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Positionspapier des IDW

Zusammenwirken von handelsrechtlicher Fortführungsannahme und insolvenzrechtlicher Fortbestehens-

prognose Stand: 13.08.2012

Vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise wird derzeit auf europäischer Ebene über Maßnahmen zur Verbesserung der Abschlussprüfung diskutiert. Seitens der EU-Kommission wird dabei u.a. der Vorwurf erhoben, dass Unternehmen kurze Zeit nachdem ihr Jahresabschluss und Lagebericht mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk bzw. ohne Hinweise auf bestandsgefährdende Risiken veröffentlicht wurde, Insolvenz anmelden mussten. Zugleich stellt die EU-Kommission fest, dass „von einer Abschluss-prüfung nicht erwartet werden [kann], dass sie Sicherheit über die künftige Lebensfähig-keit des geprüften Unternehmens oder die Effizienz oder Wirksamkeit, mit der das Lei-tungs- und Verwaltungsorgan dessen Geschäfte führt oder führen wird, vermittelt.“1

Nach Auffassung des IDW ist in diesem Zusammenhang in erster Linie die Rechnungsle-gung in Bezug auf zukunftsbezogene Aussagen und damit deren Frühwarnfunktion zu verbessern.2 Das IDW hat dies u.a. zum Anlass genommen, die Zusammenhänge zwi-schen dem handelsrechtlichen Jahresabschluss und den Insolvenzantragsgründen nach §§ 17 ff. InsO zu beleuchten.

Nach § 19 Abs. 2 InsO ist ein Insolvenzantrag zu stellen, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortfüh-rung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Die ge-setzlichen Vertreter haben in diesem Zusammenhang eine sog. insolvenzrechtliche Fort-bestehensprognose zu erstellen, um zu beurteilen, ob die Gesellschaft ihre fälligen Zah-lungsverpflichtungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bedienen kann. Im Vorder-grund der nachfolgenden Überlegungen steht die Frage, in welchem Ausmaß das deut-sche Insolvenzrecht die handelsrechtliche Fortführungsannahme (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) beeinflusst, wonach bei der Bewertung der im Jahresabschluss ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Schulden von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit

1 Artikel 14 des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über spezifi-

sche Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse, http://ec.europa.eu/internal_market/auditing/docs/reform/regulation_de.pdf.

2 Vgl. Pressemitteilung 1/2012 des IDW vom 27.01.2012 sowie die Stellungnahme des IDW zu den Vor-schlägen der EU-Kommission vom 30.11.2011 zum Europäischen System der Abschlussprüfungen vom 27.01.2012, www.idw.de.

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auszugehen ist, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegen-stehen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Abschlussprüfung eine Prüfung der Rechnungsle-gung darstellt, nicht aber eine abschließende rechtliche Würdigung, ob eine Insolvenzan-tragspflicht für die gesetzlichen Vertreter vorliegt.

Diesem Positionspapier liegt der Überschuldungsbegriff im Sinne des geltenden § 19 Abs. 2 InsO zugrunde. Diese Regelung gilt bis zum 31.12.2013. Im Bundesministerium der Justiz wird derzeit darüber nachgedacht, die geltende Regelung für einen signifikan-ten Zeitraum zu verlängern. Sollte der Gesetzgeber hingegen keine weiteren Maßnahmen ergreifen, gilt ab dem 01.01.2014 wieder der ursprüngliche Überschuldungsbegriff, wo-nach ein Unternehmen auch im Falle einer positiven Fortbestehensprognose Insolvenz anmelden muss, sofern ein zu Fortführungswerten aufgestellter Überschuldungsstatus ein negatives Reinvermögen aufweist.

Das Papier ist aus Sicht des Abschlussprüfers entwickelt worden. Anmerkungen aus der Sicht aller interessierten Kreise nimmt das IDW gerne entgegen.

1.  Begriffliche Grundlagen und Abgrenzungen ................................................................... 3 2.  Grundlagen der handelsrechtlichen Fortführungsannahme ............................................ 4 

2.1.  Regelvermutung über die Fortführung der Unternehmenstätigkeit ........................ 4 2.2.  Anlässe für die Prognose der Unternehmensfortführung ....................................... 4 2.3.  Maßnahmen zur Überwindung entgegenstehender Gegebenheiten ..................... 6 

3.  Anforderungen an handelsrechtliche Fortführungsprognosen ........................................ 7 3.1.  Grundsätze der Prognoseerstellung ...................................................................... 7 3.2.  Prognosezeitraum .................................................................................................. 8 3.3.  Grundbestandteile der Prognosen ......................................................................... 8 3.4.  Ergebnis der handelsrechtlichen Fortführungsprognose ....................................... 9 

4.  Die Anforderungen an Prognosen im fortgeschrittenen Krisenverlauf ............................ 9 4.1.  Bedeutung der Insolvenzantragsgründe und der insolvenzrechtlichen

Fortbestehensprognose für die handelsrechtliche Fortführungsprognose ............................................................................................ 9 

4.2.  Erstellung einer insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose durch die gesetzlichen Vertreter .......................................................................................... 10 4.2.1.  Verantwortung der gesetzlichen Vertreter zur rechtzeitigen

Erstellung einer insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose ................ 10 4.2.2.  Die Ableitung der insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose

aus dem Finanzplan ................................................................................. 11 4.2.3.  Der Maßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit .............................. 12 4.2.4.  Planungszeitraum ..................................................................................... 13 4.2.5.  Fortschreibung der insolvenzrechtlichen

Fortbestehensprognose ............................................................................ 13 4.2.6.  Weitere Anforderungen an insolvenzrechtliche

Fortbestehensprognosen .......................................................................... 13 

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1. Begriffliche Grundlagen und Abgrenzungen

1 Mit der Aufstellung eines Jahresabschlusses haben die gesetzlichen Vertreter nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB einzuschätzen, ob bei der Bewertung weiterhin von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit ausgegangen werden kann.3 Dies gilt gleichermaßen für pflichtgemäß wie freiwillig nach den Vorschriften des Handels-rechts aufgestellte Zwischen- und Konzernabschlüsse. Die Annahme der Unter-nehmensfortführung gilt hierbei als gesetzliche Regelvermutung. Liegen hinge-gen Anzeichen für bestandsgefährdende Risiken vor, haben die gesetzlichen Vertreter eingehende Untersuchungen zur Unternehmensfortführung (Fortfüh-rungsprognose) anzustellen. Von der handelsrechtlichen Fortführungsprognose ist die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO zu unterscheiden. Die Erstellung einer insolvenzrechtlichen Fortbestehensprog-nose durch die gesetzlichen Vertreter ist spätestens dann geboten, wenn auf-grund konkreter Anhaltspunkte Anlass besteht einzuschätzen, ob Zahlungsunfä-higkeit oder Überschuldung vorliegt oder droht. Die rein liquiditätsorientierte in-solvenzrechtliche Fortbestehensprognose dient allein dem Zweck festzustellen, ob die Finanzpotenziale des Unternehmens im maßgebenden Prognosezeitraum ausreichen, die jeweils fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen. Die insolvenz-rechtliche Fortbestehensprognose stellt mithin eine Zahlungsfähigkeitsprognose in den von Gesetz und Rechtsprechung gezogenen Grenzen für die Beurteilung über das Vorliegen der Insolvenzgründe dar.4

2 Die handelsrechtliche Fortführungsprognose und die in fortgeschrittenen Krisen-stadien zu erstellende insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose haben unter-schiedliche Zwecke und Ausgestaltungen. Beide basieren jedoch auf derselben Planung und sind daraus jeweils zweckorientiert abzuleiten.

3 Eine positive handelsrechtliche Fortführungsprognose setzt grundsätzlich voraus, dass im Prognosezeitraum die Insolvenzgründe Zahlungsunfähigkeit und Über-schuldung weder eingetreten sind noch Zahlungsunfähigkeit droht5 und auch an-dere rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten der Annahme der Unterneh-mensfortführung in diesem Prognosezeitraum nicht entgegenstehen.6

3 Vgl. IDW Prüfungsstandard: Die Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Rahmen der

Abschlussprüfung (IDW PS 270) (Stand: 09.09.2010), Tz. 8. 4 Der IDW Prüfungsstandard: Beurteilung eingetretener oder drohender Zahlungsunfähigkeit bei Unterneh-

men (IDW PS 800) (Stand: 06.03.2009), Tz. 21, spricht von einem „Finanzplan“, aus dem die Fortbeste-hensprognose abgeleitet wird.

5 Sollte der Gesetzgeber planmäßig zu dem vor Inkrafttreten des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes gel-tenden Überschuldungsbegriff zurückkehren, würde auch eine drohende Überschuldung einer positiven Fortführungsprognose entgegenstehen (vgl. Entwurf einer Neufassung des IDW Standards: Anforderun-gen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW ES 6 n.F.) (Stand: 07.09.2011), Tz. 13).

6 Vgl. IDW ES 6 n.F., Tz. 85.

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4 Das Ergebnis der insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose kann in einem fortgeschrittenen Krisenverlauf die handelsrechtliche Fortführungsprognose be-einflussen (vgl. Abschn. 4.). Allerdings kann auch im eröffneten Insolvenzverfah-ren eine positive Fortführungsannahme gerechtfertigt sein, wenn hinreichend be-gründete Aussichten bestehen, dass das Unternehmen bspw. im Wege eines In-solvenzplanverfahrens saniert werden kann.7

2. Grundlagen der handelsrechtlichen Fortführungsannahme

2.1. Regelvermutung über die Fortführung der Unternehmenstätigkeit

5 Die Regelvermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB greift immer dann, wenn das Unternehmen in der Vergangenheit nachhaltige Gewinne erzielt hat, es leicht auf finanzielle Mittel zurückgreifen kann, keine bilanzielle Überschuldung droht und die Fortführung des Unternehmens beabsichtigt ist.8 Ist dies nicht der Fall oder werden im Rahmen der Bilanzaufstellung bestandsgefährdende Risiken erkenn-bar, ist die Annahme der Unternehmensfortführung zu hinterfragen.

6 Die Tatsache, dass eine Gesellschaft auf eine bestimmte Zeit errichtet ist, nur noch bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer Verschmelzung besteht oder keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (z.B. Vorrats- oder Mantelgesellschaf-ten) hat, steht einer Annahme der Unternehmensfortführung grundsätzlich nicht entgegen.

7 Gesellschaften in der Liquidation oder Insolvenz dürfen ihr Vermögen nur zu Fortführungswerten bewerten, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass tatsächlich von einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen ist.9

2.2. Anlässe für die Prognose der Unternehmensfortführung

8 Ergeben sich Anhaltspunkte, dass die Kriterien der Regelvermutung10 nicht län-ger vorliegen11, haben die gesetzlichen Vertreter die Unternehmensplanung vor dem Hintergrund der identifizierten Umstände zu aktualisieren und mit ihren

7 Vgl. IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Auswirkungen einer Abkehr von der Going-Concern-

Prämisse auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss (IDW RS HFA 17) (Stand: 10.06.2011), Tz. 3, so-wie IDW Rechnungslegungshinweis: Externe (handelsrechtliche) Rechnungslegung im Insolvenzverfahren (IDW RH HFA 1.012) (Stand: 10.06.2011), Tz. 36.

8 Vgl. IDW PS 270, Tz. 1 und 9. So auch IAS 1, Tz. 25. 9 Vgl. IDW RS HFA 17, Tz. 3. 10 Vgl. Abschn. 3.1. 11 Zum Beispiel aufgrund der Informationen aus dem Risikofrüherkennungssystem, das für eine Aktienge-

sellschaft nach § 91 Abs. 2 AktG zwingend einzurichten ist und dem der Gesetzgeber die sog. Ausstrahlungswirkung auch auf andere Gesellschaftsformen zugesprochen hat. Letztlich folgt dies aber auch aus der BGH-Rechtsprechung, die schon seit je eine Pflicht der gesetzlichen Vertreter konkreti-siert hat, dass diese jederzeit über die wirtschaftliche Lage informiert sein müssen und gerade bei wirt-schaftlicher Verschlechterung eine etwaige Insolvenzgefährdung ermitteln müssen (vgl. BGH-Urteil vom 14.05.2007 – II ZR 48/06, Rn. 16, DB 2007, S. 1477.

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Auswirkungen auf die künftige Vermögens-, Finanz- und Ertragslage fortzu-schreiben. Bei der Planungserstellung müssen alle zum Beurteilungszeitpunkt verfügbaren Informationen zu den rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten bedacht werden, die für die Fortführungsfähigkeit des Unternehmens bedeutsam sind. Je konkreter die Anhaltspunkte dafür sind, dass Ereignisse die wirtschaftli-che Unternehmensentwicklung nachteilig beeinflussen können, desto detaillierter muss die Unternehmensleitung die Auswirkungen auf die Unternehmensfortfüh-rung analysieren und beurteilen.

Indikatoren für solche nachteiligen Ereignisse können nach IDW PS 27012 u.a. folgende Umstände sein:

Finanzielle Umstände

• In der Vergangenheit eingetretene oder für die Zukunft erwartete negative Zahlungssalden aus der laufenden Geschäftstätigkeit

• Die Schulden übersteigen das Vermögen oder die kurzfristigen Schulden übersteigen das Umlaufvermögen

• Kredite zu festen Laufzeiten, die sich dem Fälligkeitsdatum nähern, ohne realistische Aussichten auf Verlängerung oder Rückzahlung

• übermäßige kurzfristige Finanzierung langfristiger Vermögenswerte • Anzeichen für den Entzug finanzieller Unterstützung durch Lieferanten oder

andere Gläubiger • ungünstige finanzielle Schlüsselkennzahlen • erhebliche Betriebsverluste oder erhebliche Wertminderungen bei betriebs-

notwendigem Vermögen • Ausschüttungsrückstände oder Aussetzen der Ausschüttung • Unfähigkeit, Zahlungen an Gläubiger bei Fälligkeit zu leisten • Unfähigkeit, Darlehenskonditionen einzuhalten • Lieferantenkredite stehen nicht mehr zur Verfügung • Unmöglichkeit, Finanzmittel für wichtige neue Produktentwicklungen oder

andere wichtige Investitionen zu beschaffen • Unfähigkeit, Kredite ohne Sicherheitenstellung von außen zu beschaffen • Einsatz von Finanzinstrumenten außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstä-

tigkeit • angespannte finanzielle Situation im Konzernverbund oder bei Unterneh-

men des gleichen CashPools.

12 Vgl. IDW PS 270, Tz. 11, ähnlich auch ISA 570, Tz. 8.

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Betriebliche Umstände

• Ausscheiden von Führungskräften in Schlüsselpositionen ohne adäquaten Ersatz

• Verlust eines Hauptabsatzmarkts, Verlust von Hauptlieferanten oder we-sentlichen Kunden bzw. Kündigung von bedeutenden Franchise-Verträgen

• gravierende Personalprobleme • Engpässe bei der Beschaffung wichtiger Vorräte • nicht ausreichend kontrollierter Einsatz von Finanzinstrumenten • Verstöße gegen Eigenkapitalvorschriften oder andere gesetzliche Regelun-

gen • anhängige Gerichts- oder Aufsichtsverfahren gegen das Unternehmen, die

zu Ansprüchen führen können, die wahrscheinlich nicht erfüllbar sind • Änderungen in der Gesetzgebung oder Regierungspolitik, von denen nega-

tive Folgen für das Unternehmen erwartet werden. Bei Vorliegen der oben genannten Indikatoren ist abzuschätzen, welche Tragwei-te ihnen zukommt, welche Ereignisse hierfür ursächlich sind und ob ihre Auswir-kungen durch andere Faktoren oder Maßnahmen vermieden oder zumindest ab-gemildert werden können. Zu beachten ist auch, dass sich die Indikatoren zu Gegebenheiten auswachsen können, die einer Unternehmensfortführung u.U. entgegenstehen.

2.3. Maßnahmen zur Überwindung entgegenstehender Gegebenheiten

9 Liegen Gegebenheiten vor, die der Annahme der Unternehmensfortführung ent-gegenstehen können, begründet diese Tatsache nicht bereits die Abkehr von der Going-Concern-Annahme. Vielmehr haben die gesetzlichen Vertreter kritisch ab-zuwägen, ob und ggf. welche Gegenstrategien und Gegenmaßnahmen den wirt-schaftlichen Abwärtstrend umkehren können bzw. die eingetretenen Risiken neutralisieren.

10 Singuläre Ereignisse – wie eine strittige Steuerfestsetzung, Zahlungsschwierig-keiten eines wichtigen Schuldners oder Lieferschwierigkeiten des Hauptlieferan-ten – können oftmals durch Einzelmaßnahmen so entschärft werden, dass die Fortführungsfähigkeit sichergestellt ist.

11 Stellen sich die Zahlungsschwierigkeiten infolge verschiedener Krisenursachen als strukturelles Problem dar, bedarf es zur Sicherung der Unternehmensfortfüh-rung eines Maßnahmenpakets, das neben rechtlichen und finanzwirtschaftlichen auch leistungswirtschaftliche Maßnahmen zur Verbesserung der Unternehmens-struktur sowie Maßnahmen zur Verbesserung betrieblicher Prozesse umfassen kann.

12 Grundvoraussetzung für die Aufrechterhaltung der Going-Concern-Annahme ist stets, dass die gesetzlichen Vertreter objektiv die Möglichkeiten und den Willen

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zur Realisierung der geplanten Maßnahmen haben.13 Mit zunehmender Konkreti-sierung einer der Fortführungsprämisse entgegenstehenden Gegebenheit müs-sen umso höhere Anforderungen an den Realisierungsgrad der Gegenmaßnah-me gestellt werden.14

3. Anforderungen an handelsrechtliche Fortführungsprognosen

3.1. Grundsätze der Prognoseerstellung

13 Die handelsrechtliche Fortführungsprognose setzt voraus, dass die gesetzlichen Vertreter zunächst ausgehend von der bisherigen Entwicklung alle für die zukünf-tige Entwicklung maßgeblichen Daten zusammentragen und die bisherige Pla-nung auf dieser Basis für den Planungszeitraum fortschreiben. Sie ist wesentli-che Grundlage des Jahresabschlusses und muss konsistent mit der Darstellung im Jahresabschluss sowie Lagebericht (insb. Prognose- und Nachtragsbericht) sein.

14 Anforderungen an die Überlegungen zur Fortführungsannahme werden bei Un-ternehmen, die in der Vergangenheit nachhaltige Gewinne erzielt haben und leicht auf finanzielle Mittel zugreifen können, nur in einer Bezugnahme zur nor-malen Planung bestehen. Sie sind allerdings, wenn sich die Krisenanzeichen verdichten, weitaus umfassender, wenn eine Verlustsituation besteht, das Eigen-kapital stark reduziert oder bereits aufgezehrt ist oder sich aus anderen Gründen Fortführungsprobleme abzeichnen.

Grundsatz der Vollständigkeit

Die Prognosen vermitteln aus Sicht der Unternehmensleitung alle Informationen, die ein sachverständiger Adressat benötigt, um die Entwicklung des Unterneh-mens unter Berücksichtigung der wesentlichen Chancen und Risiken beurteilen zu können. Es sind alle zum Erstellungszeitpunkt bekannten und absehbaren Er-eignisse, Entscheidungen und Faktoren einzubeziehen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Fortführungsfähigkeit des Unternehmens haben können.

Die geplanten Maßnahmen sind mit ihren voraussichtlichen finanziellen Auswir-kungen in die Prognose einzubeziehen.

Grundsatz der Verlässlichkeit

Die Herleitung der handelsrechtlichen Fortführungsprognose muss nachvollzieh-bar sein. Die Annahmen müssen plausibel, konsistent und frei von Widersprü-chen gegenüber dem Jahresabschluss und der Lageberichterstattung sein. Die

13 Vgl. IDW PS 270, Tz. 28; BGH-Beschluss vom 09.10.2006 – II ZR 303/05, ZInsO 2007, S. 36 (37); BGH-

Urteil vom 11.11.2005 – 7 U 49/05, ZInsO 2006, S. 437 (439). 14 Vgl. IDW Prüfungsstandard: Grundsätze für die ordnungsmäßige Erteilung von Bestätigungsvermerken bei

Abschlussprüfungen (IDW PS 400) (Stand: 24.11.2010), Tz. 103.

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daraus gezogenen Folgerungen müssen auch im Hinblick auf allgemein bekann-te Wirtschaftsdaten und die angesetzten Planungsdaten schlüssig sein.

Grundsatz der Vermittlung der Sicht der Unternehmensleitung

Die handelsrechtliche Fortführungsprognose soll den Adressaten die Sicht der Unternehmensleitung vermitteln. Dazu liegt ihr eine ausgewogene und umfas-sende Analyse des bisherigen Geschäftsverlaufs und der Ausgangslage des Un-ternehmens zugrunde. Dies gilt auch bei der Einschätzung der Stärken und Schwächen sowie der Chancen und Risiken.

3.2. Prognosezeitraum

15 Der Prognosezeitraum der handelsrechtlichen Fortführungsprognose erstreckt sich grundsätzlich auf mindestens zwölf Monate ab dem Abschlussstichtag. Im Einzelfall können längere Prognosezeiträume sachgerecht sein, z.B., um einen längeren Produktionszyklus oder wesentliche Verzögerungen bei der Aufstellung des Abschlusses zu berücksichtigen.15

16 Darüber hinausgehend dürfen bis zum Abschluss der Aufstellung des Jahresab-schlusses keine fundierten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit z.B. aufgrund rechtlicher Auflagen zu ei-nem nach diesem Zeitraum liegenden Zeitpunkt nicht mehr aufrecht zu halten sein wird.16

17 Liegen Anhaltspunkte vor, sich mit einem Insolvenzgrund auseinandersetzen zu müssen, sind die gesetzlichen Vertreter aufgrund des Insolvenzrechts verpflich-tet, den Nachweis zu erbringen, dass kurzfristig keine Zahlungsunfähigkeit be-steht, und bei juristischen Personen eine insolvenzrechtliche Fortbestehensprog-nose zu erstellen (siehe Abschn. 4.). Der Prognosezeitraum, der dabei zugrunde zu legen ist, reicht weiter; er erstreckt sich grundsätzlich auf das laufende und das nächste Geschäftsjahr (vgl. Abschn. 4.2.4.).17 Daraus kann sich das Erfor-dernis ergeben, diesen verlängerten Prognosezeitraum auch für die handels-rechtliche Fortführungsprognose anzuwenden.

3.3. Grundbestandteile der Prognosen

18 Die gesetzlichen Vertreter haben der handelsrechtlichen Fortführungsprognose ihre Beurteilung über die Entwicklung des relevanten Umfelds und der erwarteten Entwicklung des Unternehmens selbst zugrunde zu legen. Bei sich abzeichnen-

15 Vgl. IDW PS 270, Tz. 8, ähnlich: E-DRS 27, Tz. 158, verwendet im Zusammenhang mit der Beurteilung

der Risiken den Begriff „adäquater Zeithorizont“, der aber im Zusammenhang mit bestandsgefährdenden Risiken wiederum grundsätzlich mit einem Jahr (ab Abschlussstichtag) angesetzt wird.

16 Vgl. IDW PS 270, Tz. 8. 17 Vgl. IDW ES 6 n.F., Tz. 13; IDW PS 800, Tz. 51, vgl. in diesem Zusammenhang aber auch E-DRS 27,

Tz. B37 (Streichung des längeren Betrachtungszeitraums).

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der Bestandsgefährdung haben sie auch Maßnahmen anzugeben, mit denen die Unternehmensleitung die Krise überwinden will.18

19 Die Geschäftsleitung darf nur solche Maßnahmen in die Planung aufnehmen, die wahrscheinlich realisierbar sind. Die Durchführbarkeit hängt auch vom Willen und vom Durchsetzungsvermögen der gesetzlichen Vertreter ab.

3.4. Ergebnis der handelsrechtlichen Fortführungsprognose

20 Die Erkenntnisse aus der Prognose des wirtschaftlichen Umfelds, der Unterneh-mensentwicklung und der Durchführbarkeit von Maßnahmen sind zu einer Ge-samtaussage über die Tragfähigkeit der Annahme der Unternehmensfortführung zu verdichten.

21 Sofern sich aus der handelsrechtlichen Fortführungsprognose Tatsachen erge-ben, die bestandsgefährdend sein können, aber (noch) nicht als Insolvenzgrund zu qualifizieren sind, bedarf es einer abschließenden Einschätzung, welche Tragweite diese Tatsachen haben und ob sie der Annahme der Fortführung ent-gegenstehen.

22 Die Prognose selbst ist ebenso wie die zusammenfassende Beurteilung durch die gesetzlichen Vertreter angemessen zu dokumentieren.19

23 Je konkreter die Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Unternehmensfortfüh-rung sind, desto höher sind die Anforderungen an die Dokumentation der han-delsrechtlichen Fortführungsprognose durch die gesetzlichen Vertreter.

4. Die Anforderungen an Prognosen im fortgeschrittenen Krisenverlauf

4.1. Bedeutung der Insolvenzantragsgründe und der insolvenzrechtlichen Fort-bestehensprognose für die handelsrechtliche Fortführungsprognose

24 Die Anforderungen an die Erstellung von Prognosen durch die gesetzlichen Ver-treter verschärfen sich bei zunehmenden Anzeichen für einen fortgeschrittenen Krisenverlauf. Ist das Unternehmen zahlungsunfähig (§ 17 InsO) oder überschul-det (§ 19 InsO), müssen die gesetzlichen Vertreter kurzfristig einen Insolvenzan-trag stellen. Die Erkenntnisse aus der Prüfung der Insolvenzgründe sind folglich bei der handelsrechtlichen Fortführungsprognose zu berücksichtigen. Im fortge-schrittenen Krisenstadium haben die gesetzlichen Vertreter eine insolvenzrechtli-che Fortbestehensprognose zu erstellen, um eine Aussage über das Vorliegen der Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit20 sowie der Überschuldung21 zu

18 Vgl. IDW PS 270, Tz. 26, sowie IDW ES 6 n.F., Tz. 13. 19 Ableitung aus § 238 Abs. 1 HGB, insb. Satz 2. 20 Vgl. IDW PS 800. 21 Vgl. IDW Stellungnahme des Fachausschusses Recht 1/1996: Empfehlungen zur Überschuldungsprüfung

bei Unternehmen (IDW St/FAR 1/1996).

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treffen. Als Hinweise für die Notwendigkeit zur Erstellung einer insolvenzrechtli-chen Fortbestehensprognose kommen insb. eine Häufung oder Verschärfung der in Abschn. 3.2. genannten Indikatoren bei gleichzeitig angespannter Liquiditätssi-tuation in Betracht.

25 Die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose soll eine Aussage dazu ermögli-chen, ob vor dem Hintergrund der getroffenen Annahmen und der daraus abge-leiteten Auswirkungen auf die Ertrags- und Liquiditätslage ausreichend Finanz-kraft zur Verfügung steht, die jeweils fälligen Verbindlichkeiten bedienen zu kön-nen. Fällt die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose negativ aus, liegt zu-mindest eine drohende Zahlungsunfähigkeit vor. Die Unternehmensleitung ist dann verpflichtet, unverzüglich das Vorliegen einer rechnerischen Überschuldung zu prüfen.

26 Droht im Prognosezeitraum eine Überschuldung, bedingt dies allein keine lnsol-venzantragspflicht, ebenso wenig wie eine drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO). Allerdings können diese Umstände der Annahme der Fortführung des Un-ternehmens entgegenstehen, wenn und soweit keine geeigneten Sanierungs-maßnahmen eingeleitet oder in der Planung hinreichend konkretisiert sind.

27 Der Planungshorizont der insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose für Zwe-cke der Ermittlung der Zahlungsfähigkeit ist gesetzlich nicht geregelt; die h.M. geht davon aus, dass die Vorschau mittelfristig, d.h. für das laufende und folgende Geschäftsjahr, anzulegen ist.22

4.2. Erstellung einer insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose durch die gesetzlichen Vertreter

4.2.1. Verantwortung der gesetzlichen Vertreter zur rechtzeitigen Erstellung einer insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose

28 Nach der Rechtsprechung haben die gesetzlichen Vertreter laufend zu beobach-ten, ob Hinweise auf eine Insolvenzgefahr bestehen. Dies folgt aus der Sorg-faltspflicht des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, der verpflichtet ist, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten, und ergibt sich auch aus § 15a InsO, wenn es um den Nachweis geht, dass ohne schuldhaftes Zögern gehandelt wurde. Unabhängig hiervon ist es für die gesetz-lichen Vertreter zur Vermeidung der Haftung und Strafbarkeit wegen Insolvenz-verschleppung geboten, den Nachweis dafür erbringen zu können, dass sie die wirtschaftliche Entwicklung laufend beobachten, die Unternehmensplanung auf-grund realistischer Annahmen erstellt haben und dass das Unternehmen auch in der Lage war, die Planannahmen entsprechend umzusetzen.23

22 Vgl. IDW PS 800, Tz. 51. 23 Hierzu bereits BGH-Urteil vom 07.03.2005 – II ZR 138/03, DB 2005, S. 996 ff., wonach die Gesellschaft

bzw. der Insolvenzverwalter zunächst substantiiert eine Überschuldung zu einem bestimmten Zeitpunkt darzulegen hat und das Geschäftsführungsorgan sodann darzulegen und zu beweisen hat, dass es zum

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29 Anhand der in Abschn. 3.2. genannten Indikatoren, spätestens aber bei nachhal-tigen Verlusten oder dem nicht unbedeutenden Verzehr des gezeichneten Kapi-tals, wird die Krisensituation offenkundig. Aus einem ordnungsmäßigen Finanz- und Rechnungswesen lassen sich – auch unterjährig – hinreichend aussagefähi-ge Hinweise auf Ertragseinbrüche und eine Eigenkapitalaufzehrung entnehmen. Zeigen sich entsprechende Krisenwarnsignale, ist diesen nach bestehender Rechtslage mit der gebotenen Sorgfalt nachzugehen. Eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nicht erkannt zu haben, entlastet nicht, sondern belegt, dass die Unternehmensleitung ihrer Pflicht zur Beobachtung der Liquiditäts- und Ver-mögenslage nicht entsprochen hat.

30 Je stärker Indikatoren für das Vorliegen einer nachhaltigen Störung des finanziel-len Gleichgewichts eines Unternehmens oder für die – durch eine nachhaltige Beeinträchtigung seiner Ertragskraft verursachte – Aufzehrung des Eigenkapitals sprechen, desto stärker wächst die Notwendigkeit, dass sich die gesetzlichen Vertreter über das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines Insolvenzgrunds Gewiss-heit verschaffen und dies ggf. durch Fortschreibung laufend überprüfen müssen.

31 Gerät die Gesellschaft in Zahlungsstockung, so haben sich die gesetzlichen Ver-treter anhand eines Liquiditätsstatus bzw. einer Liquiditätsplanung einen Über-blick zu verschaffen, ob die künftigen Liquiditätsströme wieder dazu führen, die fälligen Verbindlichkeiten zeitgerecht bedienen zu können, oder ob eine Zah-lungsunfähigkeit droht oder bereits eingetreten ist. Zu Einzelheiten wird auf IDW PS 800 Bezug genommen.

32 Wenn die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens den dargestellten Pflichten trotz akuter Krise nicht nachkommen, resultiert daraus neben möglichen straf-rechtlichen Folgen24 ein erhebliches Risiko der persönlichen Haftung25. Unabhän-gig hiervon wird auch der Prüfer eines Jahresabschlusses auf die Vorlage ent-sprechender Nachweise hinwirken und unabhängig von seiner Beurteilung der Fortführungsannahme die gesetzlichen Vertreter auf den Gesetzesverstoß hin-weisen.

4.2.2. Die Ableitung der insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose aus dem Finanzplan

33 Auch für die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose müssen sich die gesetz-lichen Vertreter ausgehend von der Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage einen Überblick verschaffen.

damaligen Beurteilungszeitpunkt pflichtgemäß von einer positiven Fortbestehensprognose ausgehen durf-te. So auch OLG Koblenz, Urteil vom 27.02.2003 – 5 U 917/02, DB 2003, S. 419 ff.

24 Zu den strafrechtlichen Konsequenzen eines zu spät gestellten Insolvenzantrags vgl. § 15a Abs. 4 und 5 InsO, §§ 283 f. StGB; daneben auch schon bei zu später Information über einen hohen eingetretenen Ver-lust § 401 AktG sowie § 84 GmbHG.

25 Vgl. etwa § 93 Abs. 2 bis 4 AktG, § 64 GmbHG.

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34 Die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose ist allein auf die Finanzkraft des Unternehmens gerichtet. Eine positive insolvenzrechtliche Fortbestehensprogno-se liegt vor, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Einzahlungen mittel-fristig die Auszahlungen decken. Die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose setzt somit die Erstellung eines Finanzplans auf der Grundlage eines Unterneh-menskonzepts voraus.26 Sofern der Finanzplan die vertragsgemäße Bedienung des Fremdkapitals aus der Innenfinanzierung vorsieht, kann die Überlebensfä-higkeit grundsätzlich angenommen werden. Neben den erwarteten Liquiditäts-strömen aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit sind dabei auch außerordentli-che Geschäfte zur Hebung von Liquiditätsreserven zu berücksichtigen, etwa die Veräußerung nicht betriebsnotwendigen Vermögens, Sale-and-Lease-Back-Geschäfte oder von den Anteilseignern zugesagte Liquiditätshilfen mit den ent-sprechenden Folgeauswirkungen.

4.2.3. Der Maßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit

35 Die Formulierung in § 19 Abs. 2 InsO stellt darauf ab, ob die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Dies ist ein Gesamturteil über den möglichen weiteren wirtschaftlichen Unternehmensverlauf, und zwar insb. bezogen auf die Fähigkeit, jederzeit die fälligen Verbindlichkeiten begleichen zu können.

36 Jeder Planung ist immanent, dass die zugrunde gelegten Annahmen aufgrund nicht vorhersehbarer Umstände nicht eintreten oder anders ausfallen können. Mit zunehmender zeitlicher Entfernung der prognostizierten Ereignisse oder Annah-men vom Beurteilungsstichtag steigt der Grad der Unsicherheit und sinkt der De-taillierungsgrad der Annahmen. Naturgemäß ist deshalb auch die insolvenzrecht-liche Fortbestehensprognose – in besonderem Maße für das folgende Geschäfts-jahr – mit Unsicherheit behaftet. Der Gesetzgeber hat diese Unsicherheit bei der Definition der Insolvenzgründe gesehen und in Kauf genommen. Bei der positi-ven insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose kommt es deshalb darauf an, dass die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit innerhalb des Prognosezeit-raums mit überwiegender Wahrscheinlichkeit begründbar ist.

37 Für eine positive insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose muss die mittelfris-tige Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit wahrscheinlicher sein als der Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit. Drohende Zahlungsunfähigkeit setzt mithin voraus, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher ist als deren Vermei-dung.27 Dies ist dann der Fall, wenn nach dem Abwägen aller für die Fortbeste-hensprognose relevanten Umstände mehr Gründe dafür sprechen als dagegen. Maßgeblich ist die Sicht der gesetzlichen Vertreter, denen – wie auch bei der Be-

26 Vgl. IDW St/FAR 1/1996, Abschn. 2.1.; IDW ES 6 n.F., Tz. 83. 27 Vgl. Ausschussbericht zu § 23 Abs. 2 RegE (§ 19 InsO), abgedruckt bei: Balz/Landfermann, Die neuen

Insolvenzgesetze, Düsseldorf 1995, S. 91.

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urteilung der Fortführungsannahme – ein gewisser Beurteilungsspielraum zuge-billigt werden muss.28

38 Soll zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit Liquidität zugeführt werden, können nach IDW PS 800 eingeleitete oder beabsichtigte Maßnahmen, wie z.B. Gesell-schafterdarlehen, Zuzahlungen in das Eigenkapital, Kapitalerhöhungen, Aufnah-me von (Sanierungs-)Krediten etc., mit ihren erwarteten Auswirkungen in die Fi-nanzplanung einbezogen werden, wenn diese Maßnahmen hinreichend konkreti-siert sind und deren Umsetzung hinreichend sicher erwartet werden kann.29 Glei-ches gilt für die geplante Verwertung von Vermögensgegenständen zur Schöp-fung von Liquidität.

4.2.4. Planungszeitraum

39 Der Planungszeitraum für die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose um-fasst regelmäßig das laufende sowie das folgende Geschäftsjahr.30

4.2.5. Fortschreibung der insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose

40 Die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose ist fortzuschreiben, wenn neue Ereignisse eingetreten sind oder sich abzeichnen, die für das Ergebnis und für die Validität der Prognose von wesentlicher Bedeutung sind. Die Pflicht der ge-setzlichen Vertreter zur Überprüfung der insolvenzrechtlichen Fortbestehens-prognose entfällt erst dann, wenn die Insolvenzgefahr endgültig gebannt ist.

4.2.6. Weitere Anforderungen an insolvenzrechtliche Fortbestehensprognosen

41 Hinsichtlich der Grundsätze, Grundbestandteile und der Dokumentation der in-solvenzrechtlichen Fortbestehensprognose sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie bei der handelsrechtlichen Fortführungsprognose (vgl. Abschn. 3).

28 Vgl. BGH-Urteil vom 06.06.1994 – II ZR 292/91, DB 1994, S. 1608 ff. 29 Vgl. IDW PS 800, Tz. 22. 30 Vgl. IDW ES 6 n.F., Tz. 13, und IDW PS 800, Tz. 51.

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