Hygiene – Von Mythos und Religion zu Logos und Recht€¦ · Hygiene & das ethische Mantra...

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Hygiene –Von Mythos und Religion zu

Logos und Recht

Ein Streifzug durch die abendlEin Streifzug durch die abendläändische Kultur und ndische Kultur und Wissenschaft von der Reinlichkeit & HygieneWissenschaft von der Reinlichkeit & Hygiene

Prof. Dr. Hans Werner Prof. Dr. Hans Werner IngensiepIngensiepPhilosophie und Wissenschaftsgeschichte, Philosophie und Wissenschaftsgeschichte,

UniversitUniversitäät Duisburgt Duisburg--EssenEssen

Leitfragen

�� Wie ist das Ethos der Hygiene entstanden?Wie ist das Ethos der Hygiene entstanden?�� Welche Rolle spielt Hygiene in der Welche Rolle spielt Hygiene in der

Geschichte abendlGeschichte abendläändischen Denkens?ndischen Denkens?�� Welche Rolle spielt die Wissenschaft?Welche Rolle spielt die Wissenschaft?�� Was taugen Ethik & Recht bei Was taugen Ethik & Recht bei

HygieneverstHygieneverstößößen?en?�� Oder kurz: Wie wird man ethisch & Oder kurz: Wie wird man ethisch &

physisch rein?physisch rein?

Hygiene – Vom Mythos zum Logos

�� I. Mythos & ReligionI. Mythos & Religion

�� ÄÄgypten gypten

�� GriechenlandGriechenland

�� ArztethosArztethos

�� Spirituelle ReinheitSpirituelle Reinheit

�� II. Logos & RechtII. Logos & Recht

�� Wissenschaft & Wissenschaft & AufklAufkl äärung rung üüber ber Hygiene in der Hygiene in der Neuzeit Neuzeit

�� Ethik der HygieneEthik der Hygiene

Übersicht

I. Hygiene in Mythos & Religion

Von ritueller Reinheit zu Von ritueller Reinheit zu HygieiaHygieia, der , der Tochter des Tochter des ÄÄskulapskulap

„Wer in den Tempel eintritt, sei rein!“

Rituelle Reinheit des Priesters im alten Ägypten

Priester und Könige mussten sich durch Übergießen mit Wasser oder im Bad reinigen, aber auch der Sonnengott Re reinigte sich vor jeder Tagesfahrt im Himmelsozean .

Reinheitsvorschriften:

Sexuelle EnthaltsamkeitSpeisegeboteKörperhygieneKauen von NatronEntfernung der KörperhaareBeschneidung

„Ichbinrein.“

2000vorChr.

Altes Testament

�� „„ Unrein, unrein!Unrein, unrein!““ (Lev. Kap. 13) (Lev. Kap. 13) = Pflichtausruf f= Pflichtausruf füür r AussAussäätzige (z.B. Lepra)tzige (z.B. Lepra)

�� Isolation der unreinen Person = Isolation der unreinen Person = rituelles religirituelles religiööses Tabuses Tabu

�� Krankheit als gKrankheit als gööttliche Strafettliche Strafe

Unreinheit des Kranken

Hygieia– die bedeutendste Tochter des Äskulap

�� Personifikation des GesundheitsbegriffsPersonifikation des Gesundheitsbegriffs

�� blblüühende Jungfrauhende Jungfrau

�� zart, lieblich, unschuldigzart, lieblich, unschuldig

�� ffüüttert oder trttert oder träänkt die Schlangenkt die Schlange

�� Symbol der WiedergeburtSymbol der Wiedergeburt

�� Symbol ewiger JugendSymbol ewiger Jugend

Antikes Griechenland: theurgische Medizin700vorChr.

Therapie als theurgische Heilerwartung

�� Wenn der Priesterarzt Wenn der Priesterarzt „„ therapierttherapiert““ , dient er , dient er einem Gott und einem Patienteneinem Gott und einem Patienten

�� Der Patient bringt dem Gott Opfer dar Der Patient bringt dem Gott Opfer dar �� „„ InkubationInkubation““ im Heiligtumim Heiligtum�� Diagnose durch TraumdeutungDiagnose durch Traumdeutung�� Ziel: Spirituelle Reinheit Ziel: Spirituelle Reinheit �� „„ GottesdienstGottesdienst““ als Basis fals Basis füür die r die „„ ArztArzt--

PatientenPatienten--BeziehungBeziehung““

Wie wird „Hygieia“, d.h. Gesundheit, hergestellt?

Asklepios & Hygieia erhalten ein Opfer

Die „Inkubation“

des„Patienten“

bewirkteinen

Traumkontaktzum Gott, der

vom Arztpriesterinterpretiert

wurde.

Szenen auf dem Weg zur Gesundheit

„hippokratischen Eid“

�� Ich schwIch schwööre bei Apollon dem Arzt, re bei Apollon dem Arzt, Asklepios Asklepios und und Hygieia Hygieia ......

�� „„ Heilig und rein werde ich mein Leben und Heilig und rein werde ich mein Leben und meine Kunst bewahrenmeine Kunst bewahren““

�� Ideelle Reinheit als Tugendpflicht Ideelle Reinheit als Tugendpflicht

Hippokrates ist ein Gegner des Arztpriestertums, schwört aber bei den Göttern den sog.

500vorChr.

Woher stammt der Ausdruck „Hygiene“?

�� von von Diokles Diokles von von KarystosKarystos(4. Jh. v. Chr.)(4. Jh. v. Chr.)�� tritt auf als tritt auf als „„ zweiter Hippokrateszweiter Hippokrates““ ffüür strenge r strenge

DiDiäätetik = tetik = harmonisch geregelte harmonisch geregelte „„ hygienischehygienische““ = = gesundegesundeLebensweiseLebensweisez.B.:z.B.:

�� „„ Keinesfalls leichtsinnig ungewohntes Wasser Keinesfalls leichtsinnig ungewohntes Wasser trinken! Das ist beschwerlich und geftrinken! Das ist beschwerlich und gefäährlich.hrlich.““

�� folgt pythagoreischer Difolgt pythagoreischer Diäätetiktetik--Tradition (Platon)Tradition (Platon)�� EinfluEinflußß auf den ethischen auf den ethischen MesotesMesotes--

Gesundheitsbegriff bei AristotelesGesundheitsbegriff bei Aristoteles�� Gesundheit als angemessene MitteGesundheit als angemessene Mittezwischen den zwischen den

Extremen des Zuviel oder Zuwenig.Extremen des Zuviel oder Zuwenig.

Ziel: Gesundheit durch Diätetik

�� Antike DiAntike Diäätetik umfasste:tetik umfasste:

�� Essen & TrinkenEssen & Trinken

�� Ausleeren und AusscheidenAusleeren und Ausscheiden

�� Schlafen & WachenSchlafen & Wachen

�� Gehen & StehenGehen & Stehen

�� Einen Lebensrhythmus im Alltag finden ...Einen Lebensrhythmus im Alltag finden ...

�� Moderne Moderne „„ DiDiäätt““ nur noch: Gesundes Essen!nur noch: Gesundes Essen!

Was ist eine „Infektion“?

�� Terminus entsteht in der antiken Medizin Terminus entsteht in der antiken Medizin ((PriscianusPriscianus, Arzt im 5. Jh.v.C.), Arzt im 5. Jh.v.C.)

�� „„ infectioinfectio““ (von (von latlat. . inficereinficere): f): fäärben, rben, beflecken, beflecken, verunreinigenverunreinigen

�� GriechGriech: : „„ miainomiaino““ --> > „„ miasmamiasma““ = = verunreinigendeverunreinigendeSubstanz Substanz

�� Med. Terminus bis 19. Jahrhundert Med. Terminus bis 19. Jahrhundert

Zur Geschichte der „Unreinheit“

Wie deuten „Hippokratiker“ die Infektion?

�� Beispiel: Beispiel: „„ ggööttliche Krankheitttliche Krankheit““

�� Nicht von Gott, sondern von NaturNicht von Gott, sondern von Natur

�� Miasma = Verunreinigung der LuftMiasma = Verunreinigung der Luft

�� SSääkularisierung, Verweltlichung der Ursachenkularisierung, Verweltlichung der Ursachen

�� Pest entsteht nicht durch gPest entsteht nicht durch gööttliche Strafe, sondern ttliche Strafe, sondern durch verunreinigte Luftdurch verunreinigte Luft

�� ÜÜbler Geruch, Schlangengift = bler Geruch, Schlangengift = virusvirus

�� Luftreinigung durch Scheiterhaufen (bei Pest)Luftreinigung durch Scheiterhaufen (bei Pest)

Temkin in: Sarasin et.al. (Hg.): Bakteriologie 2007, 44-67

„Dreckfresser“ !

�� Aristophanes (4. Jh. v. Chr.): Aristophanes (4. Jh. v. Chr.): „Ä„Ä rzte sind Dreckfresser!rzte sind Dreckfresser!““

�� Wg. Verwendung von Kot & Urin in der Wg. Verwendung von Kot & Urin in der Medizin in Diagnose & TherapieMedizin in Diagnose & Therapie

�� PliniusPlinius& Galen: Therapie mit Kot von & Galen: Therapie mit Kot von Hunden, Katzen, Schweinen, HHunden, Katzen, Schweinen, Hüühnern, hnern, Tauben, MTauben, Määusen ...z.B. als Abfusen ...z.B. als Abfüührmittelhrmittel

Ein unreiner Seitenblick auf antike Ärzte

Schon Paracelsus ist gegen den

Schmutz als Heilmittel

�� „„ Die alten Die alten ÄÄrzte stellten viele Arzneien aus den rzte stellten viele Arzneien aus den schmutzigsten Dingen her...schmutzigsten Dingen her...

�� Kot von Menschen und anderen Tieren, aus Speichel, Kot von Menschen und anderen Tieren, aus Speichel, Pisse, Fliegen, MPisse, Fliegen, Määusen ...usen ...

�� „„ Gegen Blutspucken ... trank man MGegen Blutspucken ... trank man Määusekot in Weinusekot in Wein““�� „„ Narren!Narren!““�� Arzt Arzt RivinusRivinus(17. Jh.) gegen Kotstoffe in der Medizin(17. Jh.) gegen Kotstoffe in der Medizin

15. Jahrhundert

Bourke 1996, 260f.

II. Hygiene auf dem Weg vomLogos zum Recht

Von der VernunftaufklVon der Vernunftaufkläärung rung üüber ber Hygiene bis zur Ethik der HygieneHygiene bis zur Ethik der Hygiene

Der Kampf der Hygieniker gegen den „Schmutz“

= Eine neue Stufe im Prozeß der Zivilisation,Urbanisierung & Industrialisierung in der Neuzeit

Die weltliche Idee der Reinlichkeit gewinnt zuerst in angelsächsischen Ländern an Boden, z.B. in Verbindungmit hygienischen Reformen in Armee, Marine, und Gefängnissen, dann auf dem Kontinent.

Reinlichkeit sei eine Sache der Ästhetik.

Francis Bacon (1561- 1626),Neubegründer der Naturwissenschaft

„Denn die Reinigkeit des Körpers und eine ehrbare Zierde hält man mit Recht für eine Wirkung der Bescheidenheit der Sitten und Ehrerbietung;

I. gegen Gott, dessen Geschöpfe wir sind; II. gegen die Gesellschaft, in welcher wir leben, III. gegen uns selbst, da wir uns nicht minder, ja

mehr als andere verehren müssen.“

Aus dem Werk: „Große Erneuerung der Wissenschaft“ (1623, IV. 2)

Preisung der Reinlichkeit in der Religion und Medizin

John Wesley (Methodistenbegründer 1791):

Reinlichkeit ist Pflicht, nicht Sünde.

„Sauberkeit kommt gleich nach Frömmigkeit!“

William Buchan (Arzt 1772).

Reinlichkeit sei notwendig, „ um die Ehre und Würde der menschlichen Natur zu stärken, (...) angenehm und nützlich für die Gesellschaft und (...) sehr förderlich fürdie Erhaltung der Gesundheit.“

Christoph Wilhelm Hufeland

„Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern“1797, 590f.

„Man erlaube mir, hier auf ein Inkonsequenz aufmerksamzu machen ...

Bey Pferden und anderen Thieren ist der gemeinste Mannüberzeugt, daß gehörige Hautkultur ganz unentbehrlich ...sey.

Bey seinem Kinde aber und bey sich selbst fällt ihm diesereinfache Gedanke nie ein. Wird dies schwach und elend, ...bekommt es die sog. Mitesser (alles Folge der Unreinlichkeit) so denkt er eher an Behexung und anderen Unsinn, als die wahre Ursache, unterlassne Hautreinigung.

So vernünftig, so aufgeklärt sind wir bei Thieren; warum nicht auch bey Menschen?“

Reinlichkeit wird zurbürgerlichen Tugend!

Manuel Frey (1997): Der reinliche Bürger. Entstehung und Verbreitung bürgerlicher Tugendenin Deutschland, 1760 - 1860

um 1800

Hygiene als med. Volksaufklärung

Johann Peter Frank

‚Medicinische Policey’(1779-1827)

„Erstes großes Programm eines öffentlichen Gesundheitswesens“

Orientierung an Statistiken, Wahrscheinlichkeiten u. Kalkulationen von Risiken.

Disziplinierung und Kontrolle der Hygiene wird zur vernünftigenStaatsaufgabe -> Hygiene wird Institution & Recht

Die zweite Säkularisierung der „Infektion“

Zur Zunahme der individuellen Reinlichkeit

Hygiene, Hygiene, AsepsisAsepsis, Bakteriologie im , Bakteriologie im 19. Jahrhundert19. Jahrhundert

Zur Rolle der Reinlichkeit in der Medizin

Präbakteriologische Hygieniker

�� Traditionelle SeuchenbekTraditionelle Seuchenbekäämpfungmpfung�� SchmutzSchmutz�� KKöörperliche & geistige Verelendungrperliche & geistige Verelendung�� GroGroßße Menschenmassene Menschenmassen

�� Alles Ursache fAlles Ursache füür r „„ MiasmenMiasmen““ : : krankheitsauslkrankheitsauslöösende Stoffe in der Luft und sende Stoffe in der Luft und BodenBoden

�� Gegen Schmutz, Gestank, LGegen Schmutz, Gestank, Lääuse, Ratten ... use, Ratten ...

Hygiene im vorbakteriologischen Zeitalter

Leserbrief an die London Times(1849): „Wir leben in Dreck und Kot.“

Belleveu Krankenhaus in New York (1860)

Semmelweis & die Hygiene

Die Unreinheit der Mediziner selbstist die Quelle für das Kindbettfieber!

Hygiene & der Fall Semmelweis

Reaktion eines Oberarztes in einer medizinischen Zeitschrift (1864):

„Wenn nun Semmelweis hier vermutet, daß das Kindbettfieber am häufigsten durch die Geburtshelfer selber verursacht wird,sofern sich diese nicht mit Chlorwasser waschen, und es daher im Falle eines solchen Versäumnis verdienten, als Mörder bezeichnet zu werden, so bin ich mir für meinen Teil doch ziemlichsicher, daß Semmelweis hier in hohem Maße einseitig und ohne ausreichende Grundlage in der Erfahrung ist.“

19. Jahrhundert

Warum dauerte es so lange bis Semmelweis anerkannt wurde?�� Vom unreinen Arzt ohne reines GewissenVom unreinen Arzt ohne reines Gewissen

Ein Medizinhistoriker 1902:

„Für Semmelweis lag nun die Sache noch dadurch ungünstig, daß seine Fachgenossen durch Annahme seiner Lehre notwendigeine gewisse Schuld eingestehen mußten. (…) Der Mensch ist ja äußerst erfinderisch in Selbsttäuschung und besonders in nichtsingeniöser, als in der Kunst, die wahren Motive seines Handelns nicht nur vor anderen, sondern auch vor sich zu verbergen.“

Max Pettenkofer (1813 – 1901):Erster Prof. der Hygiene in München

hieß zuerst noch„Diätetik“ oder:„diätetische physikalische Chemie“„öffentliche Gesundheitspflege“„Gesundheits-Wissenschaftslehre“

Dann in moderner Bedeutung : „Hygiene“ (1865)

Ambivalenz: Wendet sich dennoch gegen die neueLeitwissenschaft der Bakteriologie

Antisepsis/Asepsis/Hygiene„Reinlichkeit bis zur Ausschweifung“

Wichtige Stationen in der 2. H. des 19. Jahrhunderts

Antisepsis: relative Keimfreiheit

Josef Lister: Wundbehandlung (1867-69)

Asepsis: absolute Keimfreiheit operativer Gegenstände

1886 (von Bergmann): Dampfsterilisation1894 (Halsted): Gummihandschuhe für Chirurgen

Ambivalenz: Dennoch gingen führende Akteure mit demAnzug von der Strasse direkt in den Operationssaal

Robert Koch begründet im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die Bakteriologie

Große Kolonien des Tuberkel-Bazillusauf Gelatine-Nährböden

Die neue Leitwissenschaft

Fleming entdeckt Penicillinim Schimmelpilz (1928)

Antibiotika - Eine wichtige Station hin zur flächendeckenden Infektionsbekämpfung

Das 20. Jahrhundert

nnäährt eine neue Utopie: hrt eine neue Utopie:

Der Kampf gegen die Der Kampf gegen die „„ InfektionInfektion ““ist Sache der Wissenschaft, nicht ist Sache der Wissenschaft, nicht der Institutionen und nicht des der Institutionen und nicht des

Einzelnen!Einzelnen!

„Sauberkeit im Krankenhaus“im Zeitalter der Antibiotika

„Diese wunderbaren Medikamente haben viele Ärzte zurLockerung der klassischem Methoden der Asepsis und Antisepsis von Semmelweis und Listerverleitet – wie sich später herausstellte, unbegründet...Die medizinische Praxis hat nicht mit dem ewigen Gesetzt der Natur, der unerhörten Abwehrfähigkeitder Mikroben, gerechnet.“

István Benedek, Semmelweis-Forscher zitiertLosonczy über iatrogene Infektionen (1983, 372)

„Weshalb die heute selbstverständliche Sauberkeit beim Operieren nur so langsam Freunde gewann,ist immer noch ein großesRätsel der Medizingeschichte.“

Der Medizinhistoriker Jetter 1992

Doch nicht nur die Bakterienwaren es ...

Lehren aus der Geschichte der Reinlichkeit & Hygiene

Was sollen wir tun?Was sollen wir tun?

Ästhetik und Hygiene

Man beschMan beschääftigt sich nicht gerne mit ftigt sich nicht gerne mit unschunschöönen Dingen, was auf die nen Dingen, was auf die ethische Einstellung abfethische Einstellung abfäärbt ...rbt ...

Verdrängen?

Ekel, Makel, Flecken„McCarthy provoziert ein Ekelgefühl, dasdurch ein Verwischen der Grenze zwischenInnen und Außen, also durch Austausch vonKörpersubstanzen entsteht. (…)Das Ekelverständniseiner ästhetischen Theorie lässt sich selten auf eine so <niedere<Materialebene herab, sondern fungiert meist alsIndikator eines metaphysischen Makels.Das Denkbild dieser Unreinheitaktiviert sofortdie <<ethische Welt>>, die als Bestätigung der Ordnung dient. An die Stelle einer metaphysischen Bestätigung des Körpers tritteine Ethik der Hygiene, die den Fleckennichtmehr länger metaphorisch versteht, sondern inihm eine bakterielle Substanz erkennt und ihneinfach wegwischt.“

(D. Rübel, kunsttexte.de)

Unreinheit als Thema der Kunst

Welche Prinzipien sind wichtig?

�� Wenn es um Recht und Ethik geht ...Wenn es um Recht und Ethik geht ...

Überlegungen zu einer Ethik der Hygiene imAlltag der modernen Medizin

Hygiene & das ethische Mantrader modernen Medizin�� NichtNicht--SchadensprinzipSchadensprinzip

�� WohltunsprinzipWohltunsprinzip

�� GerechtigkeitsprinzipGerechtigkeitsprinzip

�� AutonomieprinzipAutonomieprinzip

�� Wo kommt Hygiene als biomedizinisches Wo kommt Hygiene als biomedizinisches ethisches Problem vor?ethisches Problem vor?

Nach welcher Norm sollen wir Hygieneverstöße bewerten?

�� Klassische AnsKlassische Ansäätze:tze:�� Tugendethisch? Nur ein Fall fTugendethisch? Nur ein Fall füür Ethik?r Ethik?�� Utilitaristisch? Nur ein Fall fUtilitaristisch? Nur ein Fall füür Recht?r Recht?

�� Sind HygieneverstSind Hygieneverstößöße Verste Verstößöße gegen die e gegen die „„ MenschenwMenschenwüürderde““ ? ?

�� In welchem VerhIn welchem Verhäältnis stehen Recht und ltnis stehen Recht und Ethik?Ethik?

Hygiene zwischen Gesinnungsethik & Rechtsfolgen

Begriffsbestimmungen

�� „„ EthikEthik ““ stellt (blostellt (bloßß) ) „„ innerlichinnerlich““erzwingbare Regeln, Normen und Werte erzwingbare Regeln, Normen und Werte bereits, um einen konkreten Fall beurteilen bereits, um einen konkreten Fall beurteilen zu kzu köönnen.nnen.

�� „„ RechtRecht““ ist eine gegebene Institution, die ist eine gegebene Institution, die (blo(bloßß) ) „ä„äuußßerlicherlich““ erzwingbare Regeln erzwingbare Regeln anordnet bzw. durchsetzt.anordnet bzw. durchsetzt.

�� Wie ist das VerhWie ist das Verhäältnis denkbar? ltnis denkbar?

Demenzpatienten - Fallbeispiel

Ein (durchaus realistischer) Fall

�� Ein Pfleger P wEin Pfleger P wääscht einem scht einem „„ nervendennervenden““Demenspatienten Demenspatienten D aus Rache mit dem D aus Rache mit dem verunreinigten Unterleibswaschlappen durchs verunreinigten Unterleibswaschlappen durchs Gesicht ...Gesicht ...

�� Vorausgesetzt wird in diesem Fall:Vorausgesetzt wird in diesem Fall:�� 1. D realisiert nicht den Sinn der Handlung.1. D realisiert nicht den Sinn der Handlung.�� 2. D tr2. D träägt auch keine Infektion davon.gt auch keine Infektion davon.

�� Also: D erleidet weder einen psychischen noch Also: D erleidet weder einen psychischen noch einen physischen Schaden.einen physischen Schaden.

�� Wo liegt das ethische Problem? Wo liegt das ethische Problem?

Literatur: Heike Baranzke: Ethisch von Würde reden ... 2009

Fallbeispiel - Situationen

�� 1. Situation: Eine 1. Situation: Eine andere Person andere Person beobachtet das beobachtet das Verhalten von P.Verhalten von P.

�� 2. Situation: P2. Situation: Ps s Verhalten bleibt Verhalten bleibt unbeobachtet und unbeobachtet und unentdeckt. unentdeckt.

�� Welche Argumente Welche Argumente bieten die Ansbieten die Ansäätze: tze:

�� TugendethikTugendethik

�� UtilitarismusUtilitarismus

�� MenschenwMenschenwüürderde

Hygiene als ethisches Problem

�� Tugendethisches Tugendethisches Problem?Problem?

�� Utilitaristisches Utilitaristisches Problem?Problem?

�� VerstoVerstoßß gegen die gegen die MenschenwMenschenwüürde?rde?

�� Problem des PflegeProblem des Pflege--EthosEthos

�� Frage der guten Haltung Frage der guten Haltung und innerer Gesinnung?und innerer Gesinnung?

�� Frage des Nutzens bzw. Frage des Nutzens bzw. der Folgen einer der Folgen einer Handlung?Handlung?

�� VerstoVerstoßß gegen ein gegen ein elementares elementares Menschenrecht (z.B. auf Menschenrecht (z.B. auf Achtung & Respekt)?Achtung & Respekt)?

�� Verfehlen einer richtigen Verfehlen einer richtigen Berufshandlung?Berufshandlung?

Ethische Überlegungen

�� Erlauben die IntelligenzErlauben die Intelligenz--KompetenzenKompetenzenvon von D den subjektiven Nachvollzug einer D den subjektiven Nachvollzug einer DemDemüütigung?tigung?

�� Sind irgendwelche Sind irgendwelche KonsequenzenKonsequenzendes des unhygienischen Verhaltens von P funhygienischen Verhaltens von P füür D r D festzustellen (z.B. eine Infektion)?festzustellen (z.B. eine Infektion)?

�� Warum erscheint dieses Verhalten von P Warum erscheint dieses Verhalten von P dennoch als ethisch unwdennoch als ethisch unwüürdig?rdig?

Gründe für ethisches Fehlverhalten

�� Nicht fehlende geistige Nicht fehlende geistige KompetenzenKompetenzeneines eines Menschen oder nur die Menschen oder nur die KonsequenzenKonsequenzeneiner einer unhygienische Fehlhandlung unhygienische Fehlhandlung sind sind ausschlaggebend,ausschlaggebend,

�� sondern, dass es sich hier um jemanden handelt, der sondern, dass es sich hier um jemanden handelt, der als Menschals Menscheinen Anspruch auf menschenweinen Anspruch auf menschenwüürdige rdige Behandlung hat,Behandlung hat,

�� d.h. auf Achtung und Respekt als Menschd.h. auf Achtung und Respekt als Mensch..�� AuAußßerdem widerspricht das Verhalten von P dem erdem widerspricht das Verhalten von P dem

Pflegeethos seines Berufsstandes.Pflegeethos seines Berufsstandes.

Was zeigt das Fallbeispiel?

�� Das Das „„ unhygienischeunhygienische““ Verhalten von P Verhalten von P gegengegenüüber D ist ber D ist ethischethischdoppelt falschdoppelt falsch,,

�� denn es verstdenn es verstößößt gegen Menschenwt gegen Menschenwüürde & rde & Berufsethos, obgleich es Berufsethos, obgleich es rechtlichrechtlichirrelevantirrelevantist.ist.

Fazit

Ethik und Recht sind also zweierlei ...

und gehen in diesem Fall und gehen in diesem Fall getrennte Wege.getrennte Wege.

Voraussetzung: Wissen

�� Im Moment vergessen wir oft das Im Moment vergessen wir oft das Unsichtbare ...Unsichtbare ...

�� Doch mit dem zweiten Blick wissen wir Doch mit dem zweiten Blick wissen wir meist genau was los ist ...meist genau was los ist ...

�� Bekannte Beispiele ...Bekannte Beispiele ...

Hygieneverhalten

Staphylococcus aureus auf einer vermeintlich sauberen Edelstahloberfläche

Hygiene als Alltagsproblem

Wie (ohn)mächtig ist das Recht?

�� Es greift in ExtremfEs greift in Extremfäällen, die offen zu Tage llen, die offen zu Tage getreten sind.getreten sind.

�� Sanktionen erfolgen erst dann, wenn Sanktionen erfolgen erst dann, wenn konkretes Verschulden und eine konkrete konkretes Verschulden und eine konkrete Kausalkette wissenschaftlich nachgewiesen Kausalkette wissenschaftlich nachgewiesen sind. sind.

�� Ist also der Giessener Fall paradigmatisch?Ist also der Giessener Fall paradigmatisch?

Hygienefehler im Uniklinikum Giessen

1996 bis 1999 kam es auf der Kinderintensivstation zu mindestens 28 Fällen von Klebsiella-oxytoca-Sepsis.

Man hatte die Konzentration des Flächendesinfektionsmittels auf die Hälfte reduziert. Weiterhin gab es hygienische Handlingfehler, z.B. wurden Infusionsflaschen zur Desinfektion vor dem Anstechen in diese Desinfektionsmittellösung getaucht.

Die Eltern eines infizierten und seitdem schwerbehinderten Kindes klagten.

Das Klinikum wurde zu Schmerzensgeld in Höhe von 250.000 €verurteilt, zu einer monatlichen Schmerzensgeldrente von 300 €, einer monatlichen Geldrente von 500 € und zur Zahlung aller zukünftigen Schäden.

Recht taugt für die Spitze des Eisberges, aber nur Ethik taugt für den Alltag

Ethik der Hygiene

•Arztpflicht (Berufsethos):

Als Erstes: Dem Patienten nicht schaden!

•Private Tugendpflicht: Reinlichkeit ist auch private Selbstfürsorge.

•Soziale Solidarpflicht gegen Mitbürger:Bewahrung der Gesundheit als aktuelles gesellschaftliches Gemeinwohl und Gut.

•Pflicht gegenüber zukünftigen Generationen: Bewahrung der Gesundheit als zukünftiges

gesellschaftliches Gemeinwohl und Gut.

Vier vernünftige Gründe für eine

Die Verantwortung umfasst:

�� Wissen Wissen üüber Hygiene erweiternber Hygiene erweitern�� Den Blick fDen Blick füür Verstr Verstößöße sche schäärfenrfen�� Haltung und Verhalten individuell einHaltung und Verhalten individuell einüübenben�� Institutionelle VerantwortungstrInstitutionelle Verantwortungsträäger ger

informieren (Hygienebeauftragte)informieren (Hygienebeauftragte)�� Strukturelle & politische Verantwortung Strukturelle & politische Verantwortung

ststäärken (... z.B. mehr Geld frken (... z.B. mehr Geld füür r HygienemaHygienemaßßnahmen) nahmen)

Kann das Recht all das regeln?

Rückblick:

�� Einst begann es mit Einst begann es mit Priestern ...Priestern ...

�� Spiritueller und Spiritueller und ritueller Reinheitritueller Reinheit

�� Im Dienst den GIm Dienst den Gööttern ttern verpflichtetverpflichtet

�� KKöörperwaschungen rperwaschungen etc.etc.

�� Heute sind wir sHeute sind wir sääkulare kulare WeltbWeltbüürger ... rger ...

�� Ethisch unserer eigenen Ethisch unserer eigenen Vernunft verpflichtet,Vernunft verpflichtet,

�� welche innere Haltung welche innere Haltung und und ääuußßere Handlungen ere Handlungen fordert.fordert.

�� Dies fDies fäängt mit der Pflege ngt mit der Pflege der Hder Häände an ... nde an ...

�� und endet vielleicht mit und endet vielleicht mit einem einem „„ reinenreinen““ Gewissen Gewissen in Sachen Hygiene.in Sachen Hygiene.

Wie können wir heute unsere Hände in Unschuld waschen?

Danke für IhreAufmerksamkeit!

Literaturhinweise

�� BourkeBourke, John Gregory: Der Unrat in Sitte, Brauch, , John Gregory: Der Unrat in Sitte, Brauch, Glauben und Gewohnheitsrecht der VGlauben und Gewohnheitsrecht der Vöölker (1913). lker (1913). Frankfurt a.M. 1996Frankfurt a.M. 1996

�� BenedekBenedek, Istv, Istváán: Ignaz n: Ignaz PhPh. . Semmelweis Semmelweis 19831983�� BeauchampBeauchamp//ChildressChildress: : Principles Principles of of Biomedical EthicsBiomedical Ethics. .

Oxford 2001Oxford 2001�� Frey, Manuel: Der reinliche BFrey, Manuel: Der reinliche Büürger. Grger. Gööttingen 1997.ttingen 1997.�� HollHolläänder, Eugen: nder, Eugen: ÄÄskulap und Venus. Eine Kultur und skulap und Venus. Eine Kultur und

Sittengeschichte im Spiegel des Arztes. 2. A. Berlin 1927.Sittengeschichte im Spiegel des Arztes. 2. A. Berlin 1927.�� Leibbrand, Werner: Heilkunde. Eine Problemgeschichte Leibbrand, Werner: Heilkunde. Eine Problemgeschichte

der Medizin. Mder Medizin. Müünchen 1954nchen 1954�� SarasinSarasin, Philipp et.al. (Hg.): Bakteriologie und Moderne. , Philipp et.al. (Hg.): Bakteriologie und Moderne.

Frankfurt a.M. 2007Frankfurt a.M. 2007

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