Kapitel 6 Mehrstufige Zufallsexperimente. Kapitel 6 © Beutelspacher Januar 2005 Seite 2 Inhalt 6.1...

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Kapitel 6

Mehrstufige Zufallsexperimente

Kapitel 6

Mehrstufige Zufallsexperimente

Kapitel 6 © Beutelspacher

Januar 2005Seite 2

InhaltInhalt

6.1 Mehrstufige Experimente

6.2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten

6.1 Mehrstufige Experimente

6.2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten

Kapitel 6 © Beutelspacher

Januar 2005Seite 3

6.1 Mehrstufige Experimente6.1 Mehrstufige Experimente

Grundvorstellung:

Viele Experimente werden der Reihe nach (in Stufen) ausgeführt.

Dabei können die Experimente einer Stufe von den Experimente der

vorigen Stufen abhängen oder nicht.

Grundmodellierung:

= 1 2 3 ... n,

dabei ist i die Ergebnismenge der i-ten Stufe.

Grundvorstellung:

Viele Experimente werden der Reihe nach (in Stufen) ausgeführt.

Dabei können die Experimente einer Stufe von den Experimente der

vorigen Stufen abhängen oder nicht.

Grundmodellierung:

= 1 2 3 ... n,

dabei ist i die Ergebnismenge der i-ten Stufe.

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Januar 2005Seite 4

BeispielBeispiel

In einer Urne seien eine rote und drei blaue Kugeln enthalten.

Man zieht zufällig eine der Kugeln und legt dann diese

und eine weitere Kugel der gezogenen Farbe in die Urne zurück.

Nun zieht man ein zweites Mal.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, jetzt eine rote Kugel zu ziehen?

Modellierung: = 1 2 mit 1 = 2 = {r, b}.

Das Ereignis „beim zweiten Mal eine rote Kugel“ ist

A = {(r , r), (b , r)}.

In einer Urne seien eine rote und drei blaue Kugeln enthalten.

Man zieht zufällig eine der Kugeln und legt dann diese

und eine weitere Kugel der gezogenen Farbe in die Urne zurück.

Nun zieht man ein zweites Mal.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, jetzt eine rote Kugel zu ziehen?

Modellierung: = 1 2 mit 1 = 2 = {r, b}.

Das Ereignis „beim zweiten Mal eine rote Kugel“ ist

A = {(r , r), (b , r)}.

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Januar 2005Seite 5

Bestimmung der WahrscheinlichkeitenBestimmung der Wahrscheinlichkeiten

Frage: Was ist p() für = (a1, a2) A?

1. Stufe: Die Wahrscheinlichkeit für r ist ¼, die für b ist ¾.

2. Stufe: Im Fall a1 = r enthält die Urne vor dem zweiten Ziehen

2 rote und 3 blaue Kugeln.

Also ist die Wahrscheinlichkeit für rot = 2/5.

Im Fall a1 = b enthält die Urne vor dem zweiten Ziehen

1 rote und 4 blaue Kugeln.

Also ist die Wahrscheinlichkeit für rot = 1/5.

Frage: Was ist p() für = (a1, a2) A?

1. Stufe: Die Wahrscheinlichkeit für r ist ¼, die für b ist ¾.

2. Stufe: Im Fall a1 = r enthält die Urne vor dem zweiten Ziehen

2 rote und 3 blaue Kugeln.

Also ist die Wahrscheinlichkeit für rot = 2/5.

Im Fall a1 = b enthält die Urne vor dem zweiten Ziehen

1 rote und 4 blaue Kugeln.

Also ist die Wahrscheinlichkeit für rot = 1/5.

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Januar 2005Seite 6

ÜbergangswahrscheinlichkeitenÜbergangswahrscheinlichkeiten

Daraus ergibt sich

p(r, r) = 1/42/5 = 2/20, p(r, b) = 1/4 3/5 = 3/20,

p(b, r) = 3/41/5 = 3/20, p(b, b) = 3/4 4/5 = 12/20.

Erster Faktor: Wahrscheinlichkeit für das erste Experiment

Zweiter Faktor: Wahrscheinlichkeit für den Ausgang des zweiten

Experiments aufgrund des Ausgangs des ersten Experiments

Diese „zweiten Faktoren“ heißen Übergangswahrscheinlichkeiten.

Es ergibt sich: P(A) = p(r, r) + p(b, r) = 2/20 + 3/20 = ¼.

Daraus ergibt sich

p(r, r) = 1/42/5 = 2/20, p(r, b) = 1/4 3/5 = 3/20,

p(b, r) = 3/41/5 = 3/20, p(b, b) = 3/4 4/5 = 12/20.

Erster Faktor: Wahrscheinlichkeit für das erste Experiment

Zweiter Faktor: Wahrscheinlichkeit für den Ausgang des zweiten

Experiments aufgrund des Ausgangs des ersten Experiments

Diese „zweiten Faktoren“ heißen Übergangswahrscheinlichkeiten.

Es ergibt sich: P(A) = p(r, r) + p(b, r) = 2/20 + 3/20 = ¼.

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Januar 2005Seite 7

BaumdiagrammBaumdiagramm

r b

r b r b

Start

1/4 3/4

2/5 3/5 1/5 4/5

2/20 3/20 3/20 12/20

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Januar 2005Seite 8

PfadregelnPfadregeln

An jeder Verbindung findet man die entsprechende

Übergangswahrscheinlichkeit.

1. Pfadregel (Multiplikationsregel): Um die Wahrscheinlichkeit

eines Elementarereignisses zu erhalten, multipliziert man die

Wahrscheinlichkeiten auf dem Pfad zu .

2. Pfadregel (Additionsregel): Um die Wahrscheinlichkeit eines

Ereignisses A zu erhalten, addiert man die Wahrscheinlichkeiten

aller Ereignisse A.

An jeder Verbindung findet man die entsprechende

Übergangswahrscheinlichkeit.

1. Pfadregel (Multiplikationsregel): Um die Wahrscheinlichkeit

eines Elementarereignisses zu erhalten, multipliziert man die

Wahrscheinlichkeiten auf dem Pfad zu .

2. Pfadregel (Additionsregel): Um die Wahrscheinlichkeit eines

Ereignisses A zu erhalten, addiert man die Wahrscheinlichkeiten

aller Ereignisse A.

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Januar 2005Seite 9

FormalisierungFormalisierung

1. Startverteilung: Es gibt Wahrscheinlichkeiten

p1(ai), ai 1 mit p1(a1) + p1(a2) + ... = 1.

2. Für alle ai 1 gibt es Übergangswahrscheinlichkeiten

p2(bj ai), bj 2 mit p2(b1 ai) + p2(b2 ai) + ... = 1.

3. Für alle ai 1, bj 2 gibt es Übergangswahrscheinlichkeiten

p3(ck ai, bj), ck 3 mit p3(c1 ai, bj) + p3(c2 ai, bj) + ... = 1.

Usw.

1. Pfadregel: Für = (ai, bj, ck, ...) gilt

p() = p1(ai) p2(bj ai) p3(ck ai, bj) ...

1. Startverteilung: Es gibt Wahrscheinlichkeiten

p1(ai), ai 1 mit p1(a1) + p1(a2) + ... = 1.

2. Für alle ai 1 gibt es Übergangswahrscheinlichkeiten

p2(bj ai), bj 2 mit p2(b1 ai) + p2(b2 ai) + ... = 1.

3. Für alle ai 1, bj 2 gibt es Übergangswahrscheinlichkeiten

p3(ck ai, bj), ck 3 mit p3(c1 ai, bj) + p3(c2 ai, bj) + ... = 1.

Usw.

1. Pfadregel: Für = (ai, bj, ck, ...) gilt

p() = p1(ai) p2(bj ai) p3(ck ai, bj) ...

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Januar 2005Seite 10

ProduktexperimenteProduktexperimente

• Idee: Das j-te Experiment wird „unabhängig“ von den ersten j–1

Experimenten durchgeführt.

• Vorstellung: (a) Experimente räumlich und zeitlich getrennt.

(b) Experimente gleichzeitig.

• Beispiel: Mehrfaches Würfeln

• Mathematische Beschreibung:

Für = (ai, bj, ck, ...) gilt

p() = p1(ai) p2(bj ai) p3(ck ai, bj) ...

• Idee: Das j-te Experiment wird „unabhängig“ von den ersten j–1

Experimenten durchgeführt.

• Vorstellung: (a) Experimente räumlich und zeitlich getrennt.

(b) Experimente gleichzeitig.

• Beispiel: Mehrfaches Würfeln

• Mathematische Beschreibung:

Für = (ai, bj, ck, ...) gilt

p() = p1(ai) p2(bj ai) p3(ck ai, bj) ...

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Januar 2005Seite 11

6.2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten6.2 Bedingte Wahrscheinlichkeiten

• Idee: Verwertung von Teilinformationen,

„Lernen aus Erfahrung“

• In der Regel: Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses,

das feststeht – das wir aber nicht kennen.

• Idee: Verwertung von Teilinformationen,

„Lernen aus Erfahrung“

• In der Regel: Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses,

das feststeht – das wir aber nicht kennen.

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Januar 2005Seite 12

Beispiele 1, 2Beispiele 1, 2

Beispiel 1. In einer Urne sind zwei rote, zwei schwarze und zwei

blaue Kugeln. Eine Person zieht zufällig Kugeln (ohne Zurücklegen).

Sie teilt einer anderen Person (per Telefon) mit, wann sie zum ersten

Mal eine blaue Kugel zieht.

Angenommen, das ist beim dritten Mal.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die ersten beiden Kugeln

rot waren?

Beispiel 2. „Ziegenproblem“: Der Kandidat zeigt auf Tür 1, der

Moderator öffnet Tür 3 (Ziegentür). Wie groß ist die

Wahrscheinlichkeit, dass Tür 2 die Autotür ist?

Beispiel 1. In einer Urne sind zwei rote, zwei schwarze und zwei

blaue Kugeln. Eine Person zieht zufällig Kugeln (ohne Zurücklegen).

Sie teilt einer anderen Person (per Telefon) mit, wann sie zum ersten

Mal eine blaue Kugel zieht.

Angenommen, das ist beim dritten Mal.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die ersten beiden Kugeln

rot waren?

Beispiel 2. „Ziegenproblem“: Der Kandidat zeigt auf Tür 1, der

Moderator öffnet Tür 3 (Ziegentür). Wie groß ist die

Wahrscheinlichkeit, dass Tür 2 die Autotür ist?

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Januar 2005Seite 13

Beispiel 3Beispiel 3

Beispiel 3. Weit entfernt werden zwei Würfel geworfen. Per Telefon

erhalten wir die Nachricht „Augensumme mindestens 8“.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens einer der

Würfel eine Sechs zeigt?

Bemerkung: Bei allen Experimenten geht es um die

Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses, das feststeht – aber uns

unbekannt ist.

Beispiel 3. Weit entfernt werden zwei Würfel geworfen. Per Telefon

erhalten wir die Nachricht „Augensumme mindestens 8“.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens einer der

Würfel eine Sechs zeigt?

Bemerkung: Bei allen Experimenten geht es um die

Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses, das feststeht – aber uns

unbekannt ist.

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Januar 2005Seite 14

Erste mathematische ModellierungErste mathematische Modellierung

Wir betrachten ein Zufallsexperiment .

Wir wissen nur, dass ein Ereignis B eingetreten ist,

dass also B ist.

Ziel: Bestimmung der Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines

Ereignisses A unter der Bedingung B.

Wir schreiben dafür P(AB).

Wir betrachten ein Zufallsexperiment .

Wir wissen nur, dass ein Ereignis B eingetreten ist,

dass also B ist.

Ziel: Bestimmung der Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines

Ereignisses A unter der Bedingung B.

Wir schreiben dafür P(AB).

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Januar 2005Seite 15

Motivation durch relative HäufigkeitenMotivation durch relative Häufigkeiten

Man könnte sich vorstellen, den Wert P(AB) dadurch anzunähren,

dass man viele Versuche durchführt:

rn(AB) = (Anzahl der Versuche, in denen A und B eintritt) :

(Anzahl der Versuche, bei denen B eintritt)

Anders geschrieben:

rn(AB) = rn(A B) / rn(B).

Man könnte sich vorstellen, den Wert P(AB) dadurch anzunähren,

dass man viele Versuche durchführt:

rn(AB) = (Anzahl der Versuche, in denen A und B eintritt) :

(Anzahl der Versuche, bei denen B eintritt)

Anders geschrieben:

rn(AB) = rn(A B) / rn(B).

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Januar 2005Seite 16

DefinitionDefinition

Definition. Sei (, P) ein Wahrscheinlichkeitsraum,

und seien A, B Ereignisse mit P(B) > 0.

Dann heißt

P(AB) = P(A B) / P(B)

die bedingte Wahrscheinlichkeit von A

unter der Bedingung (Hypothese) B.

Schreibweise: PB(A) = P(AB)

Definition. Sei (, P) ein Wahrscheinlichkeitsraum,

und seien A, B Ereignisse mit P(B) > 0.

Dann heißt

P(AB) = P(A B) / P(B)

die bedingte Wahrscheinlichkeit von A

unter der Bedingung (Hypothese) B.

Schreibweise: PB(A) = P(AB)

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Januar 2005Seite 17

Einfache EigenschaftenEinfache Eigenschaften

6.2.1 Hilfssatz. (a) 0 PB(A) 1 für alle A .

(b) PB() = PB(B) = 1.

(c) PB(A1 A2) = PB(A1) + PB(A2), falls A1, A2 disjunkte Ereignisse

sind.

Beweis. (a) Wegen A B B ist P(A B) P(B), also P(AB) =

P(A B) / P(B) 1. (c) PB(A1A2) = P((A1A2) B) / P(B) = P((A1B) (A2B)) / P(B) =

[P(A1B) + P(A2B)] / P(B) = P(A1B) / P(B) + P(A2B) / P(B) =

PB(A1) + PB(A2).

6.2.1 Hilfssatz. (a) 0 PB(A) 1 für alle A .

(b) PB() = PB(B) = 1.

(c) PB(A1 A2) = PB(A1) + PB(A2), falls A1, A2 disjunkte Ereignisse

sind.

Beweis. (a) Wegen A B B ist P(A B) P(B), also P(AB) =

P(A B) / P(B) 1. (c) PB(A1A2) = P((A1A2) B) / P(B) = P((A1B) (A2B)) / P(B) =

[P(A1B) + P(A2B)] / P(B) = P(A1B) / P(B) + P(A2B) / P(B) =

PB(A1) + PB(A2).

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Januar 2005Seite 18

SpezialfallSpezialfall

Für gilt

pB() = p() P(B)–1, falls w B

pB() = 0 sonst.

D.h. man stellt sich vor, dass für alle die Wahrscheinlichkeit

p() um den Faktor P(B) –1 vergrößert wird, und sonst = 0 gesetzt

wird.

Für gilt

pB() = p() P(B)–1, falls w B

pB() = 0 sonst.

D.h. man stellt sich vor, dass für alle die Wahrscheinlichkeit

p() um den Faktor P(B) –1 vergrößert wird, und sonst = 0 gesetzt

wird.

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Januar 2005Seite 19

Lösung 1. BeispielLösung 1. Beispiel

Wir nummerieren die Kugeln mit 1, 2, 3, 4, 5, 6 durch, wobei

1, 2: rot, 3, 4: blau, 5, 6: schwarz.

Wir betrachten die Ereignisse

A = {(a1, a2, a3) {a1, a2} = {1,2}} („die beiden ersten Kugeln sind rot“)

B = {(a1, a2, a3) a3 {3,4}, a1, a2 {1,2,5,6}} („beim dritten Wurf

zum ersten Mal eine blaue Kugel“).

Wir interessieren uns für P(AB).

Wir nummerieren die Kugeln mit 1, 2, 3, 4, 5, 6 durch, wobei

1, 2: rot, 3, 4: blau, 5, 6: schwarz.

Wir betrachten die Ereignisse

A = {(a1, a2, a3) {a1, a2} = {1,2}} („die beiden ersten Kugeln sind rot“)

B = {(a1, a2, a3) a3 {3,4}, a1, a2 {1,2,5,6}} („beim dritten Wurf

zum ersten Mal eine blaue Kugel“).

Wir interessieren uns für P(AB).

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Januar 2005Seite 20

Lösung 1. BeispielLösung 1. Beispiel

Es gilt Es gilt

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Januar 2005Seite 21

Das ZiegenproblemDas Ziegenproblem

Wir modellieren das Ziegenproblem wie folgt:

Sei = {1,2,3} {1,2,3} {1,2,3}. Ein Element = (a1, a2, a3)

interpretieren wir so: a1 ist die Nummer der Autotüre, a2 die Nummer

der vom Kandidaten gewählten Tür, a3 die vom Moderator geöffnete

Tür.

Für die Wahrscheinlichkeiten nehmen wir an:

p1(j) = 1/3, denn das Auto wird zufällig auf eine der Türen verteilt.

p2(k j) = 1/3, denn der Kandidat wählt rein zufällig eine Tür.

Es gilt p() = p(a1, a2, a3) = p1(a1) p2(a2 a1) p3(a3 a1, a2).

Wir modellieren das Ziegenproblem wie folgt:

Sei = {1,2,3} {1,2,3} {1,2,3}. Ein Element = (a1, a2, a3)

interpretieren wir so: a1 ist die Nummer der Autotüre, a2 die Nummer

der vom Kandidaten gewählten Tür, a3 die vom Moderator geöffnete

Tür.

Für die Wahrscheinlichkeiten nehmen wir an:

p1(j) = 1/3, denn das Auto wird zufällig auf eine der Türen verteilt.

p2(k j) = 1/3, denn der Kandidat wählt rein zufällig eine Tür.

Es gilt p() = p(a1, a2, a3) = p1(a1) p2(a2 a1) p3(a3 a1, a2).

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Januar 2005Seite 22

Das Ziegenproblem IIDas Ziegenproblem II

Wir nehmen an, dass der Moderator im Fall, dass ihm zwei Türen

zur Auswahl stehen, zufällig eine der beiden wählt. Das bedeutet:

p3(h j, k) = 1, falls j, k, h die drei Zahlen 1, 2, 3 sind.

p3(h j, k) = 1/2, falls j = k, aber h j.

p3(h j, k) = 0 in allen anderen Fällen.

Das bedeutet

p(j, k, h) = 1/9, falls j, k, h die drei Zahlen 1, 2, 3 sind.

p(j, k, h) = 1/18, falls j = k, aber h j.

p(j, k, h) = 0 in allen anderen Fällen.

Wir nehmen an, dass der Moderator im Fall, dass ihm zwei Türen

zur Auswahl stehen, zufällig eine der beiden wählt. Das bedeutet:

p3(h j, k) = 1, falls j, k, h die drei Zahlen 1, 2, 3 sind.

p3(h j, k) = 1/2, falls j = k, aber h j.

p3(h j, k) = 0 in allen anderen Fällen.

Das bedeutet

p(j, k, h) = 1/9, falls j, k, h die drei Zahlen 1, 2, 3 sind.

p(j, k, h) = 1/18, falls j = k, aber h j.

p(j, k, h) = 0 in allen anderen Fällen.

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Januar 2005Seite 23

Das Ziegenproblem III: Die GewinnwahrscheinlichkeitenDas Ziegenproblem III: Die Gewinnwahrscheinlichkeiten

Schließlich definieren wir:

Aj = {(a1, a2, a3) a1 = j} („das Auto ist hinter der Türe j“)

Wk = {(a1, a2, a3) a2 = k} („der Kandidat wählt Türe k“)

Mh = {(a1, a2, a3) a3 = h} („der Moderator öffnet die Türe h“)

Wir interessieren uns zum Beispiel für die Wahrscheinlichkeit

P(A2 W1 M3), d.h. die Wahrscheinlichkeit, das Auto hinter Tür 2

zu finden, falls der Kandidat Tür 1 gewählt und der Moderator Tür 3

geöffnet hat (Erfolg der Wechselstrategie).

Schließlich definieren wir:

Aj = {(a1, a2, a3) a1 = j} („das Auto ist hinter der Türe j“)

Wk = {(a1, a2, a3) a2 = k} („der Kandidat wählt Türe k“)

Mh = {(a1, a2, a3) a3 = h} („der Moderator öffnet die Türe h“)

Wir interessieren uns zum Beispiel für die Wahrscheinlichkeit

P(A2 W1 M3), d.h. die Wahrscheinlichkeit, das Auto hinter Tür 2

zu finden, falls der Kandidat Tür 1 gewählt und der Moderator Tür 3

geöffnet hat (Erfolg der Wechselstrategie).

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Januar 2005Seite 24

Das Ziegenproblem IVDas Ziegenproblem IV

P(A2 W1 M3) = P(A2 W1 M3) / P(W1 M3) =

= p(2, 1, 3) / [p(2, 1, 3) + p(1, 1, 3)] = 1/9 / [1/9 + 1/18] = 2/3.

(Beachte, dass W1 M3 = {(2,1,3), (1,1,3)}, da das Ereignis (3,1,3)

nicht möglich ist.)

Andererseits ist

P(A1 W1 M3) = P(A1 W1 M3) / P(W1 M3) =

= p(1, 1, 3) / [p(2, 1, 3) + p(1, 1, 3)] = 1/18 / [1/9 + 1/18] = 1/3.

Mit anderen Worten: Die Wechselstrategie verdoppelt die

Gewinnchancen!

P(A2 W1 M3) = P(A2 W1 M3) / P(W1 M3) =

= p(2, 1, 3) / [p(2, 1, 3) + p(1, 1, 3)] = 1/9 / [1/9 + 1/18] = 2/3.

(Beachte, dass W1 M3 = {(2,1,3), (1,1,3)}, da das Ereignis (3,1,3)

nicht möglich ist.)

Andererseits ist

P(A1 W1 M3) = P(A1 W1 M3) / P(W1 M3) =

= p(1, 1, 3) / [p(2, 1, 3) + p(1, 1, 3)] = 1/18 / [1/9 + 1/18] = 1/3.

Mit anderen Worten: Die Wechselstrategie verdoppelt die

Gewinnchancen!

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Januar 2005Seite 25

Die Formel von der totalen WahrscheinlichkeitDie Formel von der totalen Wahrscheinlichkeit

6.2.2 Formel von der totalen Wahrscheinlichkeit. Seien A1, A2,

…, As Ereignisse, die paarweise disjunkt sind, und für die A1 A2

… As = gilt. Dann gilt für jedes Ereignis B:

P(B) = P(A1)P(B A1) + P(A2)P(B A2) + …+ P(As)P(B As).

Beweis für s = 2.

P(B) = P( B) = P((A1 A2) B) = P((A1 B) (A2 B))

= P(A1 B) + P(A2 B) = P(A1)P(B A1) + P(A2)P(B A2).

6.2.2 Formel von der totalen Wahrscheinlichkeit. Seien A1, A2,

…, As Ereignisse, die paarweise disjunkt sind, und für die A1 A2

… As = gilt. Dann gilt für jedes Ereignis B:

P(B) = P(A1)P(B A1) + P(A2)P(B A2) + …+ P(As)P(B As).

Beweis für s = 2.

P(B) = P( B) = P((A1 A2) B) = P((A1 B) (A2 B))

= P(A1 B) + P(A2 B) = P(A1)P(B A1) + P(A2)P(B A2).

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Januar 2005Seite 26

Die Formel von BayesDie Formel von Bayes

6.2.3 Formel von Bayes (Thomas Bayes 1702-1761). Seien P(A) >

0, P(B) > 0. Dann gilt:

P(A B) = P(A) P(B A) / P(B).

Beweis. Da P(A) > 0 und P(B) > 0, existieren die bedingten

Wahrscheinlichkeiten P(B A) und P(A B), und nach Definition

gelten:

P(A B) = P(A B) P(B) und P(A B) = P(B A) P(A).

Zusammen folgt

P(A B) P(B) = P(A B) = P(B A) P(A).

6.2.3 Formel von Bayes (Thomas Bayes 1702-1761). Seien P(A) >

0, P(B) > 0. Dann gilt:

P(A B) = P(A) P(B A) / P(B).

Beweis. Da P(A) > 0 und P(B) > 0, existieren die bedingten

Wahrscheinlichkeiten P(B A) und P(A B), und nach Definition

gelten:

P(A B) = P(A B) P(B) und P(A B) = P(B A) P(A).

Zusammen folgt

P(A B) P(B) = P(A B) = P(B A) P(A).

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Januar 2005Seite 27

Das Simpson-ParadoxDas Simpson-Paradox

Vor einigen Jahren trat an der University of Berkeley in Kalifornien

folgendes Phänomen auf:

- Unter je 1000 Bewerbern wurde weniger Frauen als Männer

zugelassen,

- in jedem Fach wurden Frauen gegenüber Männern prozentual

bevorzugt.

Vor einigen Jahren trat an der University of Berkeley in Kalifornien

folgendes Phänomen auf:

- Unter je 1000 Bewerbern wurde weniger Frauen als Männer

zugelassen,

- in jedem Fach wurden Frauen gegenüber Männern prozentual

bevorzugt.

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Januar 2005Seite 28

Simpson-Paradox: BeispielSimpson-Paradox: Beispiel

Wir machen uns das an einem Beispiel klar. Die Universität möge

nur zwei Fächer haben.

Männer Frauen

Bewerber zugelassen Bewerberinnen zugelassen

Fach 1 900 720 (80%) 200 180

(90%)

Fach 2 100 20 (20%) 800 240

(30%)

Summe 1000 740 1000 420

Wir machen uns das an einem Beispiel klar. Die Universität möge

nur zwei Fächer haben.

Männer Frauen

Bewerber zugelassen Bewerberinnen zugelassen

Fach 1 900 720 (80%) 200 180

(90%)

Fach 2 100 20 (20%) 800 240

(30%)

Summe 1000 740 1000 420

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Januar 2005Seite 29

Stochastische UnabhängigkeitStochastische Unabhängigkeit

Wir wollen ausdrücken, dass das Eintreten eines Ereignisses B

keinen Einfluss auf das Eintreten eines Ereignisses A hat.

Definition. Seien A und B Ereignisse. Wir nennen diese

stochastisch unabhängig, wenn P(A) = P(A B) gilt.

Beobachtung: P(A) = P(A B) P(A B) = P(A)P(B)

P(B) = P(B A).

(Beweis: P(A) = P(A B) P(A) = P(A B) / P(B)

P(A) P(B) = P(A B)

P(B) = P(A B) / P(A) P(B) = P(B A).)

Wir wollen ausdrücken, dass das Eintreten eines Ereignisses B

keinen Einfluss auf das Eintreten eines Ereignisses A hat.

Definition. Seien A und B Ereignisse. Wir nennen diese

stochastisch unabhängig, wenn P(A) = P(A B) gilt.

Beobachtung: P(A) = P(A B) P(A B) = P(A)P(B)

P(B) = P(B A).

(Beweis: P(A) = P(A B) P(A) = P(A B) / P(B)

P(A) P(B) = P(A B)

P(B) = P(A B) / P(A) P(B) = P(B A).)

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Januar 2005Seite 30

BeispieleBeispiele

1. Würfeln mit einem Würfel: A = {2,3}, B = {2,4,6}.

P(A) = 2/6 = 1/3, P(B) = 3/6 = 1/2, P(A B) = 1/6.

2. Zweimaliges Würfeln. A = Augensumme ist gerade, B = der erste

Wurf hat eine gerade Augenzahl

P(A) = 1/2, P(B) = 1/2, P(A B) = ¼.

1. Würfeln mit einem Würfel: A = {2,3}, B = {2,4,6}.

P(A) = 2/6 = 1/3, P(B) = 3/6 = 1/2, P(A B) = 1/6.

2. Zweimaliges Würfeln. A = Augensumme ist gerade, B = der erste

Wurf hat eine gerade Augenzahl

P(A) = 1/2, P(B) = 1/2, P(A B) = ¼.

Kapitel 6 © Beutelspacher

Januar 2005Seite 31

Komplementäre EreignisseKomplementäre Ereignisse

6.2.4 Hilfssatz. Seien A und B unabhängige Ereignisse. Dann

sind auch A und B (= \ B) unabhängig.

Beweis. Es gilt

P(A B) = P(A \ (A B)) = P(A) – P(A B)

= P(A) – P(A) P(B)

= P(A) (1 – P(B)) = P(A) P(B).

6.2.4 Hilfssatz. Seien A und B unabhängige Ereignisse. Dann

sind auch A und B (= \ B) unabhängig.

Beweis. Es gilt

P(A B) = P(A \ (A B)) = P(A) – P(A B)

= P(A) – P(A) P(B)

= P(A) (1 – P(B)) = P(A) P(B).

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Januar 2005Seite 32

Verallgemeinerung der DefinitionVerallgemeinerung der Definition

Definition. Drei Ereignisse A, B, C werden stochastisch

unabhängig genannt, wenn folgende Gleichungen gelten:

P(A) P(B) = P(A B),

P(B) P(C) = P(B C),

P(A) P(C) = P(A C),

P(A) P(B) P(C) = P(A B C).

Entsprechend: Verallgemeinerung auf vier, fünf, … Ereignisse.

Definition. Drei Ereignisse A, B, C werden stochastisch

unabhängig genannt, wenn folgende Gleichungen gelten:

P(A) P(B) = P(A B),

P(B) P(C) = P(B C),

P(A) P(C) = P(A C),

P(A) P(B) P(C) = P(A B C).

Entsprechend: Verallgemeinerung auf vier, fünf, … Ereignisse.

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Januar 2005Seite 33

BeispielBeispiel

Viermaliger Münzwurf.

A = Kopf im ersten Wurf

B = Kopf im zweiten Wurf

C = Kopf im dritten Wurf

P(A) = P(B) = P(C) = 1/2.

P(A B) = P(B C) = P(A C) = 1/4.

P(A B C) = 1/8.

Viermaliger Münzwurf.

A = Kopf im ersten Wurf

B = Kopf im zweiten Wurf

C = Kopf im dritten Wurf

P(A) = P(B) = P(C) = 1/2.

P(A B) = P(B C) = P(A C) = 1/4.

P(A B C) = 1/8.

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