LITERATUR Bücher,Liebeunddie...

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FREITAG, DEN 26. FEBRUAR 2016 L I TE R ATUR OSTFRIESEN-ZEITUNG, SEITE 14

LEER - Eigentlich ist CarstenTergast Journalist. Dochschon seit 2007 arbeitet derLeeraner als Ghostwriter. Erhat bereits diverse Bücher fürganz verschiedene Autorengeschrieben. „Die Kunst istdabei, den richtigen Ton zutreffen“, sagt Tergast. „DerAutor muss sich in den Wor-ten wiedererkennen könnenund denken: ,Das könnteich geschrieben haben.‘“

Tergast hatte Glückbei seinem Berufsein-stieg. „Gleich mein ers-tes Buch als Ghostwriterwar extrem erfolgreich.“2007 schrieb Tergast fürMichael Winterhoff „Wa-rum unsere Kinder Ty-rannen werden“. Zum ei-nen war das der Auftaktzu insgesamt fünf Bü-chern mit diesem Auto-ren. Zum anderen wirftdas Erstlingswerk bisheute Geld ab.

„Vielleicht hat der Titeldamals polarisiert, vielleichthat er den Zeitgeist getroffen– jedenfalls war das Medien-interesse enorm“, so Tergast.2008 hatte zunächst derWestdeutsche Rundfunkeinen größeren Fernseh-beitrag über den Erzie-hungsratgeber gesendet.„Der Durchbruch kam, alsGünther Jauch Winterhoff inseine damalige SendungStern-TV holte“, berichtetTergast. Noch am selbenAbend stiegen die Verkaufs-zahlen. Tergast, der währendder Sendung im Publikumsaß, berichtet von der After-showparty: „Wir konnten beiHäppchen und Sekt verfol-gen, wie der Verkauf durchdie Decke ging, und plötzlichstand das Buch bei Amazonauf Platz eins. Danach hat dieBildzeitung eine Serie ge-bracht, und im Juni lag derVerkauf bei 80 000 Stück.“

Inzwischen hat Tergastmit mehreren anderen Auto-ren gearbeitet, zum Beispielmit dem für seine außerge-wöhnlichen Urteile bekann-ten und als ex-zentrisch gel-tenden Berli-ner Jugend-richter Andre-as Müller.Oder mitKerstin Guef-froy. Der

heute 49-Jährigen half Ter-gast, ihre erschütternde Le-bensgeschichte in dem Buch„Die Hölle von Torgau“ inWorte zu fassen. „Alle meineAutoren habenetwas zu erzäh-len, viele habeneine Mission“,sagt Tergast. Ge-meinsam sei ih-nen, dass sie das,was sie zu sagenhätten, nichtselbst aufschrei-ben könnten. Auf-träge ergattert Tergast aufunterschiedliche Art. Teils

fragen Verlage an, ob er eineArbeit übernehmen möchte,teils schlägt er Verlagen einThema vor. Ein Agent han-delt für ihn die Konditionen

aus. „Ich schrei-be aber keinBuch, bevor esnicht an ei-nen Verlagverkauft ist“,so Tergast.

Wichtig seiihm – ne-

ben dem Honorar – , dasssein Name auf dem Titelblatterscheint.

Bevor es zu einem Ver-tragsabschluss kommt, füh-

ren Autor und Co-Autor viele inten-sive Gespräche.Dann schreibtTergast ein Expo-sé und die ersten50 Seiten. „Wennich das abgelie-fert habe, kommtder spannendsteMoment“, sagt

Tergast. „Dann entscheidetder Autor: ,Bin ich das, oder

bin ich das nicht?‘“ Damit dieZusammenarbeit gelinge,müsse man sich alsGhostwriter zurücknehmenkönnen. Immer wieder werdean den Manuskripten gefeilt,manchmal würden Kleinig-keiten geändert, manchmalganze Passagen, manchmalwerde das komplette Kon-zept noch mal umgeschmis-sen.

„Bei der ,Hölle von Tor-gau‘ hatte ich zunächst dieIdee, Passagen über die Ge-schichte der DDR einzuflech-ten. Aber das, was KerstinGueffroy zu erzählen hatte,war so stark, dass wir größ-

tenteils darauf verzichtethaben.“ Für gewöhnlichdauere es etwa vier bissechs Monate, bis einBuch so weit sei, dass esan den Verlag gegebenwerden könne. „Inwie-weit es ein Erfolg wird,hängt ganz stark vonder Werbung und demMedieninteresse ab.“

Trotz seines Ein-stiegserfolgs kann sichTergast nicht auf seinenLorbeeren ausruhen.„Es geht mal rauf, malrunter“, sagt der Freibe-rufler. Inzwischen wer-de der Markt von ar-

beitslos gewordenen Re-dakteuren über-

schwemmt. „Darunter sindeinige extrem gute Leute“,räumt der Leeraner ein. Dasmache es nicht einfacher,

Aufträge an Land zuziehen.

Derzeit arbeitetTergast an drei Bü-chern in unterschied-

lichen Bearbeitungsphasen.„Der Messie in uns – Wie wirWohnung und Seele entrüm-peln“ von Sabine Hirzt liegtin den letzten Zügen undkommt Ende Mai heraus. ImSeptember erscheinen zweiBücher, eines veröffentlichtTergast unter seinem eigenenNamen. „Es geht um Weih-nachten in Ostfriesland“, ver-rät er. Über das andere Buchdürfe er noch nicht sprechen,sagt der Ghostwriter, der dieKunst beherrscht den richti-gen Ton zu treffen, sich zu-rückzunehmen – und Still-schweigen zu bewahren.

VON DORIS ZUIDEMA

LITERATUR Carsten Tergast aus Leer arbeitet freiberuflich als Ghostwriter

Die Kunst sei es, denrichtigen Ton zu treffen.Der Autor müsse sich inden Worten wiedererken-nen können, sagt der Co-Schreiber.

Der heimliche Schriftsteller

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______________________CARSTEN TERGAST

„Der Autorentscheidet:,Bin ich das,oder bin ichdas nicht?‘“

Der Leeraner Carsten Tergast hat schon an vielen Büchern mitge-schrieben. BILD: ZUIDEMA

ücher und das Lesen vonBüchern sind Klasse!

Und das Zerschreddern vonBüchern, von denen zu vielegedruckt wurden und die da-mit „irgendwie übrig“ sind,kann für sensible Leser ex-trem belastend sein. So hasstGuylain in dem Roman „DieSehnsucht des Vorlesers“ vonJean-Paul Didierlaurent sei-nen Job in einer Papierver-wertungsfabrik. Aber Resteder zerstörten Bücher blei-ben. Und so liest er jedenMorgen im Vorortzug einpaar Seiten vor, die er am Tagvorher der Schreddermaschi-

B

ne entrissen hat. Eine sehrpersönliche Form der Rebel-lion gegen die Vernichtungvon Literatur. Alle sind stillund hören dem Vorleser zu.Manchmal gibt es sogar Ap-plaus.

Als Guylain eines Tages ei-nen USB-Stick mit dem Tage-buch einer jungen Frau fin-det, liest er ab diesem Zeit-punkt deren Geschichte vor.Irgendwie springt der Zauberdes Textes auf den Vorleserund seine Zuhörer über. FürGuylains Leben ergibt sichmit diesem Fund eine krasseWendung: Er muss die Fraufinden. Und so eröffnet sichfür den liebenswerten Au-ßenseiter eine ganz neue Le-bensperspektive.

„Die Sehnsucht des Vorle-sers“ ist ein wunderschönesRomandebüt und eine Ge-schichte voller Poesie mit un-erwarteten Wendungen.

Jean-Paul Didierlau-rent: Die Sehnsuchtdes Vorlesers. dtv pre-mium. ISBN: 978-3-423-26078-7. 223 Sei-ten, 14,90 Euro.

REZENSIONEN

Bücher, Liebe und dieMagie des Vorlesens

VON JOHANNES ACHIM

sabel Bogdan ist einepreisgekrönte Übersetze-

rin englischer Literatur. Wer-ke von Größen wie JonathanSafran Foer und Nick Hornbyüberträgt sie gekonnt insDeutsche. Kein Zweifel, diegebürtige Kölnerin hat einfeines Gefühl für Sprache.Nach ersten Kurzgeschichtenhat sie nun auch einen eige-nen Roman verfasst. Undwüsste man nicht, dass Bog-dan aus Deutschland kommt,würde man sie garantiert füreine waschechte Britin hal-ten. Der Grund? Ihr Humorist so wunderbar britisch-bö-se – das kann ein gebürtigerEngländer kaum besser.

Ihr Erstling „Der Pfau“steckt voller Situationskomik.Und er spielt da, wo die Au-torin seit 20 Jahren Urlaub

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macht: In einem abgelege-nen Anwesen am Fuß derschottischen Highlands.

Hierher haben sich Chef-bankerin Liz und ihre vier-köpfige Abteilung samt Psy-chologin und Köchin zu ei-nem Teambuilding zurückge-zogen. Doch den Stadtmen-schen fällt es schwer, zu ent-spannen. Ihnen ist so vielNatur auf einmal nicht ge-heuer. Vor allem das ganzeViehzeug, das hier rumläuft!Nicht nur Hunde und Hüh-ner, sogar Pfaue halten dieHausherren Lord und LadyMcIntosh. Und einer von denPfauen spielt ziemlich ver-rückt. Als dann auch nochvöllig überraschend starkerSchneefall einsetzt und dieStraßen in kürzester Zeit un-befahrbar macht, ahnen dieBanker, dass sie länger als ge-plant ausharren müssen. DieNerven liegen blank. In die-ser Extremsituation zeigt je-der über kurz oder lang seinwahres Gesicht und das Wo-chenende läuft langsam abersicher aus dem Ruder . . .

Isabel Bogdan: DerPfau. Kiwi Verlag.ISBN: 978-3-46204-800-1. 256 Seiten,18,99 Euro.

Wochenende mitwilden Wendungen

VON SONJA BAULIG

hren Umzug aufs Land ha-ben der Fotograf Leo und

die Ärztin Andrea sich andersvorgestellt. Aus Hamburgmachen sie sich mit ihrem16-jährigen Sohn Milan aufnach Sachsen, um alles hin-ter sich zu lassen und neuanzufangen. Dort stoßen sieallerdings nicht auf die er-träumte Idylle, sondern aufeine sehr eigene Welt, in diesie kaum hineinzupassenscheinen.

In dem Roman „Vorhof-flimmern“ von Michael Kras-ke pinseln jugendliche Hei-matwächter Hakenkreuze anLaternen und haben es aufSohn Milan abgesehen. Leomuss statt seelenvoller Por-träts den Bürgermeister ab-

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lichten. Die Risse, die sichplötzlich durch das Lebenziehen, versucht das Paar zu-nächst zu ignorieren. Andreawill ankommen und sich an-passen, Leo gegen Missstän-de kämpfen. Sie trifft andereMänner, er spioniert ihr hin-terher, bis auch er einenFehltritt begeht. Als MilansFreund verschwindet, wirddie Dunkelheit so dicht, dasssie alles zu verschlingendroht. Doch plötzlich keimtwieder Hoffnung.

Dem mehrfach preisge-krönten Journalisten MichaelKraske ist das düstere Porträteines Paares gelungen, dasauf einen Abgrund zuzutau-meln scheint, während ringsum sie Nazis ihr Unwesentreiben. Äußere und innereHandlung sind elegant mit-einander verschränkt. Die le-bendige, pointierte Sprachemacht das Buch zu einem le-senswerten Ausflug in eineWelt, die fremd und vertrautzugleich scheint.

Michael Kraske: Vor-hofflimmern. Frei-raum-Verlag. ISBN:978-3-94367-280-0.228 Seiten, 13,95 Euro.

In der Dunkelheitkeimt die Hoffnung

VON MARIA BERENTZEN

estern ist der neue Ur-laubskrimi „Ameroog

spielt verrückt“ der Borku-mer Autorin Ocke Aukes er-schienen (ISBN ISBN 978-3-95451-781-7). Auf der fiktivenNordseeinsel Ameroog mussKommissar Bakker gegenFledermaustürme, Fahrräder,die in Bäumen hängen, undBiotope, die sich selbst er-schaffen, kämpfen – und imWatt einen Menschen vordem Ertrinken retten. Ein hu-morvolles und skurriles Lese-vergnügen.

ie Story „Hechte derNacht“ von Christiane

Dieckerhoff, erschienen imLeda-Sammelband „Flossenhoch 3.0 – Jetzt erst recht“(ISBN 978-3-86412-086-2), istfür den renommierten Fried-rich-Glauser-Preis in derSparte Kurzkrimi nominiertworden. Die Verleihung desPreises findet im April beimFestival „Criminale“ in Mar-burg statt.

G

D

OSTFRIESISCHES

Für Preisnominiert

Die Ostfriesen-Zeitungverlost drei Exemplarevon „Die Hölle von Torgau– Wie ich die Heim-Erzie-hung der DDR überlebte“von Kerstin Gueffroy(ISBN 978-3-28005-593-9). Co-Autor ist CarstenTergast. Wer teilnehmenmöchte, sollte bis zum4. März schreiben, faxenoder mailen an:

Ostfriesen-ZeitungStichwort LiteraturMaiburger Straße 826789 LeerFax: 0491 / 97 90 201E-Mail: buch@zgo.de

Inhalt des Buches

Kerstin Gueffroy schildertin ihrem berührenden Le-bensbericht „Die Höllevon Torgau – Wie ich dieHeim-Erziehung der DDRüberlebte“ wie sie im Al-ter von 14 Jahren von ih-rer Mutter im Heim unter-gebracht wurde und mit

16 Jahrenim „Ge-schlosse-nen Jugend-werkhofTorgau“ lan-dete. „Alleswar nur da-

zu da, uns zu brechen“,sagt Kerstin Gueffroy überdiese Erziehungsstätte,die Margot Honecker per-sönlich eingerichtet hat-te. Kerstin Gueffroy undCarsten Tergast nehmenin dem Buch die Lesergleich zu Beginn mit indie Dunkelzelle – ein kal-tes, modriges, finsteresLoch, wo sich Gueffroydem Tod näher fühlte alsdem Leben.

Die Gewinner

Im Januar hat die OZ dieNovelle „Goldküste“ vonKarin Lüppen verlost. Ge-wonnen haben: TanjaStolpmann aus Leer, Kurt-Dieter Becker aus Emdenund Uwe Jansen Gent ausAurich.

Verlosung Bestseller

© grafik-team.de

Belletristik

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Sachbuch

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5Quelle: dpa

Jan Weiler:Im Reich der Pubertiere.Kindler. 12,00 Euro.

Jojo Moyes:Ein ganz neues Leben.Wunderlich. 19,95 Euro.

Dörte Hansen:Altes Land.Knaus. 19,99 Euro.

Joachim Meyerhoff: Ach, dieseLücke, diese entsetzliche Lücke.Kiepenh. & Witsch. 21,99 Euro.

Horst Evers:Alles außer irdisch.Rowohlt Berlin. 19,95 Euro.

Peter Wohlleben:Das geheime Leben der Bäume.Ludwig. 19,99 Euro.

Christian Hartmann u.a. (Hg.):Mein Kampf.Eine kritische Edition.Institut für Zeitgeschichte.59,00 Euro.

Dalai Lama:Der Appell des Dalai Lamaan die Welt.Benevento. 4,99 Euro.

Carsten Maschmeyer:Die Millionärsformel.Ariston. 19,99 Euro.

Ildiko von Kürthy:Neuland.Wunderlich. 19,95 Euro.

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