Helden – Vorbilder in heilpädagogischen Handlungsfeldern Gabriele Weiss, KH Freiburg 0

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Helden – Vorbilder in heilpädagogischen Handlungsfeldern

Gabriele Weiss, KH Freiburg

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Große Kraft bringt große Verantwortung

- Helden und ihre Bedeutung für Kinder und Jugendliche –

Heilpädagogische Assoziationen

Erinnern Sie sich?

• Welches war Ihr Lieblingsheld im Alter von 6, 9, 12 Jahren?

• Wofür haben Sie Ihn/oder Sie bewundert?

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Wissen Sie noch, welche Heldentat Sie unbedingt auch einmal

vollbringen wollten?

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Wer oder was ist ein Held?

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• Ein Held ist eine Hauptfigur einer Geschichte, Legende, Sage… die über Kräfte verfügt, die weit über die eines normalen Menschen hinausgehen, so dass er zu Heldentaten in der Lage ist, die ihm Ruhm bescheren.

• Dabei ist nicht nur körperliche, sondern auch seelische Kraft gemeint.

• Ein Held ist ein außergewöhnlicher Mensch, der durch seine Taten und sein Schicksal aus der Menge herausragt und so zum Vorbild werden kann.

• Einerseits kann man durch Höchstleitung zum Helden werden, andererseits steht der Held auch für unerreichbare, übermenschliche Taten …

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Helden an sich gibt es nicht….

• Zum Helden wird man erst durch die Anerkennung von Seiten Dritter: durch Bewunderung und – in ritualisierter Form – Kult.

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• Zum Helden wird man durch eine rühmenswerte Tat:

• Das Töten von Ungeheuern – und die Rettung von Menschenleben.

• Ein Held entspricht normalerweise der Definition dessen, was in der jeweiligen Kultur als gut und edel gilt…

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Die Unverletzbarkeit des Helden

• Ein Held ist – nach den althochdeutschen Sprachwurzeln – ein mit einer Rüstung bedeckten Krieger.

• Ein Held ist also nicht per se unverletzbar, sonst bräuchte er z.B. seine Rüstung nicht.

• Helden wissen sich zu schützen, aber sie haben auch ihre Schwächen…. Siegfried z.B. hatte eine einzige Stelle am Körper, an der er verletzbar war….

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Helden!?....

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Faszination des Helden

• Helden bieten Identifikations-möglichkeiten

• Diese Identifikation kann gespielt und damit erlebt werden!

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Die Auseinandersetzung mit dem Helden beinhaltet

• Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbstbild: wer bin ich, wer möchte ich gerne sein und werden…

• Auseinandersetzung mit der Umwelt und ihren Herausforderungen: Was kann ich tun, was wird von mir erwartet? Wie kann ich Spuren hinterlassen?

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Typische Erfahrungs-Themen der Kinder und Jugendlichen

• Stärke und Schwäche• Größe und Klein sein• Macht, Allmacht und Ohnmacht

• Allein sein und eingebunden sein in Kontakte• Leistung und Versagen, Mißerfolg

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Groß und Klein, Stark und Schwach

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Größen- und Allmachtsphantasien

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Leistung und Erfolg

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Kindliche Bedürfnisse

• Bindung• Orientierung und Kontrolle• Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz• Lustgewinn und Unlustvermeidung• Kompetenz und Wirksamkeit• Autonomie und Selbstbestimmung• Soziales Eingebunden sein und Zugehörigkeit

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z.B. Lustgewinn und Unlustvermeidung

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Der gelöschte VaterMarkus hatte keine Schule mehr und ging fröhlich nach Hause.Auf einmal kam Rauch aus dem Wohnzimmer.Markus schrie immer wieder: „Hilfe!“, als ihm plötzlich eine Idee kam.Er lief schnell zur Schule zurück und holte Wasser. Er holte einen ganzen Eimer voller Wasser und schüttete durch das offene Fenster.Da kam Vater pitschenass an das Fenster und sagte: „Ich habe doch nur eine Pfeife geraucht.“„Tut mir leid Vater.“, sprach Markus enttäuscht.Er hatte gedacht, er wäre jetzt ein Held! (Laura, Klasse 3a, März 2010)

Heldengeschichten….. Ein paar DetailsBatman

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Superman

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Spiderman

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Ähnlichkeiten… Gemeinsamkeiten

• Alle diese Helden haben eine sehr belastende Geschichte hinter sich: Tod der Eltern, aufwachsen bei Pflegefamilien

• Außerordentliche, manchmal übernatürliche Kompetenzen entwickeln sich, Lernprozesse und Training sind nötig, Misserfolge kommen vor….

• Schlagfertigkeit, Intelligenz, Wortwitz, Humor• Allein oder gemeinsam mit anderen stehen sie den Schwachen zur

Seite: Engagement, Sinn f. Gerechtigkeit• Doppelexistenz

• Notwendige Gegenspieler

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Helden in der Therapie…• Als Helden können Kinder sich den

Entwicklungsherausforderungen stellen und Gefahren überstehen

• Helden bieten das Drehbuch, mit dem Kinder ihre „innere Person“ inszenieren können…

• Die übermenschlichen Fähigkeiten kommen den Allmachtsfantasien der Kinder entgegen

• Kinder schaffen sich Gegenbilder• Helden verkörpern die progressive Seite kindlicher

Entwicklung

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Kinder spielen nicht nur nach…

• Kinder gestalten – ausgehend vom bekannten Drehbuch – neue Geschichten. Fernsehsendungen, Filme o.ä. dienen dabei als „Baustelle“ oder „Steinbruch“

• Wichtig ist, zu verstehen, welches Bedürfnis jeweils hinter der Inszenierung einer Heldengeschichte steht….

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• Es gibt Helden, die das alles nicht mehr haben…

seelenlose Maschinenwesen, Kampfmaschinen

Ohne Gefühle und ohne BindungenDiese Helden kommen gerade den Kindern entgegen, die Beziehungsschwierigkeiten und fehlende Bindungssicherheit mitbringen.

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Zentrale Aufgabe in Pädagogik und Therapie

• In Gruppentherapie und Gruppenangeboten Beziehungserfahrungen ermöglichen – durchaus im Rahmen von Heldenfantasien

• Durch langfristige Angebote Erfahrungen von „Gegenseitigkeit, Zusammenhalt, Wichtigkeit, Bedeutung von andere“ ermöglichen.

• Durch gezielte Interventionen erreichen, dass die Kinder zusammenarbeiten

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Helden in der Einzeltherapie

• Wir kommen drauf zurück – nach einem kleinen Umweg…..

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Gibt es Personen, die Sie noch heute – als Erwachsene – für

imponierend halten?

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Die Heldenreise

• Joseph Campbell, Psychologe: vergleichende Mythenforschung

• Figur des Helden in allen Gesellschaften: Der Heros in tausend Gestalten

• Handlungsmuster der Heldenreise

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Die Heldenreise• Der Held erhält einen Ruf/einen Auftrag• Er überwindet sein Zögern und macht sich auf den Weg –

über eine Schwelle betritt er eine andere Welt• Die Reise ist schwierig: es kommt zu Problemen und

Prüfungen• Der Held erhält Hilfe von Helfern oder Mentoren• Er besteht die Herausforderungen und erreicht, wofür er

ausgesandt wurde• Gleichzeitig verändert er sich auch – wird ein anderer• Er muss zurückkehren in seine Welt ... Dort wird er gefeiert,

wenn es ihm gelingt, die Gesellschaft an seiner Entdeckung, seinem Erfahrungs-Schatz teilhaben zu lassen.

Eine Heldenreise

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Warum ist das so spannend?

Oder:

Warum sagt mir das gar nichts?

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Emotionale Bedeutung

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• Diese Heldenreise ist aber auch ein Muster, das uns tagtäglich begegnet in den Herausforderungen unseres Alltags…

• Sie ist auch ein Muster, das genutzt wird für Initationsriten

• Die Heldenreise ist auch ein Muster, über die eigene Biografie und den eigenen Lebensweg nachzudenken, über Veränderungsprozesse und Wandlungen in der Haltung sich selber und der Gesellschaft gegenüber

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Seiyffer: Helden für ein Leben. In: Schildhauer u.a. (2011) Realität und Magie vom Heldenprinzip heute

Helden in der EinzeltherapieRollenspiele in der Spieltherapie und im Kinderpsychodrama:•Ausdifferenzieren der Rolle: welche Eigenschaften hat der Held, was tut er, was kann er, wem hilft er, wen braucht er….•Wo lebt er, wie lebt er…., womit wird die Geschichte beginnen…•Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte•Verbalisieren dessen, was man wahrnimmt und erlebt als Mitspieler/Gegenspieler

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• Entschleunigen und Ausdifferenzieren einer Spielsequenz, so dass sie einen Anfang und ein Ende bekommt und damit eine „Geschichte“

• Feedback am Ende und Reflexion des Spielprozesses• Bei Enttäuschung/Frustration überlegen, was bei der

nächsten Spielsequenz anders verlaufen kann und wer dafür zuständig ist….

• Feedback und Reflexion/Reframing in eine Geschichte verpacken

Simon/Weiss 2008: Heilpädagogische SpieltherapieWeiss 2010, Kinderpychodrama

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Therapeutische Geschichten

• Eine Geschichte schreiben für das Kind, mit dem bevorzugten Helden als Protagonist:

• Dieser Held kann ein ähnliches Problem lösen, bzw. dazu beitragen dass….

• Er könnte als Helfer fungieren….

• Vgl. Weiss: Therapeutische Geschichten in: Simon/Weiss 2008: Heilpädagogische Spieltherapie

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Die innere Heldenfigur bauen (Michael Hepp)

• Aus Holzstücken, die z.T. vorgefertigt sind, werden Heldenfiguren gebaut. (Niederschwelligkeit)

• Entweder erst die Problemfigur, dann die Lösungsfigur, oder sofort die Lösungsfigur

• Diese Figur wird „aufgeladen“ mit Ressourcen, Kompetenzen, und den entsprechenden symbolischen Gegenständen als „Ausrüstung“

Michael Hepp: Auf dem guten Weg mit mir – eine innere Heldenfigur als Beschützer, Wegweiser und Begleiter, DVD, Auditorium Netzwerk

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• Dabei macht das Kind beim Bauen Kompetenzerfahrungen: Material in den Händen schafft den direkten Zugang zu den Kräften der Seele

• „Man kann Probleme in Stein hauen, also auch Kompetenzen“

• Der Aufforderungscharakter ist hoch• Was noch nicht gelingt, kann gelernt werden• Man nimmt nicht nur die Figur mit nach Hause,

sondern auch die Erfahrungen…

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• Mit einer fertigen Figur kann eine Geschichte entwickelt werden

• Diese Geschichte kann gespielt werden • Sie kann aufgeschrieben und damit

dokumentiert werden – sie kann auch wieder vorgelesen werden

• Dabei übernimmt das Kind die Rolle des Regisseurs

• Videofilme….

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• Feedback in Form von Fragen: Wie hast du das geschafft?

• Wie kann ein Held etwas schaffen? Welche Kompetenzen braucht er dazu? Wie kommt er zu seinen Kompetenzen?

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Dialogisches Gestalten• Im gemeinsamen Gestalten und Spielen entwickelt sich

eine Geschichte (Peter Allemann)• Diese Geschichte beinhaltet Handicaps und Rückschläge,

aber auch Erfolge…• Am Ende können Kind und Therapeut aus der Geschichte

heraustreten und schauen: Was an der Geschichte war für dich wichtig? Was hat dich beeindruckt? Was kannst du für deinen Alltag gebrauchen?

• Gemeinsam kann ein entsprechender Plan gemacht werden.

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Beobachtungen bei Computerspielen

• Helden sind nicht von vorneherein hochkompetent

• Sie lernen in den verschiedenen Levels dazu, erwerben Hilfsmittel etc…,

• Bis sie am Ende die Meisterschaft erreichen

• Viele Computerspiele sind aufgebaut nach dem Prinzip der Heldenreise

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Superheroes in therapy

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Porter: Superheroes in therapy.In: Rubin (2007): Using Superheroes in counseling and play therapy

What would Superman do?

1. Einen Helden auswählen2. Persönlichkeitsmerkmale entwickeln auf der

Grundlage folgender Fragen o.ä.• Ist der Held ehrlich• Wie geht er mit anderen Menschen um• Macht er Dinge, weil sie richtig sind, oder für seinen persönlichen

Vorteil? Warum macht der Held, was er tut?• Was sind seine Stärken, Fähigkeiten, Schwächen?• Ist er zuverlässig, verlässlich?• Wirkt er mutig? Ist er fair?• Hilft er, die Gesellschaft besser zu machen? Hilft er Menschen in Not?

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• Der Therapeut kann zur Hilfestellung auch Comics, DVDs, Bücher o.ä. mitbringen, die zeigen, dass Helden nicht nur ihre Kraft benutzen, sondern auch charakterliche und moralische Stärke

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• Im Anschluss werden gemeinsam dieselben Fragen im Blick auf das Kind/den Jugendlichen beantwortet, so dass das Kind einen Zusammenhang herstellen und sich selber als Held entwerfen kann.

• Hilfreich kann sein, auch Stärken und Schwächen von Familienmitgliedern und anderen beteiligten Personen aufzuzählen…

• Beide Listen können verglichen / in Zusammenhang gebracht werden

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• Kind/Jugendlicher und Therapeut können darüber sprechen, was das Kind/der Jugendliche in seiner Selbstbeschreibung verändern müsste, um sich mehr wie der Superheld zu fühlen, mit dem es/er sich identifiziert.

• Viele Helden haben eine doppelte Identität – und sie verhalten sich auch anständig, wenn sie ihren Heldendress nicht tragen! Vielleicht haben sie ihre besonderen Fähigkeiten erhalten, um anderen zu helfen, und ihre Heldenidentität, um ihre Aufgabe erfüllen zu können.

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Danach können Klienten ihren eigenen Helden entwickeln•mit Namen und eigener Geschichte, •mit eigenen Fähigkeiten und Zielen, •mit Helfern und Hilfsmitteln, •mit individueller Kleidung•mit Stärken und SchwächenGleichzeitig kann man zurückschauen auf die Kompetenzen des Kindes, die es verbessern/erweitern will und Wege finden, wie dies geschehen kann.

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Machs wie Superman….• Supermans größte Schwäche ist Kryptonit!• Also ist das beste, was er tun kann, nicht in die Nähe

von Kryptonit zu kommen!• Superman verschwindet so schnell wie möglich aus

der Nähe von Kryptonit und bleibt möglichst weit weg davon.

• So oder ähnlich kann mans auch mit anderen „Bedrohungen“ oder Herausforderungen machen!

• Und: Auch Spiderman war am Anfang alles andere als perfekt im Netze-Werfen….

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• Wichtig ist, auch Eltern, Lehrer etc… zu informieren, was es mit Superman oder einem anderen Helden auf sich hat. (Und dass es sinnvoll ist, nicht zu lachen oder zu lästern!)

• Nach und nach entwickelt das Kind entsprechende Fähigkeiten und erkennt zunehmend, dass es selber kompetent genug ist, Veränderungen zu bewirken und gute Beziehungen zu gestalten.

Nelson: What would Superman do? in: Rubin (2007) Using Superheroes in counseling and play therapy

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Wir könnten noch endlos weitermachen….

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Helden für alle Generationen• Wir können diese Ideen auch aufgreifen in der Arbeit mit alten

Menschen…• Erinnerungen wecken an Helden in den verschiedenen Lebensphasen…• Wer von Ihnen erinnert sich an „Trotzkopf“, Marlene Dietrich, Luise

Otto-Peters, Alice Schwarzer?• Wer erinnert sich an den Männerhaushalt von

Bonanza oder der Shilo-Ranch?• Wer erinnert sich an Luis Trenker?

Reinhold Messmer? Amelia Earhart?• Wer erinnert sich an Fritz Walter, Bubi Scholz,

Muhammed Ali, Eddy Merxx, Jochen Rindt?• Wer erinnert sich….

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Und unsere heilpädagogischen Vorbilder?

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Danke schön!68

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