Hochzeit vor dem Mord im Konzentrationslager - … · nach Auschwitz“, berichtet, ... Recherchen...

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OSNABRÜCK. Dass hier einHaus stand – daran könnensich nur noch wenige erin-nern. Wo sich heute vor demKolpinghaus Schirme, Stühleund Tische befinden, lebteneinst Ida und Erna Stern. Na-tionalsozialisten verschlepp-ten und ermordeten sie inKonzentrationslagern.

Zwischen der heutigenGaststätte und der Kolping-straße befand sich sogar nochdie Kleine Rosenstraße – eineenge Gasse. Bis 1938 befandsich hier die Firma von IdaStern. Sie war die Chefin ei-nes Pferdehandels und einesGaragenbetriebs. Dannzwangen Nationalsozialistensie zur Aufgabe. 1939 schriebOberbürgermeister ErichGaertner dem Regierungs-präsidenten: „Nachdem dieWitwe Ida Stern ihren Gara-genbetrieb [. . .] abgemeldethat, sind sämtliche in dasVerzeichnis der jüdischenGewerbebetriebe eingetrage-nen jüdischen Gewerbebe-triebe erloschen.“ Das heißt:Die Nationalsozialisten hat-

ten ihr die Existenzgrundla-ge genommen. Es sollte nochschlimmer kommen.

Das Haus an der Seminar-straße wurde zu einem dersogenannten Judenhäuser,in dem Nationalsozialistenihre Opfer auf engstem Raumunterbrachten. Wie MartinaSellmeyer, Autorin des Bu-ches „Stationen auf dem Wegnach Auschwitz“, berichtet,

musste Ida Stern den jüdi-schen Vornamen Sara anneh-men und 1941 in die Kom-menderiestraße 11 ziehen –ein anderes „Judenhaus“. ImJahr darauf wurde die 73-Jährige in das Konzentrati-onslager Theresienstadt ver-schleppt und dann im Ver-nichtungslager Treblinka er-mordet.

Erna Stern war ihreSchwiegertochter, die bei ihrim Haus gelebt hatte und1941 nach Riga deportiertwurde. Bereits in den 1930er-Jahren war Ernas EhemannMann Leo Stern gestorben.Im Konzentrationslager hei-ratete sie noch dessen BruderRudolf Stern, dann wurde sienach Stutthof bei Danzig ver-schleppt und dort ermordet.Sie wurde keine 40 Jahre alt.Davon dürfte ihr Mann erstnach dem Krieg erfahren ha-ben, denn er war nach Kieldeportiert worden. Nach denRecherchen von MartinaSellmeyer kam Rudolf Stern1946 aus einem schwedi-schen Flüchtlingslager fürÜberlebende der Konzentra-tionslager wieder nach Osna-brück. Er starb 1957.

Die Geschichte der FamilieStern fand Eingang in die Li-teratur. Die portugiesischeSchriftstellerin Ilse Losa(1913–2006) beschrieb in ih-rem Buch „O mundo em quevivi“ (Die Welt, in der ich leb-te) ihre Kindheit, die sie inder Seminarstraße verbrachthatte – damals noch unterdem Namen Lieblich. 1934war sie nach Porto geflüchtet.

Nationalsozialisten töteten die Jüdinnen Ida und Erna Stern

Hochzeit vor dem Mordim Konzentrationslager

Von Jann Weber

Seminarstraße: Wo jetztSchirme aufgespannt sind,lebten einst Ida und ErnaStern. Foto: Klaus Lindemann

Die in den Gehwe-gen verlegten Stol-persteine erinnernan Opfer des Natio-nalsozialismus. DerKölner KünstlerGunter Demnig istInitiator des Pro-

jekts, dem sich meh-rere Hundert Kom-munen angeschlos-sen haben. Patender Stolpersteine ander Seminarstraßesind György Széll(für Ida Stern) und

Christel Wachtel(für Erna Stern).Verlegt haben siedie Schüler NandoChrist, Jan Rotertund Atilla Ilmanvom Berufsschul-zentrum am Wes-

terberg. Das Bürofür Friedenskulturnimmt Hinweise zuweiteren Opfern desNS-Regimes entge-gen. Die Telefon-nummer lautet05 41/323-22 87. jweb

Stolpersteine

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