Künstliche organische Hochpolymere III. Zur Kenntnis der Polymethylenharnstoffe

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L i e s e r und a! e h 1 en , Kunstliche orgnnische Hoc7ipolymerelI.L 127

Kunstliche organische Hochpolymere 111. Zur Kenntnis der Polymethylenharnstoffe.

Von Th. Lieser und H. Gehlen.

Erstmalig in dein italienischen Patent Nr. 367 704 (1939) der I. G. Farbenindustrie A. G. wird als typische polyamidbildende Gruppe die Harnstoffgruppe -NH - CO - NH- genannt. Nach diesem Verfahren werden Superpolyamide mi t dem Grundmolekiil -((CH,),. NH - CO . NH- durcli Unisetzung von Diisocyanaten mit Diaminen erhalten. Auf der Suche nach weiteren Reaktionen, die zu nylonartigen Polyamiden mit der Harnstoffgruppiernng fiihren, studierten wir das Verhalten der Diazide beim Verkoclien mit Wasser, das von Th. C u r t i u s und Mitarbeiternl) gelegent- lich der Untersuchung des chemisclien Verhaltens der Azide der Paraffin-dicarbonsauren beobachtet wurde. Curtius formuliert die hierbei gemall der Brutto-Gleichung :

(CHJ, (CON,), + H,O = (CHJ,<;E>CO -I- CO, + 2 N,

entstehenden Harnstoff e ringformig, und zwar auch bei den aus den Aziden der hoheren Dicarbonsauren entstehenden Verbin- dungen, wie z. R. beim Hexa- und Oktamethylenharnstoff.

Die sclion von C u I- t i u s und Mitarbeitern2) angegebenen Eigenschaften des aus den Aziden der Kork- und Sebacinsaure gewonnenen Hexa- und Oktamethylenharnstoffs, wie z. B. deren Unlosliclikeit und holier unscliarfer Schmelzpunkt, lassen nun darauf schlieOen, daO es sich liier nicht urn ringformig konsti- tuierte niedermolekulare Verbindungen handelt, sondern vielmehr urn hochmolekulare Kondensationsprodukte, deren Bildung bei einer Umsetzung der bifunktionellen Azide der Dicarbonsauren nach unserer heut.igen Vorstellung iiber den Verlauf solcher Reaktionen durchaus plausibel eracheint.

Die von C u r t i u s und Mitarbeitern beschriebenen Polymethylenharnstoffe waren also gemall dieser Auffassung als hochmolekulare Kettenmolekiile mit dem Qrundmolekiil -(CH2)n.NH*CO.NH- zu betrachten.

Zur Siclierstellung dieser Auffassung haben wir die Azide einiger hoherer Paraffindicarbonsauren, insbesondere das Azid

') T h . C n r t i n a a . H . C l e m m , J.pr.Ch. (2) 62,196(1900); T h . C n r - t i u s n. E. D a r m s t a e d t e r , J.pr.Ch. (2) 91,s (1915); Th. C a r t i n s 11. H. P r i n g s h e i m , J.pr.Ch. (2) 91,19 (1915); Th . C n r t i n s 11. H Cleriim (1. c. 5.200); Th. C n r t i n s n. W. S t e l l e r , J.pr.Ch. (2) 62,220 (1900).

') T h. Cur t i n s n. H. Clem m (1. c.); T h. C II r t i n s n. W. S t e l l e r (1. c.).

128 L i e s e r rind Q e h l e n ,

der Azelain- und der Sebacinsaure, nacli dem Verfahren von C u r t i u s hergestellt, rnit Wasser verkoclit und einige Eigen- schaften der so gewonnenen PolymethyIenharnstoffe etwas naher untersucht. Insbesondere kam es uns dabei auf den Nachweis des Fadenziehvermogens der geschmolzenen Polymethylenharn- stoffe und der Kaltverstreckbarkeit der erhaltenen Faden an, denn wenn die oben angegebene Deutung iiber die Konstitution dieser Harnstoffe riclitig ist, muaten ja beim Verkochen der Azide rnit Wasser Polykondensationsprodukte entstehen, die von der I. G. Farbenindustrie A.G. auch aus Diisocyanaten und Dia- minen gewonnen wurden und unter dem Namen Perlon zur Her- stellung vollsynthetischer Fasern als geeig.net angegeben merden.

Das Ergebnis dieser Untersuchung war, daO es sich beim Hexa-, Hepta- und Oktamethylenharnstoff urn typisch polyamid- artige hochmolekulare Kondensationsprodukte handelt, deren Schmelzen Faden von betrachtliclier Kaltverstreckbarkeit und danach sehr hoher ReiDfestigkeit liefern, so daO an dem Vor- 1iegenvonPolyniethylenharnstoff en hochmolekularer kettenformiger Natur nicht mehr zu zweifeln ist.

Th . C u r t i u s und E. D a r m s t a e d t e r ’ ) liabea auch ver- sucht, dnrch Verkochen des Adipinsaurediazids rnit Wasser den Tetramethylenharnstoff herzustellen, jedoch ohne Erfolg, weil bei der Reaktion stets Explosion eintrat. Wir haben diese Um- setzung im Becherglas niit kleineren Mengen Adipinsaurediazid ohne Explosion durchfuhren konnen. Ein hochmolekulares Re- aktionsprodukt entstand aber dabei nicht, denn es bildete sich in der Reaktionslosung kein Niederschlag. Eiitweder liatten sich also in Wasser losliche niedermolekulare Reaktionsprodukte ge- bildet oder der Umsatz des intermediar aus dem Azid entstehenden Tetramethylendiisocyanats rnit dem siedenden Wasser ist so trage, daD es sich rnit den Wasserdampfen verfluchtigt, ehe es zur Urn- setzung kommt.

Es sei iibrigens erwahnt, daO Tetramethylenharnstoff schon von E. F i s c h e r 2, durch Erhitzen des aus Tetrametliylendiamin und Kohlendioxyd entstehenden Heaktionsproduktes im Rohr auf 220° als weil3es Pulver erhalten worden ist. Dieses Produkt ist schon VOP Fi s c h e r auf Grund seiner Unloslichkeit und Un- schmelzbarkeit als polylnerer Tetramethylenharnstoff bezeichnet worden.

Ein Versuch, den wir rnit dem aus Hexamethylendiamin und Kohleiidioxyd erhaltenen Reaktionsprodukt gemaa den Angaben von E. F i s c h e r durchgefiihrt haben, ergab ebenfalls ein hoch- molekulares fadenziehendes Reaktionsprodukt.

l) J. pr. Ch. (2) 91,s (1915). *) Ber. 46,2504 (1913).

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Versuehe. Die Azide wnrden nach den Angaben von C n r t i n s nnd Mitarbeitern

ans den SanrediLydraziden dnrch Einwirkniig von salpetriger Same her- gestellt.

Das Verkochen der Azide mit Wasser warile im Becherglas dnrch- gefiihrt, wobei jedesmal 5--10 g Azid rnit 200-500 ccm Wasser anf dem Wasserbad erwkrmt wnrden, biu das auf dem heiDen Wasser als 01 schwimmeiide Azid verschwnnden war. Dabei t r i t t starke Gasentwicklnng anf nnd es bilden sich schon jetzt reichliche Mengeii des betreffenden Harn- stoffs. Wiibrend der Umsetzung mu6 standig geriihrt werden, nm das Azid in dem heiOen Wasser zn zerteilen, da sonst Explosionen aaftreten k6nnen.

Im Gegensatz zn den Angaben von T h. C n r t i n s l), der das Verkochen der Azide, und zwar insbesondere der Fettsaureazide, selbst bei Anwendnng von Decigrammen Snbstanz als eine der gefahrlichsten Operationen be- zeichnet, haben wir gefnnden, daD diese Umsetznng selbst bei Mengen von 5-10 g Azid nnd mehr verbiiltnisniiiDig harmlos ist, wenn man die Reaktion in der oben heschriebenen Weise im Becherglas dnrchfiihrt. Wir haben bei diesem Vorgehen nnr sehr selten eine Explosion beobachtet, die in dem offenen Becherglas immer sehr harmlos verlief. Da wir die meisten Ver- snche rnit Sebacinsanre-diazid dnrchgefiihrt haben, haben wir nnr bei diesem Azid solche Explosionen beobachten kiinnen. Man kann dabei kaum von einer eigentlichen Explosion sprechen. Es handelt sich vielmehr nm eine sehr lebhafte Verpnffnng. Eine Zertriimmernng des GiefiaOes haben wir niemals Eeobachten kSnnen.

Natiirlich ist anznnehmen, daD die thermische Empfindlichkeit der Azide mit abnehmendem Kohlenstoffgehalt steigt nnd daO daher bei den Aziden der niedrigen Dicarhonsanren die Explosionsgefahr beim Verkochen mit Wasser grofler ist.

Wenn beim Erwiirmen anf dem Wasserbad das Slige Azid verschwnn- den ist, wird das Becherglas rnit einem Uhrglas bedeckt und anf dem Drahtnetz noch 1/9-i Stnnde weiter erhitzt nnd der Inhalt im Sieden ge- halten. Riihren ist jetzt nicht mehr notwendig, da das Sieden nnd die anch jetzt noch sehr lebhafte Qasentwicklnng eine geniigende Ihrchmischnng der Fliissigkeit bewirken. Es empfiehlt sich, die ganze Operation unter dem Ahzng dnrchznfiihren, da sonst das intermediar entstehende nnd rnit den Wasserdiimpfen etwas fliichtige Isocyanat die Angenscbleimhllnte stark an- greift.

Der gebildete Harnstoff wird noch heiD abgesangt, mehrmals rnit hei5em Wasser gewaschen, bei- l i O o getrocknet nnd dann je I/*-l Stnnde rnit siedendem Alkohol nnd Ather extrahiert. Ans den heiflen Wasch- fltissigkeiten echeiden sich beim Erkalten meistens noch geringe Mengen einer weiDen Snbstanz ab, deren Menge aber praktisch vernachlassigt wer- den kann nod deren Stickstoffgehalt annahernd ebenfalls anf den betreffen- den Harnstoff stimmt. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei nm weniger hoch kondensierte Prodnkte, die demznfolge in den genannten heiDen LSsnngsmitteln noch etwas 1Sslich sind.

Hexamethylenharnstoff. Die Ansbente an gereinigtem Harnstoff aus Korksanre-dihydrazid be-

f r o g 48010 d. Th. (C7HI4ONB), Ber. N 19,79 Gef. N 19,14.

T h . C n r t i n s nnd H. C l e m m a ) geben nnscharfes Schmelzen bei 290° an.

l) J. pr. Ch. (2) 87, 528 (1913). l) J. pr. Chem. (2) 62,203 (1900).

130 L i e s e r and Qehlen ,

Wir fanden beim Erhitzen im Stickstoffstrom in einem Salzbad bei 30O0 Bildnng einer sehr ziLhfliissigen, blasigen nnd gut fadenziehenden Schmelze. Die Faden weren in fur Polyamide typischer Weise kalt verstreckbar nnd d a m sehr reilfest.

Wir haben anch versncht, das von E. F i s c h e r (1. c.) fur die Her- stellung des poIymeren Tetramethylendiamins angegebene Verfahren auf Hexamethylendiamin zn tibertragen.

Nech 48 stundigem Erhitzen des aus Hexamethylendiamin nnd Kohlen- dioxyd entstehenden Reaktionsprodnktes im Rohr anf 220 O, wobei nach 14 stundigem Erhitzen der Rohrinbalt ernent mit Kohlendioxyd behandelt wnrde, war ein fleischfarbenes Pnlver entstanden, das erst oberhalb 300" eine schlecht fadenziehende Schmelze lieferte. Anch die a m dieser Schmelze erhaltenen Faden sind kalt verstreckbar nnd dann reilfest.

Heptamethylen harnsto ff. Das nnseres Wissens bisher noch nicht dargestellte A z e l a i n s a n r e -

d i a z i d wnrde nech dem Cnrtinsschen Verfahren gewonnen nnd begann ebenfalls schon wahrend des Zatropfens der Nitritlgsnng a m der Reaktions- l6snng ausznfallen. Es ist darnnf zn achten, da l dart Answaschen mit eis- kaltem Wasser geschieht, da dae Azid sonst leicht schmierig wird nn.d dann schwer weiter zn verarbeiten ist. Das Azid ist leicht loslich in Athanol und verpnfft beim Erhitzen anf dem Spatel uber einer Flamme nnr miilig stark. Die Ausbente an Heptamethylenharnstoff beim Verkochen mit Wasser betragt 65 Ol0 d. Th.

(C,€Il,ON,~n Ber. N 17,89 Gef. N 17,35.

Beim Erhitzen des Hlirnstoffs im Stickstoffstrom entsteht nach starkem vorherigem Sintern von etwa 210° ab eine viscose gut fadenziehende Schmelze. Die Fiiden sind kalt verstreckbar nnd dann auch fester als vor dem Verstrecken, zeigten im Ganzen jedoch keine so hohe Festigkeit wie die aus den Schmelzen des Hexa- nnd Oktamethylenharnstoffs erhaltenen Faden.

Oktameth ylen harmto f i S e b a c i n s a u r e - d i h y d r a z i d wurde nach der Vorschrift

von T h. C u r t i u s und U'. S t e 11 e r l) gewonnen (Schmelzp. 189 bis 189,5O), ebenso das D i a z i d .

Beim Verkochen des (fenchten) Azids mit Wasser werden folgende Erscheinnngen beobachtet : Das anf dem Wasser schwimmende Axid bjldet beim ErwLrmen anf dem Wyserbad znnachst einen sahnigen Schanm nnd schlieBlich ein fast farbloses 01, an dem eine lebhafte Gasentwicklnng statt- findet. Das standjge Dnrchriihren der ReaktionslSsang wird so lange fort- gesetzt, bis das 01 verschwnnden ist nnd sich schon betriichtliche llengen Harnstoff gebildet haben, was bei etwa 5 g Snbstanz nsch 20-30 Ninnten der Fall en sein ptlegt. Nun wird die Reaktionslosnng darch direktes Er- hitzen anf dem Drahtnetz znm Sieden gebracht, wobei eine sehr lebhafte Gasentwicklnng eintritt. Es bat den Anschein, als ob erst jetzt der Hanpt- teil des Harnstoffs gebildet wird, so da8 man den Eindrnck gewinnt, d a 8 sich das Azid mit dem Wasser nnr sehr allmahlich amsetzt. Das Sieden der Reaktionslosnng wird bis znm Verschwinden der Gasentwicklnng (1 bis 2 Stnnden) fortgesetzt. Die Ausbente des so gewonnenen, mi t heiBeln Wasser gewaschenen und bei l l O o getroctneten Harnstoffs betriigt 93 O l 0 d. Th. Nach

I) J. pr. Ch. (2) 62,216 (1900).

Kiinstliclie organische Hochpolymere III. 131

dem Extrahieren des Harnstoffs rnit siedendem Athanol nnd Ather, wobei nnr noch sehr geringe Mengen des Prodnktes in Losnng gingen, nnd Trocknen bei l l O o wurden 3 Proben analysiert.

(C,H,,ON& Ber. N 16,42 Qef. N 16,65, 16,29, 16,42. Der Oktamethylenharnstoff ist in den gebriinchlichen organischeu

Losnngsmitteln anch in der Siedehitze nnloslich. In heiflem Formamid ist er miiSig 16slich. Beim Erhitzen rnit m-Kresol tritt nach anfanglicher starker Qnellnng klare Losnng ein. Bei geniigeuder Konzentration ist die so hergestellte L6snng_nach dem Erkalten ziemlich viscoe, aber nicht faden- ziehend. Athanol oder Ather fallen den Harnstoff an3 der Losung in m-Kresol als weiBen Niederschlag wieder aus.

C n r t i n s nnd S t e l l e r (1. c.) geben an, daB der Harnstoff sich beim Erhitzen nnter Briinnnng ohne zn schmelzen zersetzt. Wir fanden, dafl beim Erhitzen im Stickstoffstrom gegen 260° beginnendes Schmelzen ohne Brannfiirbnng eintritt, daD aber die blasige Schmelze such gegen 300° noch iinfierst viscos ist. Die ans dieser Schmelze gezogenen Fiiden sind in typischer U'eise kalt verstreckbar und besitzen dann eine sehr hohe Reifl- festigkeit.

Oxydation von Porphyrinen und Chlorinen mit Osmiumt etr oxy d.')

Voii Hans Fischer und Heinrich Pfeifer. Mit einer Fignr im Text.

( Ans dem Organiech-chemischen Institnt der Techuischen Hochschnle Miinchen.) [Eingelanfen am 16. Marz 1944.1

Die Uberfuhrung der Porphyrine in Chlorine ist ein wich- tiges Problem. Die alteste Methode war die der Einwirkung von Alkoholaten, besonders Amylat, auf Hamine. Z. B. wurde aus Phyllohamin auf diese Weise Phyllochlorin synthetisiert, das sich mit dem aus Chlorophyll erhaltenen kunstlich inaktivierten Phyllo- chlorin als identisch erwies '). Die Reduktion mit Amylat erfordert aber sehr energische Bedingungen ; bei ihrer Anw.endung auf Porphyrine, die dem Chlorophyll nahestehen, z. B. auf das total- synthetisch zugangliche Phaoporphyrin a,, treten infolgedessen sekundare Umwandlungen, vor allen Dingen Abbau des ;so- cyklischen Ringes ein. Kompliziertere synthetische Chlorine sind also auf diese Weise nicht zu erhalten. Eine neue Miiglichkeit schien sich durch Anwendung der Osmiumtetroxyd-Oxydation *) auf Porpliyrine4) zu bieten. Bei der Einwirkung von Osmium-

') 122. Mitteilung znr Kenntnis der Chlorophylle; 121. Mitteilung A. 555,

H. F i s c h e r nnd H. G i b i a n , A. 550, 208 (1942); vgl. H. F i s c h e r 94 (1944).

und J. H. H e l b e r g e r , A. 471, 285 (1929). '1 C r i g e e , A. 522, 75 (1936) nud A. 550, 99 (1941). &) H. F i s c h e r nnd H. E c k o l d t , A. 544, 138 (1940).

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