Ziemlich
beste Freunde“, „Tribute von Panem“ und der Eigenvertonung eines
Werbeclips ist es uns wichtig, diesen Schwerpunkt auch didaktisch
zu durchdenken. Dazu fassen wir neueste methodische und didak-
tische Überlegungen mit dem Fokus auf die tägliche Umsetzung
zusammen. Denn Musikdidaktik und der allgemeine wissenschaftliche
Forschungsstand sollten ihren Weg in die Praxis fi nden!
Musik ist Vielfalt
Zweimal „Klassik“ rund um „Beethoven“ haben
wir im Heft: einmal für die Unter- und einmal für die gymnasiale
Oberstufe. Simone Bopp fokussiert den „Giganten Beethoven“ in
Bildern und seinen „Images“. Durch seine Persönlichkeit, seine
Wirkungsgeschichte und seine Bedeutung für uns heute wird im
Musikunterricht auf andere Weise deutlich, was Beethoven als
Giganten der Musikgeschichte unterscheidet.
Aktueller Hit
Wie man stufenweise und kompetenzorientiert aktuelle Popmusik
im Unterricht umsetzt, erklärt David Mautz in seinem Artikel
zu „Uptown Funk“. Der Welthit von Bruno Mars und Mark Ron-
son gefällt sowohl Schülern als auch Lehrern. Musikalisch ein
echter Ohrwurm hat „Uptown Funk“ das Zeug, sowohl aus den
Hörgewohnheiten der Schüler zu stammen und gleichzeitig an
unbekanntere musikalische Genres anzuknüpfen.
Chor und Big-Band-Arrangements mit Schultauglichkeit
Zum Glück gibt es an vielen Schulen noch Big Bands, Chöre, Ensem-
bles und auch Klassenorchester. Um Sie in dieser wichtigen Arbeit
zu unterstützen, haben wir erstmals ein extra angefertigtes kom-
plettes Big-Band-Arrangement für Sie in petto. Natürlich passend
zum Themenschwerpunkt „Filmmusik“ aus dem Film „American
Hustle“. Ellingtons „Jeep’s Blues“ ist mit einem grandiosen (bei
uns vom Original ausnotierten) Altsax-Solo ein Leckerbissen für
jede Schul-Big-Band.
Wir möchten, dass die Arbeitsblätter, Lösungshilfen und weiteren
Materialien alle unsere Leser erreichen. Dazu stellen wir sie Ihnen
in Zukunft auf einer CD+ zur Verfügung. Damit Sie mit den neuen
Ideen gleich loslegen können!
In diesem Sinne viel Spaß in der Praxis
Ihr
Bert Gerhardt
und das ganze Team des Lugert Verlags
Liebe Leserinnen und Leser,
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EDITORIAL
Ab diesem Heft mit neuem Konzept!
MUSIK & UNTERRICHT 118/2015 1
2 MUSIK & UNTERRICHT 118/2015 MUSIK & UNTERRICHT 118/2015 3LUGERT VERLAG LUGERT VERLAG
Magazin
Arrangements Seite 6 Seite 52 Seite 56
Aktueller Hit – Uptown Funkvon David Mautz
Klassenmusizieren fi ndet in jeder Jahrgangsstufe statt. Umso besser wenn es gelingt, einen Welthit wie
„Uptown Funk“ auf verschiedenem Niveau umzusetzen. Eine kompetenzorientierte, stufenweise Annäherung stel-len wir Ihnen auf den Seiten 6 bis 16 vor. Denn aktuelle Popmusik muss im Musikunterricht nicht im Gegensatz
zum Fachcurriculum stehen! „Jeep’s Blues“ – Big-Band-Arrangementvon Michael Stauss
Glücklich singenvon Carsten Gerlitz
News Seite 4–5Rezensionen Seite 63Autoren Seite 64Vorschau Seite 64
Special
Wie man die Welt der klassischen Musik unter Berücksichtigung verschiedener Lerntypen unterrich-tet, erklärt Andrea Amann. Das Ziel ist das analysie-
rende Hören und das Verstehen von Musik. Daneben widmen sich zwei Beiträge dem Dauerthema
„Beethoven“ mit neuen Ideen und Methoden.
Seite 38 Seite 43 Seite 46
Der Gigant Beethovenvon Simone Bopp
Musikalische Analyse neu gedachtvon Katrin Kurz
Klassik in der Mittel- und Oberstufevon Andrea Amann
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Inhaltsverzeichnis FilmmusikususiikkuMuMuuMMuuMuu
Thema
Ziemlich beste Freundevon Matthias Rheinländer
Der Hobbitvon Joachim Kessler
Die Tribute von Panemvon Bert Gerhardt
Filmmusik und ihre Didaktikvon Bert Gerhardt
Werbespot – Hornbachvon Bert Gerhardt
Seite 26Seite 20 Seite 30Seite 17 Seite 34
Filmmusik
Filmmusik begeistert und beeinfl usst uns fast täg-lich. Ein Thema für den
Musikunterricht, das besonders mit aktuellen
Kinoproduktionen spannen-den Unterricht verspricht.
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Materialien im Heft
Hörbeispiele auf der CD Plus zum Heft
Materialien auf der CD Plus zum Heft
46 MUSIK & UNTERRICHT 118/2015 LUGERT VERLAG
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I n einer ZDF-Fernsehreihe wurde Beethoven neben Goethe, Luther und Einstein als
einer der „Giganten“ der deutschen Geschichte dargestellt. Sein Name wird gemein-
hin mit dem Wendepunkt der Musikgeschichte gleichgesetzt. Woher diese Bedeutung des
Komponisten kommt, soll in der folgenden Unterrichtseinheit besprochen werden. Dafür
wird zunächst Interesse für diese herausragende Künstlerpersönlichkeit geweckt.
Verschiedene Bereiche werden angesprochen: die Darstellung Beethovens auf Plakaten,
die Meinungen anderer Künstler über Beethoven, der Wandel der Künstlerpersönlichkeit
zu Beethovens Zeit, sein Einfl uss auf die Entwicklung der Symphonie und seine Bedeutung
für die heutige Zeit. Somit soll ein Überblick gegeben werden, der als Basis dient für eine
vertiefende Behandlung seiner Symphonien und der Gattung der Symphonie im Allgemeinen.
Plakate als Einstieg
Als Einstieg sind Bilder (M1) geeignet, die Beethoven als Giganten darstellen. Die Bilder
können entweder auf Folie gezeigt werden oder man lässt große Plakate anfertigen, was
von der Wirkung her noch eindrucksvoller ist.
Josef Adolf Langs Bild „Beethoven in den Wolken thronend“ zeigt Beethoven als übermäch-
tigen, zu allem entschlossenen, starken Herrscher auf einem Thron sitzend. Beethoven wird
hier ungefähr zwanzigmal größer als die anderen Menschen dargestellt. Sein Gesichtsaus-
druck und seine geballten Fäuste stehen für sein Durchsetzungsvermögen, seine außeror-
dentliche Kraft, seinen starken Willen und seine herausragende Position in der Gesellschaft.
Es scheint ein eisiger Wind um ihn herum zu wehen. Könnte man vielleicht sagen, wer mit
Beethoven mithalten möchte, muss sich warm anziehen?
Simone
Bopp
Der Gigant Beethoven: SeinePersönlichkeit, Symphonien und Bedeutung heute
KLASSIK
Beethoven kennt jeder! Nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt hat Beethoven einen großen Namen. Woher kommt dieses Beethoven-Bild? Wie ist es entstanden? Und ist es berechtigt? Im Kontext der heutigen Rolle Beethovens werden diese Fragen wieder modern.
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1–2 Stunden
M3 Beethoven als neue KünstlerpersönlichkeitM4 Beethovens Einfl uss auf die Entwicklung der Sinfonie und des Konzertwesens M5 Bedeutung Beethovens heute
M1 Beethoven PlakateM2 Zitate über BeethovenM6 Bilder der Arbeitsblätter (M3, M4, M5)
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MUSIK & UNTERRICHT 118/2015 47LUGERT VERLAG
Auch auf Jean Paul Laurens Bild „La Musique“ thront der
übergroße Beethoven auf einem massiven steinernen
Podest. Vermutlich wird Beethovens 9. Symphonie gespielt.
Die Größe des Orchesters ist gewaltig, und man kann
Sänger mit Noten in der Hand erkennen, die vielleicht die
„Ode an die Freude“ singen. Beethoven steht im Zentrum
des Bildes, platziert zwischen Himmel und Erde, als wäre
er halb Mensch, halb Gott. Lorbeerkränze werden ihm
entgegengestreckt, er wird angebetet, verehrt.
Wie ein Gott wird Beethoven auch auf Hans Hermann
Weyls Gemälde „An Max Klinger“ dargestellt. Ein
riesiger Kopf schaut auf die Erde, allwissend, alles
überschauend, über allem stehend und entschieden.
Zu den gewaltigen Bildern passt als Pendant in der
Musik der Anfang der 5. Symphonie von Beethoven.
Die Musik kann gespielt werden, während die Pla-
kate auf die Zuhörenden wirken. Danach sollen die
Plakate beschrieben, interpretiert und mit der Musik
in Verbindung gebracht werden.
Zitate über Beethoven
Auch mithilfe von Zitaten berühmter Persönlichkeiten
(Schubert, Brahms, Goethe, Furtwängler, Maazel etc.)
(M2) soll anschließend vertiefend Beethovens Stellung
als Künstlerpersönlichkeit im 19., 20. und 21. Jahrhun-
dert erarbeitet werden. Dafür bekommt jeder ein lami-
niertes Kärtchen mit einem Zitat, das er sich zwei- bis
dreimal laut vorliest, um es danach den anderen fl üssig
und mit Ausdruck vorlesen zu können. Damit die Zitate
intensiver aufgenommen werden, werden die Augen
geschlossen; immer einer wird aufgerufen und liest
sein Zitat vor. Anschließend werden die wichtigsten
Punkte zur Festigung an der Tafel gesammelt.
Binnendifferenzierte Gruppenarbeit zu verschiedenen Themen
Um zu verstehen, wie es zu solch einem Beethoven-Bild
kommt, werden drei verschiedene Themenbereiche
bearbeitet: Beethoven als neue Künstlerpersönlichkeit
(M3), Beethovens Einfl uss auf die Entwicklung der Sin-
fonie und des Konzertwesens (M4) und die Bedeutung
Beethovens heute (M5). Diese Themen werden in einer
binnendifferenzierten Gruppenarbeitsphase erarbeitet,
die wichtigsten Aspekte auf Folie gesammelt und an-
schließend vorgetragen. Die Arbeitsblätter unterscheiden
sich leicht im Schwierigkeitsgrad, v. a. aber unterscheiden
sie sich im Hinblick auf die Themen. Deshalb sollte im
Vorhinein überlegt werden, welche Themen wessen
Interessensgebiete streifen. Damit die Gruppenarbeit
reibungslos verlaufen kann, wird ein Materialmanager
bestimmt, der die Arbeitsblätter, die laminierten
Bilder für die Präsentation (Bilder, die auch auf
den Arbeitsblättern abgebildet sind, s. M6), die
Folien und Folienstifte beschafft. Des Weiteren
wird ein Schreiber bestimmt, der die Ergebnisse auf
Folie festhält. Die ein bis drei weiteren Gruppen-
mitglieder präsentieren anhand der Stichpunkte
auf Folie und den laminierten Bildern das Resultat
ihrer Arbeit. Für die letzte Gruppe mit dem Thema
„Die Bedeutung Beethovens heute“ bietet es sich
außerdem an, aus der 9. Symphonie die „Ode an
die Freude“ vorzuspielen, da am Schluss der Stunde
diese gesungen werden soll und so ein erster Hör-
eindruck dieses gewaltigen Werks übermittelt wird.
In kurzer Zeit können somit mehrere Themenge-
biete schüleraktivierend erschlossen werden. Zur
Sicherung können die auf Folie festgehaltenen
Punkte abgeschrieben werden, oder wahlweise
erhalten alle die ihnen noch fehlenden Arbeits-
blätter der anderen Gruppen.
Ode an die Freude
Da die Arbeitsblätter Informationen zur 9. Sym-
phonie von Beethoven enthalten und Beethovens
„Ode an die Freude“ in Europa und auch auf der
ganzen Welt bekannt ist, soll durch das Singen
der „Ode an die Freude“ Beethovens Bedeutung
als großer, bedeutender Komponist nochmal zum
Ausdruck kommen.
Ausblick
Insbesondere die 9. Symphonie war Ausgangspunkt
für einen Musikstreit im 19. Jahrhundert. Wie sollte
es mit der Gattung „Symphonie“ nach Beethoven
weitergehen? Spannend für den Unterricht kann
es sein, kontroverse Ansichten und Charaktere
(Brahms – Wagner) herauszuarbeiten, um die Be-
deutung Beethovens auch in diesem größeren
Zusammenhang nochmal deutlich zu machen.
KLASSIK
„Beethoven Digital“
Die Staatsbibliothek zu Berlin stellt mit dem Projekt
„Beethoven Digital“ viele hilfreiche Informationen und
die komplette, digitalisierte autographe Partitur der
9. Symphonie Beethovens zur Verfügung.
www.beethoven.staatsbibliothek-berlin.de
• Blumröder,
Christoph;
Steinbeck, Wolfram:
„Die Symphonie
im 19. und 20.
Jahrhundert.“ In:
Mauser, Siegfried
(Hg.): Handbuch
der musikalischen
Gattungen, Band 3,
Teil 1, Laaber 2002.
• Fiebig, Paul: Über
Beethoven. Von
Musikern, Dichtern
und Liebhabern,
Stuttgart 1993.
• Ulm, Renate (Hg.):
Die 9 Symphonien
Beethovens, Kassel
1994.
Literaturauswahl zum Thema
48 MUSIK & UNTERRICHT 118/2015 LUGERT VERLAG
3 ARBEITSBLATT
Beethoven als neue Künstlerpersönlichkeit
Seit dem Mittelalter waren Musiker in ein festes Gesellschaftsgefüge eingebunden. Bis ins 18. Jahrhundert wusste jeder große Musiker, welche Fürsten oder Städte ihn für sein Werk bezahlten. Der Künstler war zwar im Rahmen seines Auftrags frei, doch ob es eine Prunkmesse, ein Porträt oder Kammermusik wurde, entschied der Auftragsgeber.
BACH hatte nach Wunsch und Auftrag seines jeweiligen Dienstherrn zu komponieren. HAYDN fühlte zwar seine wirtschaftliche und künstlerische Abhängigkeit, doch er akzeptierte sie. MOZART war ein anderer Künstlertyp, eigenwillig und freiheitsliebend. Er fühlte sich in seiner Entfaltung durch eine dienstliche Anstellung eingeengt. Erst BEETHOVEN löste sich völlig aus der Abhängigkeit von Auftraggebern, um von der Gesellschaft als freie Künstlerpersönlichkeit voll anerkannt zu werden.
Es ist die Umkehrung des bisher Üblichen, dass eine Gruppe von Fürsten und Aristokraten sich bereitfi ndet, BEETHOVEN als freischaffen-den Künstler von Existenzsorgen zu befreien und ihm ohne Gegen-leistung eine üppige Jahresrente zuzusichern. BEETHOVEN, ein Musiker ohne einen Dienstherrn über sich, stellt sich der Welt als Einzelner. Er ist weder an Aufträge noch an Termine gebunden. Rücksichten auf ein geneigtes Publikum kennt er nicht. Das führt auch dazu, dass er in seinen Werken die Grenze technischer Schwierigkeiten weit über-schreitet, die HAYDN und MOZART noch strikt beachteten. Auch darin zeigt sich seine Unabhängigkeit. Er komponiert nicht mehr zur Unter-haltung des Adels, sondern er wendet sich an ein imaginäres Publi-kum über alle Standesbarrieren und Ländergrenzen hinweg.
Mit seiner sozialen Stellung und seiner Einstellung zur Gesellschaft und zur Welt weist er den Weg, den die Komponisten der Romantik einschlagen werden. Ein Weg, der das Schöpferische ins Zentrum der Künstlerpersönlichkeit stellt. Eine Anstellung bei Hof, Kirche oder Behörde dient den Komponisten der Romantik nach Beethoven lediglich dazu, einen erträglichen Grad fi nanzieller Absicherung zu erhalten. BERLIOZ, SCHUMANN und zunächst auch WAGNER werden dieser Spur folgen.
Inwiefern drücken die Porträts den Wandel der Künstlerpersönlichkeit aus?
Zusatzfrage
Joseph Haydn
Wolfgang Amadeus Mozart
Ludwig van Beethoven
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MUSIK & UNTERRICHT 118/2015 49LUGERT VERLAG
ARBEITSBLATT 5
Die Bedeutung Beethovens heuteDie 9. Symphonie, schon im Mai 1824 in Wien bei ihrer Uraufführung in Anwesenheit Beethovens stürmisch gefeiert, hat die Musikgeschichte nachhaltiger beeinfl usst als irgendein anderes Werk. Beethoven komponierte das Chorfi nale nach dem Gedicht „An die Freude“ von Friedrich Schiller. Es beschreibt das klassische Ideal einer Gesellschaft gleichberechtigter Menschen, die in Freundschaft verbunden sind.
• 1972 erklärte der Europarat Beethovens „Ode* an die Freude“ zu seiner Hymne.1985 wurde sie in einer Instrumentalfassung von den Staats- und Regierungschefsder EU-Mitgliedstaaten als offi zielle Hymne der Europäischen Unionangenommen. Ohne Worte, um keine europäische Sprache zu bevorzugen,bringt sie die europäischen Werte Freiheit, Frieden und Solidarität zum Ausdruck.1
• 1970 wurde die Melodie ein Welthit unter dem Titel „A Song of Joy“ von Miguel Rios.• Nach dem Fall der Mauer, Weihnachten 1989, dirigierte Leonard Bernstein im
Ostberliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt die 9. Symphonie mit einem leichtgeänderten Text: „Freiheit, schöner Götterfunken“.
Mit Beethovens Partiturhandschrift der 9. Symphonie wird zum ersten Mal eine deutsche Komposition in die von der Unesco geführte Liste des Weltdokumentenerbes (Memory of the World) aufgenommen.
Auch im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung heißt es:
„Der 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven im Jahr 2020 bietet herausragende Chancen für die Kulturnation Deutschland im In- und Ausland. Deshalb ist die Vorbereitung dieses wichtigen Jubiläums eine nationale Aufgabe.“3
Ludwig van Beethoven, Symphonie Nr. 9, d-Moll, op. 125, 4. Satz (mit der „Ode an die Freude“),
Autograph (1822–1824)
*Ode: aus dem Griechischen „odé“ (Gesang, Lied), in der griechischen Antike Sammelbegriff für diegesamte zu Musik vorgetragene strophische Dichtung.4
1 Europäische Union: http://europa.eu/about-eu/basic-information/symbols/anthem/index_de.htm,Stand: 01.01.2015 2 Beethoven-Haus Bonn: http://www.beethoven-haus-bonn.de/sixcms/media.php/75/appassionato_11.pdf, Stand: 01.01.2015 3 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD: DeutschlandsZukunft gestalten: https://www.cdu.de/sites/default/fi les/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf, S.92,Stand: 01.01.15 4 Der Brockhaus Musik, Leipzig – Mannheim, 2006, S.492
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50 MUSIK & UNTERRICHT 118/2015 LUGERT VERLAG
4 ARBEITSBLATT
Beethovens Einfl uss auf die Entwicklung der Sinfonie und des Konzertwesens
Nach MOZART und HAYDN bezeichnet das sinfonische Schaffen BEETHOVENS eine neue Stufe künstlerischen Schaffens. Seine neun Sinfonien sind je eigene, unverwechselbar individuelle Kompositionen, die in jeder Hinsicht neue musikalische Bereiche erschließen. Sie sind charakterisiert durch Größe und Monumentalität. Die einzelnen Sätze werden länger und gewichtiger, und es kommen weitere Instrumente hinzu.
• HAYDN: Sinfonie mit dem Paukenschlag, Nr. 94 G-Dur (1791)Besetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken,StreicherDauer: ca. 25 Minuten
• MOZART: Jupiter-Sinfonie, Nr. 41 KV 551 C-Dur (1788)Besetzung: Flöte, 2 Oboen, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, StreicherDauer: ca. 30-35 Minuten
• BEETHOVEN: Neunte Sinfonie, op. 125 d-Moll (1824)Besetzung: Pikkolofl öte, 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner, 2Trompeten, 3 Posaunen, Pauken, große Trommel, Becken, Triangel, Streicher +Chor und SolistenDauer: ca. 65-75 Minuten
Haydnsaal auf Schloss Esterházy
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MUSIK & UNTERRICHT 118/2015 51LUGERT VERLAG
ARBEITSBLATT 4
Sinfonien wurden ursprünglich in Sälen von Schlössern oder Palais aufgeführt, in Räumen, die nicht eigens und nur für Konzerte bestimmt und erst recht nicht für sie gebaut waren. Die Konzerte von JOSEPH HAYDN erklangen unter anderem in einem Saal des Schlosses des Fürsten Esterházy in Eisenstadt, andere im Steinernen Saal des Schlosses Nymphenburg in München. In der Zeit und im Zusammenhang mit der Entwicklung des bürgerlichen Konzertwesens, also etwa seit 1780, entstanden in vielen großen Städten Konzertsäle oder sogar Konzerthäuser. Sie waren die Aufführungsorte der immer umfangreicher und klangvoller komponierten Sinfonien, die bald zu den Hauptwerken der Sinfoniekonzerte aufstiegen. BEETHOVEN hatte die Sinfonie zu einem solchen Rang und Anspruch erhoben, dass sie als höchstes Ziel des Komponierens an sich angesehen wurde.
Gleichzeitig entstanden immer größere Sinfonieorchester. Ihre Mitglieder wurden nicht mehr nur von reichen Adligen oder Fürsten als ihre Angestellten fi nanziert. Mehr und mehr wurden die Orchester von der bürgerlichen Gesellschaft oder von den Kommunen gegründet und unterhalten, etwa die Wiener und Berliner Philharmoniker, das Gewandhausorchester in Leipzig, die Weimarische Staatskapelle und viele städtische Sinfonie- und Opernorchester. Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung entstanden auch Institutionen für die Ausbildung von Orchestermusikern und Veränderungen in den Berufsbildern von Musikern.1
1 Richter, Christoph: Sinfonie. Oberstufe Musik, Cornelsen Verlag, Berlin 2007, S. 9
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LUGERT VERLAG MUSIK & UNTERRICHT 118/2015
BEETHOVEN PLAKAT 1
Josef Adolf Lang „Beethoven in den Wolken thronend“
LUGERT VERLAG MUSIK & UNTERRICHT 118/2015
ARBEITSBLATT 2
Joseph Haydn (1732–1809):
„…Kenner und Nicht-Kenner müssen aus gegenwärtigen Stücken unparteiisch ein-gestehen, dass Beethoven mit der Zeit die Stelle eines der größten Tonkünstler in Europa vertreten werde, und ich werde stolz sein, mich seinen Meister nennen zu können; …
Franz Schubert (1797–1828):
„…heimlich im Stillen hoffe ich wohl selbst noch etwas aus mir machen zu können, aber wer vermag nach Beethoven noch etwas zu machen?“
Dirigent: Wilhelm Furtwängler (1886–1954):
Im Laufe des 19. Jahrhunderts war Beethoven der unbestrittene König der europäischen Musik geworden.
Nike Wagner (*1945): Beethovenfest-Inten-dantin und Urenkelin von Richard Wagner:
„Beethoven strahlt so ungeheuer viel aus und ist obendrein ethisch unantastbar, als Revolu-tionär, als Avantgardist, als Menschenrecht-ler. Die Komponisten des 19. Jahrhunderts haben ihn alle geliebt, die des 20. und 21. Jahrhunderts tun es immer noch.“
Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832):
„…Sein Talent hat mich in Erstaunen gesetzt“
Johannes Brahms (1833–1897):
„Ich werde nie eine Symphonie komponie-ren! Du hast keinen Begriff davon, wie es unsereinem zu Mute ist, wenn er immer so einen Riesen hinter sich marschieren hört.“
Dirigent: Lorin Maazel (*1930):
„Wie unendlich viel ärmer wäre die Menschheit, hätte Beethoven nie gelebt, nie Musik geschrie-ben. Für sein Leben müssen wir alle dankbar sein. Doch kann die Ehrfurcht vor so einem Giganten den Künstler leicht von seinem eigentlichen Auf-trag abhalten, nämlich die Musik des Kompo-nisten im Konzert zum Klingen zu bringen, sie lebendig werden zu lassen.“
„Der 250. Geburtstag von Ludwig van Bee-thoven im Jahr 2020 bietet herausragende Chancen für die Kulturnation Deutschland im In- und Ausland. Deshalb ist die Vorbe-reitung dieses wichtigen Jubiläums eine nationale Aufgabe.“
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD: Deutschlands Zukunft gestalten
(Quelle: Fiebig, Paul: Über Beethoven. Von Musikern, Dichtern und Liebhabern. Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart 1993, S.13)
(Quelle: Fiebig, Paul: Über Beethoven. Von Musikern, Dichtern und Liebhabern. Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart 1993, S.43)
(Quelle:http://www.general-anzeiger-bonn.de/bonn/kultur/Nike-Wagner-ueber-Beethoven-Plaene-und-Projekte-article1084574.html, Stand: 01.01.2015)
(Quelle: http://www.raptusassociation.org/furtwg.html, Stand: 01.01.2015)
(Quelle: Fiebig, Paul: Über Beethoven. Von Musikern, Dichtern und Liebhabern. Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart 1993, S.18)
(Quelle: Christian M. Schmidt: Brahms Symphonien. Ein musikalischer Werkführer. C. H. Beck 1999)
(Quelle: Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD: Deutschlands Zukunft gestalten:https://www.cdu.de/sites/default/fi les/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf, S.92, Stand: 01.01.2015)
(Quelle: Ulm, Renate: Die 9 Symphonien Beethovens. Bärenreiter Verlag, Kassel 1994, S. 13)
LUGERT VERLAGMUSIK & UNTERRICHT 118/2015
6 ARBEITSBLATT
Haydnsaal auf Schloss Esterházy
Joseph Haydn Wolfgang Amadeus Mozart
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