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Vielleicht die Askese der Stoiker und Platoniker? Mönche und Asketen gab es schon vor dem Christentum. Darum wundert es nicht, dass man vor allem im 19. Jh. versucht hat, das christliche Mönchtum aus außerchristlichen Vorbildern herzuleiten: Die jungfräulichen Vestalinnen und die Haruspices, Magier, die sich selbst kastriert hatten, hätten für die ersten christlichen Jung- frauen und Mönche Pate gestanden. Speziell die Säulensteher in Syrien seien nichts anderes als Nachfahren jener kastrierten Priester des syri- schen Atargatis-Kultes, die einmal im Jahr einen Phallus bestiegen. Solche Herleitungen werden heute nicht mehr ernsthaft vertreten. Die Quellen bieten keinerlei Anhaltspunkt. Nicht einmal die zahlreichen zeit- genössischen Kritiker des frühen Mönchtums, denen solche Vergleiche willkommen sein muss- ten, kamen auf den Gedanken, die Mönche in eine Linie mit heidnischen Vorbildern zu brin- gen. Auf diese Idee sind erst Gelehrte des wil- helminischen Deutschlands gekommen. Einen Einfluss dürfte hingegen die philosophi- sche Askese ausgeübt haben. Die beiden bedeu- tendsten philosophischen Strömungen in der Umwelt des frühen Christentums, die Stoa und der Platonismus, forderten ein asketisches Le- ben. Der Stoiker Musonius rief schon im 1. Jh. da- zu auf, sich in ein entbehrungsvolles Leben ein- zuüben, um zu jener „stoischen“ Gelassenheit, Leidenschaftslosigkeit (apatheia) und Seelenru- he zu gelangen, mit der der Mensch seinen Platz in der Welt annehmen kann. Epiktet meinte, wer weise sein wolle, solle besser nicht heiraten. Als die ersten christlichen Mönche in die Wüste zogen, gab auch der führende Kopf der Neupla- toniker, der Ägypter Plotin, ein klares Programm aus: Um zur geistigen Welt aufzusteigen, müsse man sich durch Askese und Versenkung so weit wie möglich von der materiellen Welt lösen. Er selbst „schämte sich“, wie sein Schüler Porphy- rios berichtet, „in einem Körper zu sein.“ Tatsächlich knüpften Theologen, die um 200– 250 erste Theorien über die christliche Askese entwarfen, wie Klemens von Alexandria und Ori- genes an das stoische und platonische Ideal der apatheia an. Entsprechend wurde es üblich, das monastische Leben als philosophos bios zu be- zeichnen, als philosophisches Leben. ... oder buddhistische Mönche und Gnostiker? Parallelen zum christlichen Mönchtum finden sich in der buddhistischen Welt. Bereits um 200 besaßen manche Christen in Syrien und Ägypten aus Erzählungen und Berichten Kenntnisse über buddhistische Mönche und Asketen. Der syri- sche Autor Bar Daisan (Bardesanes) gibt aus- führlich wieder, was eine indische Gesandt- schaft über das klösterliche Leben der Sama- näer (asketische Bettelmönche) berichtet. Er beschreibt ihre Initiation mit Haarrasur und Auf- gabe von Besitz und weltlichen Beziehungen sowie ihr gemeinsames Klosterleben mit Speise- vorschriften und festen Gebetszeiten. Auch Klemens von Alexandria kannte die Samanäer sowie eine weitere Gruppe buddhistischer Mönche, die Brahmanen. Es ist nicht auszuschließen, dass Nachrichten über buddhistische Asketen auch die ersten christlichen Mönche inspiriert haben. Ein direk- ter Zusammenhang oder Einfluss lässt sich aller- dings auch hier nicht belegen. Zu diesem Schluss kommt der Wiener Religionshistoriker Franz Winter in einer ausführlichen Quellenstu- die im Jahre 2008. Buddhistischen Vorbildern sind wohl die Manichäer gefolgt, als sie einige Zeit nach den Anfängen des christlichen Mönch- tums ihre ersten Klöster in Turkestan gründeten. Schon zuvor führte bei ihnen der innere Kreis der sogenannten „Erwählten“ ein streng asketi- sches Leben. Aber schon aus chronologischen Gründen kommen sie als Vorbilder für die christ- lichen Mönche nicht Betracht: Das christliche Mönchtum ist älter als das manichäische. Aller- dings gab es schon zuvor in der Gnosis – der Manichäismus ist ja Gnosis in Form einer institu- tionalisierten Religion – asketische Strömungen. Dies bringen viele der Texte zum Ausdruck, die man 1945 in Nag Hammadi gefunden hat. Solche gnostischen askesefreundlichen Texte haben offenbar Eingang in ägyptische Klosterbiblio- theken gefunden. ... oder Asketen und Mönche im Judentum? Scharfe Kritik erfuhren die christlichen Mönche im spätantiken Judentum wegen ihrer Ehelosig- keit. „Alle Gerechten empfingen Zeugung und Segen. Ihr aber tut etwas, was von Gott nicht geboten wurde.“ So gibt Afrahat, der persische Weise, die rabbinische Kritik wieder. „Ihr habt Fluch auf euch geladen und die Unfruchtbarkeit gemehrt. Ihr nehmt keine Frauen, und die Frauen gehören keinen Männern.“ Zur Zeit Jesu gab es im Judentum jedoch noch Asketen und Mönche. Manche sehen in den Es- senern Vorläufer der ersten christlichen Mönche. Auch die Bewohner von Qumran – dass es sich hier um das Zentrum der Essener handelt, wird in der neueren Forschung bestritten – mieden al- les, was ihnen unrein erschien, bestimmte Spei- sen ebenso wie den sexuellen Verkehr. Von regelrechten jüdischen Mönchen, den so genannten Therapeuten, erzählt Philo von Alex- andria im 1. Jh. Sie lebten in einer Siedlung bei Alexandria. Jeder und jede von ihnen hatte dort ein einfaches Haus mit einem Zimmer, das mo- nasterion genannt wurde. Es diente der Medita- tion und dem Studium. Morgens und abends beteten sie gemeinsam und sie studierten die Schrift. Am siebten Tag versammelten sie sich in einem Gemeinschaftsgebäude. Dabei hielt der Älteste eine Ansprache, eine Art Predigt. Allerdings liegen zwischen den Berichten über die Therapeuten und Essener und den Anfängen des christlichen Mönchtums zwei Jahrhunderte. Zudem lebten die ersten christlichen Mönche of- fenbar nicht in Gemeinschaften, sondern in Ein- siedeleien. Es wäre ein Kurzschluss, aufgrund von Ähnlichkeiten über zeitliche und räumliche Distanzen hinweg auf Abhängigkeiten zu schließen. Jedenfalls ist das spät entstehende Mönchtum dem Urchristentum nicht so fremd, dass man unbedingt außerhalb des Christen- tums seine Ursprünge suchen müsste. Gab es Vorbilder für das Mönchtum in der Umwelt der frühen Christen? Meditierender buddhistischer Mönch in einem indischen Kloster. Gingen von der buddhistischen Welt Impulse für das christliche Mönchtum aus? 14 welt und umwelt der bibel 2/2011

Gab es Vorbilder für das Mönchtum in der Umwelt der frühen ......Gründen kommen sie als Vorbilder für die christ-lichen Mönche nicht Betracht: Das christliche Mönchtum ist älter

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Page 1: Gab es Vorbilder für das Mönchtum in der Umwelt der frühen ......Gründen kommen sie als Vorbilder für die christ-lichen Mönche nicht Betracht: Das christliche Mönchtum ist älter

Vielleicht die Askese der Stoiker und Platoniker?Mönche und Asketen gab es schon vor demChris tentum. Darum wundert es nicht, dass manvor allem im 19. Jh. versucht hat, das christlicheMönchtum aus außerchristlichen Vorbildern herzuleiten: Die jungfräulichen Vestalinnen unddie Haruspices, Magier, die sich selbst kastrierthatten, hätten für die ersten christlichen Jung-frauen und Mönche Pate gestanden. Speziell dieSäulensteher in Syrien seien nichts anderes alsNachfahren jener kastrierten Pries ter des syri-schen Atargatis-Kultes, die einmal im Jahr einenPhallus bestiegen. Solche Herleitungen werden heute nicht mehrernsthaft vertreten. Die Quellen bieten keinerleiAnhaltspunkt. Nicht einmal die zahlreichen zeit-genössischen Kritiker des frühen Mönchtums,denen solche Vergleiche willkommen sein muss -ten, kamen auf den Gedanken, die Mönche in eine Linie mit heidnischen Vorbildern zu brin-gen. Auf diese Idee sind erst Gelehrte des wil-helminischen Deutschlands gekommen.Einen Einfluss dürfte hingegen die philosophi-sche Askese ausgeübt haben. Die beiden bedeu-tendsten philosophischen Strömungen in derUmwelt des frühen Christentums, die Stoa undder Platonismus, forderten ein asketisches Le-ben. Der Stoiker Musonius rief schon im 1. Jh. da-zu auf, sich in ein entbehrungsvolles Leben ein-zuüben, um zu jener „stoischen“ Gelassenheit,Leidenschaftslosigkeit (apatheia) und Seelenru-he zu gelangen, mit der der Mensch seinen Platzin der Welt annehmen kann. Epiktet meinte, werweise sein wolle, solle besser nicht heiraten.Als die ersten christlichen Mönche in die Wüste zogen, gab auch der führende Kopf der Neupla-toniker, der Ägypter Plotin, ein klares Programmaus: Um zur geistigen Welt aufzusteigen, müsseman sich durch Askese und Versenkung so weitwie möglich von der materiellen Welt lösen. Erselbst „schämte sich“, wie sein Schüler Porphy-rios berichtet, „in einem Körper zu sein.“ Tatsächlich knüpften Theologen, die um 200–250 erste Theorien über die christliche Askeseentwarfen, wie Klemens von Alexandria und Ori-genes an das stoische und platonische Ideal derapatheia an. Entsprechend wurde es üblich, dasmonastische Leben als philosophos bios zu be-zeichnen, als philosophisches Leben.

... oder buddhistische Mönche und Gnostiker?Parallelen zum christlichen Mönchtum findensich in der buddhistischen Welt. Bereits um 200besaßen manche Christen in Syrien und Ägyptenaus Erzählungen und Berichten Kenntnisse überbuddhistische Mönche und Asketen. Der syri-sche Autor Bar Daisan (Bardesanes) gibt aus-

führlich wieder, was eine indische Gesandt-schaft über das klösterliche Leben der Sama -näer (asketische Bettelmönche) berichtet. Er beschreibt ihre Initiation mit Haarrasur und Auf-gabe von Besitz und weltlichen Beziehungen sowie ihr gemeinsames Klosterleben mit Speise-vorschriften und festen Gebetszeiten. Auch Klemens von Alexandria kannte die Samanäersowie eine weitere Gruppe buddhis tischer Mönche, die Brahmanen. Es ist nicht auszuschließen, dass Nachrichtenüber buddhistische Asketen auch die erstenchristlichen Mönche inspiriert haben. Ein direk-ter Zusammenhang oder Einfluss lässt sich aller-dings auch hier nicht belegen. Zu diesemSchluss kommt der Wiener ReligionshistorikerFranz Winter in einer ausführlichen Quellenstu-die im Jahre 2008. Buddhistischen Vorbildernsind wohl die Manichäer gefolgt, als sie einige

Zeit nach den Anfängen des christlichen Mönch-tums ihre ersten Klöster in Turkestan gründeten.Schon zuvor führte bei ihnen der innere Kreisder sogenannten „Erwählten“ ein streng asketi-sches Leben. Aber schon aus chronolo gischenGründen kommen sie als Vorbilder für die christ-lichen Mönche nicht Betracht: Das christlicheMönchtum ist älter als das manichäische. Aller-dings gab es schon zuvor in der Gnosis – der Manichäismus ist ja Gnosis in Form einer institu-tionalisierten Religion – asketische Strömungen.Dies bringen viele der Texte zum Ausdruck, dieman 1945 in Nag Hammadi gefunden hat. Solchegnostischen askesefreundlichen Texte haben offenbar Eingang in ägyptische Klos terbiblio -theken gefunden.

... oder Asketen und Mönche im Judentum?Scharfe Kritik erfuhren die christlichen Möncheim spätantiken Judentum wegen ihrer Ehelosig-keit. „Alle Gerechten empfingen Zeugung undSegen. Ihr aber tut etwas, was von Gott nicht geboten wurde.“ So gibt Afrahat, der persischeWeise, die rabbinische Kritik wieder. „Ihr habtFluch auf euch geladen und die Unfruchtbarkeitgemehrt. Ihr nehmt keine Frauen, und die Frauengehören keinen Männern.“Zur Zeit Jesu gab es im Judentum jedoch nochAsketen und Mönche. Manche sehen in den Es-senern Vorläufer der ersten christlichen Mönche.Auch die Bewohner von Qumran – dass es sichhier um das Zentrum der Essener handelt, wirdin der neueren Forschung bestritten – mieden al-les, was ihnen unrein erschien, bestimmte Spei-sen ebenso wie den sexuellen Verkehr. Von regelrechten jüdischen Mönchen, den sogenannten Therapeuten, erzählt Philo von Alex-andria im 1. Jh. Sie lebten in einer Siedlung beiAlexandria. Jeder und jede von ihnen hatte dortein einfaches Haus mit einem Zimmer, das mo-nasterion genannt wurde. Es diente der Medita-tion und dem Studium. Morgens und abends beteten sie gemeinsam und sie studierten dieSchrift. Am siebten Tag versammelten sie sich ineinem Gemeinschaftsgebäude. Dabei hielt derÄlteste eine Ansprache, eine Art Predigt.Allerdings liegen zwischen den Berichten überdie Therapeuten und Essener und den Anfängendes christlichen Mönchtums zwei Jahrhunderte.Zudem lebten die ersten christlichen Mönche of-fenbar nicht in Gemeinschaften, sondern in Ein-siedeleien. Es wäre ein Kurzschluss, aufgrundvon Ähnlichkeiten über zeit liche und räumlicheDistanzen hinweg auf Abhängigkeiten zuschließen. Jedenfalls ist das spät entstehendeMönchtum dem Urchristentum nicht so fremd,dass man unbedingt außerhalb des Christen-tums seine Ursprünge suchen müsste. ■

Gab es Vorbilder für das Mönchtum in der Umwelt der frühen Christen?

Meditierender buddhistischer Mönchin einem indischen Kloster. Gingen von derbuddhistischen Welt Impulse für das christlicheMönchtum aus?

14 welt und umwelt der bibel 2/2011

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