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Korruption wirkt zersetzend. Nicht nur politische Systeme geraten ins Wanken, wenn das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in staatliche Autoritäten und in den Rechtsstaat verloren geht. Auch Gesellschaften reißen auseinander, wenn das tägliche Leben - etwa beim Arztbesuch oder beim Besuch in der Amtsstube - von Willkür geprägt ist und die persönliche Freiheit Schaden nimmt. Und doch ist die Korruption ein weitverbreitetes Phänomen, welches beileibe nicht nur die sog. Entwicklungs– und Schwellenländern betrifft. Auch beispielsweise in Europa und Nordamerika führt Korruption zu volkswirtschaftlichen Schäden und gesellschaftlichen Rissen. Wie reagieren Politik, Wirtschaft und Gesellschaft weltweit auf Korruption? Welchen Beitrag leisten die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und ihre Partner bei der Korruptionsbekämpfung? Lesen Sie hierzu über Beispiele aus unserer weltweiten Arbeit sowie weitere interessante Beiträge unserer Auslandsmitarbeiter.
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www.freiheit.org
FNF International News
Das Magazin des Bereiches Internationale Politik
Thema: Freiheit vs. Korruption
AUSGABE 1 / 2012
Editorial
www.freiheit.org
Inhalt
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Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Friedrich-Naumann-Stiftung für
die Freiheit,
Korruption wirkt zersetzend. Nicht nur politische Sys-
teme geraten ins Wanken, wenn das Vertrauen der
Bürgerinnen und Bürger in staatliche Autoritäten und
in den Rechtsstaat verloren geht. Auch Gesellschaften
reißen auseinander, wenn das tägliche Leben - etwa
beim Arztbesuch oder beim Besuch in der Amtsstube -
von Willkür geprägt ist und die persönliche Freiheit
Schaden nimmt.
Und doch ist die Korruption ein weitverbreitetes Phä-
nomen, welches beileibe nicht nur die sog. Entwick-
lungs– und Schwellenländern betrifft. Auch beispiels-
weise in Europa und Nordamerika führt Korruption zu
volkswirtschaftlichen Schäden und gesellschaftlichen
Rissen.
Wie reagieren Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
weltweit auf Korruption? Welchen Beitrag leisten die
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und ihre
Partner bei der Korruptionsbekämpfung? Lesen Sie
hierzu über Beispiele aus unserer weltweiten Arbeit
sowie weitere interessante Beiträge unserer Auslands-
mitarbeiter.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!
Ulrich Niemann
Bereichsleiter Internationale Politik
Freiheit vs. Korruption
Korruption gegen Recht und Frei-
heit - eine Einführung
Transparenz ist der Schlüssel:
Korruption in Lateinamerika
Trotzt die Korruption der Revoluti-
on im Mittelmeerraum?
Afrika: Ein Kontinent im Würgegriff
der Korruption
Der Korruptionswahrnehmungsin-dex von Transparency International
The Dynamics of Corruption in
India
Nur Freiheit und Demokratie wirken
gegen Korruption: Zwei Fallbeispie-
le aus der Region Südost– und Ost-
asien
Zwischen Versprechungen, Enttäu-
schungen und Hoffnungen: Der
schwierige Kampf gegen die Kor-
ruption in Osteuropa
Wehrhafte Demokratie? Korruption
in Europa und in den USA
Politische Berichte online
S. 3
S. 5
S. 11
S. 19
S. 25
S. 26
S. 30
S. 36
S. 42
S. 49
3
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
Zum ordnungspolitischen Rahmen von Märkten gehört
die Sicherung des Eigentums und die garantierte Ver-
tragsfreiheit und Vertragssicherheit. Eine funktionie-
rende Marktwirtschaft ist also immer ein System, das
sich nach allgemeinen und transparenten Rechts-
grundsätzen richtet. Konflikte werden von neutralen
Rechtsinstanzen entschieden, die diese Rechtsgrund-
sätze auf den konkreten Konfliktfall anwenden. Eine
solche Marktordnung bringt positive Ergebnisse her-
vor: Menschen treten mit anderen Menschen in den
Austausch von Waren und Dienstleistungen, der Wett-
bewerb zwischen den Anbietern führt zu fallenden
Preisen und einer besseren Versorgung und Konflikte
werden entweder durch die Geltungsansprüche des
Eigentums oder die Einigung über die Vertragsrege-
lung vermieden oder von einem unabhängigen Gericht
geprüft und entschieden.
Das Übel der Korruption besteht darin, dass durch sie
die Markt- und die Rechtsordnung außer Kraft gesetzt
werden. Die Korruption gedeiht aber auch da beson-
ders, wo diese Markt- und Rechtsordnung ohnehin in
erheblichem Maße eingeschränkt oder sogar nicht
vorhanden sind. Sie gedeiht zum Beispiel dort beson-
ders, wo politisch geschaffene Knappheit vorherrscht.
In einem Marktsystem wird Knappheit durch den
Preismechanismus geregelt. Der Preis für ein knappes
Gut steigt, was die Nachfrage senkt und das Angebot
erhöht. Wo Leistungen staatlich rationiert werden,
besteht dieser Ausgleichmechanismus nicht. Egal ob
es sich dabei um die Beantragung einer Baugenehmi-
gung, eines Visums oder um den Zugang zu einer me-
dizinischen Leistung handelt, wenn der Zugang zu
diesen Gütern extrem rationiert ist, besteht ein Anreiz
neben dem offiziellen Preis, etwa einer festgesetzten
Gebühr, einen zweiten Preis in Form von Bestechungs-
geld festzulegen. Die Höhe des Bestechungsgeldes re-
gelt dann den Zugang zu knappen Ressourcen.
Ein korruptes politisches System schafft damit jene
sozialen Verwerfungen, die Marktkritiker gemeinhin
der Marktwirtschaft an sich zuschreiben. Die transpa-
rente Wettbewerbsordnung ist aber das Gegenteil des
politischen Faustrechts. Walter Eucken beschrieb
Wettbewerbspolitik als die beste Sozialpolitik. Der
Wettbewerb zwischen Unternehmen führt dazu, dass
ohne zusätzliche Innovation die Gewinne von Unter-
nehmen in der Regel eher abnehmen und die Preise
von Gütern und Dienstleistungen für die Konsumenten
sinken. Nicht der Wettbewerb führt zu sozialen Ver-
werfungen, sondern die Kartellbildung und Monopol-
bildung. Diese Vermachtung von Märkten wird durch
Korruption – gerade auch in der subtilen Form des
politischen Lobbyismus – erst ermöglicht. Wenn der
Marktzugang durch die Bestechung politischer Instan-
zen, etwa durch die Beeinflussung von Genehmi-
gungsverfahren, Manipulation von Ausschreibungen
und anderen Marktbarrieren beschränkt wird, dann
zahlen die Konsumenten dafür in Form höherer Preise.
Der Bestechende und der Bestochene schließen quasi
einen Vertrag auf Kosten Dritter. Der Vorteil des Be-
stechenden besteht darin, dass er sich einen Vorteil
gegenüber dem verschafft, der nicht besticht, und der
Vorteil des Bestochenen besteht darin, dass er die
Ressourcen anderer veruntreut. Der Staatsbeamte, der
einem Antragsteller einen Vorteil zu kommen lässt,
um von diesem Zuwendungen zu erhalten, nutzt sei-
nen Zugang zu staatlichen Ressourcen, die ihm nicht
gehören, und verwendet diese Ressourcen entgegen
der Interessen der Eigentümer – der öffentlichen Kör-
perschaft bzw. der Steuerzahler.
Korruption gegen Recht und Freiheit - eine Einführung
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FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
In keinem Bereich ist Bestechlichkeit so gefährlich wie
im Bereich der Justiz. Die Unabhängigkeit der Justiz
und die Gleichheit vor dem Gesetz ist die Grundlage
für den inneren Frieden einer Gesellschaft und für die
Entwicklung einer Marktordnung. Wenn ein Richter
sich bestechen lässt, dann ist die Neutralität der
Rechtsinstanz nicht mehr gewährleistet. Das heißt,
dass es kein faires Verfahren mehr gibt, nach dem
Konflikte entsprechend der allgemeinen Rechtsprinzi-
pien gelöst werden können. Wenn man Korruption in
einem politischen System bekämpfen will, dann steht
die Schaffung einer unabhängigen und neutralen Jus-
tiz an erster Stelle. Recht und Freiheit sind eng mitei-
nander verbunden. Korruption wuchert immer dort,
wo die Freiheit im Übermaß eingeschränkt ist und das
für alle verbindliche Recht unterlaufen wird.
Dr. Gérard Bökenkamp
Liberales Institut
Bildnachweis Titel: Gerd Altmann/Pixlio
Foto: Thorben Wengert/Pixelio
In eigener Sache:
Neuer Imagefilm des Bereichs
Internationale Politik online
Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit setzt
sich weltweit für den Liberalismus ein. Ein wichtiger
Pfeiler ist dabei die Arbeit des Bereichs Internationale
Politik, was dieser alles leistet, können Sie in diesem
Imagefilm sehen:
http://goo.gl/dqPqs
Die Friedrich-Naumann-Stiftung für
die Freiheit im Web 2.0:
www.freiheit.org
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FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
Transparenz ist der Schlüssel: Korruption in Lateinamerika
Korruption in Lateinamerika – das Phänomen
Bereits 1656 schrieb der portugiesische Jesuit, Padre
Antônio Vieira, in seinem Buch „Die Kunst zu entwen-
den” über die Machenschaften der Repräsentanten der
portugiesischen Krone in Brasilien, die sich an öffent-
lichen Geldern bereicherten. Dies zeigt, dass das Prob-
lem der Korruption, in Brasilien wie in allen anderen
Ländern Lateinamerikas, ein sehr altes ist – und es hat
seine Aktualität bis heute nicht verloren.
Vor allem die politische Klasse Lateinamerikas wird
regelmäßig von Korruptionsskandalen erschüttert.
Über die Medien, insbesondere das Fernsehen und das
Video-Portal YouTube, bekommt der erstaunte Zu-
schauer immer wieder versteckt aufgenommene Vi-
deos vorgeführt, die zeigen, wie Regierungsmitglieder
und Abgeordnete dicke Geldbündel in Empfang neh-
men und in ihren Hosentaschen, Unterhosen, Strümp-
fen oder Handtaschen verstauen bzw. wie Vertreter
von Unternehmen, die an Regierungsaufträgen inte-
ressiert sind, Geldpakete zur Verteilung überreichen,
um die Ausschreibungen zu gewinnen. Selbst die Jus-
tiz bleibt nicht von Korruptionsskandalen verschont.
Brasilianische Richter stehen derzeit unter dem Ver-
dacht, unerlaubt Einfluss auf den Ausgang von Pro-
zessen genommen zu haben. Aber auch bei anderen
Behörden, wie z.B. bei Polizei und Zoll, treten immer
wieder Fälle von unerlaubter Einflussnahme und dem
Austausch von Gefälligkeiten auf.
Korruption wird in den Staaten Lateinamerikas in un-
terschiedlichem Maße toleriert und akzeptiert. Der
venezolanische Psychologe Axel Capriles analysiert
dieses Phänomen für sein Land so: Der Venezolaner
vereinige in sich eine Mischung aus anarchischem In-
dividualismus und kollektivistischer Ethik, er suche
seinen individuellen Vorteil, ohne die Rechte anderer
zu achten. Er betrachte die öffentlichen Ressourcen
als Besitz aller Venezolaner, die eben dem jeweils
Stärksten zur Verfügung stehen. Armut könne nur
überwunden werden, wenn umverteilt werde, was die
Reichen oder der Staat dem Volk „weggenommen“
haben. Öffentliches und privates Eigentum sind nach
Staatsideologie und Verfassung nicht getrennt – ein
Einfallstor für Willkür und Korruption. Wie anders –
und korruptionsmindernd – die Auffassung in zumeist
westlichen Rechtsstaaten, die Kontrollen für den Ge-
„Ich glaube, ich bitte Elsa gleich, die Kiste zu suchen… die Zeitung lass hier…“
„Und nächstes Mal machen wir es wie beim letzten Mal... obwohl, Du siehst ja, jetzt ist das Ganze weni-ger sperrig..."
„... dann dort zu unterschiedlichen Zeitpunkten... dieses gebe ich Dir... schau mal...“
Fotos: Auszug aus einem versteckt aufgezeichnetem Video von öffentlichen Amtsträgern, die einander Geld übergeben, eine Ermittlung
gegen sie aber nur zu kurzen Gefängnisstrafen führt und deren Fall in unübersichtlichen Justizsystemen schnell in Vergessenheit gerät.
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FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
brauch von Staatseigentum vorsehen und das private
Eigentum schützen und garantieren.
Ländertabelle der Korruption
Der Corruption Perceptions Index 2011 (CPI) von
Transparency International bewertet 182 Länder auf
einer Skala von 0 bis 10 Punkten, 0 Punkte erhalten
dabei die Länder mit der höchsten Korruptionsrate, 10
Punkte diejenigen mit der geringsten Korruptionsrate.1
In Lateinamerika sind Chile (7,2 Punkte, Platz 22) und
Uruguay (7 Punkte, Platz 25) Spitzenreiter. Auch Costa
Rica (4,8 Punkte, Platz 50) und selbst Kolumbien (3,4
Punkte, Platz 80) schneiden im Vergleich zu anderen
lateinamerikanischen Ländern noch gut ab. Die G-20
Mitglieder Brasilien (3,8 Punkte, Platz 73), Argentinien
und Mexiko (beide mit 3 Punkten auf Platz 100) liegen
in der Bewertung alle schon unterhalb des lateiname-
rikanischen Durchschnitts; ihnen folgen Länder wie
Guatemala und Ecuador (beide mit 2,7 Punkten auf
Platz 120), Honduras (2,6 Punkte, Platz 129), Nicara-
gua (2,5 Punkte, Platz 134), Paraguay (2,2 Punkte,
Platz 154). Schlusslicht ist Venezuela mit 1,9 Punkten
auf Platz 172. „Die meisten Länder Lateinamerikas
schneiden in diesem Index so schlecht ab, weil ihre
Institutionen schwach sind, die Regierung bzw. die
wichtigsten politischen Akteure zu stark sind und es
keine balance of power gibt“, sagt der für Nord- und
Südamerika zuständige Leiter von Transparency Inter-
national, Alejandro Salas.
Wahrnehmung von Korruption in der Zivilgesell-
schaft
Die Bevölkerung Lateinamerikas verhält sich traditio-
nell fatalistisch und resigniert gegenüber dem Phäno-
men und wählt als korrupt bekannte Politiker nicht
selten wieder. Auch in Argentinien gehört das Thema
trotz zahlreicher und gravierender Fälle von Korrupti-
on etwa im ländlichen staatlichen Sektor Argentiniens
nicht zu den von der Gesellschaft prioritär beklagten
Missständen. Nach Daten von Poder Ciudadano, dem
argentinischen Zweig von Transparency International,
ist das Problem lediglich für 6% der Bürger relevant,
den anderen erscheint das Problem schlicht nicht lös-
bar.
Im Gegensatz hierzu ist Korruption in Brasilien
„sichtbarer“ geworden und hat an Beachtung gewon-
nen. Dies dank der aufmerksamer gewordenen brasili-
anischen Zivilgesellschaft und der Pressefreiheit, die
zwar immer wieder bedroht wird, aber doch recht gut
funktioniert. Die Medien – als eine Art vierte Gewalt –
prangern Korruptionsfälle mittlerweile systematisch in
der Öffentlichkeit an. Und auch Politiker haben Kor-
ruptionsfälle als wirksame Waffe entdeckt, um politi-
sche Gegner durch Vorwürfe wie Veruntreuung und
Stimmenkauf zu schwächen oder ganz auszuschalten.
Auch ein Wandel in der brasilianischen Gesellschaft
spielt eine Rolle: Mit wachsendem Bildungsstand und
breiterem Zugang zu Informationen interessieren sich
immer mehr Brasilianer für Korruptionsfälle und ma-
chen sich für deren Bekämpfung stark.
So mussten in Brasilien seit Mitte 2011 allein sechs
Minister aufgrund von Korruptionsvorwürfen in der
Regierung ihren Hut nehmen. Sicherlich eine deutliche
Geste der amtierenden Staatspräsidentin Dilma
Rousseff, deren „Säuberungsaktion“ von den Medien
und der Öffentlichkeit lobend anerkannt wurde. Den-
noch wird es wohl bei einer Geste bleiben. Denn so-
lange die Ministerien in Händen der immer selben
Parteien bleiben, wird sich wenig ändern. Die brasilia-
nische Zivilgesellschaft, wie z.B. die Bewegung gegen
Korruption, Movimento Contra a Corrupção, organi-
“Koffer-Skandal 800 000 USD Mittel für Santa Cruz 390 Mio. USD
Pensionen 30 Mrd. USD Dies alles zu tun und dass keiner reagiert... priceless”
Das Plakat spricht - in ironischer Anlehnung an eine
Kreditkartenwerbung - von diversen Korruptionsskandalen in
Argentinien und klagt an, dass keiner hiergegen protestiert.
Foto: Leila / arteyfotografia.com.ar
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FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
sierte anlässlich der Korruptionsfälle in den Ministe-
rien im September und Oktober 2011 Protestmärsche
in insgesamt 18 verschiedenen Städten Brasiliens, an
denen sich Tausende Menschen beteiligten. Sie war-
ben für die Säuberung der Ministerien, für die gesetz-
liche Erschwerung einer erneuten Kandidatur korrup-
ter Politiker und für transparentere Entscheidungspro-
zesse in den Parlamenten. Vor allem über die Neuen
Sozialen Medien wurde zur Teilnahme an Anti-
Korruptions-Demonstrationen aufgerufen. Dabei war
die Zahl der virtuell Protestierenden um ein Vielfaches
höher als die der physisch Protestierenden.
Nicaragua ist aufgrund der autoritären Regierung Or-
tegas in gewisser Weise ein Sonderfall. Die Bevölke-
rung, NGOs und Medien sind sich der Korruption im
Land zwar bewusst und klagen diese öffentlich an,
müssen dafür aber mit Repressalien rechnen. Die Re-
gierung steht hinter Übergriffen auf Journalisten, sie
droht mit der Kürzung von Mittelzuweisungen aus
dem Bereich der internationalen Entwicklungshilfe an
Organisationen wie Ética y Transparencia, den nicara-
guanischen Zweig von Transparency International,
wenn diese beklagen, dass etwa die Nutzung der ve-
nezolanischen Petrodollars nicht transparent darge-
legt werde und fordern, dass diese Mittel in die
Staatskasse einfließen müssen und nicht, wie bisher,
für dubiose populistische Vorhaben von Staat und
Sandinistenpartei genutzt werden dürften.
Auch in Venezuela, wo Staat und Regierung dank der
Erdölförderung umfangreiche Einnahmen haben, über
deren Verwendung sie keinerlei Rechenschaft ablegen,
berichten die Medien über zahlreiche Korruptionsfälle
in Ministerien, Gerichten, Katasterämtern, Zollbehör-
den, staatlichen und privaten Unternehmen, Polizei,
Heer und sozialen Projekten. Medien und Opposition
beklagen das Fehlen jeglicher Kontrolle des öffentli-
chen Handelns seitens der Justiz.
Politisierung des Staates als Ursache der Korruption
Korruption liegt in Brasilien im politischen und Regie-
rungssystem begründet und entsteht dort, wo sich die
administrative und die politische Ebene mischen. Das
Schmieden politischer und persönlicher Allianzen in
einem Land mit einem so stark zersplitterten Parteien-
system wie Brasilien verspricht Pfründe und verlangt
finanzielle Schmiermittel. Allein Brasiliens Regierung,
die sich auf 17 Parteien stützen muss, leistet sich zur
Sicherung ihrer Machtbasis fast 25.000 politische
Mitarbeiter auf sog. „Vertrauensposten“ (Tendenz stei-
gend) in der Regierung, ihren Institutionen und staat-
lichen sowie halbstaatlichen Unternehmen. Das ist
etwa das achtfache der USA (8.000) und mehr als 40
Mal so viel wie in der Bundesrepublik Deutschland
(500). Diese Vertrauensposten dürfen beliebig besetzt,
ihre Inhaber frei ausgetauscht werden, ohne einen
Nachweis über die fachliche Qualifikation der Perso-
nen führen oder ihre Anwesenheit am Arbeitsplatz
belegen zu müssen.
Komplizierte Gesetzesregelungen, die in den Ländern
der Region viel Spielraum für Interpretationen und
willkürliche Anwendung lassen, sowie mehrstufige,
unklare bürokratische Verfahren fördern Korruption.
So mag z.B. Mexikos Verschlechterung im Corruption Perceptions Index 2011 auch der Tatsache geschuldet
sein, dass zwischen 2000 und 2010 im Regierungsap-
parat die Zahl der öffentlichen Ämter um knapp 20%
zugenommen hatten. Hinzukommt, dass Korruptions-
fälle vor allem in den Bundesstaaten mit ihren noch
feudalen Herrschaftsstrukturen nicht hinreichend ver-
folgt und bestraft werden. So z.B. eine innerhalb von
sechs Jahren versteckt aufgebaute Staatsverschuldung
des Bundesstaates Coahuila in Höhe von rund 3 Mrd.
Euro oder der Bau eines Denkmals in Mexico-City an-
lässlich des Bicentenario, dessen Kosten innerhalb
zweier Jahre von 30 auf 85 Mio. USD angestiegen wa-
ren.
Was tun? Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung
Juristen und Politikwissenschaftler sind sich darin ei-
nig, dass es illusorisch ist, Korruption mit höheren Ge-
fängnisstrafen bekämpfen zu wollen. Dagegen spricht
allein schon die in Lateinamerika vorherrschende
Straflosigkeit, denn Latinos – insbesondere reiche –
Facebook-Seite „Stop Corruption Brasil“ (Quelle: facebook.com)
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FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
gehen gewöhnlich gar nicht oder nur für kurze Zeit ins
Gefängnis. Ein wesentlicher Ansatz, um Korruption
effektiv zu bekämpfen, sei daher eine Strafrechtsre-
form nach dem Modell der USA, Italiens oder
Deutschlands. Dies mit den Elementen einer öffentli-
chen, Transparenz und Kontrolle schaffenden Haupt-
verhandlung sowie der Möglichkeit einer Strafmaßre-
duzierung im Falle einer Kooperation mit der Staats-
anwaltschaft. Zudem müsse die Zahl öffentlicher Äm-
ter und Funktionen abgebaut werden, Verwaltungs-
prozesse müssten vereinfacht und transparent und
bürgerfreundlich gestaltet werden – denn Bürokratie-
abbau ist Korruptionsbekämpfung.
Überhaupt ist Transparenz der Schlüssel: Je mehr In-
formationen die Bürger haben, je professioneller damit
Politiker ihre Kontrollaufgaben etwa gegenüber der
lokalen Verwaltung wahrnehmen können, desto klei-
ner werden Spielräume für Korruption. Eine brasiliani-
sche Studie zeigt ganz klar und einfach: Je intensiver
die Aufsichts- und Kontrollbehörden in einem brasilia-
nischen Bundesstaat arbeiten, desto langsamer wer-
den die dortigen Politiker reich, desto geringer sind
die Personalkosten im öffentlichen Dienst und desto
niedriger ist die Verschuldung des Bundesstaates ge-
genüber dem Bund.
Was wird nun getan im Kampf gegen die Korrupti-
on?
Brasilien setzt computergestützte Programme zur
Überwachung und zum „Cross-Checking“ von Infor-
mationen ein; damit sind Verwaltungsvorgänge we-
sentlich transparenter geworden, so etwa durch die
elektronischen Steuererklärungen, den Einsatz eines
elektronischen Verzollungssystems, der elektronischen
Rechnungserstellung für Waren und Dienstleistungen
sowie durch die Offenlegung von öffentlichen Ausga-
ben im Internet, was die Stadtregierung von São Paulo
praktiziert. Auch arbeiten die zuständigen Kontrollbe-
hörden professioneller und besser zusammen. Den-
noch hat der Bundesrechnungshof allein im Jahr 2011
Entwendungen in Höhe von 770 Mio. Euro nachwei-
sen können – seit 2002 summiert sich der Betrag auf
stolze 3,3 Mrd. Euro, wovon jährlich nur ca. 8% den
öffentlichen Haushalten wieder zurückgeführt werden
können. Wie hoch der volkswirtschaftliche Schaden
Brasiliens tatsächlich ist, ist nur schwer zu bemessen.
Der Industrieverband von São Paulo (Fiesp) schätzt,
dass er zwischen 21 Mrd. und 36 Mrd. Euro liegt, das
wären ca. 2% des BIP.
Argentiniens Präsident Fernando de la Rúa rief 1999
eine in die Regierung eingegliederte Antikorruptions-
behörde ins Leben, welche die Aufgabe hat, Program-
me zur Korruptionsbekämpfung auszuarbeiten; die
Behörde arbeitet auf der Grundlage eines „Gesetzes
für Ethik“. Präsident Néstor C. Kirchner erließ zwi-
schen 2003 und 2007 das Dekret über den Zugang zur
öffentlichen Information aus dem Bereich der Natio-
nalen Exekutive und schuf einen neuen Mechanismus
zur Auswahl der Obersten Richter.
Mexikos Parlament verabschiedete Transparenzgeset-
ze, die den Bürgern ein Auskunftsrecht in Verwal-
tungsverfahren einräumen; die Justiz hat eine interne
Disziplinarstelle eingerichtet. Dazu ist in den letzten
15 Jahren ein verstärkter Wechsel in öffentlichen Äm-
tern und Funktionen zu beobachten. Jedoch hat sich
die Korruption nicht verringert, sondern eher erhöht.
Zwischen 2004 und 2011 ist Mexiko im CPI 2011 von
Platz 64 (von 145) auf Platz 100 (von 183) gefallen.
Sowohl in Guatemala als auch in Honduras und Ni-
caragua existieren Leyes de Acceso a la Información Pública, Gesetze über den Zugang zu öffentlichen In-
formationen. Die neue Regierung Guatemalas hat zur
Vermeidung von Korruption beschlossen, dass NGOs
ab 2012 nicht mehr an öffentlichen Ausschreibungen
zum Bau und Ausbau von Infrastruktur teilnehmen
dürfen. In Honduras existiert eine Sonderbehörde für Graffiti „Beschmutzt nicht die Kunst durch Eure Korruption!“
in Campo Grande, Brasilien (Foto: ceruleo/Flickr)
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FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
staatliche Beschaffungen, deren Beirat sich aus Ver-
tretern der Unternehmerverbände und der Zivilgesell-
schaft zusammensetzt und deren Aufgabe die Über-
wachung öffentlicher Ausschreibungen ist. In Costa
Rica besteht die Staatsanwaltschaft seit dem Jahre
2010 auf Ausgleichszahlungen seitens der in Korrupti-
onsfälle verwickelten Amts- und Mandatsträger bzw.
Unternehmen. Diese Ausgleichszahlungen werden
dann eingefordert, wenn durch die Korruption Schä-
den für die Allgemeinheit entstanden sind. Sie fließen
direkt in die Staatskasse.
Beispielhaft seien an dieser Stelle auch die gegen zwei
ehemalige costaricanische Präsidenten geführten
Strafverfahren genannt. 2009 und 2011 wurden zwei
ehemalige Präsidenten des Landes wegen Korruption
angeklagt und verurteilt: Rafael Ángel Calderón des
Partido Unidad Social Cristiana hatte im Rahmen ei-
ner Ausschreibung für die Installation von mobilen
Telefonnetzen der französischen Firma Alcatel Beste-
chungsgelder erhalten und Miguel Ángel Rodríguez
derselben Partei ließ sich beim Kauf von Medizintech-
nik korrumpieren; beides sind in Costa Rica Präze-
denzfälle, da Präsidenten bis dahin Straffreiheit ge-
nossen hatten. Sowohl die Staatsanwaltschaft als
auch die Exekutive Costa Ricas haben in den letzten
Jahren ihre Anstrengungen zur Aufdeckung von Kor-
ruptionsfällen intensiviert. Eine Sonderabteilung der
Staatsanwaltschaft hat Korruptionsfälle in zehn Ge-
meinden aufgedeckt, in denen die Bürgermeister bei
Ausschreibungen bestochen wurden oder Geld für die
Ausübung ihrer Mandate annahmen.
Eine der bekanntesten Wochenzeitschriften Brasiliens,
Veja, veröffentlichte anlässlich des letzten Welt-Anti-
Korruptionstags auf ihrer Website ein „Netz der Kor-
ruptionsskandale“. Interessierte Leser können sich dort
leicht und ausführlich über alle öffentlich bekannt
gewordenen Korruptionsfälle der vergangenen Jahre
informieren.1
Transparency International Brazil2 misst nicht nur die
Korruption und den Stimmenkauf, sondern evaluiert
auch die Arbeit von Mandatsträgern, wie z.B. die der
brasilianischen Bundesabgeordneten und Bundesrich-
ter, um good governance zu fördern.
Aktuell schaut die brasilianische Bevölkerung mit
größter Sorge auf die drohende Kostenexplosion durch
die stark in Verzug geratenen Bauvorhaben für die
Fußballweltmeisterschaft 2014. Nach Meinung des
ehemaligen Fußballnationalspielers und amtierenden
Bundesabgeordneten „Romário“ wird die Fußballwelt-
meisterschaft „der größte Klau der Geschichte Brasili-
ens“. Denn Brasilien hat zwar Gesetze – sogar relativ
strenge – zur Korruptionsvermeidung bei öffentlichen
Ausschreibungen, jedoch werden diese in dringenden
Fällen außer Kraft gesetzt – was einem Freibrief für
alle Beteiligten gleichkommt.
Aktivitäten der lateinamerikanischen Stiftungs-
partner zur Korruptionsbekämpfung
Kernaufgabe der Stiftungsarbeit ist und bleibt es, in
Lateinamerika eine Kultur der Begrenzung der Staats-
macht, eine Kultur der Transparenz und Rechen-
schaftslegung sowie Bürgerpartizipation im Sinne ei-
ner Wächterfunktion und Kontrolle öffentlichen Han-
delns zu fördern. Die Stiftung will mit ihren Partnern
damit langfristig dazu beitragen, Denkweisen zu ver-
ändern und die einer transparenten Verwaltung zu-
grunde liegenden Werte und Haltungen zu fördern
und zu stärken.
In Argentinien fördert die Stiftung in Zusammenarbeit
mit dem Think-Tank Libertad y Progreso die Veröffent-
lichung eines Index zur Qualität der Institutionen, der
u.a. Transparenz und Vereinfachung von Prozessen der
öffentlichen Verwaltung misst.
In Zentralamerika fördert die Stiftung über die Verei-
nigung liberaler Bürgermeister Zentralamerikas den
Austausch von best practices aus dem Bereich der Ge-
meindeverwaltung (NPM, Transparenz, Bürgerpartizi-
pation) und trägt damit zur Aus- und Fortbildung von
Kommunalpolitikern bei, die ihre Aufgaben noch ge-
wissenhafter wahrnehmen sollen.
Die FNF Brasilien leistet in ihren Bildungsveranstal-
tungen mit ihren Partnern zu Themen wie NPM
(Entbürokratisierung, Subsidiaritätsprinzip), Liberalis-
mus, Demokratie, Presse- und Meinungsfreiheit, Mo-
bilisierung und Organisation von Aktionen, strategi-
sche Kommunikation sowie der Schulung im Umgang
mit modernen elektronischen Medien für politische
1 http://veja.abril.com.br/infograficos/rede-escandalos/rede-
escandalos.shtml 2 http://www.transparencia.org.br/
10
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
Zwecke und zur Imagekontrolle einen Beitrag zur Kor-
ruptionsbekämpfung.
Eine Twitter-Aktion der brasilianischen Juventude De-mocratas forderte den Parteiausschluss eines korrup-
ten Mandatsträgers: Als der Gouverneur des Bundes-
distrikts Brasilia, José Arruda, von der Partei der De-
mokraten in einen massiven Korruptionsfall verwickelt
war, wurde er dafür nicht nur von der Presse angegrif-
fen, sondern vor allem auch von der mit der FNF ko-
operierenden Parteijugend, Juventude Democratas. Die
forderte unter Nutzung der elektronischen Medien,
insbesondere Twitter: (#ForaArruda), öffentlich Arru-
das bedingungslosen Parteiausschluss und eine mora-
lisch einwandfreie Politik. Damit stellte sich die
Parteijugend der Demokraten an die Spitze der Bewe-
gung gegen Arruda, was in hohem Maße ungewöhn-
lich war, da in Brasilien Jugendverbände öffentlich
fast nie Kritik an der Führung der eigenen Partei üben.
Dieser massive Druck der Parteijugend fiel sogar den
Medien positiv auf, die in führenden Tageszeitungen
und Blogs über die Kritik der jungen Liberalen an ihrer
Mutterpartei berichteten. Die Partei nutzte die Gunst
der Stunde und schloss den der Korruption angeklag-
ten Mandatsträger tatsächlich aus der Partei aus.
Auf Initiative der Demokraten und insbesondere mit
Unterstützung ihres Jugendverbands wurde 2010 ein
unterschriftengestützter Gesetzesentwurf (1,3 Mio.
Unterschriften), genannt „Ficha Limpa“ („sauberes Be-
werbungsformular“), verabschiedet, der es Politikern,
die in zweiter Instanz wegen Amtsmissbrauch, Stim-
menkauf, Veruntreuung oder anderer Rechtsverstöße
verurteilt wurden, untersagt, während der nächsten
acht Jahre wieder zu kandidieren. Das Gesetz verhin-
dert dieser Tage, dass Politiker, denen es bislang im-
mer wieder gelungen war, trotz strafrechtlicher Verur-
teilung wiedergewählt zu werden (was Immunität zur
Folge hatte), bei den kommenden Kommunalwahlen
2012 erneut antreten dürfen.
Die brasilianischen Demokraten verstehen sich als ver-
antwortungsvolle und überwachende Opposition. Bei
allen in der Öffentlichkeit und zumeist durch die Me-
dien bekannt gewordenen Korruptionsfällen setzen sie
und insbesondere ihre Jugendorganisationen sich
stets für die Einrichtung einer parlamentarischen Un-
tersuchungskommission ein und fordern die bedin-
gungslose Aufklärung der Korruptionsfälle und die
Bestrafung der Schuldigen.
Der Stiftungspartner CEDICE Libertad ist Mitglied von
RELIAL, Red Liberal de América Latina und Mitbegrün-
der der NGO Transparencia Venezuela, mit deren Hilfe
die Regierung des Bundesstaates Miranda – in dem
die Hauptstadt Caracas liegt – Programme und best
practices in den Bereichen accountability und Trans-
parenz von Staatsausgaben umsetzt und anwendet.
Auch einige Abgeordnete des nationalen Parlaments
lassen sich von dieser NGO beraten, um Rechenschaft
über ihre Amtshandlungen ablegen zu können. Selbst
wenn es sich hier um Ausnahmefälle, um von Opposi-
tionsparteien geführte Regionalregierungen und Ab-
geordnete der Opposition handelt, sind dies erste
wichtige Schritte im Bereich der Korruptionsbekämp-
fung. Die Organisation hat zudem ein Beratungspro-
gramm in Korruptionsfällen (ALAC - Asistencia Legal Anticorrupción)3 eingerichtet, das Opfer von Korrupti-
on bei rechtlichen Schritten berät. CEDICE Libertad
führt darüber hinaus Seminare und Konferenzen zu
den Themen Verantwortlichkeit und Transparenz in
der Verwaltung und Verwendung von öffentlichen
Mitteln durch.
Mit Beiträgen der Projektleiter und -koordinatoren
sowie Vertretern von RELIAL-Partnern
Endredaktion: Elisabeth Maigler und Ulrich Wacker
Parlamentarier der Opposition, angeführt von den
Demokraten, rufen zur Unterstützung für die Einrichtung einer
„Parlamentarischen Untersuchungskommission der Korruption“
im Kongress auf, Dezember 2011 (Foto: G1)
3 http://www.alacvenezuela.org/view/home
11
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
Die „Revolution vom 25. Januar“, die im vergangenen
Frühjahr die dreißigjährige Herrschaft von Ägyptens
ehemaligem Präsidenten Hosni Mubarak zu Ende
brachte, wurde auch angefacht von der Wut der Mas-
sen über die täglichen Ungerechtigkeiten und Demüti-
gungen, die Korruption des Regimes im Kleinen wie im
Großen. Die Ägypter waren der Gier des aufgeblähten
Staatsapparates nach „Bakschisch“ bei mehr oder we-
niger jeder sich bietenden Gelegenheit ohnmächtig
ausgesetzt. Die Kehrseite der täglich erfahrenen Kor-
ruption und finanziellen Nötigung der verarmten Mas-
sen ist die große Korruption der politischen und wirt-
schaftlichen Eliten: Eine kleptokratische Ordnung bil-
dete die sozioökonomische Basis des Mubarak-
Regimes. Im Zuge einer so genannten wirtschaftlichen
Liberalisierungspolitik akkumulierte eine kleine Grup-
pe von Ägyptern – in kurzer Zeit – gewaltige Vermö-
gen. Das System folgte einem relativ einfachen Mus-
ter: Unter Aussetzung rechtsstaatlicher und markt-
wirtschaftlicher Grundsätze versilberte die Regierung
riesige Ländereien und Staatsbetriebe an politische
Gewährsleute, Freunde der Familie Mubarak und an-
dere Günstlinge, die ihre politischen Patrone mit der
Zahlung von hohen Kommissionen bei Laune hielten.
In den Listen von Transparency International hat das
Land am Nil traditionell einen hinteren Platz. Zwar
hatte es in den späten Jahren des Mubarak-Regimes
Bemühungen gegeben, das schlechte Image zu korri-
gieren. Doch die entsprechende Gesetzgebung konnte
– und durfte – schon aus den beschriebenen systemi-
schen Gründen keinen Erfolg haben. Wer gehofft hat-
te, nach der Revolution würde alles besser, sah sich
auch in diesem Bereich enttäuscht. Tatsächlich ist
Ägypten in der TI-Tabelle im Revolutionsjahr 2011 um
weitere 14 Ränge auf Platz 112 zurückgefallen. Der
glücklos operierenden Militärjunta, die Hosni Mubarak
aus dem Amt gedrängt hat, ist es nicht gelungen, in
der Transparenz-Frage Zeichen zu setzen – von neuen
Standards ganz zu schweigen. Wie in vielen anderen
Fragen, die mit Menschenrechten und Demokratie zu-
sammenhängen, hat die Militärjunta in den Augen
weiter Kreise der Öffentlichkeit enttäuscht. Zwar ist es
2011 zu spektakulären Strafprozessen gegen die alten
politischen Herrscher gekommen – die Bilder von Hos-
ni Mubarak im Käfig gingen um die Welt – und der im
Volk verhasste ehemalige Innenminister Habib al Adly
wurde zu zwölf Jahren Haft für Geldwäsche verurteilt.
Doch das große Reinemachen im Sinne einer systema-
tischen Aufarbeitung der Korruptionsfälle ist bisher
ausgeblieben. Das mag auch daran liegen, dass es kei-
nen Konsens darüber gibt, wo man anfangen und wo
man bei dieser Rosskur aufhören sollte. Verbreitet ist
die Einsicht, dass alle Ägypter, die irgendwie zu Geld
gekommen sind, natürlich – geradezu nolens volens –
mit korrupten Praktiken in Berührung gekommen sind.
Angesichts des wirtschaftlichen Niedergangs im Zuge
der Revolution fehlte den Generälen offenkundig die
Kraft, sich auf breiter Front mit dem Unternehmertum
– ja praktisch der gesamten produktiven Klasse – an-
zulegen. Man beließ es bei einigen wenigen
(politischen) Fällen.
Eine neue Situation ist potenziell nach dem Sieg der
islamistischen Parteien bei den Parlamentswahlen
entstanden. Die Ägypter haben diesen Gruppen und
ihren Kandidaten große Mehrheiten gegeben, weil sie
als unkorrupt gelten und die Bekämpfung der Korrup-
Trotzt die Korruption der Revolution im Mittelmeerraum?
Ägypten – Trotz Revolution, kein Durchbruch
im Kampf gegen die Korruption
12
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
tion zu einer Priorität deklariert haben. Insofern be-
steht eine hohe Erwartung. Gleichwohl wird es in
Ägypten – wie in anderen Ländern der Region – nicht
damit getan sein, neue Anti-Korruptionsrichtlinien
oder Gesetze zu verabschieden. Es geht um tief ver-
wurzelte Verhaltensweisen, die auf einem System von
Beziehungen, Netzwerken und Seilschaften aufbauen,
das als „Wasta“ bekannt ist. Kaum verbreitet ist die
Einsicht in den Massen – und bei den Eliten –, dass
Korruption in hohem Maße Gift für die wirtschaftliche
Entwicklung und somit unsozial ist, von der morali-
schen Seite, die die Islamisten ins Feld führen, einmal
abgesehen. Es gibt zivilgesellschaftliche Gruppen, die
sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen
geschrieben haben. Zu den vielen Rückschlägen im
Jahr zwei der Revolution gehört, dass sie geschwächt
sind, nachdem sie ins Fadenkreuz der regierenden Jun-
ta geraten sind.
Ein zentraler Indikator für die demokratischen Stan-
dards eines Staates ist die Rechtsstaatlichkeit resp. die
Frage, inwieweit diese durch Korruption unterminiert
wird. Laut CPI 2011 von Transparency International
hat sich die Situation in Israel diesbezüglich in den
letzten Jahren verschlechtert. Während das Land im
Jahre 2005 noch auf Rang 28, im Jahre 1997 sogar
auf Platz 18 (von damals erfassten 52 Staaten) ran-
gierte, ist Israel derweil auf Platz 36 (unter 183 gelis-
teten Staaten) zurückgefallen; in einer Werteskala von
0-10 hat es im Jahre 2011 mit nur 5.8 Punkten das
schlechteste Ergebnis seit seiner Einbeziehung in den
Index erzielt. Zu beachten ist allerdings, dass 70% der
indexierten Staaten hinter Israel platziert sind, darun-
ter eine Reihe osteuropäischer Länder sowie Italien,
Griechenland und die Türkei; mehr als zwei Drittel der
Staaten figurieren dabei mit weniger als fünf Punkten
auf der Werteskala. Im Kreise der 34 OECD-
Mitgliedsstaaten findet man das junge Mitglied Israel
erst im letzten Drittel mit Rang 25.
Da der CPI sich in erster Linie aus Meinungsumfragen
speist, spielt die öffentliche Meinung des jeweiligen
Landes beim Ranking eine entscheidende Rolle. Hier
zeigt sich für Israel die Wirkung spektakulärer Korrup-
tionsskandale
der letzten
Jahre, allen
voran der
Skandal um
den ehemali-
gen Premier-
minister Ehud
Olmert, dem
in nicht weni-
ger als vier
Fällen Betrug
und Untreue vorgeworfen wird, darunter die so ge-
nannte „Holyland-Affäre“, einer der gravierendsten
Korruptionsfälle in der Geschichte Israels. In seiner
Zeit als Bürgermeister Jerusalems soll Olmert im Kon-
text eines ohnehin hoch umstrittenen Bauprojekts fast
eine Million Dollar für die Erteilung zweifelhafter
Baugenehmigungen erhalten haben. Dieser Skandal
bestärkte zusätzlich den ohnehin weit verbreiteten
Eindruck in der israelischen Bevölkerung, dass die po-
litische Elite des Landes in hohem Maße korrumpiert
sei. Lässt man die diversen Spitzenpolitiker Revue pas-
sieren, die in Israels Gefängnissen Haftstrafen auf-
grund von Korruptionstatbeständen verbüßen oder
verbüßt haben, darunter ein ehemaliger Innenminis-
ter, ein Finanz- und ein Gesundheitsminister, dann
fällt es in der Tat nicht schwer, diese Einschätzung
nachzuvollziehen. Auch in einer 2010 von der Stiftung
durchgeführten Meinungsumfrage wird die klare Ver-
urteilung der Korruption durch Israels Öffentlichkeit
deutlich: Fast 90% der Befragten stimmten der Aussa-
ge zu, dass die Korruption eine Gefahr für die Demo-
Israel
Ein ägyptischer Demonstrant während der „Arabellion“ 2011
(Foto: Hossam el-Hamalawy/Flickr)
Foto: Möller Marco-Ken/Flickr
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FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
kratie Israels darstelle.
Experten sehen die Korruption in der politischen
Sphäre von dem Faktum begünstigt, dass es sich bei
Israel – mit knapp acht Mio. Einwohnern – um ein
kleines Land handelt, d.h. die politische Elite ist sehr
überschaubar, jeder kennt jeden – eine gute Voraus-
setzung für florierende Vetternwirtschaft. Als weiterer
Grund für den Anstieg der Korruption in Israel wird
das Proporz-Wahlsystem mit seiner reinen Listenwahl
genannt. Dies führe zu einer Verkümmerung des Un-
rechtsbewusstseins der Politiker, da sie sich nur be-
dingt zur Rechenschaft verpflichtet sehen – ein Um-
stand, der die Anfälligkeit für Bestechungsversuche
begünstigt. Viele Bürger sehen die Autorität des Staa-
tes und die Solidität der Rechtsordnung in Frage ge-
stellt, auf die man sich lange Zeit so viel zu Gute hielt.
Zu diesen bedenklichen Entwicklungen gesellt sich der
Missstand chronischer personeller Unterbesetzung der
mit der Durchsetzung von Recht und Ordnung betrau-
ten Institutionen.
Diese Sachverhalte stellen zweifellos eine Gefahr für
Ansehen und Stabilität der israelischen Demokratie
und zugleich eine große Herausforderung für den
Rechtsstaat dar. Andererseits deutet jedoch die Tatsa-
che, dass hochrangige Spitzenpolitiker in Israels Ge-
fängnissen einsitzen, auf Transparenz und ein hohes
Niveau an Rechtsstaatlichkeit hin. Demokratieexper-
ten unterstreichen, dass Gesetze und Verfahren gegen
Personen unter Korruptionsverdacht in Israel heutzu-
tage teilweise schärfer ausfallen als in Europa. Nach-
dem man in Israel Bestechlichkeit lange Zeit als ein
notwendiges Übel beim Aufbau des Staates toleriert
hatte, begann man in den 90er Jahren, der Korruption
endlich entschieden den Kampf anzusagen – ausweis-
lich des Korruptionsindexes allerdings noch nicht mit
hinreichendem Erfolg. Die über Wochen anhaltenden
sozialen Proteste, die Israel im Sommer 2011 beweg-
ten, legten nicht nur Zeugnis über die fundamentale
Kritik der Bevölkerung mit Blick auf die im Lande herr-
schenden Missstände ab, sondern auch über das hohe
Maß an bürgerlichen Freiheiten. Soziale Gerechtigkeit
war das Stichwort bei den Protesten. Dabei wurde so-
wohl auf die ungleiche Verteilung des Wohlstandes als
auch auf die unmoralische und kriminelle Verzahnung
von Politik und Wirtschaftskartellen verwiesen.
Die israelische Demokratie steht vor gewaltigen Her-
ausforderungen, zu denen gerade auch die konse-
quente Bekämpfung etablierter Korruptionspraktiken
gehört. Dies ist den verantwortlichen, rechtsstaatli-
chen Kontrollinstanzen, aber auch den Bürgern des
Landes sehr wohl bewusst. Dieses positive Faktum
lässt darauf hoffen, dass auch in Israel die Erkenntnis
wächst, dass Demokratie kein ein für allemal gesicher-
ter Zustand ist, sondern stete Erneuerung und Wach-
samkeit erfordert. Hierbei kommt gerade der Zivilge-
sellschaft als Voraussetzung demokratischer Kultur
eine wichtige Rolle zu. Dieser Verantwortung stellt
sich auch die Stiftung im Rahmen von Kooperations-
maßnahmen mit lokalen Partnern. Sie beteiligt sich
somit indirekt an der Korruptionsbekämpfung im Lan-
de, indem sie in Zusammenarbeit mit ihren Partnern u.
a. Rechtsstaatlichkeit und zivilgesellschaftliches Enga-
gement stärkt und zudem gezielt Transparenz in den
problematischen Feldern der Minderheitenrechte resp.
der Gleichstellung aller Bürger einfordert.
Eine Evaluierung des Standes der Korruption in den
palästinensischen Gebieten ist ein schwieriges Unter-
fangen. Dies hat mit dem Fehlen von allgemein gülti-
gen, nationalen Daten auf Grund der fortgesetzten
faktischen politischen Spaltung des Landes zu tun, wie
auch mit der Tatsache, dass Palästina über keine volle
Staatlichkeit verfügt bzw. zum Teil noch unter israeli-
scher Besatzung steht. Daher beziehen sich die meis-
ten der nachfolgenden Befunde ausschließlich auf die
West Bank, da hier ein freieres Informationsklima be-
steht. Palästina wird seit mehreren Jahren nicht mehr
im Korruptions-Index von Transparency Internationa-
lerfasst, weil die international verwendeten Messindi-
katoren nur bedingt auf Palästina übertragbar sind,
obwohl – mit dem Stiftungspartner Coalition for Ac-countability and Integrity AMAN – sogar ein nationa-
les Chapter von TI besteht.
Die Korruptionsphänomene in Palästina unterscheiden
Palästina
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FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
sich nicht von den weltweit bekannten, wie z. B. der
Unterschlagung öffentlicher Mittel oder der Verun-
treuung von Ländereien im Staatsbesitz. In den Jahren
1995-2007 kam es insbe-
sondere zur Unterschlagung
von Geldern aus den Zu-
wendungen der internatio-
nalen Gebergemeinschaft.
Dies hat jedoch deutlich
nachgelassen, vor allem seit
der angesehene Ökonom Dr.
Salam Fayyad die Regie-
rungsgeschäfte in Ramallah
führt. Deutlich verbessert
hat sich auch das System
der öffentlichen Ausschrei-
bung von Regierungspro-
jekten und der Erteilung
von Staatsaufträgen, speziell im Bereich der Material-
beschaffung für den Regierungsapparat. Aber als pre-
kär gilt die Lage noch mit Blick auf die Anwendung
von „Wasta“ (Nepotismus) bei der Einstellung im öf-
fentlichen Dienst sowie auf die verbreitete Vettern-
wirtschaft. Regierungsbedienstete benötigen zur Ein-
stellung eine sicherheitsrelevante Unbedenklichkeits-
bescheinigung durch die nicht demokratisch kontrol-
lierten Sicherheitsapparate. Dies führt letztendlich zu
einer eindeutigen Bevorzugung der Parteigänger der
jeweils herrschenden Partei, d.h. jener der Fatah in der
West Bank und solcher der Hamas im Gazastreifen.
Dort hat die Hamas seit 2007 Tausende von Fatah-
Mitgliedern im öffentlichen Dienst suspendiert, vor
allem in den Sicherheitsapparaten, aber auch im Uni-
versitäts– und Schuldienst sowie im Gesundheitssek-
tor.
Trotz der Bemühungen staatlicher Stellen, die Korrup-
tion effektiv zu bekämpfen, stellt der Jahresbericht
2011 des Stiftungspartners AMAN fest, dass der poli-
tische Wille zur Entwicklung eines seriösen und um-
fassenden Maßnahmenkataloges zur Korruptionsbe-
kämpfung noch ausstehe. Positiv ist jedoch anzumer-
ken, dass im Jahre 2010 auf der Grundlage eines Anti-
Korruptions-Kommissionsgesetzes eine entsprechende
Institution ins Leben gerufen worden ist - ein Erfolg,
der ohne den öffentlichen Druck und die Lobbyarbeit
der palästinensischen Zivilgesellschaft nicht möglich
gewesen wäre. Der bekannteste Korruptionsfall ist der
des ehemaligen Ministers für Sicherheit und führen-
den Mitglieds des Fatah-Zentralkomitees, Mohammad
Dahlan. Ihm werden Unterschlagung, Betrug, Verun-
treuung öffentlicher Mittel sowie Erpressung vorge-
worfen. Auch mehrere andere, ehemals hohe Regie-
rungsbeamte und Minister werden auf Initiative der
Anti-Korruptionskommission von den Justizbehörden
strafrechtlich verfolgt.
Die Regierung in der West Bank hat seit 2010 das
Arab Agreement against Transnational Crime, das
Arab Agreement against Money Laundering and Fi-nancing Terrorism sowie das Arab Agreement against Corruption unterzeichnet. Um einen höheren Grad an
Transparenz im Regierungshandeln zu erreichen, be-
müht sich die Regierung um verstärkte Öffentlich-
keitsarbeit, z.B. in den elektronischen Medien. So ver-
öffentlicht etwa das Finanzministerium monatlich sei-
ne Finanzberichte und Ausschreibungen. Selbst die
Sicherheitskräfte treten immer öfter an die Öffentlich-
keit, um diese über eigene Aktivitäten sowie relevante
Maßnahmen für die Bevölkerung zu informieren; ein
Verhaltenskodex für das Personal der Sicherheits-
dienste ist in Bearbeitung.
Größtes Hindernis für eine effektive Korruptionsbe-
kämpfung ist jedoch die Aussetzung der Arbeit des
2006 gewählten Parlaments seit dem so genannten
„Hamas-Putsch“ und der Spaltung Palästinas im Jahre
2007. Das Parlament kann weder seine Gesetzge-
bungskompetenz noch seine Kontrollfunktion gegen-
über der Exekutive ausüben. Die Regierung ist nur
dem Präsidenten verantwortlich, dessen Amtsperiode
– ebenso wie die des Parlaments – bereits seit zwei
Jahren abgelaufen ist. Dem Präsidenten obliegt es
nun, die Geschicke des Landes mit Hilfe von ihm erlas-
sener Dekrete zu führen. Das Ausbleiben der überfälli-
gen Neuwahlen auf allen Ebenen tut ein Übriges, um
die notwendige Legitimation der staatlichen Instituti-
onen in Frage zu stellen. Dies verstärkt den – durch
verschiedene Umfragen von AMAN belegten – Ein-
druck breiter Bevölkerungsschichten, dass die politi-
sche Elite des Landes in hohem Maße korrumpiert sei.
Defizite bestehen auch im Bereich der innerparteili-
chen Demokratie in den politischen Gruppierungen,
wo seit vielen Jahren anstehende Wahlen wieder und
wieder hinausgezögert werden. Dies vertieft das ver-
breitete Misstrauen vieler Bürger in die Legitimation
politischer Führungspersönlichkeiten.
Dr. Salam Fayyad
(Foto: Decap / Wikipedia)
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FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
Das Bewusstsein der Bevölkerung von der Notwendig-
keit aktiver Korruptionsbekämpfung ist jedoch mittler-
weile geschärft. Die relativ unabhängige Medienszene
sowie die Zivilgesellschaft leisten wichtige Arbeit, um
Korruptionsfälle und Missmanagement im Regie-
rungsapparat aufzudecken. Die Stiftung hat hier eine
gute Grundlage, um in der Zusammenarbeit mit den
Partnern Rechtsstaatlichkeit und zivilgesellschaftli-
ches Engagement zu fördern. Es besteht in Palästina
dabei kein Konflikt zwischen den traditionellen Wer-
ten und dem „westlichen“ Kampf gegen Korruption,
weil diese moderne Krankheit staatlicher und gesell-
schaftlicher Ordnungen von den Bürgern Palästinas
als Gefährdung sowohl des Aufbaus eines eigenen
Staates als auch der Schaffung einer persönlichen
Existenzgrundlage erkannt wird.
Im Zuge des „Arabischen Frühlings“ ist der Kampf ge-
gen Korruption und Vetternwirtschaft zu einem zent-
ralen Thema der politischen Debatte in Marokko avan-
ciert. Die Forderung nach mehr Transparenz war be-
reits eine Kernforderung der Protestbewegung des „20.
Februar“. Und auch dem Sieg der Islamisten bei den
Parlamentswahlen im November 2011 war deren Ver-
sprechen vorausgegangen, „Ehrlichkeit in der Politik“
mit „guter Regierungsführung“ zu verbinden.
Kampf gegen eine Kultur des Bakshish
Doch der Weg dorthin ist weit. Von Klientelismus und
Korruption geprägte Verhaltensweisen sind tief in der
marokkanischen Gesellschaft verankert. In nahezu al-
len Teilen des politischen und wirtschaftlichen Lebens
herrscht eine „Kultur des Bakshish“. Auf dem Index
von Transparency International erreichte Marokko
2010 nur 3,4 von 10 möglichen Punkten und landete
damit auf Platz 85 von 178 bewerteten Staaten. Die-
ser Mangel an Transparenz wird zunehmend auch in
Marokko als ein wesentliches strukturelles Hindernis
für die politische und ökonomische Transformation
erkannt.
Die „Moralisierung des öffentlichen Lebens“ steht in-
sofern schon seit Jahren auf
der Reformagenda des Kö-
nigs. In den vergangenen
Jahren war es verstärkt zu
(punktuellen) Initiativen der
Korruptionsbekämpfung ge-
kommen, mit dem Ziel das
angeschlagene Ansehen von Parteien und Staatsfüh-
rung zu heben und den Islamisten die Grundlage für
Kritik zu nehmen. Mit der Instance Centrale pour la Prévention de la Corruption (ICPC) wurde eine zentra-
le Behörde gegründet; der 6. Januar jeden Jahres zum
landesweiten Tag für die Bekämpfung der Korruption
ernannt. Doch viele Initiativen versandeten schnell –
zu weit ist die Vetternwirtschaft bereits in die etab-
lierten Machtstrukturen hineingewuchert.
Weiße Weste der Islamisten?
Und so erstaunt es nicht, dass der Erfolg der
„Bewegung des 20. Februar“ und der überraschend
deutliche Sieg der Islamisten bei den vergangenen
Wahlen vor allem auf der Anprangerung einer korrup-
ten politischen Klasse basier-
te. Zum ersten Mal Teil der
Regierung, trägt die moderat
-islamistische Parti de Justice et du Développement (PJD)
unter dem neuen Premiermi-
nister Abdelilah Benkriane für
viele Marokkaner noch die
weiße Weste einer nicht vom
politischen System korrum-
pierten Kraft. Mit geschick-
tem Bezug auf religiöse Prin-
zipien hat die PJD in den vergangenen Monaten kon-
krete und teils spektakuläre Maßnahmen der Korrupti-
onsbekämpfung ergriffen, die in der Öffentlichkeit
heftig diskutiert werden. So wurden Listen mit frag-
würdigen staatlichen Privilegien im Transportsektor
veröffentlicht und mit dem Abriss von tausenden ille-
gal gebauten Häusern begonnen – ohne Rücksicht auf
Status und Herkunft der Besitzer. Die kommenden
Monate werden zeigen, ob die neue Regierung diesen
riskanten Kurs halten kann. Denn was Marokko heute
braucht ist kein weiteres politisches Strohfeuer der
Korruptionsbekämpfung, sondern ein grundlegender
Mentalitätswandel von unten.
Marokko
Abdelilah Benkriane
(Foto: Lam19 / Wikipedia)
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FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
Bis zur Revolution im Januar 2011, bei der der Frust
breiter Bevölkerungsteile über die Kleptokratie der
Familie des Präsidenten Ben Ali eine treibende Kraft
war, war Tunesien ein Land, das im Hinblick auf die
Verbreitung von Korruption zweigeteilt war. Auf der
einen Seite die große Zahl von Offshore- und interna-
tional exportierenden Unternehmen, die in Freizonen
produzierten und administrativ von den normalen
Steuer- und Zollbehörden getrennt waren – und damit
von der ‚normalen’ Korruption isoliert blieben – und
auf der anderen Seite tunesische Unternehmen (und
hier vor allem der Handel und KMUs), die erheblich
unter der flagranten Korruption litten. Vom Polizisten,
der die Hand aufhält, bis zur intransparenten Vergabe
von Großaufträgen und Importlizenzen war Korruption
weit verbreitet. Hinzu kam die Habgier der inzwischen
geschassten Präsidentenfamilie, deren Mitglieder sich
insbesondere in gut laufende Großunternehmen hin-
eindrängten und ihren „Trabelsi-Zehnt“ einforderten
(benannt nach der Ehefrau des Präsidenten Ben Ali
Layla Trabelsi), d.h. eine Beteiligung an den Einnah-
men gut laufender Unternehmungen.
Seit der Revolution ist die Korruption ‚von oben’, d.h.
die korrupten Praktiken der Familie um Ben Ali, vorbei.
Allerdings ist die Aufarbeitung der Korruptionsfälle
aus dieser Zeit auf einen sehr engen Kreis beschränkt
geblieben. Auch wenn eine ganze Reihe von mit dem
Familienclan verbundenen Unternehmern mit einem
Reiseverbot belegt wurde, vorgeblich um ihre Ge-
schäftspraktiken zu überprüfen, so ist es doch nicht zu
einer wirklichen, öffentlichen Aufklärung selbst der
flagrantesten Korruptionsfälle gekommen. Politische
Beobachter gehen nicht davon aus, dass dies in Zu-
kunft der Fall sein wird, denn die neue Regierung ist
auf die Unterstützung gerade der Wirtschaft angewie-
sen, um das enorme Problem der Arbeitslosigkeit in
den Griff zu bekommen. So ist das Reiseverbot dem
Vernehmen nach eher ein Druckmittel, zögerliche Un-
ternehmer zu einer Unterstützung der neuen Regie-
rung zu bewegen. Zwar wurde nach der Revolution
eigens eine Untersuchungskommission gegründet, die
den eklatantesten Fällen auf den Grund gehen sollte,
doch blieb sie zahnlos und kam nicht über das Sam-
meln von Informationen hinaus. Mehrere sehr glaub-
würdige Mitglieder der Kommission verließen das Gre-
mium unter Protest über ihre Ineffizienz, eine Juris-
tenvereinigung verklagte sie sogar.
Gleichzeitig blüht die so genannte „petty corruption“,
bei der vor allem bei Behörden und an Nadelöhren in
verschiedenen Bereichen der Wirtschaft abkassiert
wird (Rentenökonomie). Beispielsweise beim Zoll im
Frachthafen von Tunis, wo ein Transitspediteur auf die
Frage, was sich seit der Revolution im Hafen verändert
habe, trocken bemerkte: „Vor der Revolution gab es
eine Handvoll Trabelsis, die sich alles erlaubt haben,
jetzt haben wir 10 Millionen“. Dies ist teilweise darauf
zurückzuführen, dass Kontrollmechanismen, die früher
in den staatlichen Behörden das Korruptionsniveau
niedrig gehalten haben, nicht mehr funktionieren,
zum anderen liegt es auch daran, dass ein gewisser
Anspruch auf ein zusätzliches Einkommen besteht,
das, weil der Staat nun auch nicht besser bezahlt als
vor der Revolution, eben von den Bürgern eingefordert
wird. Es ist genau diese Art von Motivation, die eine
Korruptionskultur befördert, die schwer wieder zu-
rückzufahren ist, denn auch der minderbemittelte
Staat hat ein Interesse daran, seine Angestellten zu-
frieden zu stellen. Wenn kein Geld für Erhöhungen der
Besoldung vorhanden ist, wirkt die Korruption wie ei-
ne Steuer, gegen die der politische Widerstand jedoch
wegen der Kleinteiligkeit so diffus ist, dass ihr weniger
entschieden entgegen getreten wird, als eine Steuer-
erhöhung zur Finanzierung von Beamtengehältern. So
landet Tunesien auf dem CPI von Transparency Inter-
national zwar mit Platz 78 immer noch in der oberen
Hälfte, hat sich jedoch im Vergleich zu vorher um ei-
nige Plätze verschlechtert.
Seit dem Beginn der Demokratisierung Tunesiens sind
eine ganze Reihe von kleinen und größeren Antikor-
ruption-NGOs gegründet worden, die zum Teil aus Zu-
sammenschlüssen auf Facebook bestehen, zum Teil
Tunesien
Facebook-Seite „Anti-Corruption Initiative (Tunisia)“
(Quelle: facebook.com)
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FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
aber auch über eigene Strukturen verfügen. Transpa-
rency International ist an mehreren Stellen in Tunesi-
en beratend tätig gewesen, ohne jedoch in Tunesien
eine eigene Präsenz zu haben. Obwohl Tunesien der
UN Convention against Corruption beigetreten ist,
können die daran geknüpften Bedingungen (z.B. die
Schaffung einer unabhängigen Korruptionsbekämp-
fungsinstanz) nicht als erfüllt gelten. Ob die neue Re-
gierung unter der islamischen Ennahda Partei es
schafft – wie ihr türkisches Vorbild AKP – mit der Kor-
ruption aufzuräumen, damit eine wesentliche Forde-
rung der Bevölkerung aus der Revolution zu erfüllen
und ihre Glaubwürdigkeit mit tatsächlichen Erfolgen
zu zementieren, bleibt abzuwarten.
Die Türkei rangiert in den Statistiken von Transparency
International in den Jahren 2009 bis 2011, die zwi-
schen 178 und 183 Länder untersucht hat, jeweils im
ersten Drittel zwischen Rang 56 und 61. Innerhalb der
zehn Kategorien zwischen „very clean“ (9,0 bis 10,0)
und „very corrupt“ (0,0 bis 0,9) befindet sich die Türkei
dagegen jedoch mit Einschätzungen zwischen 3,9 bis
4,4 in der unteren Hälfte. Transparency führt neben
dieser Rangordnung, die auf mehreren Kriterien ba-
siert, auch eine zweite Rangliste, welche die vom Bür-
ger „gefühlte“ (perceived) Korruption widerspiegelt.
Daraus geht hervor, dass die Bürger der Türkei ihrem
Land einen höheren Stand der Korruption nachsagen
(zwischen 4,5 und 5,0) und Korruption in der Bevölke-
rung als ein größeres Problem angesehen wird. Er-
staunlich ist aber, dass diese Einschätzung in der ver-
öffentlichten Meinung bzw. Presse nicht die entspre-
chende Berücksichtigung findet. In den einschlägigen
Zeitungen wurde im Zeitraum von 2009 bis 2011 sehr
selten über Korruptionsfälle oder Skandale berichtet.
Insbesondere die in Deutschland aufgedeckte und
rechtlich sanktionierte „Leuchtturmaffäre“, in die auch
AKP-Abgeordnete verwickelt sein sollen, fand nur ein
schwaches Medienecho. Auch über den jüngsten
Skandal im türkischen Fußball, in dem der renommier-
te Club Fenerbahce die Manipulation von Spielergeb-
nissen vorgenommen hat und der zum Ausschluss des
Clubs von den Spielen der Championsleague durch
die UEFA geführt hat, wird nur sehr unregelmäßig und
knapp berichtet.
Die mediale bzw. öffentliche Aufarbeitung von Kor-
ruptionsfällen hat in der Türkei keine hohe Priorität,
da andere Probleme wie „Rechtsstaatlichkeit“, „Presse-
und Meinungsfreiheit“, der „Ergenekon-Prozess“ oder
die „Verfassungsreform“ und das „Kurdenproblem“ die
öffentliche Diskussion dominieren. Zudem hat die re-
gierende AKP-Regierung, die als „Partei für Gerechtig-
keit und Entwicklung“ die Korruptionsbekämpfung als
eines ihrer wichtigsten Ziele ansieht, in den letzten
Jahren immer wieder dafür gesorgt, dass eine detail-
lierte Diskussion über staatliche Korruption nicht ge-
führt wurde.
Beinahe zeitgleich mit den Aufständen in Nordafrika
trat auch in Jordanien eine Protestbewegung zu Tage,
die – anders als in Tunesien oder Ägypten – nicht den
Sturz des Regimes forderte, sondern politische Refor-
men und die Eindämmung der Korruption im Land.
Manch internationalen Beobachter verwunderte dabei
anfänglich die auffallend bitter geführte Debatte um
Korruptionsanschuldigungen in Jordanien. Studien
und Berichte diverser NROs und internationaler Orga-
nisationen – darunter Transparency International und
Türkei
Jordanien
Foto: Todd Mecklem/Flickr
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FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
die Weltbank – ließen vermuten, dass Jordanien in
punkto Korruption kein besonders problematisches
Land sei, besonders im regionalen Vergleich. Von 183
untersuchten Ländern rangierte das Haschemitische
Königreich beim CPI 2011 auf dem 56. Platz weltweit,
und schnitt damit besser ab als die EU-
Mitgliedsstaaten Italien (Platz 69) und Griechenland
(Platz 80).
Internationale Statistiken hin oder her: In der sprich-
wörtlichen jordanische Straße erhitzten sich die Ge-
müter bereits seit geraumer Zeit an unzähligen Ge-
rüchten über mutmaßliche, von der regierenden Elite
unter den Tisch gekehrte Korruptionsskandale. Hinter
vorgehaltener Hand wurde massive Kritik an der Poli-
tik unter dem noch jungen König geäußert. Man habe
Angst vor einem regelrechten „Ausverkauf“ des Landes
unter dem Deckmantel einer intransparenten, frag-
würdigen Privatisierungspolitik.
2011 fielen mit dem „arabischen Frühling“ alte Tabus
und auch die Zurückhaltung der Jordanier bei Kritik an
ihrem Staatsoberhaupt. König Abdullah II, dessen An-
sehen in weiten Kreisen der jordanischen Bevölkerung
durch die nun offener und lauter denn je geäußerten
Korruptionsanschuldigungen gegen enge Vertraute
Schaden zu nehmen drohte, reagierte prompt: Von
Medien wurde der Monarch mit der Aussage zitiert,
kein Jordanier stehe über dem Gesetz und alle, die
sich der Korruption und dem Diebstahl öffentlicher
Ressourcen schuldig gemacht hätten, seien zu bestra-
fen. Dieser Aufforderung folgte in den vergangenen
Monaten eine in der jüngeren jordanischen Geschichte
beispiellose Anklage- und Verhaftungswelle gegen
ehemals einflussreiche Politiker und Spitzenbeamte,
darunter auch der prominente frühere Ammaner Bür-
germeister Omar Maani, der zeitweilig als besonders
enger Vertrauter und Berater des Königs galt, und der
bis 2008 amtierende Geheimdienstchef Mohammad Al
-Dahabi.
Trotz dieser Worte (und Taten) geben sich Vertreter
der Protestbewegung bislang unbeeindruckt. So be-
mängelt die Islamische Aktionsfront, der politische
Arm der jordanischen Muslimbrüder, die sich taktisch
klug an die Spitze der lautstarken Anti-
Korruptionsbewegung gestellt hatten, Willkür und
mangelnden genuinen politischen Willen bei der Kor-
ruptionsbekämpfung.
Auch anerkannte politische Beobachter und Stiftungs-
partner sind skeptisch, ob die laufende Kampagne
nachhaltige Ergebnisse erzielen wird. Das Grundprob-
lem Jordaniens seien nicht individuelle Korruptionsfäl-
le, sondern der tief verankerte Rentierstaat, auf dem
der nicht mehr zeitgemäße Gesellschaftsvertrag in
Jordanien basiert. Der Nährboden für Korruption in
Jordanien ist dementsprechend nicht individueller Na-
tur, sondern systemimmanent. Dennoch: “Dass das
Grundübel im System begründet liegt, bedeutet nicht,
dass Entscheidungsträger kurzfristig nichts machen
können“, resümierte ein Zivilgesellschaftsaktivist im
Gespräch mit der Stiftung. Um Vertrauen in den Staat
und seine Institutionen zurückzuerlangen ist es von
entscheidender Bedeutung, dass nun substanzielle
politische Reformen beschlossen und umgesetzt wer-
den.
Das Thema Korruptionsbekämpfung und Förderung
guter Regierungsführung ist ein Schwerpunkt der Stif-
tungsarbeit in Jordanien.
Dr. Ronald Meinardus (Ägypten)
Regionalbüroleiter Mittelmeerländer
Anne Köhler (Israel)
Projektkoordinatorin Israel
Suleiman Abu-Dayyeh (Palästina)
Projektkoordinatorin Palästina
Sebastian Hempel (Marokko)
Projektleiter Marokko und Algerien
Alexander Knipperts (Tunesien)
Projektleiter Tunesien
Jörg Dehnert (Türkei)
Ehem. Projektleiter Türkei
Ralf Erbel (Jordanien)
Projektleiter Jordanien, Libanon, Syrien und Irak
Bildnachweis Titel: Chris De Bruyn/Flickr
19
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
Das Problem der Korruption in Afrika wird in den
deutschen Medien oft sehr polemisch dargestellt; vom
„Krebsgeschwür afrikanischer Demokratien“ ist dort
zum Beispiel zu lesen oder vom „Massenelend“ auf
den Straßen Afrikas, das dem Luxusleben in „Saus und
Braus“ der korrupten Eliten gegenüber gestellt wird.
Stellvertretend für die korrupten politischen und wirt-
schaftlichen Spitzen stehen einige afrikanische Präsi-
denten, die in 100 Mann starken Gefolgschaften um
die Welt reisen, Luxuslimousinen, Anwesen und riesige
Summen auf Bankkonten in Europa anhäufen und ihre
Frauen zum Shoppen nach London und Paris schicken,
während die Bevölkerung zu Hause hungert. Ferner
wird Korruption in Afrika oft als endemisch verstan-
den und nicht zuletzt mit kulturdeterministischen Ar-
gumenten erklärt. In Afrika selbst ist die Korruptions-
debatte nicht weniger bildhaft. Die Korruption sei das
„Monster”, das den Traum vom Aufstieg Afrikas zer-
störe, erklärte Südafrikas Ombudsfrau Thuli Madonse-
la kürzlich auf einer Antikorruptionskonferenz. Was
aber steckt hinter dieser Metapher?
Wie korrupt ist Afrika?
Tatsächlich gilt Afrika weithin als eine der korruptes-
ten Regionen der Welt. Laut dem Korruptions-Index
CPI von Transparency International lagen 2011 neun
der zwanzig Staaten, die weltweit als am korruptesten
eingeschätzt werden, in Afrika: Somalia an erster Stel-
le, gefolgt von Sudan, Äquatorialguinea, Burundi,
Libyen, Demokratische Republik Kongo, Tschad, Ango-
la und Guinea. Es ist unmöglich absolute Korruption-
swerte zu messen, da Korruption per Definition ille-
gitime und daher meist versteckte Transaktionen um-
fasst. Ferner variieren weltweit sowohl die Definition
als auch die Wahrnehmung von Korruption. Was in
einem Kontext klar als Bestechung gilt, wird in an-
deren Situationen als Ausgleichszahlung oder harm-
loses Geschenk zum Aufbau von Geschäftsbezi-
ehungen verstanden. Die große Mehrheit der afrikan-
ischen Bevölkerung schätzt ihre Staaten jedoch als
höchst korrupt ein.
Botsuana, das Land, in dem afrikaweit am wenigsten
Korruption wahrgenommen wird, lag 2011 auf einer
Skala von 0 (sehr korrupt) bis 10 (nicht bestechlich)
bei 6.1 Punkten auf Weltrang 32.1 In einer ganzen
Afrika: Ein Kontinent im Würgegriff der Korruption
Weltweite Verbreitung von Korruption
(Grafik: transparency.org)
1 Neuseeland wurde mit einer Punktzahl von 9.5 als das am
wenigsten korrupte Land aufgeführt, während Nordkorea und
Somalia mit jeweils 1 Punkt als die korruptesten Länder welt-
weit zusammen den letzten Platz in der Rangliste belegten.
20
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
Reihe afrikanischer Länder nahm die Wahrnehmung
von Korruption 2011 hingegen zu: Mauritius rutschte
von Rang 39 (5.4 Punkte) auf Rang 46 (5.1 Punkte) ab,
Südafrika fiel um 10 Plätze vom 54. (4.5 Punkte) auf
den 64. (4.1) Weltrang. Ghana verschlechterte sich um
0.2 auf 3.9 Punkte und steht nun auf Platz 69. Sim-
babwe steht mit 2.2 Punkten auf Rang 154, gegen-
über Rang 132 (2.4 Punkte) im Vorjahr. Senegal be-
hielt die Punktzahl 2.9 bei und rutschte dennoch von
Rang 105 auf Rang 112. In Ostafrika ist hinsichtlich
der Korruptionswahrnehmung eine positive Entwick-
lung zu verzeichnen: Tansania verbesserte sich von 2.7
auf 3 Punkte und damit von Rang 116 auf Rang 100,
während Kenia immerhin mit einem Anstieg von 2.1
auf 2.2 Punkte Platz 154 hielt.
Inwiefern ist Afrika korrupt?
Die Korruption in Afrika hat viele Gesichter und es
bestehen bedeutende regionale und auch interne Un-
terschiede. So reicht Korruption von Millionendeals in
den höchsten politischen Kreisen zu Schmiergeldern
für Verkehrspolizisten und Zollbeamte. Der fantastisch
anmutende Lebensstil des Diktatorensohns Teodoro
Nguema Obiang in Paris, London, Rio de Janeiro und
Malibu, welcher auf Korruptionsgeschäften mit den
Gas- und Ölreserven Äquatorialguineas beruht, lässt
sich quantitativ kaum mit den allgemein üblichen
Schmiergeldzahlungen an Verkehrspolizisten verglei-
chen. Das Grundprinzip ist jedoch dasselbe: Korruption
ist die Verletzung eines allgemeinen Interesses zu
Gunsten eines speziellen Vorteils und kann nur dort
gedeihen, wo ein gewisses Maß an Straflosigkeit
herrscht. Eine verheerende Wirkung übt die Bestech-
lichkeit der politischen Entscheidungsträger letztlich
auf das Vertrauen der Bevölkerung in den Gesell-
schaftsvertrag aus und zersetzt damit auf lange Sicht
– sofern vorhanden – die demokratische Kultur eines
Landes.
Die Korruption im öffentlichen Sektor afrikanischer
Länder reicht von der Vergabe von staatlichen Verträ-
gen ohne öffentliche Ausschreibungen, über die Modi-
fizierung der Höhe der Vergütung nach Vertragsab-
schluss und Mehrfachzahlungen für private Dienst-
leistungen, bis hin zur Beschäftigung von Scheinfir-
men – oder wie kürzlich in der südafrikanischen Pro-
vinz Kwazulu-Natal von Scheinlehrern. In Kenia kam
2004 ein Skandal ans Licht, in dem der Scheinfirma
Anglo Leasing, unter anderem für die Anschaffung
eines Kriegsschiffes und fälschungssicheren Personal-
ausweisen, Regierungsverträge in Höhe von US$ 1
Milliarde zugekommen waren. Einige Minister waren
in den Skandal involviert, doch die Justiz verweigerte
zunächst jegliche Untersuchung. Korruption im öf-
fentlichen Sektor – ob in Form der Veruntreuung von
Steuergeldern oder der Vergabe von begünstigten
Konzessionen für den Rohstoffabbau – ist Diebstahl
und zeugt von mangelndem Interesse der politischen
Elite am Wohlergehen ihrer Bürger. Eng verbunden
mit der Korruption sind verschwenderische Ausgaben.
So hält die südafrikanische Polizei für die vier First
Ladies Zumas (Zuma lebt als Angehöriger der ethni-
schen Gruppe der Zulu polygam) täglich landesweit
Luxuslimousinen bereit. Auch die Präsidentenresiden-
zen wurden jüngst in Millionenhöhe mit Steuergeldern
renoviert.
Zu einem korrupten Geschäft gehören immer zwei
Seiten. Im Fall von Regierungsverträgen sind dies ne-
ben Politikern lokale Dienstleister oder internationale
Firmen. Doch auch die Bürger tragen ihren Teil zum
Problem bei, wenn sie beispielsweise Verkehrspolizis-
ten und Zollbeamte bestechen. Besonders beunruhi-
gend ist jedoch, dass Korruption für die Bevölkerung
einiger afrikanischer Länder nicht nur bedeutet, dass
sie sich vor der Zahlung von Bußgeldern drücken kann,
sondern, dass sie sich vielmehr gezwungen sieht zu
bestechen, um Zugang zu grundlegenden staatlichen
Dienstleistungen zu erhalten. In einigen öffentlichen
Krankenhäusern müssen Patienten den Ärzten
Schmiergelder zahlen, bevor sie behandelt werden und
„Korruptionsfreie Zone“ in Nairobi, Kenia
(Foto: Erlend Aasland/Flickr)
21
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
in vielen Schulen können Schüler Prüfungen nicht be-
stehen, ohne ihre Lehrer zu bestechen. Die Hälfte der
ostafrikanischen Befragten einer Studie von Transpar-
ency International zahlt Bestechungsgelder, um
Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen zu bekom-
men, die ihnen eigentlich gratis zustehen sollten.
Was kostet Afrika die Korruption?
„Viele Entwicklungsländer sind arm, weil sie korrupt
sind.“ Diese Aussage vom Gründer von Transparency
International, Peter Eigen, trifft in besonderem Maße
auf die Region Subsahara-Afrika zu. Während Afrikas
Volkswirtschaften in den letzten Jahren trotz der
Weltwirtschaftskrise expandierten – laut der African Development Bank lagen die Wachstumsraten Afrikas
von 2001 bis 2010 trotz der Finanzkrise bei
durchschnittlich 4,8% jährlich – verblieben Ar-
beitslosigkeit und Armut auf einem problematisch ho-
hen Niveau. Noch immer lebt rund die Hälfte der
Bevölkerung Afrikas in extremer Armut. Der Haupt-
grund dafür, dass hohe Wachstumsraten nicht zur
Verbesserung des Lebensstandards der Menschen füh-
ren, ist die anhaltend undemokratische und korrupte
Regierungsführung in vielen Ländern. Die Teilhabe an
den wirtschaftlichen Wachstumsprozessen bleibt auf
die oberen, gut vernetzten Schichten afrikanischer
Gesellschaften beschränkt.
Korruption schwächt die Voraussetzungen für stabiles
wirtschaftliches Wachstum basierend auf marktwirt-
schaftlichen Prinzipien. Sie erhöht die Transaktions-
kosten beim Aushandeln von Preisen für Güter und
Dienstleistungen und verhindert somit eine marktkon-
forme Preisbildung. Wo Initiative und Engagement
gefordert wären, schafft Korruption Abhängigkeiten.
Statt eines gesunden Investitionsklimas, welches auf
Berechenbarkeit und Verlässlichkeit beruht, befördert
Korruption Unsicherheit und Misstrauen. In vielen
Ländern führt die ungenügende Trennung von Regie-
rungspartei und Staat dazu, dass nicht nur politische,
sondern auch verwaltungstechnische Posten als Be-
lohnung an loyale Parteigetreue vergeben werden, die
oft weder über das Fachwissen noch die relevante Er-
fahrung verfügen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Kor-
ruption und Vetternwirtschaft schaffen folglich eine
politische Kultur, die Mittelmäßigkeit und Inkompe-
tenz fördert. Damit der Staat seinen Aufgaben gerecht
wird, muss Südafrikas Regierung beispielsweise pri-
vate Dienstleister zusätzlich zu Staatsdienern be-
schäftigen, was die Haushaltsausgaben weiter in die
Höhe treibt.
Die Gesamtkosten der Korruption sind ebenso wenig
messbar wie absolute Korruptionswerte. Schätzungen
sind trotzdem nützlich, um die Tragweite des Prob-
lems zu veranschaulichen. Die absoluten Kosten von
Korruption beinhalten nicht nur die Summen verun-
treuter und somit für dringend notwendige öffentliche
Ausgaben verlorene Gelder – zum Beispiel in den Be-
reichen Gesundheit und Bildung – sondern auch die
Implikationen, die ein Klima der Korruption für die
wirtschaftliche und soziale Entwicklung eines Landes
hat. Die African Development Bank geht davon aus,
dass durch Korruption in Afrika bis zu 50% des
Steuereinkommens veruntreut wird. Ein Bericht der
Afrikanischen Union (AU) von 2002 schätzt die
direkten und indirekten Kosten der Korruption in Afri-
ka jährlich auf US$ 148 Milliarden, oder 25% des
gesamtafrikanischen Bruttoinlandsprodukts. Ferner
führe die Korruption zu einem unnötigen Kostenan-
stieg von in Afrika produzierten Gütern von 20%.2
Teufelskreis der Korruption
„Among a people generally corrupt, liberty cannot long exist.“
Edmund Burke 1777
Korruption ist ein Wesenszug schlechter Regierungs-
führung – der Weg zu unrechtmäßigem, aber vor al-
lem schnell „verdienten“ Geld für die Mächtigen. Sie
blüht überall dort, wo Zivilgesellschaft, Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit geschwächt sind und Straflo-
sigkeit herrscht. Gleichzeitig beschleunigt voran-
schreitende Korruption die Erosion bereits angeschla-
gener demokratischer Institutionen. Viele afrikanische
Politiker streben Wahl und Wiederwahl um jeden Preis
an, da ihr Amt ihnen Zugang zu staatlichen Schatz-
kammern und den Schutz vor Strafverfolgung bietet.
Korruption pervertiert Politik, indem sie für das Ge-
meinwohl falsche Entscheidungen erkauft. Staatliche
Projekte und Aufträge werden nicht nach ihrer Wirt-
schaftlichkeit ausgesucht, sondern mit dem Hinterge-
danken, wie viel an ihnen für die korrupten Politiker
zu verdienen ist. Gleichzeitig müssen sie versuchen
2 Vgl. http://www.transparency.org.uk/corruption-data
22
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
Schlüsselfiguren in Justiz und Legislative zu kaufen,
um an der Macht zu bleiben – so zieht die Korruption
immer weitere Kreise, umfasst immer mehr Nutznie-
ßer und stellt Staat, Wirtschaft und Gesellschaft lang-
fristig vor große finanzielle Probleme. Und da die
meisten Politiker Afrikas direkt oder indirekt in illegale
Geschäfte involviert sind, ist „Korruptions-
bekämpfung“ in vielen Ländern Wahlkampfthema und
zugleich Druckmittel gegen oppositionelle Kräfte.
Politische Korruption ist Diebstahl an der Bevölkerung
eines Landes. Sie reduziert öffentliche Einnahmen zu
Gunsten privater Gewinne und führt zum Nichterbrin-
gen staatlicher Dienstleistungen. Die knappen Res-
sourcen, die in Infrastruktur, Bildung und das Gesund-
heitswesen fließen sollten, landen durch Korruption in
privaten Taschen. Wo Korruption herrscht, verlieren
Bürger Vertrauen in die Politik – und Politiker die Un-
terstützung der Bevölkerung. Da die Kosten beim Aus-
scheiden aus dem Amt, beziehungsweise die Gewinne
beim Verbleib im Amt, jedoch ausgesprochen hoch
sind, fühlen sich Kandidaten verleitet, Stimmen zu
kaufen und Wahlergebnisse zu fälschen, um sich ihre
Mandate zu sichern. Von hier ist der Schritt zur Be-
schneidung bürgerlicher Freiheiten und deren indivi-
dueller sowie kollektiver Wahrnehmung, wie der Mei-
nungs-, Rede-, Versammlungs- und Pressefreiheit und
der gewalttätigen Unterdrückung der Opposition,
nicht groß. In repressiven oder undemokratischen
Staaten führt die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit
korrupten Regierungen entweder zu politischer Apa-
thie oder zu Unruhen (wie zum Beispiel im Fall von
Gemeinden im Nigerdelta in Nigeria, die nicht von der
Ölförderung profitieren, da die Gewinne von Regie-
rungsbeamten abgeschöpft werden).
Korruption zerstört demokratische politische Kultur –
oft geht es bei Wahlen nicht mehr um ideologische
Unterschiede, sondern um potentielle Gewinne und
Beutesicherung. Nicht selten geht dieser Prozess in
afrikanischen Ländern mit einer ethnischen Differen-
zierung einher. Die Gewalt, die in Kenia nach dem er-
klärten Wahlsieg von Präsident Mwai Kibaki 2007
ausbrach, lässt sich auf das Nullsummenspiel keniani-
scher Politik zurückführen; wenn die eigene ethnische
Gruppe nicht an der Macht ist, gibt es keinen Raum
für ökonomischen oder politischen Aufstieg. Wie Mi-
chela Wrong in ihrem Buch „It’s Our Turn to Eat”
erklärt, waren die Anhänger Kibakis, die ethnischen
Kikuyus, nicht bereit die Macht abzugeben. Odingas
Anhänger hingegen, in ihrer Mehrheit ethnische Luos,
waren der Meinung, dass sie an der Reihe seien, sich
am Trog öffentlicher Gelder zu nähren. Tatsächlich hat
politischer Klientelismus in Kenia zur regionaler Un-
gleichheit nach ethnischen Kriterien geführt.
Korruptionsbekämpfung
Die Mehrheit afrikanischer Länder verfügt über An-
tikorruptionsgesetzgebung und in den letzten zehn
Jahren haben viele afrikanische Regierungen Schritte
zur Korruptionsbekämpfung eingeleitet. Diese Reform-
bestrebungen sind in vielen Fällen zwar vorrangig auf
den Druck internationaler Geberländer3, in anderen
Fällen aber auch auf den Druck von Oppositionspartei-
en zurückzuführen. Leider bedeutet die öffentliche
Kriegserklärung an die Korruption nicht unbedingt,
dass es einer Regierung, oder den Heimatländern der
internationalen Geber, ernst mit der Korruptionsbe-
kämpfung ist. Nigeria, Kenia und Südafrika zum Bei-
3Die Rolle der Gebergemeinschaft in der Korruptionsentwicklung
Afrikas ist äußerst problematisch. In Deutschland war internati-
onale Korruption bis Ende der 1990er Jahre de facto als
„Zuwendungen im Geschäftsverkehr“ steuerlich absetzbar. Einige
afrikanische Ökonomen, wie der Gründer des Stiftungspartners
Inter Region Economic Network (IREN), James Shikwati, fordern
eine drastische Reduzierung von Hilfsgeldern, um Regierungen
dazu zu zwingen auf Steuergelder zu bauen, und so von ihren
Wählern in Rechenschaftspflicht genommen zu werden.
„Anti-Korruption-Mitteilungskasten“ in Kenia
(Foto: lauren_pressley/Flickr)
23
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
spiel haben Antikorruptionsbehörden eingeführt, die
durch ihre unklare politische Stellung und Abhängig-
keit von der Exekutiven schlicht aufgelöst (wie im Fall
der unabhängigen Antikorruptionsbehörde Scorpions in Südafrika 2009) oder mit getreuen beziehungsweise
korrupten Verantwortlichen besetzt werden können.
Eine Zivilgesellschaft, die Transparenz und das Erbrin-
gen staatlicher Dienstleistungen einfordert, ist für ef-
fektive Korruptionsbekämpfung unerlässlich. Staaten,
in denen laut Transparency International wenig Kor-
ruption wahrgenommen wird, sind politisch stabile
Länder mit hohem Bildungsniveau sowie etablierten
rechtlichen und demokratischen Institutionen, in
denen Presse- und Informationsfreiheit herrschen.
Korruption ist potentiell ein universelles und nicht nur
ein in Afrika endemisches Problem. Die Versuchung,
Status und politische Macht zum Zwecke der persönli-
chen Bereicherung zu missbrauchen, besteht immer.
Nur gefestigte rechtsstaatliche Demokratien mit einer
aktiven Zivilgesellschaft können das „Monster“ der
Korruption bezwingen.
Fallbeispiel Südafrika: Korruptionsbekämpfung aus
Machtkalkül
Südafrika verzeichnet hinsichtlich der Korruptionsent-
wicklung in den letzten Jahren eine Negativentwick-
lung und fiel von 2010 auf 2011 im CPI um zehn Plät-
ze vom 54. (4.5 Punkte) auf den 64. (4.1 Punkte) Welt-
rang. Laut dem Vorsitzenden des südafrikanischen
Rechnungshofes, Terence Nombembe, wurden im Zeit-
raum 2010/11 20 Milliarden Rand (ca. 1,9 Milliarden
Euro) an nicht autorisierten Geldern ausgegeben. Nur
drei von 29 Ministerien und 106 von 272 staatlichen
Unternehmen erhielten 2011 einen anstandslosen
Prüfbericht. Willie Hofmeyr, entlassener Chef der An-
tikorruptionseinheit Special Investigating Unit, schätzt, dass die südafrikanische Regierung wegen
Korruption jährlich rund 30 Milliarden Rand (ca. 2,85
Milliarden Euro) einbüßt.
Auch in Südafrika reicht die Korruption bis in die
höchsten politischen Ämter. Im Armsgate-Skandal,
einem Waffengeschäft im Umfang von fünf Milliarden
US-Dollar, waren in den 1990er-Jahren unter ande-
rem zahlreiche Schmiergelder von einer französischen
Firma an den Geschäftsmann und engen Freund Zu-
mas, Schabir Shaik, gezahlt worden. Die Vermutung,
dass diese Gelder an Zuma (der nicht auf der Anklage-
bank saß) weiterflossen, sah der Richter, der Herrn
Shaik im Juni 2005 zu 15 Jahren Haft verurteilte, als
erwiesen an. Der damalige Präsident Mbeki entließ
Zuma daraufhin als Vizepräsidenten und dieser wurde
wegen Korruption, Begünstigung, Steuerhinterziehung
und Betrug in über 700 Fällen angeklagt. Im Septem-
ber 2008, nach der Entmachtung Mbekis, wurde das
Verfahren jedoch vorübergehend eingestellt und im
April 2009 – zwei Wochen vor der Wahl Zumas zum
Staatspräsidenten und nach Entlassung des Bundes-
staatsanwaltes – wegen angeblicher Manipulation des
Beweismaterials endgültig eingestellt. Seit dem Be-
ginn des Skandals drohte Zuma, dass er auch andere
hochrangige ANC-Politiker – unter ihnen Mbeki – zu
Fall bringen würde, sollte weiter gegen ihn ermittelt
werden.
Die Bestecher, die im Zusammenhang mit diesem
Skandal genannt werden, sind alle internationale Fir-
men: deutsche, britische, italienische und französische
Unternehmen werden verdächtigt oder sind bereits
überführt. Man möge sich an dieser Stelle auch daran
erinnern, dass es in eben jenen Ländern bis vor einigen
Jahren möglich war Bestechungsgelder in der Heimat
ganz legitim von der Steuer abzusetzen. Selbst der Teil
des Waffendeals, der öffentlich gemacht wurde, um
ihn in der Bevölkerung vertreten zu können, stimmt
sehr bedenklich: So sollten vertraglich zugesichert im
Gegenzug für die Waffengeschäfte unter anderem
65.000 Arbeitsplätze von den Rüstungsfirmen ge-
schaffen werden und 110 Milliarden Rand an Investi-
tionen zurück nach Südafrika fließen. Nun liegen gesi-
cherte Zahlen vor, wonach nur 13.690 von den oben-
genannten versprochenen Arbeitsplätzen entstanden
Appell an Besucher in Sierra Leone, das Land
nicht zu korrumpieren (Foto: rogoyski/Flickr)
24
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
und rund 6 Milliarden Rand investiert wurden. Auch
Deutschland ist hier beteiligt: Offiziell sollte das deut-
sche Fregatten-Konsortium US$ 2.047.600.000 inves-
tieren, doch die eigentliche Investitionssumme lag
schlussendlich nur bei US$ 44.433.395. Gegen das
Konsortium ermittelt nun die deutsche Staatsanwalt-
schaft wegen Verdachts der Bestechung südafrikani-
scher politischer Entscheidungsträger.
Präsident Jacob Zuma sieht sich in Südafrika aller-
dings einer starken Zivilgesellschaft und mit dem
Partner der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Frei-
heit, Democratic Alliance (DA), einer äußerst kompe-
tenten und kritischen Opposition gegenüber. Auch
innerhalb des regierenden ANC, vor allem im Alli-
anzpartner und Gewerkschaftsdachverband Congress of South African Trade Unions (COSATU), werden im-
mer wieder Stimmen gegen die grassierende Korrup-
tion auf allen Regierungsebenen laut. Zu den
unermüdlichen Kämpfern gegen die Korruption gehört
ferner Südafrikas Ombudsfrau Thuli Madonsela, der
man von Regierungsseite bis vor kurzem, im Gegen-
satz zu ihren Vorgängern, Personenschutz verweigerte.
Um sich vor dem Urteil unabhängiger Untersuchungen
zu schützen, betreibt Zuma vorgebliche Korrup-
tionsbekämpfung. Zyniker sprechen davon, dass Zuma
so sehr damit beschäftigt sei seine Leichen im Keller
(das englische sprichwörtliche „skeletons in the clos-et“) zu verbergen und seine Beute zu sichern, dass er
nicht zum Regieren komme.
Im Oktober 2011 stellte Zuma beispielsweise sein Ka-
binett um. Dabei rollten verdientermaßen die Köpfe
der Minister Shicelo Shiceka und Gwen Mahlangu-
Nkabinde. Auch der Polizeichef Bheki Cele wurde vom
Dienst suspendiert. Gegen Shiceka bestand der Ver-
dacht, rund 600.000 Rand (58.000 Euro) in Luxusrei-
sen in die Schweiz veruntreut zu haben, um eine
Freundin zu besuchen, die dort wegen Drogenhandels
inhaftiert ist. Nkabinde und Cele waren in einen milli-
ardenschweren Immobilienskandal verwickelt. Über
die Kabinettsumbildung hinaus rief Zuma Mitglieder
einer Untersuchungskommission für den Armsgate-
Skandal ein. Dies tat er vermutlich mit der Absicht,
einem richterlichen Beschluss zuvorzukommen, der
ihn zur Einrichtung einer solchen Kommission ge-
zwungen hätte. In diesem Fall hätte er weniger Mög-
lichkeiten gehabt, Einfluss auf die Besetzung der
Kommission und die Definition des Untersuchungsge-
genstands zu nehmen.
Gleichzeitig versucht Zuma politische Schlüsselpositi-
onen durch einen eisernen Ring aus Getreuen zu be-
setzen, die ihn schützen sollen. Hierzu gehören der
neue Chef der Antikorruptionseinheit Special Investi-gating Unit, der Bundesstaatsanwalt, der Justizminis-
ter und zunehmend auch die Mitglieder des Verfas-
sungsgerichts. Teil dieses Zuma-Schutzwalles ist wohl
auch die Verabschiedung der Protection of State In-formation Bill (Spitzname: Secrecy Bill), einem Gesetz
zur willkürlichen Klassifizierung von allen un-
liebsamen Informationen als Staatsgeheimnis mit An-
drohung wahrhaft drakonischer Strafen. Aber es gibt neben der Oppositionspartei DA auch an-
dere Gegenströmungen, die sich wehren: Anfang Ja-
nuar 2012 wurde auf Initiative von COSATU und Tei-
len der Zivilgesellschaft die unabhängige Organisation
Corruption Watch als Anlaufstelle für die Bürger bei
Korruptionsverdacht gegründet. Die Organisation soll
Informationen prüfen und an die staatlichen Antikor-
ruptionsorgane weiterleiten. Bisher mangelt es Cor-ruption Watch jedoch an einem klaren Rechtsstatus
und an Abkommen mit den staatlichen Institutionen.
Der südafrikanischen Regierung fehlt der politische
Wille, die Korruption auszumerzen, wo sie doch in
Teilen stark von dieser profitiert. Andernfalls würden
sie sich – wie eine englische Redensart besagt – den
Stock schnitzen mit dem sie verprügelt werden („They
are not cutting a rod for their own back.“)
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FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
Das südafrikanische Beispiel lehrt allgemein, dass Kor-
ruptionsbekämpfung immer im gesamtpolitischen
Kontext demokratischer und freiheitlicher Entwicklun-
gen eines Landes beurteilt und nicht vorschnell für
bare Münze genommen werden darf. Der Friedrich-
Naumann-Stiftung für die Freiheit in Subsahara-
Afrika geht es in ihren Projektländern weiter darum,
durch die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen
Organisationen und liberalen Partnerparteien Men-
schenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und das
Prinzip der freien Marktwirtschaft zu fördern – die
unabdingbaren Rahmenbedingungen für effektive
Korruptionsbekämpfung und verantwortungsvolle Re-
gierungsführung.
Feline Freier
Freie Mitarbeiterin der FNF Südafrika
Bildnachweis Titel: futureatlas.com/Flickr
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Der Korruptionswahrnehmungsindex von
Transparency International
Der Korruptionswahr-
nehmungsindex (engl.
Corruption Perceptions Index oder auch CPI) wird seit 1995 von der
nichtstaatlichen Orga-
nisation Transparency
International herausge-
geben, die sich welt-
weit in der volks– und
betriebswirtschaftli-
chen Korruptionsbe-
kämpfung engagiert.
Spiritus rector des Ver-
zeichnisses ist Johann
Graf Lambsdorff, Professor für Wirtschaftstheorie an
der Universität Passau, der den Index 1995 konzipierte
und seitdem im Auftrag von TI erstellt.
Der CPI gibt dabei die Wahrnehmung von Korruption
an. Er listet Länder nach dem Grad auf, in dem dort
Korruption bei Amtsträgern und Politikern wahrge-
nommen wird. Es ist ein zusammengesetzter Index, der
sich auf verschiedene Umfragen und Untersuchungen
stützt, die von mehr als zehn unabhängigen Institutio-
nen durchgeführt wurden. Es werden Geschäftsleute
sowie Länderanalysten befragt und Umfragen mit Ex-
perten im In- und Ausland miteinbezogen. Der Index
hat eine Skala von 0 bis 10, wobei 10 die geringste
Wahrnehmung von Korruption anzeigt und somit das
bestmögliche Ergebnis ist.
Transparency Inter-
national wurde 1993 in Berlin vom ehema-ligen Direktor der Weltbank für Ostafrika, Peter Eigen, und Mitstreitern aus aller Welt gegründet. Die Haupt-sitze von TI und TI Deutschland befinden sich in Berlin-Moabit bzw. Berlin-Mitte. TI verfügt über mehr als 90 nationale Ableger, zu denen auch TI Deutschland ge-hört.
Quellen: Wikipedia.org, cpi.transparency.org
26
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
Introduction
India is listed as 95 out of 182 in Transparency Inter-
national’s 2011 list of countries graded from 1 to 10 –
with 10 being the least corrupt. India is graded at 3.1
out of 10 in terms of how clean it is from corruption,
and shares this position with Albania, Kiribati, Swazi-
land and Tonga. This statistic gives us a broad idea of
how Indians perceive corruption in their country, but
the story of corruption in India is a dynamic one, and
how it affects the freedom of Indians is complex.
It is vital to remember that India achieved freedom
from British rule in 1947, after almost two hundred
years of being ruled by an imperial power that valued
stability and profits far more than the freedom of the
people it ruled. This meant that the powerful elites at
the time of India’s independence were seen as deeply
complicit in an essentially corrupt order meant to ex-
ert control over the general population. The Indian
National Congress (INC) – which led the freedom
struggle and became the principal ruling party of in-
dependent India – identified this corrupt ruling order
as the source of Indian poverty. Post-independence
the INC, with a broad consensus from society except
for key liberal actors, used state power in a revolu-
tionary manner, stripping land and power from land
owning elites, and limiting land ownership rights. The
state was also given the task to lead in economic de-
velopment, occupying the “commanding heights” of
the economy with large public sector units (PSUs).
Corruption in Independent India
State-led economic growth was far from a success
story; instead it devolved into what is sarcastically
called the “License-Permit-Quota Raj”. As the govern-
ment controlled the permits and licenses for most
goods and industries, those that could access those
permits and monopolise them became fantastically
wealthy in an otherwise poor society. During the 70s
and 80s this process reached a peak, and the Indian
population – which had early seen their freedoms se-
verely restricted by foreign rule – now saw their free-
doms restricted by large scale and internal corruption
situated between the politicians and bureaucrats.
India’s deeply entrenched democratic politics meant
that electoral politics allowed marginalised sectors of
society to come to power. However, this often meant
that new actors became embroiled in corruption ra-
ther than corruption being combated by those who
had been negatively affected by it. Political power,
and a position in the bureaucracy, became a means to
exploit the state by different parts of the social spec-
trum, and positions in the state government or bu-
reaucracy were seen as a way to capture wealth by a
specific caste or class. Nevertheless the effects of cor-
ruption on the poor in India are catastrophic. Medi-
cines do not reach hospitals, roads are in disrepair,
buildings are built using unsafe construction material,
health inspections are not conducted, substandard
food is served in public projects for feeding the poor,
the food subsidy system is a hotbed of thievery. Each
and every day institutional corruption kills, or severely
limits the life chances of millions in the country.
Liberalisation and New Hopes
In 1991, faced by a severe balance-of-payment crisis,
India slowly started to dismantle its government con-
trols over the private sector, leading to a freer and
more vibrant economic sector. Its growth rate shot up
to 7 percent on average and has held that position for
most of the last two decades. During this time the
role of corruption in India has also become a greater
The Dynamics of Corruption in India
27
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
focus of attention. Liberalisation has done away with
some of the corruption engendered by the License-
Permit-Quota Raj. It also has led to a growth of a vi-
brant private sector that employs a larger middle class
which is frustrated by the endemic corruption, and
compares India’s state unfavourably with foreign
countries. At the same time some types of privatisa-
tion pursued during this process – the granting of
contract to exploit natural resources like coal, or the
sale of spectrum licenses to mobile phone companies
– are naturally open to corruption, as political actors
stood to gain a substantial profit by given preferential
deals through opaque processes to large private busi-
ness houses.
The most important political outcome of the twenty
years of liberalisation has been the growth of the
middle class. With the growth of this middle class – as
small as it may be in relative terms to the large 1.2
billion population of the country – have come im-
portant demands for information and accountability.
The Indian media industry has flourished, and it is one
of the few markets in the world where the newspaper
industry is actually expanding. The growth of next
generation technologies, such as internet connectivity
through the mobile phone, and the embrace of social
networking tools by wide sections of the Indian socie-
ty, have created a large pool of increasingly informed
citizens more aware of their rights, and the mistakes
or crimes of the powers-that-be. As two thirds of In-
dia’s population are below the age of thirty-five, this
means that up to 800 million are part of “young In-
dia”, which has the power to completely remould so-
ciety.
The Right to Information Act (RTI)
The Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF)
worked with the Commonwealth Human Rights Initia-
tive (CHRI) (http://www.humanrightsinitiative.org/) on
one of the most important legislative changes to em-
power Indians to demand accountability from the
state, and to limit corruption. This legislation, the
Right to Information Act (RTI), was passed in India in
2005 backed by a wide variety of NGOs and civil soci-
ety actors. CHRI, which had been lobbying for its pas-
sage, also worked to provide expert advice in making
the final Act a stronger piece of legislation than the
preliminary draft that was tabled. The RTI Act essen-
tially allows any Indian citizen to demand information
from any government agency about any project done
through public funding. The government agency – ex-
cept in few exceptions such as national security – has
to reply within 30 days of the request being submit-
ted. The cost of submitting a request is Rs. 10 or
€0.15, making it very cheap and accessible to the
common person. This legislation was aimed squarely
at parting the opaque curtain behind which dubious
deals could be conducted out of the view of the pub-
lic. Once it was passed, it was used aggressively by the
media and anti-corruption activists to draw attention
to the waste of public funds.
In recent years a series of scandals have surfaced, in-
cluding about the allotment of the media spectrum to
mobile phone companies (India’s Supreme Court has
now judged the previous contracts void, and to be re-
negotiated through an open auction), the 2010 Com-
monwealth Games held in New Delhi, coal-mining in
illegal areas, as well as a series of other, smaller
scams. Although the RTI Act has been able to draw
attention to some of these practices, it is not a risk
free enterprise as the killing of more than a dozen ac-
tivists has shown.
The Supreme Court has also come down heavily on
rapacious private-public ‘accommodations’ that have
deprived the poor tribal communities of their lands to
allow for mineral extractions. These practices have
„Complaint Box for Corruption“ in Leh, Jammun and Kashmir
(Photo: Miran Rijavec/Flickr)
28
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
already empowered and strengthened militant leftist
networks that attack the state and its institutions. The
poor, caught between a state complicit with crimes,
and a violent revolutionary movement, continue to
suffer in what is often referred to as India’s “Red Cor-
ridor” in the rural areas of the eastern part of the
country, the parts which have not benefitted much
from India’s liberalisation. Spanning parts of nine
provinces in India, this affects the politics of more
than a quarter of the country.
The 2011 Jan Lokpal Bill Movement
The combination of these events has led to a deeply
charged debate on corruption in the Indian political
space, and led to a massive campaign to promote a
Jan Lokpal (Public Ombudsman) Bill in 2011. Led by a
rural activist, who had also been part of the RTI
movement, Anna Hazare, and coordinated by Arvind
Kejriwal – who had also been part of the RTI movment
– this was seen as a citizen’s protest against an ex-
tremely corrupt political and bureaucratic class. It was
billed as “a second freedom struggle”. The Indian gov-
ernment initially dismissed the movement, despite the
fact that a Lokpal Bill has been debated in various
guises for decades in the Parliament. The Anna Hazare
-led movement gained considerable backing by both
the centre-right Bharatiya Janata Party (BJP), and the
communist parties. It also rallied the support of film
actors, religious leaders and some civil society actors.
A key part of civil society, though, kept its distance.
The Jan Lokpal Bill, as championed by the Anna Haza-
re-led movement, had certain key flaws that made it
difficult to accommodate. For example it envisaged
having both policing and adjudicatory powers concen-
trated in one body. The only oversight it envisaged
was from within the organisation. Additionally it
sought authority over everyone from the Prime Minis-
ter, to the Judiciary, to the lowest levels of the bu-
reaucracy. Such concentration of powers would have
violated the basis of the Indian Constitution, and the
basis of liberal democracy as such. Nevertheless the
incompetence of the way that the Indian government
handled the protests only stoked public resentment
against the status quo, and empowered the Anna
Hazare-led movement forcing the government into
negotiations.
In the end the Indian government agreed to table a
Lokpal Bill in Parliament before the end of the year.
When it was tabled, a combination of different agen-
das led to a standoff among the political parties, and
the Bill was withdrawn. The Anna Hazare-led move-
ment then campaigned during 2012 at province level
elections in five provinces against corrupt candidates.
This campaign did not gain as much traction as the
earlier campaign, possibly because one of the main
parties that had benefited from the campaign – the
principal opposition party, the BJP – accepted a
known corrupt politician in its party just before the
elections in Uttar Pradesh, India’s most populous
state.
Looking Forward
Although the anti-corruption movement did not have
much in the way of successes in Parliament so far or
in affecting the elections in the important provincial
elections of 2012, the anti-corruption language is
there to stay in the Indian polity. Every political party
in India has committed to ‘cleaner’ government, and a
number of powerful politicians have been arrested
and charged for corruption – a completely novel phe-
nomenon. The movement towards greater transparen-
cy and efficiency is facilitated by a more empowered
and knowledgeable citizenry. As the Indian middle
class grows, it will continue to pursue its freedom to
be able to work honestly and efficiently. It will remain
a difficult process to deal with this deeply embedded
problem without compromising on the key principles
of liberal democracy. FNF contributes to this work
„India Against Corruption Rally“ in Bangalore, 2011
(Photo: iHyd/Flickr)
29
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
through helping initiatives such as the website
“Empowering India” created by the Liberty Institute to
bring details about politicians to citizens before elec-
tions, and with CHRI to strengthen the RTI network in
South Asia. All this aims to contribute to an India that
is able to pursue freedom for its citizens through free-
dom from corruption.
Omair Ahmad
Programme Executive, FNF India
Cover photos:
Pushkar V/Flickr
watchsmart/Flickr
iHyd/Flickr
Deepankar Raj/Flickr
Karte: TUBS/Wikipedia
30
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
Umfragen zeigen, dass für viele Indonesier die Korrup-
tion eines der zentralen Themen ist. Im weltweiten
Index wahrgenommener Korruption von Transparency
International nahm das wirtschaftlich aufstrebende
Land im Jahr 2011 Platz 100 (von 182 insgesamt) ein
und lag damit in etwa gleichauf mit Gabun und Mala-
wi, Argentinien und Mexiko. Das gerade neu von der
FNF vorgelegte Freedom Barometer Asia 20111 be-
zeichnet die Korruption in Indonesien als
„widespread“.
Korruption spielt sich in Indonesien auf sehr verschie-
denen Ebenen ab. Sie reicht vom Schmiergeld für den
kleinen Beamten, der den Führerschein ausstellt, über
die großzügige Gratifikation für den Leiter einer Ein-
wanderungsbehörde als Dank für einen falschen Pass
bis hin zur Selbstbereicherung von Politikern durch
Manipulation von öffentlichen Ausschreibungen für
Bauvorhaben.
Deregulierung und Bürokratieabbau würden die
Korruption bremsen
Für die Masse der Bevölkerung ist vor allem die Kor-
ruption auf den unteren Ebenen der Verwaltung lästig
und teuer. Dabei profitieren Gelder einfordernde Be-
amte von einer Vielzahl bürokratischer und freiheits-
feindlicher, oft auch realitätsfremder Gesetze und
Vorschriften, die es Menschen mit Unternehmergeist
schwer machen, aus der Armut und dem informellen
Sektor auszubrechen. Je mehr komplizierte Formulare
man ausfüllen muss, um ein Gewerbe anzumelden o-
der etwas importieren zu dürfen, desto mehr Türen
und Tore öffnen sich für öffentliche Bedienstete, die
„Beschleunigungsgeld“ verlangen. Anderseits dient
dieses Beschleunigungsgeld ja auch den Menschen, da
die Zahlung an den einfachen Beamten oft langwieri-
ge administrative Prozesse erspart. Es ist bezeichnend,
dass Indonesien nicht nur bei der Korruption einen
schlechten Platz einnimmt. Auch in Hinblick auf die
freie wirtschaftliche Betätigung hat das Land noch
viele Aufgaben vor sich. Im von der World Bank jähr-
lich herausgegebenen Index Doing Business liegt In-
donesien im laufenden Jahr nur auf Platz 129 (von
183 Ländern insgesamt). Nicht zufällig hebt daher die
FNF in Indonesien immer wieder die Notwendigkeit
von Deregulierung und Bürokratieabbau hervor. Beides
wäre auch ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung der
Korruption.
Korruption in Staat und Politik – der Fall Nazarud-
din
Mehr Aufmerksamkeit als die Korruption im Alltag
finden in den Medien und bei Nichtregierungsorgani-
sationen allerdings die Korruptionsfälle, in die Spit-
zenbeamte, Richter, Polizisten, Abgeordnete oder Re-
gierungsmitglieder involviert sind. Natürlich geht es
dabei um größere Summen als beim kleinen Beamten
am unteren Ende der Hierarchiekette. Aber es ist auch
besser für die Zeitungsauflage, über den gestrauchel-
ten Direktor einer öffentlichen Bank oder einen natio-
Nur Freiheit und Demokratie wirken gegen Korruption:
Zwei Fallbeispiele aus der Region Südost– und Ostasien
Korruption als Spektakel und Alltagserfah-
rung in Indonesien
1 http://www.freedombarometer.org
31
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
nalen Abgeordneten zu berichten als über einen Be-
amten aus dem Gesundheitsministerium, der die Sau-
berkeit von Imbissständen vor Ort überwachen soll.
Wer sich in Indonesien kritisch mit dem Thema Kor-
ruption auf hoher Ebene befasst, wird praktisch täg-
lich Material in der Zeitung oder in den Fernsehnach-
richten finden. Seit mehr als einem halben Jahr erre-
gen vor allem die Vorgänge um den früheren Schatz-
meister der regierenden Demokratischen Partei, der
auch Staatspräsident Susilo Bambang Yudhoyono an-
gehört, die Medien und damit die Öffentlichkeit.
Muhammad Nazaruddin wird beschuldigt, für sich
selbst und seine Partei in Dollar oder Euro umgerech-
net hohe Millionenbeträge über ein weit verzweigtes
Netzwerk von (Schein-)Firmen aus der Staatskasse
abgezweigt zu haben. Die bisherigen Untersuchungen
und Verhöre zeigen, mit welch krimineller Energie der
erst 33 Jahre alte Politiker seine hochrangigen Kon-
takte zu nutzen wusste, um an öffentliche Aufträge zu
kommen. Er ist inzwischen aus den Reihen der Partei
ausgeschlossen worden und hat alle seine politischen
Ämter bei den Demokraten verloren.
Für alle indonesischen Parteien trifft mehr oder weni-
ger zu, dass in ihnen zu wenig gemeinsame Werte,
Ideen und Erfahrungen die Grundlage einer eigenen,
unverwechselbaren Identität bilden. Ideologisch und
programmatisch sind die indonesischen Parteien oft
zu austauschbar, zu beliebig. Zu leicht können sie da-
her von cleveren Trittbrettfahrern missbraucht wer-
den, die ohne eigentliche Bindung an die Partei, der
sie beigetreten sind, nur an ihren persönlichen Ge-
schäften interessiert sind. Wo nicht der Wunsch eine
Partei zusammenhält, die Zukunft des Landes entspre-
chend den eigenen Wertvorstellungen zum Wohle der
indonesischen Gesellschaft insgesamt zu gestalten, ist
es für Opportunisten leicht, Politik und Geschäft mit-
einander zu verbinden. Die Arbeit der Friedrich-
Naumann-Stiftung für die Freiheit in Indonesien ist
daher gerade darauf ausgerichtet, ihren politischen
Partnern die Wichtigkeit einer auf Werten basieren-
den, programmatisch stringenten Politik zu vermitteln
und mit ihnen über die richtige politische Lösung zu
konkreten Themen zu diskutieren. Auf der politischen
Ebene sind gemeinsame Ideale, Ideen und Inhalte
wichtige Elemente, um Korruption zu bekämpfen.
Indonesiens Kommission zur Beseitigung der Kor-
ruption (KPK) – ein gutes Modell
Indonesien ver-
fügt mit der KPK
über ein sehr
gutes Instrument
zur Aufdeckung
von Korruptions-
fällen. In den
vergangenen
Jahren ist es der KPK mit ihren rund 600 Mitarbeitern
gelungen, zahlreiche Fälle zu bearbeiten und viele ho-
he Beamte und Politiker der Korruption zu überführen.
Selbst in den sonst sehr kritisch eingestellten Medien
genießt die KPK hohes Ansehen und Vertrauen. Als
besonders hilfreich hat sich dabei das mehrfach ver-
bessertes Gesetz zur Bekämpfung der Geldwäsche er-
wiesen. Es gibt der KPK und den Strafverfolgungsbe-
hörden nicht nur Zugang zu den Konten der Beschul-
digten, sondern legt diesen die Beweislast für die Her-
kunft ihrer Vermögen und Vermögenswerte auf. Die
Beschuldigten müssen selbst nachweisen, woher die
Mittel für einen aufwendigen Lebensstil, üppigen Im-
mobilienbesitz oder gut dotierte Bankguthaben kom-
men. Auch im Fall Nazaruddin war das der Weg zu
wichtigen Beweisen und neuen Erkenntnissen.
Die Mühlen der KPK mahlen sorgfältig, aber langsam.
Auch die Vielzahl der Fälle verhindert rasche Entschei-
dungen. Doch die KPK leistet einen beispielhaften Bei-
trag zur Kriminalitätsbekämpfung in Indonesien auf
der oberen Ebene von Staat und Politik. Ihre Arbeit ist
Anti-Korruptionsaufkleber an einer Wand in Jakarta
(Foto: Mayu Shimizu/Flickr)
32
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
aber nicht ohne Herausforderungen. So gibt es immer
wieder Versuche von Politikern, das Mandat der KPK
einzuschränken. Besonders eklatant war im Oktober
2011 der parteiübergreifende „Streik“ von Abgeordne-
ten im Haushaltsausschuss, die sich durch Blockierung
der Beratung des Staatshaushalts dagegen wehren
wollten, von der KPK zur Vernehmung vorgeladen zu
werden. Es bedurfte eines Machtworts der Parla-
mentsleitung, um den „streikenden“ Abgeordneten in
Erinnerung zu rufen, dass die KPK jederzeit gegen je-
den ermitteln und jeden vorladen kann. Die von den
Streikenden eingeforderte „Würde eines Parlamentari-
ers“ stehe dem nicht im Wege.
Sind einmal die Entscheidungen der KPK getroffen
und sind die Beschuldigten einmal von einem Korrup-
tionsgericht verurteilt worden, halten sich die politi-
schen Parteien allerdings an das Urteil und schließen
die Betroffenen von politischen Ämtern aus.
Indonesiens Justiz hat zu wenig Abschreckungsef-
fekt
Schwächen weisen die eigens eingerichteten regiona-
len Korruptionsgerichte auf. Ihnen wird immer wieder
in den Medien vorgehalten, Urteile ohne Abschre-
ckungseffekt zu fällen. So wurde im Februar 2012 ein
Bezirksrichter aus Jakarta, der in einem Insolvenzver-
fahren 20.000 Euro an Schmiergeldern angenommen
hatte (zum Vergleich: der Mindestlohn liegt bei etwa
120 Euro im Monat), lediglich zu einer Haftstrafe von
vier Jahren Haft verurteilt. Milde Urteile galten auch
für andere Fälle, in denen Richter vor Gericht standen.
Praktisch zeitgleich mit dem Urteil in Jakarta erregte
aber ein Verfahren gegen einen 15-Jährigen auf der
Insel Sulawesi Aufsehen, der von einem Polizisten
Schuhe im Wert von umgerechnet drei Euro gestohlen
hatte. Ihm wurden vom Staatsanwalt fünf Jahre Haft
angedroht. Erst das öffentliche Aufsehen und das Ein-
greifen des Obersten Gerichts ersparten dem Jugendli-
chen den langen Weg durch das Gefängnis.
Immerhin wurde der betroffenen Bezirksrichter aus
Jakarta verurteilt. In vielen Fällen, die vor den Korrup-
tionsgerichten behandelt werden, kommt es gar nicht
erst zu Urteilen, sondern die Angeklagten werden
mangels Beweisen frei gesprochen. Falls sie die aus
Sicht vieler Beobachter zu geringen Haftstrafen tat-
sächlich antreten müssen, habe sie eine gute Chance,
nach zwei Dritteln der Zeit wegen guter Führung aus
der Haft entlassen zu werden. Denn in der Regel sind
wegen Korruption verurteilte Beamte und Politiker
nicht vorbestraft. So können sie sich leicht für eine
vorzeitige Entlassung qualifizieren. Doch selbst die
eher kurze Zeit im Gefängnis kann man sich ver-
gleichsweise angenehm gestalten, wenn man über die
notwendigen Mittel und Beziehungen verfügt. Immer
wieder berichten die Medien darüber, dass im Gegen-
satz zu gewöhnlichen Kriminellen wegen Korruption
Verurteilte in Einzelzellen mit Fernsehgerät unterge-
bracht sind, über ein Handy verfügen, bessere Verpfle-
gung erhalten und viele Besucher empfangen können.
Sind die Indonesier zu geduldig mit der Korruption?
Indonesien ist trotz aller wohlmeinenden Verfassungs-
artikel in der Wirklichkeit keine auf der sozialen
Gleichheit aller Bürger aufgebaute Gesellschaft. In
weiten Teilen der indonesischen Gesellschaft ist man
daran gewöhnt, dass zwischen „oben“ und „unten“ in
der gesellschaftlichen Hierarchie klientelistische und
patrimoniale Beziehungen bestehen. Die Nutzung von
Privilegien oder die Annahme von persönlichen Vortei-
len werden nicht immer und überall als moralisch ver-
werflich angesehen wird, sondern gelten vielfach als
unvermeidlicher Teil des normalen Lebens. Ebenso we-
nig haben Firmen, Organisationen oder auch einfache
Bürger im Zweifelfall Hemmungen, Mitglieder der Par-
lamente darum zu bitten, zu ihren Gunsten in schwe-
bende Verfahren einzugreifen oder ihnen Vorteile oh-
ne Rücksicht auf gesetzlich festgelegte Vorschriften
Plakat in Gayo Lues, Indonesien
(Foto: Paul Keller/Flickr)
33
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
und Verfahren zu verschaffen.
Die Korruption ist eine massive Bremse von Wachs-
tum, Rechtsstaat und Demokratie in Indonesien und
anderswo. Sie muss mit harter Hand bekämpft wer-
den. Allerdings gilt in Indonesien wie für andere Län-
der, dass die manchmal sehr heftigen Vorwürfe von
Journalisten, Rechtsanwälten oder Intellektuellen ge-
gen die Korruptionsanfälligkeit der politischen Eliten
nicht notwendigerweise die Prioritätenliste der Masse
der Bevölkerung widerspiegeln. Dort mag man sich
über korrupte Politiker ärgern, aber im Alltag arran-
giert man sich mit dem System und der herrschenden
politischen Kultur: Man versucht, bei einem durch-
schnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von rund 300 US-
Dollar pro Monat das Beste aus seinem Leben unter
den bestehenden Bedingungen zu machen. Man la-
mentiert viel über Korruption, ohne aber wirklich an
die Chance auf Änderung zu glauben. Es steht zu er-
warten, dass sich diese Einstellung mit größerem
Wohlstand und wachsender Bildung allmählich än-
dern wird. Doch schon heute ist es ein Zeichen für den
Fortschritt der Demokratie in Indonesien, wie offen
Fälle von Korruption selbst an der politischen Spitze
aufgedeckt und kritisiert werden können. Das wäre
noch vor zwei Jahrzehnten undenkbar gewesen. Inso-
fern ist auch die weit verbreitete Meinung mit Vor-
sicht zu bewerten, dass es heute im demokratischen
Indonesien mehr Korruption geben soll als in den Zei-
ten des autoritär regierenden Präsidenten Suharto in
den achtziger oder neunziger Jahren des vergangenen
Jahrhunderts. Wo Pressefreiheit nicht existiert und
kritische Stimmen keine öffentliche Resonanz finden
können, wird Korruption unter den politisch Mächti-
gen nur selten aufgedeckt. Von solchen Zuständen ist
das demokratische Indonesien heute glücklicherweise
weit entfernt.
Rainer Erkens
Projektleiter Indonesien
Korruption auf allen Ebenen – sei es in Politik, Verwal-
tung, Justiz oder Wirtschaft ist eine der größten Her-
ausforderungen für Demokratie und Freiheit in den
Philippinen.
Der Kandidat der Liberal Party, Benigno S. Aquinos III,
führte seine Kampagne daher im Vorfeld der Wahlen
2010 unter dem Motto "kung walang corrupt, walang mahirap" („Keine Korruption bedeutet keine Armut“).
Aquino gab seinen Wählern zu verstehen, die Lage
sehr ernst zu nehmen und sicherzustellen, dass mit
seiner Wahl zum Präsidenten die Korruption ein Ende
haben wird. Mit über 40 Prozent aller Wählerstimmen
ging Aquino aus der Wahl am 10. Mai als klarer Sieger
hervor.
Die Herausforderungen, denen sich die neue Regie-
rung stellen musste, waren gewaltig. In ihrer neunjäh-
rigen Amtszeit als Präsidentin hat Aquinos Vorgänge-
rin Gloria Macapal Arroyo das Land regelrecht herun-
tergewirtschaftet. Korruption auf allen institutionellen
Ebenen war eher die Regel als die Ausnahme. Nach
Schätzungen des philippinischen Think Tanks Ibon Databank haben die Korruptionsskandale unter der
Arroyo-Administration einen wirtschaftlichen Schaden
von rund 7,3 Mrd philippinischen Pesos verursacht.
Arroyo selbst war in einen nicht unwesentlichen Teil
dieser Skandale direkt verwickelt.
Der neue Präsident Aquino nimmt seine Wahlverspre-
chen sehr ernst und hat es sich zur Aufgabe gemacht,
Mitglieder der Vorgängerregierung zur Verantwortung
zu ziehen. Keine einfache Aufgabe wie sich zeigen
sollte. Kurz vor ihrem Abtritt hat Gloria Arroyo in ei-
nem äußerst umstrittenen Eilverfahren – den so ge-
Aquinos Kampf gegen die Korruption auf
den Philippinen
34
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
nannten „midnight appointments“ – ihr wohl geson-
nene Vertraute in Schlüsselpositionen von Justiz und
Verwaltung ernannt – darunter der Vorsitzende Rich-
ter des obersten Gerichtshofes. Präsident Aquino
konnte aber einen Amtsenthebungsprozess gegen die-
sen Richter erwirken und verschaffte sich damit weit
reichenden Respekt unter der philippinischen Bevölke-
rung.
Institutionalisierte Korruption
Korrupte Praktiken sind so tief in der philippinischen
Gesellschaft verwurzelt, dass vielen Menschen ihre
Unrechtshandlungen scheinbar gar nicht bewusst
sind. Aus Sicht vieler Experten liegt der Hauptgrund
für das Entstehen dieser „Kultur der Korruption“ in der
mangelnden Trennung und Überschneidung privater
Interessen und öffentlicher Aufgaben. Die US–
amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin Susan
Rose Ackermann von der renommierten Yale Universi-
tät fasste die Korruption als ein Ergebnis des Miss-
brauchs öffentlichen Vertrauens für private Interessen
zusammen. Professor Klitgaard von der Claremont
Universität in Kalifornien, Experte in Fragen der Kor-
ruptionsbekämpfung und seit kurzem Anti-
Korruptionsberater von Präsident Aquino, wurde unter
anderem bekannt für die Formulierung von C=M+D-A
(C=Corruption, M=Monopoly, D=Discretion,
A=Accountability). Demnach ist Korruption ein Ergeb-
nis von Monopolstellungen von Eliten und willkürli-
chen Entscheidungsprozessen bei gleichzeitiger Abwe-
senheit von Unrechtsbewusstsein und mangelnder Re-
chenschaftspflicht.
Die Transparenz staatlichen Handelns zur Wiederher-
stellung der öffentlichen Glaubwürdigkeit steht im
Zentrum von Präsident Aquinos Kampf gegen die Kor-
ruption auf den Philippinen. Nach Professor Klitgaard
hängt der Erfolg bei der Bekämpfung von Korruption
in hohem Masse davon ab, ob es gelingt, in der Bevöl-
kerung ein Bewusstsein dafür zu schaffen was Recht
bzw. Unrecht ist. Dass Unrechtshandlungen rechtlich
verfolgt und bestraft werden, ist für viele Filipinos
längst keine Selbstverständlichkeit.
Präsident Aquino ließ daher verlauten, dass er in sei-
nem Kampf gegen die Korruption hart durchgreifen
und dabei keine Ausnahmen machen werde und ließ
verlauten: „Es spielt keine Rolle ob es sich um eine
ehemalige Präsidentin oder einen einfachen Arbeiter
handle. Wer Unrecht begeht, muss dafür zur Verant-
wortung gezogen werden“. Zum Amt des Präsidenten der Philippinen gehören un-
ter anderem die Allokation des Staatsbudgets sowie
die Besetzung öffentlicher Ämter. Bei diesen Aufgaben
ist Transparenz für Präsident Aquino ganz besonders
wichtig um das öffentliche Vertrauen wiederherzu-
stellen. Dazu gehört es, Institutionen zu stärken und
Zuwiderhandlungen konsequent strafrechtlich zu ver-
folgen.
Freiheit und Korruptionsbekämpfung
Aus liberaler Sicht ist für die
Aquino-Regierung vor allem die
Förderung wirtschaftlicher Frei-
heiten wichtig. Eine zu starke
Stellung des Staates im Wirt-
schaftsgeschehen eines Landes
eröffnet Personen in wirt-
schaftspolitischen Schlüsselpo-
sitionen die Möglichkeit des
Amtsmissbrauchs zu eigenen
Gunsten und Interessen. Auch
hier kann Präsident Aquino be-
reits auf Erfolge verweisen. In
den jüngsten Datenbeständen
des Freedom Barometer Asia
spiegeln sich diese Veränderungen wieder. Das Free-
dom Barometer misst jährlich den Freiheitsgrad in
Südost- und Ostasien. Im Gegensatz zu anderen Indi-
„Tell the Truth“-Bewegung gegen Bestechung und Korruption
unter der damaligen philippinischen Präsidentin Gloria Arroyo
2008 (Foto: gmaresign/Flickr)
Grafik: heritage.org
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FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
zes will dieser die gesamte freiheitliche Entwicklung
in 17 Ländern messen, und sich nicht auf Teilbereiche
beschränken. Auch die Untersuchungen der amerika-
nischen Heritage Foundation, die jährlich einen Index
zur ökonomischen Freiheit von 184 Staaten weltweit
publiziert, zeigen die Philippinen 2012 einen Auf-
wärtstrend von 0,9 Prozentpunkten, was vor allem auf
Verbesserungen im Bereich der privatunternehmeri-
schen Freiheit zurückzuführen ist.
Damit liegen die Philippinen zwar noch immer auf
Platz 107 der 184 bewerteten Staaten, sollte es Aqui-
no aber gelingen, seinen eingeschlagenen Weg erfolg-
reich weiterzuverfolgen und die institutionalisierte
Korruption einzudämmen, so ist ein weiterer Auf-
wärtstrend in Bezug auf die wirtschaftliche und politi-
sche Freiheit sehr wahrscheinlich. Aquino selbst kann
dann von sich behaupten, seinem Wahlkampfslogan
“Sa kalayaan, may kasaganahan”, was so viel bedeutet
wie “Mit Freiheit kommt Wohlstand”, gerecht zu wer-
den.
Die Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit unter-
stützt die Anstrengungen Aquinos und der Liberal Par-
ty mit einer Kampagne namens „It’s all about Free-dom“. Durch die Teilnahme am vom Philippinen-Büro
der Stiftung organisierten Veranstaltungen sollen die
Menschen zur Teilhabe am Kampf gegen die Korrupti-
on ermutigt werden. Ein bemerkenswertes Ereignis
war der so genannte „Freedom Run“, an dem etwa
2.000 Menschen teilnahmen. Sogar die offizielle In-
ternetseite der philippinischen Regierung www.gov.ph
warb für die Teilnahme am Wettlauf gegen die Kor-
ruption.
Die Überquerung der Ziellinie des in der Hauptstadt
Manila stattfindenden Wettlaufs stand dabei symbo-
lisch für das erklärte Ziel, der Korruption im Land Herr
zu werden und wieder Teil einer echten freien Gesell-
schaft zu sein.
Weiterhin kooperiert die Stiftung mit der Kommission
für gute Regierungsführung Presidential Commission on Good Government (PCGG) und verschiedenen Ex-
perten auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung. So
werden beispielsweise Ausstellungen und Diskussions-
runden an ausgewählten Schulen des Landes organi-
siert, bei denen die junge Generation ein Bewusstsein
für die Folgen korrupten Handelns entwickelt. Ein
ähnlicher Ansatz wird in Zusammenarbeit mit der so
genannten Kaya Natin! Bewegung der Ateneo-
Universität von Manila verfolgt. Mit Studenten ver-
schiedener philippinischer Universitäten werden die
Merkmale verantwortlicher Regierungsführung disku-
tiert und junge Leute ermutigt, selbst aktiv an der
Durchsetzung einer korruptionsfreien Gesellschaft
mitzuwirken.
Mit all diesen Aktivitäten will die Stiftung ein Be-
wusstsein dafür schaffen, dass die Wahl Aquinos zum
Präsidenten den Filipinos zwar ein großes Maß an
Freiheit beschert hat, zur Ausweitung und Aufrechter-
haltung dieser jedoch die Mithilfe aller Bürger gefragt
ist.
Dr. Julio C. Teehankee
Senior Fellow, National Institute of Policy Study
(NIPS)
36
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
Mit der Wende 1989 kam die Freiheit nach Mittel-
und Osteuropa. Die Freiheit war aber nicht umsonst:
Der Preis war mehr Kriminalität, mehr Armut und vor
allem mehr Korruption – und das viel massiver als zu-
vor im Sozialismus.
Mit Ausnahme von Estland und im Großen und Gan-
zen auch Litauen und Polen ist die Korruption in den
neuen EU-Ländern ein fester Bestandteil des politi-
schen Systems und der politischen Kultur. Die Men-
schen sind mit der Korruption aufgewachsen und be-
trachten sie als etwas ganz Normales, das zum tägli-
chen Leben gehört: Man zahlt für das Bett im Kran-
kenhaus, den Strafzettel bei der Polizei, den Studien-
platz, die Baugenehmigung, das Kfz-Zeichen nach
Wahl.
Viele Politiker sind nach 1989 nur der wirtschaftlichen
Vorteile wegen in die Politik eingestiegen. Politik ist
Business. Dabei gibt es keine Unterschiede zwischen
links, rechts oder liberal. Es gibt kaum öffentliche
Ausschreibungen ohne Bestechung und Schmiergeld.
Jede Partei hat ihre „Paten“, alle wissen es, die Medien
berichten darüber, nur passiert ist bislang nichts.
Selbst die EU guckt weg. Auch EP-Abgeordnete sind in
Korruptionsaffären verwickelt.
Es gibt in Tschechien oder der Slowakei nicht weniger
Korruption als in Bulgarien oder Rumänien, sie spielt
sich nur – gewissermaßen – zivilisierter und eleganter
ab. Durch die relativ stabile Wirtschaftsentwicklung
und den hohen Lebensstandard und nicht zuletzt
durch charismatische und international angesehene
Politiker wie Vaclav Havel wurde das Image Tschechi-
ens lange Zeit beschönigt. Auch Slowenien und Un-
garn profitierten lange Zeit von ihrem "window dres-
sing".
22 Jahre nach der Wende funktioniert in vielen post-
kommunistischen Ländern die Demokratie an der
Oberfläche. Darunter ist das System morsch, vor allem
mit Blick auf die Polizei und die Justiz. Der Normal-
bürger freut sich über die gewonnenen individuellen
Freiheiten (Reise- und Pressefreiheit, Marktwirtschaft,
etc.) und lebt in seinem Mikrokosmos. Die Politik ist
ihm egal – Wahlbeteiligung unter 50 Prozent. Die
Freiheit als universeller Grundwert tritt in den Hinter-
grund. Es wird vom Neofeudalismus gesprochen. Das
Einzige, was funktioniert, sind die Medien. Sie entwi-
ckelten sich nicht nur in Tschechien zu einem echten
Demokratiewächter und garantieren ein Mindestmaß
an öffentlicher Kontrolle. Ohne sie wären viele Kor-
ruptionsfälle nicht aufgedeckt worden.
Will man die Korruption ernsthaft und wirksam be-
kämpfen, muss man an den Wurzeln des Systems an-
setzen:
Die Polizei und die Justiz müssen wirklich unab-
hängig und von jeglicher politischer Einfluss-
nahme abgekoppelt werden.
Die EU muss die Korruption in den neuen EU
Ländern – nicht nur in Bulgarien und Rumänien
– zum Thema machen, zumal der Missbrauch
bei den Mitteln aus den europäischen Kohäsi-
Zwischen Versprechungen, Enttäuschungen und Hoffnungen:
Der schwierige Kampf gegen die Korruption in Osteuropa
37
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
onsfonds besonders hoch ist. Bei Nichteinhal-
tung von verbindlichen EU-Normen müssen ent-
sprechende Sanktionen folgen.
Das Korruptionsbewusstsein muss durch gezielte
Bildungsmaßnahmen in Schulen und Universitä-
ten erhöht werden.
Durch europaweite Ausschreibungen bei öffent-
lichen Aufträgen kann der Wettbewerb gestärkt
und die Korruptionsmöglichkeiten eingeschränkt
werden.
Dr. René Klaff
Regionalbüroleiter MSOE
Kurz nachdem am 22. Januar 2012 die Wahllokale in
Kroatien geschlossen worden waren, stand fest, dass
sich die Befürworter des EU-Beitritts mit einer Mehr-
heit von 2:1 durchzusetzen vermocht hatten. Zeichen
der Euphorie waren aber weder während der Kampag-
ne zum Referendum selbst, noch nach Bekanntgabe
des Ergebnisses im Rahmen der von den proeuropäi-
schen Kräften veranstalteten Feierlichkeiten zu be-
obachten. Es war eine überwiegend rationale Ent-
scheidung der Wähler gewesen, die zu diesem Ergeb-
nis führte. Emotionen blieben dabei weitgehend au-
ßen vor.
Die langen Jahre der Beitrittsverhandlungen hatten
die EU-Begeisterung der Kroaten spürbar gedämpft
und deren vordergründige Hoffnung auf die
„Segnungen“ der diversen EU-Fonds deutlich schwin-
den lassen. Diese waren in den zurückliegenden Jah-
ren von den politischen Akteuren oft genug als All-
heilmittel gegen die diversen Probleme der vom Trans-
formationsprozess gezeichneten kroatischen Wirt-
schaft gepriesen worden.
Für Beobachter des Referendums kristallisierte sich
deutlich ein Leitmotiv auf Seiten der Befürworter des
EU-Beitritts heraus. Dies erkannte man in deren zent-
ralen Erwartung, dass mit dem EU-Beitritt rechts-
staatliche Verhältnisse in Kroatien konsequenter
durchgesetzt werden würden, als das bis dahin im
Beitrittsprozess zu erkennen war. Diese Erwartung
stützte sich vor allem auf eine beispiellose Reihe von
auf Druck der EU in den Jahren 2010 und 2011 aufge-
deckter Affären, von Verhaftungen und Gerichtspro-
zessen hochrangiger Politiker, Beamter und Ge-
schäftsleute. Die Verfahren gegen einige der Hauptak-
teure waren mit rechtskräftigen Urteilen bereits been-
det worden. Der seitens der EU ausgeübte Druck war
die logische Konsequenz aus den Versäumnissen in
den Beitrittsverfahren mit Bulgarien und Rumänien.
Obgleich die kroatische Öffentlichkeit nicht unerfah-
ren mit der Aufdeckung von Korruptionsaffären –
auch solchen in Millionenhöhe – war, so wurde selbst
sie von den Ausmaßen der Welle überrascht, die der
Rücktritt des ehemaligen Premierministers Ivo Sana-
der am 1. Juli 2009 auslöste.
Nach wenigen Monaten wurden in einem atemberau-
benden Rhythmus Einzelheiten ihn belastender Straf-
taten aufgedeckt, die mit Hilfe anderer Spitzenpoliti-
ker, von Vorständen großer öffentlicher Unternehmen
sowie hoher Beamter
begangen worden wa-
ren. Im Ergebnis der
Ermittlungen der für
den Kampf gegen die
organisierte Kriminali-
tät zuständigen Poli-
zeieinheit (USKOK)
sprach die staatsan-
waltschaftliche Untersuchung von skrupellosen Ab-
machungen des ehemaligen Premiers mit politisch
abhängigen Vorständen, um liquide Mittel aus den
staatlichen Unternehmen systematisch abzuzweigen.
Damit wurden sowohl politische Vorhaben, wie z.B.
die Wahlkampagne der HDZ im Jahr 2007, als auch
die Aufwendungen für die eigene, nicht gerade be-
scheidene Lebensführung finanziert. Darüber hinaus
laufen noch weitere Prozesse gegen den ehemaligen
Premierminister wegen Betrugs und Veruntreuung mit
einem Schadensvolumen von mehr als 30 Millionen
Euro. Die Öffentlichkeit geht jedoch davon aus, dass
es sich wahrscheinlich um einen weitaus höheren Be-
trag handelt. Das „System Sanader“ wurde damit zum
Begriff für skrupellose Machenschaften von Teilen der
Kroatien
38
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
politischen Elite. Dies nicht nur in Kroatien, sondern
auch darüber hinaus, weil man auch in anderen Län-
dern der Region nicht ohne Grund ähnliche Vorgänge
in der Spitzenpolitik befürchtet.
Auch in diesen Ländern ruhen die Hoffnungen der
Verteidiger rechtsstaatlicher Normen auf den zu erfül-
lenden Anforderungen des EU-Beitrittsprozesses.
Welch massiver Druck von den Gremien der EU ausge-
hen kann, verdeutlicht u.a. auch die Tatsache, dass
erst nach Rücktritt von Ivo Sanader Kapitel 23 der
Beitrittsverhandlungen (Justiz und Grundrechte) mit
Kroatien geöffnet wurde mit den dann zuvor beschrie-
benen Auswirkungen.
Auch der ehemalige Präsident Kroatiens, Stipe Mesic
(2000-2010), ist wegen seiner Rolle beim Ankauf fin-
nischer Militärtechnik in das Visier der Staatsanwalt-
schaft geraten. Zudem ist es nicht ausgeschlossen,
dass auch seine guten Beziehungen zum ehemaligen
Regime Gaddafi im Zusammenhang mit der Finanzie-
rung seiner beiden erfolgreichen Präsidentschaftskam-
pagnen untersucht werden. Bisher verweigerte Stipe
Mesic darüber jedwede Auskünfte.
Insgesamt ist die Verärgerung der Bürger auf dem
Westbalkan über ihre demokratisch gewählten politi-
schen Repräsentanten nicht verwunderlich, zeigten sie
sich doch vielfach als Vertreter einer abgekoppelten
Klasse, die ihre Macht nicht nur in Zeiten wirtschaftli-
cher Rezession schamlos zur eigenen Bereicherung
und zur Stabilisierung der eigenen politischen Positio-
nen ausnutzen.
Es ist den politisch interessierten Wählern auf dem
Westbalkan keineswegs entgangen, dass der Rücktritt
von Ivo Sanader den Forderungen der EU an die kroa-
tischen Behörden, sich konsequenter im Kampf gegen
die organisierte Kriminalität zu zeigen, zeitlich sehr
nahe stand. Gefordert wurde, konkrete Ergebnisse zu
erzielen und nicht nur verbale Bekenntnisse abzuge-
ben. Daher überraschte es nicht, dass in der Zeit nach
dem Rücktritt von Sanader auch gegen mehrere Mi-
nister ermittelt und Anklage erhoben wurde.
Besonders große Erwartungen der Anrainerstaaten des
Westbalkans an den EU-Beitrittsprozess richten sich
deshalb eher nicht auf eine unrealistisch schnelle Bes-
serung der Wirtschaftslage, sondern darauf, dass unter
dem Einfluss der EU auch bei Ihnen der Korruptions-
sumpf trockener gelegt werden wird. Als ein beson-
ders großer Nutzen des EU-Beitritts wird deswegen in
diesen Ländern immer mehr die Durchsetzung der
Rechtsstaatlichkeit gesehen, um das dort unstrittig
vorhandene Potential für eine demokratische und freie
Entwicklung der Gesellschaft nutzbar zu machen.
Dusan Dinic
Projektkoordinator Westbalkan
Christian Christ-Thilo
Ehem. Projektleiter Westbalkan
Introduction
Corruption, as a clearly defined political, social and
economic problem, appeared in Bulgaria towards the
end of the 1990s. The most high profile cases of cor-
ruption were registered in the following areas: in the
administration, both national and local; in the process
of privatization; in public procurement, in the financ-
ing of political parties and in the judicial system. Or-
dinary citizens experience corruption in the health
system, in their relations with the police and in their
deals with the local authorities and it seems to be
Der kroatische Präsident Ivo Josipovic und die kroatische Minis-
terpräsidentin Jadranka Kosor unterzeichnen in Brüssel den EU-
Beitrittsvertrag, Dezember 2011 (Foto: Council of the EU/Flickr)
The Case of Bulgaria1
39
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
pervasive. As in other post-communist new democra-
cies, the struggle against corruption originated among
active citizens and is indicative of an emerging civil
society. Research on corruption in addition to promot-
ing awareness of corruption and its deeply negative
effects was part of the agenda of many different
NGOs, some of which were able to attract interna-
tional assistance for the purpose.
The special role of FNF projects has to be mentioned
in this connection. The Foundation has been working
in Bulgaria since 1990, supporting the difficult pro-
cess of transformation. Its objective throughout the
entire region of Central, Eastern and South-Eastern
Europe has been to strengthen liberal political parties
and NGOs and to promote specifically liberal concerns
in the process of building and consolidating democra-
cy and the rule of law.
The issue of corruption gradually became part of the
official agenda as a result of increasing public pres-
sure. Measures against corruption were discussed as a
matter of increasing concern within the civil service,
political parties and government. New anti-corruption
legislation, incorporating important principles of rule
of law, was introduced and approved by the liberal
Government of Simeon Saxe-Coburg in October 2001
as part of a National Anti-Corruption Strategy. The
strategy did not only include stiff sanctions but also
relied on active civil society involvement. However, in
spite of all these more or less systematic efforts, cor-
ruption remained endemic in most areas of Bulgarian
public life. Moreover, the National Anti-Corruption
Strategy focused only on low-level corruption and no
progress has been made in fighting corruption at the
level of Government and of Parliament, in political
parties and within the judiciary.
Between promises, disappointment and hope
It was hardly surprising that corruption was identified
by the European Commission as one of the most seri-
ous problems facing Bulgaria at the time of the coun-
try’s accession to the EU in 2007. An unprecedented
monitoring regime under the so-called Co-operation and Verification Mechanism (CVM) was established in
2007 for both Bulgaria and Romania. Neither country
was deemed worthy of a “clean bill of health” in terms
of how corruption was being tackled. The Commis-
sion's monitoring reports under the CVM are pub-
lished twice a year. The reports are based on contribu-
tions from the Bulgarian Government, the Commission
and its services, other EU member states and NGOs.
Many observers believed that the mere act of joining
the EU would allow Bulgaria to break with its past
and become a European state no longer associated
with crime and injustice. Five years later, however,
Bulgaria still has yet to deliver. Next to no action has
been taken against corrupt former ministers and judg-
es as well as against money launderers – despite some
legislative improvements and despite the launching of
a series of high-level corruption cases by state prose-
cutors.
The report published on 20 July 2011 highlighted Bul-
garia's commitment to pursue judicial reform, to
strengthen legislation on conflict of interest and to
reform the structure of the police and the criminal
court system. The report also noted the lack of results
in the struggle against high-level corruption. “The ju-
diciary in Bulgaria is too slow and often lets high level
Photo: ali eminov/Flickr
1In preparing this article, information from the European Com-
mission’s Site “Mechanism for Co-operation and Verification for
Bulgaria and Romania” http://ec.europa.eu/cvm/index_en.htm,
the annual report of Transparency International on the Corrup-
tion Perceptions Index http://cpi.transparency.org/cpi2011/ as
well as publications of leading Bulgarian analytical centers like
the Open Society Institute Sofia http://www.osf.bg/?
cy=100&lang=2 and the Center for Study of Democracy http://
www.csd.bg/ has been used. The original text of the National
Anti-Corruption Strategy adopted 2001 can be found at http://www.mvr.bg/NR/rdonlyres/F936D70E-34A5-44D5-AC5C-E7B409F1692E/0/01_NationalAntiCorruptionStrategy_Eng.pdf .
40
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
corruption cases drag on for so long that the suspects
walk free as their alleged deeds reach the statute of
limitations,” thus the EU Commission. The report con-
cluded that improvements in accountability and pro-
fessional practice within the judiciary and the investi-
gative authorities were required and underlined the
need for stronger legislation on asset forfeiture.
The conclusions of the latest reports of the European
Commission are corroborated by the disappointing
results of the 2011 Corruption Perceptions Index by
Transparency International. The report on the per-
ceived levels of public sector corruption was first re-
leased in 1995 and ranked countries on a scale of 0
(highly corrupt) to 10 (very clean). Bulgaria was first
included in the report published in 1998. Here it
scored 2.9. In 2010 its corruption perceptions index
score was 3.6. Only Greece had a lower score within
the EU. In 2011 the annual report Bulgaria was ranked
last in the EU with a score of 3.3. (The 2011 report
covered 183 countries. New Zealand scored 9.5 and,
together with Denmark and Finland, leads the list,
while North Korea, Afghanistan and Somalia are at
the bottom with a score of 1.)
The new Interim Report on Progress under the Co-
operation and Verification was published on 8 Febru-
ary 2012. It focuses on Bulgaria's response to the
Commission's recommendations included in the 2011
report – but does not contain yet a full assessment of
progress achieved. The overall assessment of progress
in Bulgaria since accession will be presented by the
Commission in summer this year.
What does the February report say? As usual, the re-
port points to areas in which further progress is ex-
pected in the coming months. These include passing
the legislation on asset forfeiture that has been draft-
ed, adopting a more comprehensive approach to re-
forming judicial and investigative practices, enhanc-
ing the role of the Supreme Judicial Council in the
reform of the judiciary and convincing visible results
in the fight against corruption and organized crime.
For the first time, however, the report draws attention
to a number of major developments in response to the
recommendations issued by the Commission in the
2011 report. For example, the new specialized court
and prosecution office for organized crime have start-
ed work, the Commission for the Identification and
Forfeiture of Criminal Assets has delivered significant
results and the newly established commission to iden-
tify and sanction conflicts of interest has taken its
first decisions. In addition, Bulgaria has initiated
measures to improve judicial practice, the organiza-
tion of the prosecution and cooperation between the
different authorities.
Despite such promising steps, further effort is required
during the coming months in order to convince the
Commission that substantial progress has been made
in meeting the country’s commitments since its ac-
cession to the EU. As the EU commission notes, "all
options will be on the table" in summer 2012: to end
the monitoring of both countries Bulgaria and Roma-
nia, just for one of them or to continue it for both.
Conclusion
After the accession of Bulgaria to the EU on 1 January
2007 certain weaknesses requiring urgent attention
remained in the areas of judicial reform and the fight
against corruption and organized crime. These weak-
nesses thwart the effective implementation of EU law,
policies and programs and prevent Bulgarians from
enjoying their full rights as EU citizens. Obviously, the
reforms initiated need to be carried through and per-
Bulgarian Anti-corruption Coordination Commission
ww.anticorruption.bg
41
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
severance is required both on the part of politicians
and civil society in order to ensure enduring and sub-
stantial results in combating corruption. The FNF sees
itself as part of this effort of promoting “political and
civic commitment.” FNF project activities in Bulgaria
were restructured after the accession to the EU. The
aim is to overcome existing shortcomings in adapting
to EU structures and rules using the tools of political
consultation, civic education, political dialogue and
publications. The focus is on leaders of the liberal par-
ties, the youth movements and movers and opinion
leaders in civil society initiatives.
The European Union seems to have no intention of
changing its approach towards Bulgaria. It will further
assist the country in remedying its shortcomings and
encouraging political, social and cultural develop-
ment. To be completely objective however and not
using double standards, the EU has to recognize that
not only Bulgaria and Romania are the "bad guys" in
the European family. In the last months a string of
different EU countries is also affected by spreading
allegations involving senior politicians and governing
parties. Political elites, former ministers and tradition-
al parties in countries like Austria, Slovakia, Croatia,
Czech Republic and Italy are embroiled in cash-for-
influence scandals that are exposing allegations of
corruption, triggering public revulsion and voters
backlash.
As for the Bulgarians: they do not like the idea of be-
coming a nation that is slowly getting used to injus-
tice. People’s real hopes and expectations resurface
during election campaigns – and are all too often
dashed afterwards. Unfortunately, the current Bulgar-
ian government’s ideas differ from the Western vision
of democracy – but people still hold out hope for the
future. And the next elections are knocking on the
door…
Asparuch Panov
Project coordinator for Bulgaria and Macedonia
Neuer Internetauftritt des Dialogprogramms
Brüssel: www.fnf-europe.org
Auf unserer neuen Webseite informieren wir stets ak-
tuell über unsere Veranstaltungen in Brüssel und den
Mitgliedstaaten der EU. Hier finden Sie auch aktuelle
politischen Analysen und Hintergrundberichte. Wir
möchten damit einen liberalen Beitrag zur Europakom-
munikation in Deutschland und bei unseren Stiftungs-
partnern weltweit leisten – in deutscher und engli-
scher Sprache. Schauen Sie vorbei und werden Sie
doch auch unser Facebook-Freund!
Newsletter aus Brüssel: Brussels Brief
Unser Brussels Brief informiert Sie regelmäßig über
politische Entwicklungen, Veranstaltungen und wichti-
ge Termine in der europäischen Hauptstadt. Der
Newsletter erscheint zwei Mal pro Monat mit Inhalten
auf Deutsch und Englisch. Wir nehmen Sie gerne in
unseren Verteiler auf. Schicken Sie uns einfach eine
kurze Mail an newsletter.brussels@fnst.org. Karte: TUBS/Wikipedia
42
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
In Griechenland bieten mutige Bürgerinnen und Bür-
ger einem System die Stirn, das sich über Jahrzehnte
auf Kosten der kleinen Leute etabliert hat. Sie pran-
gern Korruption und Klientelismus an, die entschei-
dend dazu beigetragen haben, dass die Staatsschul-
denkrise diese enormen Ausmaße erreicht hat. Derzeit
entstehen zivilgesellschaftliche Organisationen, die im
Kleinen große Aufklärungsarbeit leisten. Ihrer enga-
gierten Stimme ist es zu verdanken, dass die politisier-
te griechische Öffentlichkeit nun fast täglich unbe-
queme Wahrheiten über die dortige Vetternwirtschaft
ans Licht bringt und mehr Transparenz fordert. Wäh-
rend man sich außerhalb Griechenlands – mal sensati-
onslüstern, mal heimlich bewundernd – für die
„innovativen“ Methoden der Steuerhinterziehung und
die Schlupflöcher der öffentlichen Verwaltung interes-
siert, ist es für viele Griechen eine Frage der Ehre, die
alltägliche Korruption in ihrem Heimatland aufzude-
cken und zu bekämpfen.
Bis zu 30.000 Euro für eine Operation
Allgemein spricht man in einem System von Korrupti-
on, wenn Machtpositionen ausgenutzt werden, um an
materielle oder immaterielle Vorteile zu gelangen, auf
die kein rechtlich begründeter Anspruch besteht. In
der Praxis heißt das, man „bezahlt“ für Leistungen, die
einem ohnehin zustehen oder „kauft“ sich kleine oder
große Gefälligkeiten mit Schmiergeldern. Für diese
Praxis gibt es in Griechenland einen stehenden Be-
griff. So sind fakelaki (φακελάκι) mit Bargeld gefüllte
Briefumschläge, die beim Arzt, Steuerbeamten oder
Elternsprechtag über den Tisch wandern. Fakelakia
wechseln auch in der Baubranche, in Parteien oder in
Beamtenapparaten regelmäßig die Besitzer.1 Transpa-
rency International hat im April 2012 die jährliche
Korruptionsstatistik zu Griechenland veröffentlicht.
Das Gesamtvolumen der Bestechung wird darin auf
554 Millionen Euro beziffert. Das ist immerhin fast 80
Millionen weniger als im Vorjahr. Besonders viel
„geschmiert“ wird in der Gesundheits- und der Bau-
branche. Auch die Steuerbeamten profitieren an ent-
scheidender Stelle vom System der Bestechung und
Bestechlichkeit. Der durchschnittliche Fakelaki ist
nach Angaben von Transparency International mit
1.406 Euro gefüllt. Für Operationen in Krankenhäusern
oder „Extrawünsche“, wie etwa eine zügige Behand-
lung, blättert man allerdings bis zu 30.000 Euro hin.2
Zum Vergleich: Im Jahr 2010 lag der durchschnittliche
Wert einer Bestechung noch bei 1.493 Euro. Gegen-
über dem Vorjahr sind also Durchschnittspreis und
Gesamtvolumen der Bestechungen leicht gesunken.
Dies ist aber vermutlich (noch?) nicht darauf zurück-
zuführen, dass ein Bewusstseinswandel stattgefunden
hat. Vielmehr scheinen aufgrund der Schuldenkrise
und der prekären Situation auf dem Arbeitsmarkt viele
Griechen schlicht nicht mehr in der Lage zu sein, solch
horrende Summen an Bestechungsgeldern zu zahlen.
Der aktuelle Economic Freedom of the World Report, an dem das Liberale Institut der Friedrich-Naumann-
Stiftung für Deutschland beteiligt ist, zeigt anhand
eines Rankings, welcher Grad wirtschaftlicher Freiheit
in den untersuchten Ländern gewährleistet ist. Grie-
Wehrhafte Demokratie? Korruption in Europa und in den USA
Eine Frage der Ehre - Griechische Zivilgesell-
schaft im Kampf gegen Korruption
1 Vgl. für eine ausführliche Darstellung des „Paradies des
Schmierens“ Spiegel-Online vom 27.9.2011. 2 Vgl. aktuell „The cost of a bribe“, http://www.transparency.org/
news_room/in_focus/2012/greece_the_cost_of_a_bribe und
zum Vorjahr http://www.publicissue.gr/en/1555/corruption-
2010/
43
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
chenland bildet im EU-Vergleich das Schlusslicht und
rangiert auf Platz 81 (von insgesamt 141) noch hinter
Paraguay, Malaysia und der Dominikanischen Repub-
lik. Besonders negativ fallen die Bereiche Rechtssi-
cherheit, Unabhängigkeit der Justiz, Bürokratiekosten
und eben Korruption auf.
Verlängerung der Krise
Blühende Korruption führt nicht nur zu Ungerechtig-
keiten, sondern auch zu Effizienzverlusten, die das
Wirtschaftssystem lähmen. Schmiergelder, die Unter-
nehmen zahlen, um im System der öffentlichen Auf-
tragsvergabe zum Zug zu kommen, werden auf die
Preise umgelegt, die letztlich der Verbraucher zu zah-
len hat. Aggregiert man die Menge kleiner Gefälligkei-
ten, die tagtäglich stattfinden, steht unter dem Strich
ein enormer gesamtwirtschaftlicher Schaden. Die blü-
hende Korruption drohe daher, die Griechenlandkrise
zu verlängern, bedauert Costas Bakouris, der griechi-
sche TI-Vorsitzende. Er findet deutliche Worte: „Über
die Schuldenkrise wissen wir alle Bescheid. Aber Grie-
chenland steckt auch in einer Wertekrise. Das Land
verfügt über die richtigen Gesetze, aber es tut fast
nichts, um diese durchzusetzen“. Regierung, Privat-
wirtschaft und Verwaltung seien gleichermaßen Teil
des Systems. So gebe es zahllose Vorschriften im grie-
chischen Recht, die Korruption stillschweigend dulde-
ten und damit begünstigten. Ohne Genehmigung ge-
baute Häuser könnten im Nachhinein legalisiert wer-
den und selbst jetzt noch, inmitten der Schuldenkrise,
hätten viele Ministerien Geheimkonten, die sich der
Kontrolle von außen entzögen.3 Auf dem TI-
Korruptionsindex rangiert Griechenland auf Platz 80
hinter Staaten wie Ruanda (49), Cuba (61), Ghana (69)
und China (75). In einem National Integrity System Assessment untersuchte die Nichtregierungsorganisa-
tion auch die Einstellung der griechischen Bürger zu
Korruption und Klientelismus. An Problembewusstsein
mangelt es nicht: 98% der griechischen Bevölkerung
gibt an, Korruption stelle ein großes Problem dar.
Stimme der schweigenden Mehrheit
Die wenigen zahlungskräftigen Mitbürger haben na-
turgemäß weniger Probleme damit, dass sich Sonder-
behandlungen aller Art erkaufen lassen, ganz im Ge-
genteil. Petros Markaris, in Deutschland vielerorts be-
kannt als Krimiautor und Schöpfer des Kommissars
Kostas Charitos, prangert eine mitgliederstarke „Partei
der Profiteure“ an, die vom Klientelsystem der letzten
Jahrzehnte profitiert habe. Dazu gehörten vorneweg
die Baufirmen, aber auch Unternehmen, die staatliche
Organisationen belieferten – etwa jene, die öffentliche
Krankenhäuser mit Pharmaprodukten und Geräten
versorgten. Auch selbstständige Gutverdiener wie Ärz-
te und Rechtsanwälte gehörten dazu. Profiteure und
Steuerhinterzieher, so Markaris, spürten die Krise
kaum: „Noch bevor sie über uns hereinbrach, hatten
sie ihre Bankkonten schon ins Ausland verlegt.“4 Das
System geht leider zu Lasten der kleinen Leute. Dieje-
nigen mit weniger prall gefüllten Konten trifft es be-
sonders hart. Von Chancengleichheit kann in so einem
System keine Rede sein. Dabei geht die schweigende
Mehrheit der Griechen – oder mit Markaris: die „Partei
der Redlichen“ – völlig normal ihrer Arbeit nach.
Markaris schreibt: „Sie widerlegen die in Europa ver-
breitete Ansicht, die Griechen seien bequem und
scheuten die Arbeit. Sie alle arbeiten hart und zahlen
regelmäßig ihre Steuern.“
3 Vgl. National Integrity System Assessment, http://
www.transparency.org/news_room/latest_news/
press_releases_nc/2012/2012_02_29_tigreece_nisrelease
4 Vgl. Markaris, Petros: In Athen gehen die Lichter aus, Zeit Onli-
ne vom 1. Dezember 2011.
Graffiti mit dem Aufruf „Denkt endlich!“ (Foto: E. Madeker)
44
FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
Seit kurzem schließen sich nun diese Bürger in unter-
schiedlichen Gruppierungen zusammen, um dem Sys-
tem die Stirn zu bieten. Eine davon ist die im März
2012 neu gegründete Partei Dimiourgia Xana! (δημιουργία, ξανά, sinngemäß: „Lasst uns wieder
schöpferisch sein!“). Dimiourgia Xana! ist eine liberale,
proeuropäische Vereinigung. Für sie ist der Kampf ge-
gen Korruption eine Frage der Ehre. Nach eigener Aus-
kunft vereint sie „anständige Griechen, die nie poli-
tisch aktiv waren und daran glauben, dass man Erfolg
nur mit harter Arbeit erreichen kann“. Gründer der
neuen Bürgerbewegung ist Thanos Tsimeros, der einer
breiten Öffentlichkeit als Autor eines offenen Briefs
an Bundeskanzlerin Merkel bekannt wurde. Darin
stellt er die Korruption und Kriminalität in Griechen-
land als Kern des griechischen Übels heraus: „Wer sich
niemals in einer griechischen Behörde befunden hat,
um eine einfache Bestätigung zu erhalten, kann sich
das Ausmaß der Korruption und die Absurdität dieses
kafkaesken Mechanismus nicht vorstellen“, sagt er.
Tsimeros forderte die Kanzlerin auf, „keinen Euro“
mehr an die Griechen zu zahlen, sofern diese nicht
zusagten, Privilegien und „unglaubliche“ Gehälter für
Parteifreunde abzuschaffen. „Verpflichten Sie sie zur
Umsetzung der Regeln wirtschaftlicher Transparenz
der Parteien und jeder Transaktion der öffentlichen
Hand. Wenn Sie die Politiker nicht verpflichten, gibt
es keine Chance, dass sie es von sich aus tun.“5 Dimi-ourgia Xana! will bekannt machen, dass es auch ein
„anderes“ Griechenland gibt, das von Europa nicht nur
Geld verlangt und über die als Gegenleistung verlang-
ten Reformen schimpft, sondern das diese Reformen
aus wohlverstandenem Eigeninteresse unterstützt.
Familienclans und „Vitamin B“
Um zu verstehen, wie Korruption entsteht, was sie
begünstigt und was gegen sie unternommen werden
kann, ist es hilfreich, sich zunächst die in der ein-
schlägigen Literatur verwendete Arbeitsdefinition vor
Augen zu führen. Klitgaard formuliert folgende Glei-
chung: Corruption = Monopoly + Discretion – Ac-countability.6 Korruption entsteht also, wenn Ent-
scheidungsträger exklusiv über Macht verfügen, dabei
im Verborgenen tätig sind und voraussichtlich nicht
zur Rechenschaft gezogen werden. So eine Konstella-
tion ist prinzipiell in jedem System der Welt denkbar.
Füllen wir Klitgaards Gleichung mit Blick auf Grie-
chenland mit Leben. Seit Jahrzehnten gibt es dort ein
Netz aus Entscheidungsträgern, die eng miteinander
verwoben sind und die Geschicke des Landes von
oberster Stelle lenken (Monopoly). Gemeint sind die
starken Familienclans, die eine Art Staat im Staat bil-
den und nach ihren eigenen Regeln – und zu ihren
eigenen Gunsten – schalten und walten. So ist der
Name Papandreou auf das Engste verbunden mit der
sozialistischen Partei Pasok. Giorgos Andrea Papan-
dreou, der noch bis November 2011 griechischer Mi-
nisterpräsident war, ist Enkel von Georgios Papandre-
ou und Sohn von Andreas Papandreou. Sein Vater und
Großvater waren ebenfalls griechische Ministerpräsi-
denten. Der Karamanlis-Clan hat vergleichbare Ver-
bindungen: Der Vorgänger Papandreous, Kostas Kara-
manlis (Nea Dimokratia), der von 2004 bis 2009 Mi-
nisterpräsident war, ist ein Neffe des früheren Premi-
ers und späteren Staatspräsidenten Konstantinos Ka-
ramanlis. Nahtlos anschließen ließen sich die Histo-
rien der Dynastien Venizelos und Mitsotakis. Was die
Familienclans im Großen betreiben, findet sich spie-
gelbildlich auf allen Ebenen der Gesellschaft. Wer in
der griechischen Politik oder Wirtschaft etwas werden
will, ist auf „Vitamin B“ angewiesen. Gute Beziehun-
gen oder „soziales Kapital“, lässt sich, dem französi-
schen Soziologen Pierre Bourdieu folgend, direkt in
Geld, Status und Prestige umsetzen. So haben sich die
griechischen Eliten über die Jahre hinweg selbst re-
produziert.
Wahlkampf auf Pump
Ein aktuelles Beispiel dafür, wie das griechische Estab-
lishment in die eigene Tasche wirtschaftet, ist der
neueste Beschluss des Parlaments, die Parteien für
den anstehenden Wahlkampf mit 29 Millionen Euro
öffentlicher (!) Gelder auszustatten. Diesen Beschluss
verantworten an vorderster Stelle Pasok und Nea
Dimokratia, die seit den letzten Wahlen 2009 die
Mehrheit am Syntagma-Platz stellen. Der Vorsitzende
der europäischen Liberalen (ALDE) im Europäischen
Parlament, Guy Verhofstadt, stellte daraufhin das
zweite Rettungspaket für Griechenland in Frage. Er
sprach von einem veritablen Skandal: „Politische Par-
teien sollen den Bürgern dienen und ihnen nicht das
5 http://www.dimiourgiaxana.gr/intl/index.php/de/reden-
artikel/196-letter-to-merkel 6 Klitgaard, Robert 1988: Controlling Corruption, Berkeley.
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FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
Geld aus den Taschen ziehen. Pasok und Nea Dimokra-
tia sind für alle strukturellen Probleme Griechenlands
verantwortlich und agieren wie Blutsauger.“7 In der
Tat verwundert der aktuelle Parlamentsbeschluss,
wenn man bedenkt, dass Griechenland seit nunmehr
zwei Jahren am finanziellen Tropf von EU und IWF
hängt. Nach ersten, bilateral gewährten 100 Milliar-
den Euro im Jahr 2010, haben EU-Finanzminister und
der Deutsche Bundestag inzwischen ein zweites Ret-
tungspaket in vergleichbarer Höhe genehmigt. Die
griechische Bevölkerung hat indes schwer zu schlu-
cken angesichts zurück gefahrener Mindestlöhne, aus-
gesetzter Gehaltserhöhungen, gekürzter Renten und
einer Rekordarbeitslosigkeit von über 20%. Umso
mehr Achtung sollte zivilgesellschaftlichen Organisa-
tionen entgegengebracht werden, die – exemplarisch
gezeigt an Dimiourgia Xana! und dem griechischen
Arm von Transparency International – unter schwieri-
gen Bedingungen Aufklärungs- und Überzeugungsar-
beit an den „Graswurzeln“ leisten.
Labyrinthische Bürokratie
Nepotismus und Korruption gibt es im Grunde überall
dort, wo die öffentlichen Hand auf den einzelnen Bür-
ger trifft, der als Arbeiter, Angestellter oder Unterneh-
mer auftritt. Wenn es hier an einer gut funktionieren-
den und transparenten Bürokratie fehlt, bleiben viele
Transaktionen im Verborgenen (Discretion). Thanos
Tzimeros beschreibt in seinem Brief an Angela Merkel
eindrucksvoll, wie er die griechische Bürokratie erlebt.
Er spricht von „Orgien der Illegalität“, von
„Gesetzeswirrwarr“ und „labyrinthischer Bürokratie“,
in der die Beamten von den Bürgern Schmiergelder
einzig und allein dafür verlangten, „dass sie ihre Ar-
beit tun“. Dort, wo Verfahrensabläufe und -regeln un-
verständlich, schwammig, willkürlich oder schlicht
nicht zugänglich sind, entsteht ein hervorragender
Nährboden für Korruption. In einem im Tagesspiegel
erschienen Bericht zur Vetternwirtschaft in Griechen-
land beschreibt der Musiker Giannis A. aus Kifissia,
wie dies in der Praxis gehandhabt wird: „Ich ging also
zum Amt, und als ich sagte, von wem ich komme,
wurde ich an den anderen Wartenden vorbei hinter
die Glasscheibe ins Büro zu den Sachbearbeitern geru-
fen. Ich wollte diskret sein, übergab den Umschlag mit
den Unterlagen, zwischen die ich das Fakelaki gescho-
ben hatte. Aber was macht dieser Typ? Vor aller Augen
zieht er das Geld raus, zählt die Scheine durch, sagt:
alles in Ordnung, und knallt gleich den fehlenden
Stempel auf den Antrag. Vor aller Augen!“8 Dieser per-
sönliche Erlebnisbericht lässt darauf schließen, dass
sich der genannte Beamte offenbar ziemlich sicher
sein konnte, dass sein Verhalten keinerlei Konsequen-
zen nach sich ziehen würde. Dies ist nicht verwunder-
lich in Abwesenheit starker staatlicher Strukturen,
also einer gut funktionierenden Polizei bzw. Steuer-
fahndung und eines verlässlichen Justizsystems
(Accountability).
Krise und Katharsis
Fassen wir kurz zusammen. Korruption entwickelt sich
besonders dort, wo exklusive Machtpositionen vorlie-
gen, die Schnittstelle von öffentlicher und privater
Hand intransparent bleibt und Gesetze unzulänglich
durchgesetzt werden. Dabei ist Korruption kein Makel,
den man durch Modernisierung oder gar
„Zivilisierung“ beseitigen könnte. Zu Unrecht werden
7 Vgl. Pressemitteilung der ALDE vom 11.4.2012 http://
www.alde.eu/press/press-and-release-news/press-release/article/
verhofstadt-calls-on-barroso-to-react-to-greek-political-party-
funding-scandal-38982/?
utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Fe
ed%253A+aldeadle%252Fnews-en+%28ALDEADLE+News+%
255BEN%255D%29
Bild: Klaus Brüheim/Pixelio
8 Vgl. Andreas Schäfer: Griechenland – Fehler im System vom
26.5.2010, Der Tagesspiegel: http://www.tagesspiegel.de/politik/
korruption-griechenland-fehler-im-system/1845986.html
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FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
korrupte Gesellschaften mit weniger entwickelten Ge-
sellschaften gleichgesetzt. Entscheidend scheint zu
sein, um nochmals die obige Gleichung zu bemühen,
an den Faktoren Transparenz und Rechenschaft anzu-
setzen. Nur wenn Verfahren transparent und nachvoll-
ziehbar sowie Regeln klar und deutlich formuliert
sind, kann korrupten Praktiken der Nährboden entzo-
gen werden. Zudem müssen Rechtverstöße fühlbare
Folgen nach sich ziehen. Dafür kämpft etwa Dimiour-gia Xana!, aber auch die Europäische Union fühlt sich
verantwortlich: Die EU-Kommission hat eine Taskforce
eingesetzt, die den griechischen Verwaltungsapparat
transparenter und effizienter machen soll. Die Fried-
rich-Naumann-Stiftung für die Freiheit wird sich im
Rahmen ihres neuen, mindestens dreijährigen Engage-
ments in Griechenland ebenfalls dieser Aufgabe an-
nehmen. Verwaltungsreformen sind die Grundlage für
die Verankerung von Good Governance. Dies gilt ins-
besondere für Reformen bei Institutionen, die öffentli-
che Dienstleistungen erbringen wie Gesundheit, Bil-
dung und soziale Sicherheit. Die Stiftung für die Frei-
heit wird ihren Teil dazu beitragen, dass die Leistungs-
fähigkeit und die Transparenz insbesondere lokaler
Administrationen langfristig in Einklang mit europäi-
schen Standards gebracht werden. Auch Transparency
International möchte die griechische Bevölkerung
weiterhin im Kampf gegen Korruption bestärken. Die
Leiterin des EU-Büros von Transparency International,
Jana Mittermaier, betont, dass „es nicht nur darum
geht, strukturelle Reformen anzupacken, sondern auch
darum, die Zivilgesellschaft für die Problematik zu
sensibilisieren und die Griechen darin zu unterstützen,
korrupte Praktiken im täglichen Leben zu bekämpfen“.
Der Zeitpunkt dafür scheint sehr günstig. Die gegen-
wärtige Krise birgt die Chance, dass sich Wahrneh-
mungs- und Deutungsmuster radikal verändern. Die
Anzeichen dafür, dass dies von innen heraus ge-
schieht, mehren sich und stimmen optimistisch. So
könnte die Krise wie im altgriechischen Drama mit der
Katharsis überwunden werden.
Dr. Ellen Madeker
Director Policy Analysis and Dialogue,
Dialogprogramm Brüssel
Deutsche Unternehmen bekommen zunehmend Ärger
mit der US-amerikanischen Börsenaufsicht und dem
Justizministerium. In jüngster Zeit verfolgen die USA
verstärkt im Ausland begangene Korruptionsdelikte,
gerade auch von Unternehmen. Wie ist es dazu ge-
kommen?
Die USA versuchen die Korruption in der Wirtschaft
einzudämmen, auch weil sie im internationalen Ver-
gleich auf dem Korruptionswahrnehmungsindex CPI
der Organisation Transparency International einen e-
her bescheidenen 24. Rang (Stand: Dezember 2011)
einnehmen. Der Kampf gegen Korruption ist nicht nur
ein Gebot des Rechtsstaatsprinzips, sondern auch öko-
nomisch sinnvoll: Wirkungsvolle Gesetze gegen Be-
stechlichkeit sorgen für mehr Transparenz bei der
Vergabe von Aufträgen, lassen den effizientesten An-
bieter zum Zuge kommen und fördern Wachstum und
Wohlfahrt. Deshalb ist das härtere Vorgehen der ame-
rikanischen Behörden zu begrüßen. Im Geschäftsalltag
internationaler Unternehmen, die an der Wall Street
notiert sind, bedeuten die einschneidenden Gesetze
jedoch eine Herausforderung.
Für ausländische Firmen ist die Gesetzeslage seit 1977
eindeutig: Der Foreign Corrupt Practices Act (FCPA)
zwingt Unternehmen, die an der New Yorker Börse
gehandelt werden, die amerikanischen Bestimmungen
gegen Korruption einzuhalten. Die nationalen Vor-
schriften betreffen u.a. Geldzahlungen oder bloße
Zahlungsversprechen an einen Beamten oder Regie-
rungsvertreten, wenn sie darauf abzielen, die Ent-
scheidung des Hoheitsträgers zu beeinflussen (sog.
„Corrupt Purposes“). Der Kongress hat das Gesetz
1998 anlässlich der OECD-Antikorruptionskonvention
noch einmal verschärft. Seither droht sämtlichen bör-
sennotierten Konzernen Strafverfolgung für im Aus-
land begangene Delikte. Zuvor hatten sich amerikani-
sche Konzerne aus Furcht vor Wettbewerbsnachteilen
vehement für die Gleichbehandlung ausländischer Ka-
pitalgesellschaften eingesetzt.
Die Folgen des Gesetzes ziehen auch für deutsche Un-
ternehmen, die an der Wall Street gehandelt werden,
grenzüberschreitende Auswirkungen nach sich. Vor
allem Daimler und Siemens haben die Härte des FCPA
Verschärfte Korruptionsgesetzte in den USA
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FNF International News 1-2012
Freiheit vs. Korruption
bereits zu spüren bekommen. Manager beider Firmen
hatten wiederholt bei der Vergabe von Aufträgen in
Schwellen- und Entwicklungsländern mit
„Geldgeschenken“ nachgeholfen. Diese gängige und
zunächst „lukrative“ Praxis entwickelte sich nun aber
zum Bumerang. Ehemalige Siemens-Manager stehen
wegen Bestechung, Geldwäsche und Überweisungsbe-
trugs in den USA vor Gericht. Dass Führungskräfte
persönlich für ihr Fehlverhalten einstehen müssen,
schreibt der „Sarbanes Oxley Act“ fest. Der Stuttgarter
Autobauer schloss im Jahr 2010 mit den amerikani-
schen Behörden einen Vergleich über 185 Millionen
Dollar.1 Daimler bekannte sich schuldig, über Jahre
hinweg in mindestens 22 Ländern Regierungsbeamte
bestochen zu haben, um an lukrative Aufträge für
Lastwagen, Busse und Pkws zu gelangen. Als Folge des
Vergleichs bekam Daimler einen „Aufpasser“ ins Un-
ternehmen geschickt. Der ehemalige FBI-Chef Louis
Freeh, der als unnachgiebiger Kämpfer gegen Korrup-
tion gilt, soll überwachen, ob Daimler die Auflagen der
US-Regierung erfüllt. Kritiker sehen in Freeh einen
Interessenvertreter der amerikanischen Autoindustrie,
der Daimler schwächen soll.2 Inzwischen hat sich der
Fahrzeughersteller aus dem Handel an der Wall Street
zurückgezogen. Daimler entgeht damit dem strengen
Blick der amerikanischen Börsenaufseher.
Die strengere Gesetzeslage verändert auch die Unter-
nehmenskulturen. Daimler hat einen Vorstandsposten
für Integrität und Recht eingerichtet. Erste Inhaberin
wurde Christine Hohmann-Dennhardt, ehemalige
Richterin am Bundesverfassungsgericht. Sie soll dem
Stuttgarter Automobilhersteller einen neuen Verhal-
tenskodex auferlegen. Nach eigenem Bekunden möch-
te sie die Richtlinien gemeinsam mit den 360.000
Mitarbeitern erarbeiten. Auch Siemens hat sich einen
neuen „Unternehmens-Knigge“ verordnet. Das neue
Regelwerk untersagt den Mitarbeitern, einem Angehö-
rigen des öffentlichen Dienstes Sach- oder Geldwerte
anzubieten oder zu gewähren. Einladungen zu Unter-
haltungsveranstaltungen, Geschenke und Dienstessen
müssen künftig intern genehmigt werden. Ein Compu-
ter-Tool soll die angestrebte Transparenz garantieren3.
Auch im internationalen Geschäftsalltag verursachen
die Daumenschrauben aus Amerika beträchtliche Hür-
den: So wird die Erstattung von Reise- und Übernach-
tungskosten für ausländische Beamte, die eine Han-
delsvereinbarung beurkunden, zum unternehmeri-
schen Risiko. Eine höfliche Geste kann in umfangrei-
che Ermittlungen münden. Damit potenzielle Schmier-
gelder nicht verschleiert werden können, müssen die
Unternehmen zudem ihre Buchführung neu organisie-
ren.
Strenge Korruptionsgesetze und deren Durchsetzung
sind notwendig. Nur wenn sich der Bestechungsver-
such nicht mehr lohnt, kann es gelingen, lokale Ge-
schäftskulturen in weniger entwickelten Ländern
nachhaltig zu ändern. Schmiergelder dürfen nicht die
Eintrittskarte zum Markt sein. Von transparenten
Strukturen profitieren letztlich nicht nur die Unter-
nehmen, sondern auch Verbraucher in Form von nied-
rigeren Preisen. Im Kampf gegen Korruption sind je-
doch verkrustete staatliche Strukturen das größte
Hindernis. Wenn die Vergabe von öffentlichen Aufträ-
gen willkürlich abläuft, gedeihen Korruption und Vor-
teilsnahme. Transparente und funktionierende büro-
kratische Abläufe setzen dagegen marktwirtschaftli-
che Kräfte frei. Der weitreichende Eingriff der US-
Regierung in die Geschäftspolitik eines multinationa-
len Konzerns wirft zwar durchaus Fragen auf und be-
rührt die unternehmerische Freiheit einer Firma, die
außerhalb der Vereinigten Staaten ansässig ist. Den-
noch sind die Maßnahmen aus den USA grundsätzlich
zu gutzuheißen, weil sie den Anreiz mindern, Schmier-
geld zu zahlen und damit das marktwirtschaftliche
1 http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/vergleich-in
-schmiergeld-affaere-daimler-muss-138-millionen-euro-zahlen-
1952508.html 2 http://www.manager-magazin.de/fotostrecke/fotostrecke-
68872.html 3 http://www.siemens.com/sustainability/pool/cr-framework/
business_conduct_guidelines_d.pdf
Foto: Images of Money/Flickr
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Freiheit vs. Korruption
Prinzip des Wettbewerbs schützen. Auf lange Sicht ist
die Zurückdrängung von Korruption förderlich für das
Engagement deutscher Firmen im Ausland.
Robert Stüwe
Praktikant TAD
Redaktion: Claus Gramckow
Repräsentant, USA und Kanada, Transatlantisches Dia-
logprogramm (TAD), Internationaler Politikdialog,
Washington D.C.
Iris Fröba
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, TAD
Bildnachweise Titel:
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24. September bis 02. Oktober 2012
„Social Media (R)EVOLUTIONS“
Ob bei Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz in Kairo
oder auf dem Roten Platz in Moskau, ob bei Protesten
in Berlin, Stuttgart, New York oder Washington –
überall auf der Welt ist Social Media inzwischen der
Normalfall und nicht mehr die Ausnahme. Die Sozialen
Netzwerke haben die Art und Weise, in der sich Protes-
te organisieren, verschieben oder beeinflussen lassen,
enorm beschleunigt. Spontane Meinungsäußerungen
bei facebook, twitter und Co. können enorme Reich-
weiten erzielen. Gleichzeitig werden sie auch für die
Arbeit der traditionellen Medien immer wichtiger.
Welche Auswirkungen haben Soziale Medien auf die
Meinungsbildung und die Machtverhältnisse in einer
Gesellschaft? Führen sie zu mehr Meinungsvielfalt und
einer demokratischeren Öffentlichkeit? Oder droht die
„Diktatur der Gut-Vernetzten“? Geben Sie erstmals in
der Geschichte auch den Unterdrückten eine Stimme?
Oder können diese von autoritären Regimen und deren
Geheimdiensten nur noch besser überwacht und ver-
folgt werden?
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der Virtuellen Akademie haben Sie die Möglichkeit,
sich über die aktuellen Entwicklungen in verschiede-
nen Ländern der Welt in Echtzeit auszutauschen. Tre-
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arabischen, russischen und südostasiatischen Raum
und diskutieren die Chancen und Risiken Sozialer Me-
dien auf Gesellschaft und Demokratie.
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von besonderer Bedeutung (Wahlen, politische und soziale Krisen etc). Sie werden
von den Mitarbeitern der FNF aus der jeweiligen Region in deutscher (in Ausnahme-
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einem ausgewählten Thema, dass auch mittelfristig noch aktuell ist.
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