Geschichte eines Deutschen (Auszüge) Von Sebastian HAFFNER

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Geschichte eines Deutschen(Auszüge)

Von Sebastian HAFFNER

Erster Weltkrieg

• Pretzel ist bei Kriegsende 11 Jahre alt

• Erfahrung des Krieges:– etwas tief Unwirkliches

• wie ein Spiel• kein tiefer Eindruck persönlicher Leiden und Entbehrungen

– Faszination des kriegerischen Spiels• Interesse am Heeresbericht• eroberte Festungen und versenkte Schiffe wie Torschüsse

beim Fußball oder »Punkte« beim Boxen• sicher auch unbedenklich die Toten »umgerechnet«

gefährliche Marken in uns allen hinterlassen

Weimarer Republik

Drittes Reich

Frühjahr 1933

ÖFFENTLICHKEIT

Revolution gegen die Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens

– Judenboykott vom 1. April 1933• Diskussion der »Judenfrage«• Lebensberechtigung in Frage gestellt• hohe Berufe als Verbrechen oder Taktlosigkeit• »Judenfrage« als Prozentrechnung

Rückzug ins Berufsleben

ÖFFENTLICHKEIT

BERUFSLEBENKammergericht Hier gab es keine Revolution.•»SA« - »Die schmeißen die Juden raus«.•auch in diesem Raum Nazis•Auflösung

– nach Hause gehen– zusehen– Wachtmeister Bestreben, sich selbst

auszulöschen– Einige steckten sich eine Zigarette

an•Sitzungen größtenteils aufgehoben •Richter Togen ausgezogen und gegangen•jüdischer Anwalt verprügelt worden•Was tun, wie Haltung wahren?

– Ignorieren; Ich senkte mich auf mein Aktenstück

•»Sind Sie arisch?« - »Ja.« – Blamage, Niederlage. – Demütigung, Unbefugten zu

antworten– erkaufen, dass in Frieden gelassen – Versagt

Kammergericht als Institution zusammengebrochen •junger blonder Amtsgerichtsrat

– befremdliche Rechtskenntnisse • das alte Paragraphenrecht

müsse hier zurückstehen; man müsse auf den Sinn und nicht auf den Buchstaben blicken

– hinter diesem Gerede stand jetzt die Staatsmacht

Tiefes verlegenes Schweigen Angst vor

– Entlassung wegen mangelnder nationalpolitischer Zuverlässigkeit

– Brotlosigkeit– Konzentrationslager

Rückzug ins Privatleben

ÖFFENTLICHKEIT

BERUFSLEBEN

PRIVATLEBENDie Welt, in der ich gelebt hatte, löste sich auf•Parteien verschwanden•Bekannte und Prominente verschwanden:

– Emigration – Konzentrationslager– »bei der Verhaftung Selbstmord

begangen» oder »auf der Flucht erschossen«

– zu »Volksverrätern« erklärt, ausgebürgert, geächtet

•Verschwinden harmloser Personen aus täglichem Leben

– Rundfunkansager– Schauspieler und Schauspielerinnen

• ausgebürgerte Volksverräter• zerschmettert im Hof einer SS-

Kaserne• Selbstmord• einfach weg• tot, verhaftet, ausgewandert,

verschollen•Bücherverbrennung•Bücher verschwanden aus Buchhandlungen und Bibliotheken

– Blut- und Bodenliteratur – Buchliebhaber eingeschüchtert – flüsterten wie Verschwörer

kein Rückzug ins Private– Trennung zwischen Politik und Privatleben aufgehoben – Freunde und Bekannte sich in virtuelle Mörder oder in Feinde

verwandelt– Keine sicheren und vernünftigen Lebenspläne und

-aussichten

EmigrationAbschied von dem Lande, zu dem man nach Geburt, Sprache, Erziehung gehörte, und von allen patriotischen Bindungen

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