Inge von der Lohe Veedels- check - Kölnische Rundschau...A A RUNDSCHAU-SERIE GutlebenzwischenStadt...

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    Gut leben zwischen Stadt und „Land“In Niehl setzt sich der alte Fischerort vom neuen Teil ab Stadtteil zehrt von der Rheinnähe

    Sicherheit 2,6 Sauberkeit 3,3

    Parkmöglichkeiten 3,3Nahverkehr 2,5

    Gemeinschaftsgefühl 3,2 Kinderfreundlichkeit 2,8

    Gefragt,welcheGesamtnotesie ihremStadtteil gebenwürden,vergaben die Niehler die Durchschnittsnote 2,9. Das ist Platz30 imRankingaller86KölnerVeedel. 220Kölnergaben indernicht-repräsentativenUmfragean,dassNiehl ihrLieblingsvier-tel sei. Der Stadtteil liegt damit auf Platz 30. Für 64,8 Prozentder Niehler kommt ein Umzug in ein anderes Veedel nicht inFrage. „Wie kölsch finden Sie ihr Viertel?“ – auf diese Frage hinvergabendieNiehlerdieNote3,1.Das istPlatz34 imRanking.FürdieGrünflächenvergabendieTeilnehmerdieNote3,1;dasentspricht Platz 62.

    Einkaufsmöglichkeiten 3 Gastronomie 3,3

    Eigentlich habe ich Niehl erst seit derRente wirklich kennengelernt. Früherbin ich hier nie ausgegangen, sonderneher in der Stadt. Aber hier tut sichetwas.DieGaststätteamRhein ist reno-

    viert, die Rheinpro-menade super ge-macht worden. Über-all wird gebaut – teilsmit tollen Ideen.

    Inge von der Lohe(69)

    Ich wohne seit 61 Jahren in Neu-Niehlund habe tolle Freunde hier gefunden.Schon beim Brötchenkaufen werdendie Neuigkeiten ausgetauscht. Für einDorf hat der Karnevalszug eine guteGröße. Das ist zwar nicht vergleichbarmitdemNippeserZug,beidemwirmit-gehen; aber die Organisatoren gebensich Mühe. Nur dieAlt-Niehler sind einVölkchen für sich. Damuss man erst einenkennen,umeinenFußin der Tür zu haben.

    Margret Klein (68)

    Ich bin in Niehl aufgewachsen. Mit demRad war ich in zwei Minuten am Rhein.Jeden Sommer haben wir auf den Wie-sen am Niehler Hafen verbracht. Wäh-rend der Schulzeit war das unser Treff-punkt mit Freunden.Bis spät in die Nachtsaßen wir mit allenzusammen. Das ma-che ich heute immernoch gerne, wenn ichhier bin.

    Isabel Heinrich (23)

    Ich wohne erst seit einem halben Jahrin Alt-Niehl. Es ist irgendwie schon einkleines Dorf. Mittlerweile werde ich auf

    der Straße immer ge-grüßt. Außerdem binich in 15 Minuten inder Stadt oder aufdem „Land“. Daspasst gut zu mir.

    Nina Radant (27)

    Das Hochhaus mit Köln-Skyline an der Friedrich-Karl-Straße, die „Patrizia Höfe“, das Piratenschiff auf dem Spielplatz in Alt-Niehl und Alt St. Katharina – all das ist Niehl, das Veedel von Jürgen Hilger (l.) und Bernd Valjeur, die im Bürgerverein aktiv sind. (Fotos: Goyert, Hörter)

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    VON ANNA HÖRTER

    Was ist außergewöhnlich an IhremStadtteil? Wer Niehlern diese Fragestellt, erntet meist ungewöhnlicheReaktionen: Verwunderung. Ratlo-sigkeit. Einige lachen verlegen. „Wassoll hier schon so besonders sein?“,lautet häufig die Gegenfrage. Immer-hin ist die Rede von Niehl, nicht vomhippen Nachbarn Nippes.

    In dem früheren Fischerdorf imKölner Norden macht man sich seltenGedanken über solche Themen. Net-te Ecken, lokale Eigenheiten und ja,auch Besonderheiten – sie fallen erstauf den zweiten Blick ins Auge. Selbstlangjährige Bewohner müssen ersteinmal nachdenken. Dann aber fol-gen lange Aufzählungen: die gute In-frastruktur und Anbindung an dieStadt, die wunderbare Nähe zumRhein, der direkt an den Häusern Alt-Niehls vorbeifließt. Der eigene Kar-nevalszug. Oder das Dömchen ausdem 13. Jahrhundert, die kleinste ro-manische Kirche Kölns. Das Veedel,so scheint es, hat ein bisschen von Al-lem.

    Niehl ist ein Dorf. Und zwar einrichtiges. Eine Urkunde aus dem 10.Jahrhundert ist das früheste Zeugnisfür eine Siedlung an dieser Stelle.Lange Zeit lebten die Bewohnerhauptsächlich von der Fischerei. Erstseit 1888 gehört Niehl offiziell zumKölner Stadtgebiet.

    Mit dem Einzug der Ford Werke 50Jahre später mauserte sich das Dorf

    zum Industriestandort, eine ver-gleichsweise kurze Zeitspanne.Kaum verwunderlich also, dass dieNiehler ein ambivalentes Verhältniszu Köln haben. So mancher fährt zumEinkaufen mit der Straßenbahn „indie Stadt“. Das „Land“ – angefangenbei Fühlingen oder dem WorringerBruch – ist ebenso nah. Niehl ordnetsich irgendwo dazwischen ein: eindörfliches Veedel oder halt ein köl-sches Dorf. Auch einen Kirchplatz di-rekt an der Hauptstraße, der Sebasti-anstraße, hat Alt-Niehl vorzuweisen.Ein Wahrzeichen im neueren Teil desVeedels ist die moderne, 1964 vollen-dete Backsteinkirche St. Clemens ander Friedrich-Karl-Straße mit ihremhohen,rundenGlockenturmsamtge-faltetem Dach.

    DieseUnterscheidungzwischenal-tem und neuerem Teil prägt denStadtteil noch heute. Neu-Niehl oderNiehl-Süd kam schließlich erst mitder Angliederung an Köln stückweisehinzu. Heute erstreckt es sich auf ei-nem Areal, das von den Gleisen ander Niehler Straße/Ecke Scheiben-straße bis zur Amsterdamer Straßeund zur Hochbahn der Linie 13 reicht.Das historische Fischerdorf bildet dieGrundlage für Alt-Niehl, das Dreieckzwischen Pastor-Wolff-Straße, Sebas-tianstraße und Niehler Damm. „Frü-her fing Niehl für mich stadtauswärtskommend mit den Schienen an. VomGefühl her waren die Gleise für Alt-Niehl eine gewisse Einkreisung“, er-läutert Anwohner Richard Stabe. Zu

    Neu-Niehl hat er keine enge Verbin-dung. „Ich bin in Alt-Niehl verwurzelt.Ich weiß nicht, ob das auf der Fried-rich-Karl-Straße zum Beispiel auchso möglich wäre“, sagt Stabe. „Neu-Niehl tendiert mehr in Richtung Nip-pes“, stimmt ihm seine Frau Anny zu.

    Das Ehepaar verbrachte bereitsseine Kindheit in Alt-Niehl. RichardStabe kann davon unzählige Ge-schichten erzählen. „Damals kann-test du jeden in Niehl“, sagt er undberichtet, wie er mit den anderenJungs auf der Hillesheimstraße Fuß-ball spielte. Die Tore waren Steine. Ineinem extrem kalten Winter sei ein-mal die Straße in der Siedlung zuge-froren, erinnert sich seine Frau. Siesei darauf Schlittschuh gelaufen.

    Als wahre Legende gilt die ehema-lige Personenfähre zwischen Niehlund Stammheim. Lange, so erzählendie Alteingesessenen, transportiertesieBadegästenachFlittard. „Ichbininden 1960er Jahren als Kind da rübergefahren“, sagt Bernd Valjeur, derVorsitzende des örtlichen Bürgerver-eins.

    Ins Innere des Kahns hätten 20oder 30 Leute gepasst, berichtet Ri-chard Stabe. „Das war unser Strand-urlaub auf der anderen Rheinseite.“Heute erinnert nur noch die Anlege-stelle am Niehler Damm daran.

    Noch immer leben die Stabes samtFamilie in Alt-Niehl – mittlerweile inder dritten Generation. Doch dasDorf hat sich verändert. Mit rund12,06 Quadratkilometern Fläche ist

    Niehl der fünftgrößte Stadtteil Kölns.Etwa 8,6 Prozent davon ist Erholungs-fläche. Das klingt zunächst nach we-nig Grün. Doch viele Niehler empfin-den genau das Gegenteil. Im Sommertummeln sich Familien und Freun-desgruppen in den angrenzendenRheinauen.DiePromenadedesNieh-ler Damms ist ebenfalls beliebt. Dortkönnen Kinder auf einem Spielplatzmit Rheinblick toben. Daneben wirdderzeit ein Boule-Platz angelegt. Dasunterscheidet das Veedel eben vonseinen hipperen Nachbarn: „In Niehlhaben Sie noch die Möglichkeit, einbisschen im Grünen zu atmen“, fasstBernd Valjeur zusammen.

    Neben den Grünflächen entstehenimmer wieder neue Wohnungen undKindergärten, junge Familien ziehenhinzu. Der Fußballverein CfB Niehlkickt mittlerweile auf Rasenplätzen.Auf einem neuen Plätzchen an derSebastianstraße hat eine Bäckerei-Kette ein Café mit Sonnenterrasse er-öffnet. Ein aktuelles Highlight – nachder Rückkehr eines Supermarkts insDorf vor einigen Jahren.

    Denn Neueröffnungen feiert manauf der Alt-Niehler Hauptstraße in-zwischen selten. Stattdessen schlos-sen nacheinander die Apotheke, dieSparkasse und viele kleine Geschäfteund Gaststätten. Zum Einkaufen gibtes hier nur das Nötigste, einige ver-bleibende Lokale servieren nochKölsch und Hausmannskost. Die Kin-der werden in der Dorf-Eisdiele ver-sorgt.Erzählungenzufolgesolleshier

    früher allein fünf Metzgereien gege-ben haben. Mittlerweile dient dieStraße oft nur noch als Parkfläche,nicht als Aufenthaltsort. Den Alt-Niehlern fehlt ein Treffpunkt. „Weildie Straßen mittlerweile so stark be-fahren sind, findet da kaum noch et-was statt“, berichtet Richard Stabe.

    Dieses Problems hat sich der Bür-gerverein angenommen. Nach einementsprechenden Beschluss der Be-zirksvertretung setzt er sich dafürein, dass alle Verkehrsteilnehmergleichberechtigt werden. „Wir wollennicht,dassdieSebastianstraßeweiterein großer Parkplatz bleibt“, sagt Val-jeur.

    Wenn sich das ändere, werde diesden Ortskern beleben, ebenso die Ge-schäfte. „Die Leute gehen dorthin, woein nettes Umfeld ist.“ Auch in derGastronomie ändert sich einiges. Derneue Pächter der Bio-KonditoreiSchomdorf’s etwa, Peter Preuß, setztalles daran, sein Lokal zum Treff-punkt für Anwohner zu machen. InZukunft sollen Ideen wie ein Früh-stücksbuffet am Wochenende, Wein-proben oder kleine Konzerte Gästeanlocken, so der Gastronom.

    Fischerdorf, Industriestandort,Einzelhandelssterben – irgendwo istdas alles Niehl. Doch der Stadtteil istim Umbruch. Und was bleibt von denNiehler Besonderheiten? Jürgen Hil-ger vom Bürgerverein trifft es wohlgenau, wenn er antwortet: „Alles.“Niehl sei nicht die Stadt Köln. „Niehlist Niehl und bleibt immer Niehl.“

    Die Niehler verbindet eine wechsel-hafte Beziehung mit dem Rhein. Erwar mal Segen, mal Fluch für dieBewohner des Fischerdorfs. MehrereHochwasser im 18. JahrhundertließenganzeHäuserundLandzungendes Dorfgebietes verschwinden undschufeneinneuesFlussbett.SeitdemfließtderRheindirektandenHäusernam Niehler Damm vorbei. Wennwieder neue Fluten drohten, suchtendie Niehler Schutz beim HeiligenNepomuk. Seine Statue ziert nochheute die Außenmauer des Niehler

    Dömchens. Doch im Jahr 1882 halfauch dieser nicht.

    Deshalb retteten die Fischer kurzer-hand selber das Dorf, indem sierechtswidrig einen Deich am Süden-de durchstachen und so aus Niehleine Insel machten. Gleichzeitig botder Rhein für lange Zeit eine Lebens-grundlage – Fisch in rauen Mengen.Im Jahr 1432 etwa bahnten sich soviele Lachse ihren Weg durch denRhein, dass sie die Kapazität desFlussbettes sprengten. (akh)

    Niehl ist im Umbruch. Überall ent-steht auf brachliegenden FlächenWohnraum. Auch auf der Straße wirdgearbeitet: Seit Mai wird der südlicheNiehler Damm zwischen Sebastian-und Amsterdamer Straße saniert.Gegen Ende des Jahres soll an derStraße Im Grund eine Flüchtlings-unterkunft gebaut werden.

    Der Bürgerverein plant Großes fürden Stadtteil. Ein eigener Kulturpfadsoll dort entstehen. „Wir stellen unssogar eine Niehl-App vor. Man mussja modern werden“, berichtet JürgenHilger. Doch das überschreite dietechnischen Fähigkeiten der Ehren-amtler. „Da müssen uns anderehelfen“,soder68-Jährige. ImGrundebraucht der Bürgerverein eben diese

    jungen Familien, die gerade auchnach Niehl ziehen. „Wir wünschenuns, dass wir hier irgendwann jungeLeute haben, die sich um das Veedelkümmern.“

    Im Südteil von Niehl macht vor allemdie Verkehrslage auf der Friedrich-Karl-Straße Sorgen. Die vierspurigeStrecke ist Ausweichroute für diezwischen Mauenheim und Mülhei-mer Brücke fehlende Gürtelstraße.Mit dem Ausbau des Gürtels stehtund fällt eine Verkehrsberuhigungder Niehler Ost-West-Achse, einemeventuellen Rückbau von zwei Spu-ren sowie Kreiseln statt Ampeln.Thema inNiehl ist auchderFluglärm:Hier beginnt die Einflugschneise zumFlughafen Köln/Bonn. (akh)

    In der Serie „Veedels-Check“ stellen„Kölnische Rundschau“ und „KölnerStadt-Anzeiger“ alle 86 Kölner Stadt-teile in Porträts vor. Diesen Porträtsging eine große, nicht-repräsentativeOnline-Umfrage vom 6. März bis 6.April voraus, in der wir Kölner gebetenhaben, ihren Stadtteil in verschiedenenKategorien zu bewerten. Die Ergeb-nisse finden Sie links in der Rubrik„Veedels-Zeugnis“. Alle bisher veröf-fentlichten Ergebnisse und Stadtteil-Porträts, die nicht in Ihrem Zustellge-biet liegen, können Sie gebündelt aufunserer Internetseite www.rundschau-online.de/veedelscheck nachlesen.

    ZUR SERIE

    Veedels-Veedels-ZeugnisZeugnis

    Veedels-Veedels-ZahlenZahlen

    Gruppen im Karnevalszug: 20

    Einwohner: 20204

    11,2 Jahre wohnen die Niehler unter gleicher Adresse

    Häfen: 1

    Durchschnittsalter: 42,4Größe: 12,06 Quadratkilometer

    Zugehörigkeit zu Köln: 130 Jahre

    Mit der Straßenbahn bis zum Dom: 10 Minuten

    Haushalte mit Kindern: 19,5%

    Veedels-Veedels-MenschenMenschen

    www.rundschau-online.de/veedelscheck

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