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Liz Borer Lukas
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Lizentiatsarbeit eingereicht der
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultt
der Universitt Bern
Betreuender Professor: Prof. Dr. Norbert Thom
Betreuende Assistentin: Joanna Harasymowicz-Birnbach, Magister-Ing.
Institut fr Organisation und Personal
Engehaldestrasse 4
CH-3012 Bern
von:
Lukas Borer
Bsserach (SO)
Matr.-Nr.: 98-105-729
Fluracker 9, 3065 Bolligen
Bolligen, 13.02.2004
Berufliche Neuorientierung und Standortbestimmung Ursachen fr eine Neuorientierung, Instrumente der
Standortbestimmung Theoretische Grundlagen Empirische Studie Handlungsempfehlungen
Vorwort I
Vorwort Ich schreibe diese Arbeit in einer Zeit, in der die Arbeitspltze knapp sind und diverse
Freunde und Verwandte keine Arbeit finden. Es ist eine sehr schne und motivierende
Aufgabe, eine Lizentiatsarbeit zu schreiben, die diese Leute bei der Arbeitsplatzsuche
untersttzen kann. Ich sehe es als Privileg an, in einer solchen Zeit die Thematik Berufliche
Neuorientierung und Standortbestimmung bearbeiten zu drfen. Es gibt mir das Gefhl in
einem Gebiet zu forschen, das direkt zum Wohlergehen der Menschen beitrgt und Lsungen
fr deren Probleme aufzeigt. Ich mchte all jenen Personen herzlich danken, die mir beim Schreiben der Lizentiatsarbeit
hilfreich zur Seite gestanden sind. Herrn Prof. Dr. Norbert Thom und Frau Joanna Harasymowicz-Birnbach, Magister-Ing.,
danke ich herzlich fr die fachliche und methodische Untersttzung. Frau Dr. Anita Graf, die das Thema in Auftrag gegeben hat, ist mir als Praxispartnerin stets
beratend zur Seite gestanden. Ich mchte ihr fr die zahlreichen Inputs und die zur Verfgung
gestellten Bcher herzlich danken. Ebenfalls danken mchte ich Frau Maya Glur, die mir den
Einstieg in meine Arbeit, durch Vorbereitung einer Literaturliste, wesentlich erleichtert hat. Ein besonderes Dankeschn mchte ich an die Experten richten, die sich Zeit fr ein
Interview genommen haben. Diese informativen und aufschlussreichen Gesprche haben den
empirischen Teil meiner Arbeit erst ermglicht. Eine grosse Hilfe war auch meine Mutter Verena Borer, die mich durch Korrekturlesen
untersttzt hat.
Im Folgenden wird zur Vereinfachung bei Funktionsbezeichnungen nur die mnnliche Form
benutzt. Ausdrcke wie Arbeitnehmer, Berater, Experte u. a. reprsentieren beide
Geschlechter gleichermassen.
Bolligen, Februar 2004 Lukas Borer
Inhaltsverzeichnis II
Inhaltsverzeichnis
Vorwort..................................................................................................I
Inhaltsverzeichnis ................................................................................. II
Abbildungsverzeichnis .......................................................................... V
Tabellenverzeichnis..............................................................................VI
Anhangverzeichnis ............................................................................. VII
Abkrzungsverzeichnis .....................................................................VIII 1. Einleitung ....................................................................................... 1
1.1. Ausgangslage und Problemstellung...................................................... 1
1.2. Ziel der Arbeit ....................................................................................... 2
1.3. Abgrenzung des Themas ....................................................................... 2
1.4. Stand der Forschung.............................................................................. 3
1.5. Methoden der Arbeit ............................................................................. 5
1.6. Aufbau der Arbeit .................................................................................. 6
2. Theoretische Grundlagen ............................................................. 8
2.1. Begriffsdefinitionen ............................................................................. 8
2.2. Konzeptioneller Bezugsrahmen ....................................................... 10
2.2.1. Elemente des konzeptionellen Bezugsrahmens ......................... 10
2.2.2. Ursachen fr eine Neuorientierung............................................ 12 2.2.2.1. Erkenntnisse aus der Fluktuationsforschung ......................................13
2.2.2.2. Einflussfaktoren fr eine Neuorientierung .........................................18
2.2.2.2.1. Umweltfaktoren.............................................................................19
2.2.2.2.2. Organisationale Faktoren...............................................................20
2.2.2.2.3. Individuelle Faktoren.....................................................................23
2.2.2.2.4. Beziehungen zwischen den Faktoren .......................................25
2.2.2.3. Spezielle Anstze..................................................................................28
2.2.2.3.1. Karriereplateau .........................................................................28
Inhaltsverzeichnis III
2.2.2.3.2. Lebensphasenmodelle...............................................................29
2.2.2.3.3. Wertewandel.............................................................................33
2.2.3. Ziele der Neuorientierung ............................................................ 34
2.2.4. Standortbestimmung ................................................................... 35 2.2.4.1. Interne Funktionen und externe Institutionen.......................................36
2.2.4.2. Instrumente der Standortbestimmung...................................................36
2.2.5. Bewerbung ................................................................................... 38
3. Empirische Studie........................................................................ 41
3.1. Ziele und Methodik ................................................................................ 41
3.1.1. Problemstellung und Studienziele ............................................... 41
3.1.2. Datenerhebung ............................................................................. 42
3.1.3. Auswahl der Interviewpartner...................................................... 43
3.1.4. Datenaufbereitung und -auswertung............................................ 44
3.2. Ergebnisse der Untersuchung................................................................. 44
3.2.1. Funktionen innerhalb der Unternehmung .................................... 44 3.2.1.1. Allgemeine Aussagen...........................................................................45
3.2.1.2. Midlife Power des MGB ..................................................................45
3.2.1.3. Self-Assessment Instrument der UBS .................................................47
3.2.2. Funktionen ausserhalb der Unternehmung .................................. 52 3.2.2.1. ffentliche Institute..............................................................................53
3.2.2.1.1. Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung Bern (BIZ Bern)......54
3.2.2.1.2. Akademische Berufsberatung Bern (AkBB) ...........................56
3.2.2.1.3. Generelle Aussagen ..................................................................57
3.2.2.1.4. Statistiken .................................................................................58
3.2.2.2. Privatfirmen..........................................................................................60
3.2.2.2.1. Outplacement-Unternehmungen...............................................60
3.2.2.2.2. Weitere Coaching- und Beratungsunternehmungen.................64
3.2.2.3. Vergleich von privaten und ffentlichen Anbietern .............................70
3.2.2.4. Denkhaltungen zur Standortbestimmung .............................................71
3.2.2.5. Tests, Arbeitsmittel und bungen........................................................74
3.2.2.5.1. Hufige Tests und Arbeitsmittel...............................................75
Inhaltsverzeichnis IV
3.2.2.5.2. Spezielle Arbeitsmittel .............................................................85
3.2.2.5.3. bungen ...................................................................................89 4. Handlungsempfehlungen ............................................................ 94
4.1. Handlungsempfehlungen fr Personalverantwortliche.......................... 94
4.2. Handlungsempfehlungen fr Betroffene................................................ 96
4.3. Zusammenfassung und Schlusswort ...................................................... 98
Anhang.............................................................................................. 100
Literaturverzeichnis........................................................................... 105
Selbststndigkeitserklrung................................................................ 111
Abbildungsverzeichnis V
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Aufbau der Lizentiatsarbeit ........................................................................... 7
Abbildung 2: Konzeptioneller Bezugsrahmen der Arbeit ...................................................12
Abbildung 3: Haupteinflussfaktoren der Fluktuation .........................................................14
Abbildung 4: Modell der Disharmonie-Einflussfaktoren ...................................................15
Abbildung 5: Folgen des Zusammenwirkens der Faktorengruppen ...................................25
Abbildung 6: Ziele der Neuorientierung .............................................................................35
Abbildung 7: Ablaufmodell des problemzentrierten Interviews .........................................42
Abbildung 8: Prozess des Self-Assessment Instrumentes ...................................................48
Abbildung 9: Vorgehen bei einem Outplacement ...............................................................64
Abbildung 10: Auswertungsbogen des 16 PF-R ..................................................................79
Tabellenverzeichnis VI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Phasen eines beruflichen Werdegangs nach SCHEIN .....................................32
Tabelle 2: Komponenten der Bewerbungsunterlagen .......................................................39
Tabelle 3: bung des Self-Assessment 1 ..........................................................................49
Tabelle 4: Standorte in der Schweiz .................................................................................58
Tabelle 5: Nachfragevernderung in den Dienstleistungen...............................................59
Tabelle 6: Motive fr eine Beratung .................................................................................59
Tabelle 7: Drei Dimensionen der Angebote .....................................................................66
Tabelle 8: Vergleich von Privatfirmen und ffentlichen Instituten ..................................70
Tabelle 9: Hufige Tests und Arbeitsmittel ......................................................................75
Tabelle 10: Bewertungsskala des AIST ..............................................................................80
Tabelle 11: Testitems des AIST . ..81
Tabelle 12: Items des Karriereanker-Fragebogens .............................................................83
Tabelle 13: Kern-Faktoren des Alpha Plus Profils .............................................................86
Tabelle 14: Modulier-Faktoren des Alpha Plus Profils ......................................................86
Tabelle 15: Hirndominanzen des H.D.I. .............................................................................88
Tabelle 16: Berufsvorschlge des H.D.I. ............................................................................88
Anhangverzeichnis VII
Anhangverzeichnis
Anhang .............................................................................................................100 Dokument 1: Kontaktschreiben .................................................................................100
Dokument 2: Interviewleitfaden ................................................................................102 Anhang 2: Transkripte der Interviews ...............................................................separat
Abkrzungsverzeichnis VIII
Abkrzungsverzeichnis
AG Aktiengesellschaft
AIST Allgemeiner Interessen-Struktur-Test
AkBB Akademische Berufsberatung Bern
BIZ Berufsinformationszentrum
BBT Bundesamt fr Berufsbildung und Technologie
bzw. beziehungsweise
ca. circa
ev. eventuell
DBM Drake Beam Morin
f. folgende
ff. fortfolgende
Fr. Franken
GAV Gesamtarbeitsvertrag
H.D.I. Herrmann Dominanz Instrument
HR Human Ressources
ILOI Institut fr Lernende Organisationen und Innovation
IST 2000 R Intelligenz-Struktur-Test 2000 Revised
inkl. inklusive
KBSB Schweizerische Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Berufs-, Studien- und
Laufbahnberatung
MBTI Myers-Briggs Typenindikator
MGB Migros Genossenschafts Bund
o. O. ohne Ort
o. S. ohne Seite
PAR Projekt, Aktion, Resultat
PC Personal Computer
PersPec Personal Perspectives
16 PF 16-Persnlichkeitsfaktoren-Test
RAV Regionale Arbeitsvermittlung
resp. respektive
SVB Schweizerischer Verband fr Berufsberatung
u.a. und andere
Abkrzungsverzeichnis IX
URL Uniform Resource Locator
usw. und so weiter
vgl. vergleiche
vs. versus
www world wide web
z.B. zum Beispiel
zit. n. zitiert nach
Kapitel 1: Einleitung 1
1. Einleitung Im einleitenden Kapitel geht es zunchst um die Ausgangslage und die Problemstellung der
Thematik (1.1.). Danach wird das Ziel dieser Lizentiatsarbeit beschrieben (1.2.) sowie das
Thema abgegrenzt (1.3.). Anschliessend wird der Stand der Forschung dargelegt (1.4.) und
die Methoden der Arbeit erlutert (1.5.). Im letzten Abschnitt wird dann der Aufbau der
Arbeit dargestellt (1.6.).
1.1. Ausgangslage und Problemstellung Die letzten Jahrzehnte haben verschiedene Vernderungen in der Arbeitswelt mit sich
gebracht. Viele Unternehmen sind in gesttigten Mrkten starkem Wettbewerb ausgesetzt und
kmpfen ums berleben. Technologische Fortschritte haben die Anforderungen an die
Arbeitnehmer verndert. Viele klassische Berufe verlieren ihre Existenz, neue Berufe
entstehen. Globalisierung und Internationalisierung verlangen neue Kompetenzen und
Fhigkeiten von Mitarbeitern. Ein Wechsel von Organisationsstrukturen in vielen
Unternehmungen verndert die Karrierewege (vgl. GREENHAUS/CALLANAN/
GODSHALK 2000: 4 ff.). All dies hat zur Folge, dass aufgrund der schwierigen
Wirtschaftslage oder aufgrund der neuen Verhltnisse am Arbeitsplatz, vermehrt
Arbeitnehmer freigestellt werden. Aus Grnden wie z. B. Unter-/berforderung, Stress, oder
weil die Arbeit keinen Raum mehr fr das Privatleben lsst, sehen sich immer mehr
Arbeitnehmer gezwungen, sich nach einer neuen Stelle umzusehen. All diese Menschen
durchlaufen einen Prozess der beruflichen Neuorientierung.1 Dass die Fluktuation in den letzten Jahren in der Schweiz deutlich zugenommen hat, findet
man beispielsweise in HENNEBERGER/SOUSA-POZA (2002: 15 ff.). Die Fluktuationsrate
in der Schweiz weist im Jahr 2000 einen Wert von ber 10% aus, womit jhrlich mehr als
340`000 Personen ihren Arbeitsplatz wechseln. Mit dem Trend einer steigenden
Fluktuationsrate, kommt der Thematik Berufliche Neuorientierung eine immer grssere
Bedeutung zu.
1 Auf die verschiedenen Ursachen einer beruflichen Neuorientierung wird in Kapitel 2.2.2. detailliert
eingegangen.
Kapitel 1: Einleitung 2
1.2. Ziel der Arbeit Das theoretische Ziel dieser Arbeit ist, anhand eines Bezugsrahmens einen berblick ber die
Thematik Berufliche Neuorientierung und Standortbestimmung2 zu schaffen. Um dies zu
bewerkstelligen, werden in einem ersten Schritt die Ursachen und Motive erlutert, die eine
Person dazu bewegen, sich beruflich neu zu orientieren. Als zweites wird das Ziel einer
beruflichen Neuorientierung hergeleitet. In einem weiteren Schritt werden die Instrumente fr
eine berufliche Standortbestimmung beschrieben. Zustzlich soll erlutert werden, welche
Funktionen innerhalb und ausserhalb einer Unternehmung Untersttzung anbieten, damit
Personen einen erfolgreichen Prozess der beruflichen Neuorientierung durchlaufen knnen. Das praktische Ziel der Studie ist eine Bestandesaufnahme von denjenigen Instrumenten der
Standortbestimmung zu erstellen, die in der Praxis von Experten am hufigsten eingesetzt
werden. Die Instrumente sowie die Vorgehensweisen zu deren Einsatz, sollen detailliert
beschrieben werden. Ausserdem sollen die Angebote bezglich Standortbestimmung
aufgefhrt werden, welche von untersttzenden Funktionen innerhalb und ausserhalb der
Unternehmung dargeboten werden. Das bergeordnete Ziel ist, den von einer Neuorientierung betroffenen Personen den Prozess
der Neuorientierung nher zu bringen und verschiedene Mglichkeiten einer beruflichen
Standortbestimmung vorzustellen. Anhand von ausgewhlten Gestaltungsempfehlungen soll
diesen Menschen aufgezeigt werden, wie sie ihren individuellen Bedrfnissen gerecht eine
berufliche Standortbestimmung durchfhren knnen. Diese Arbeit soll darber hinaus eine
Orientierung fr Personalabteilungen von Firmen darstellen. Einerseits wird aufgezeigt,
welche Ursachen dazu fhren knnen, dass Mitarbeiter die Unternehmung verlassen,
andererseits werden diverse Instrumente vorgestellt, die im Rahmen eines internen
Stellenwechsels oder eines Outplacements zum Einsatz kommen knnen.
1.3. Abgrenzung des Themas Als bedeutendstes Element einer beruflichen Neuorientierung steht die Standortbestimmung
im Zentrum dieser Studie. Insbesondere richtet sich das Hauptinteresse des Verfassers auf die
verschiedenen Instrumente einer Standortbestimmung. So umfasst der Untersuchungs-
2 Zur Vereinfachung wird im Folgenden der Begriff berufliche Neuorientierung mit Neuorientierung
gleichgesetzt. Der Begriff berufliche Standortbestimmung wird mit Standortbestimmung gleichgesetzt. Es
knnen je beide Varianten im Text vorkommen.
Kapitel 1: Einleitung 3
gegenstand dieser Arbeit alle bedeutenden, in der Literatur oder der Beratungs-Praxis
vorkommenden Instrumente, die Personen bei einer beruflichen Standortbestimmung
untersttzen knnen. Der Begriff Instrument beinhaltet im Rahmen dieser Arbeit von
Bchern zum Selbststudium, ber Beratungsgesprche bis hin zu psychologischen Tests und
Seminaren, alle Hilfsmittel, die zum erfolgreichen Durchlaufen einer beruflichen
Standortbestimmung zur Verfgung stehen. Neben den Instrumenten der
Standortbestimmung, misst diese Studie auch den Funktionen innerhalb und ausserhalb der
Unternehmung, die ihre Hilfe zur erfolgreichen Bewltigung des Prozesses anbieten, grosses
Interesse bei. Die Standortbestimmung wird in einen konzeptionellen Bezugsrahmen eingebettet. Dieser
Bezugsrahmen geht zustzlich auch auf die Motive zu einer beruflichen Neuorientierung
sowie auf die Aspekte der Bewerbung fr eine Stelle ein. Die Arbeit bezieht sich ausschliesslich auf Standortbestimmungen im Rahmen einer
beruflichen Neuorientierung. Das heisst, sie bezieht sich auf Menschen, die entweder
berufsttig sind oder bereits einmal waren. Berufliche Standortbestimmungen fr Personen,
die gerade ihre Ausbildung abgeschlossen haben und neu ins Berufsleben einsteigen, werden
nicht speziell bercksichtigt.
1.4. Stand der Forschung Forschung in der Betriebswirtschaft
Fluktuation ist ein vieldiskutiertes Forschungsgebiet in der Betriebswirtschaft. Es gibt etliche
Autoren, die sich mit dieser Thematik beschftigen. In diesen Werken werden hufig
mgliche Motive und Ursachen fr einen Arbeitsplatzwechsel aufgezeigt. Der Begriff
berufliche Standortbestimmung ist in der Literatur der Betriebswirtschaft jedoch nur
schwierig zu finden. Es gibt nur einige wenige Autoren, die sich mit Instrumenten der
Standortbestimmung auseinandersetzen resp. solche Instrumente in Form von bungen und
Handlungsempfehlungen anbieten. Derartige Instrumente beruhen in der Regel auf einer
Kombination von psychologischem Wissen und Erkenntnissen aus der Betriebswirtschaft
(Personalentwicklung, Outplacement usw.). Sie enthalten neben Anleitungen zu einer
Kapitel 1: Einleitung 4
Standortbestimmung hufig auch Ratschlge zur Erstellung von Bewerbungsunterlagen
sowie Vorbereitungen auf Vorstellungsgesprche.3 Forschung in der Psychologie
Wie im Kapitel Begriffsdefinitionen (2.1.) noch eingehender erwhnt wird, zielt die
Standortbestimmung unter anderem darauf ab, die Persnlichkeit eines Menschen zu
durchleuchten. Fhigkeiten, Interessen und Bedrfnisse einer Person sollen ermittelt werden.
Die differentielle Psychologie beschftigt sich mit den interindividuellen Differenzen beim
Menschen. Und zwar mit den Unterschieden im Leistungsbereich und im
Persnlichkeitsbereich (vgl. AMELANG/BARTUSSEK 1997: XV). Aus diesem Gebiet der
Psychologie stammen diverse Tests, wie z.B. Persnlichkeitstests und Intelligenztests. An
psychologischen Instituten der Schweizer Universitten finden sich umfassende Testbatterien.
Solche Tests sind zwar oft nicht spezifisch fr die Berufswahl konzipiert, knnen jedoch
wichtige Informationen ber Leistungsfhigkeit und Persnlichkeit eines Menschen bieten
und sind somit teilweise auch fr eine berufliche Standortbestimmung geeignet.
Informationen ber die Ursachen einer beruflichen Neuorientierung finden sich in der
Entwicklungspsychologie4 sowie in der Arbeits- und Organisationspsychologie. Die Arbeits-
und Organisationspsychologie beschftigt sich damit, wie Verhltnisse am Arbeitsplatz
(Arbeitszeitenregelungen, Arbeitsplatzgestaltung, Fhrungskraft-Mitarbeiter-Verhltnisse
usw.) auf die Arbeitnehmer einwirken. Es existieren eine Vielzahl von Motivationstheorien,
die aufzeigen, welche Arbeitsbedingungen fr die Zufriedenheit eines Arbeitnehmers von
Bedeutung sind. Weitere Forschungsgebiete
Nicht nur die Forschung der Betriebswirtschaft und der Psychologie sind fr eine berufliche
Neuorientierung von Bedeutung, es gibt noch weitere Wissenschaften, die aufschlussreiche
Erkenntnisse anzubieten haben. So knnen z.B. die Anstze der Astrologie, die
interindividuellen Unterschiede von Menschen zu erklren, eine wertvolle Ergnzung sein.
Was die Astrologie zur beruflichen Neuorientierung beitragen kann, wird anhand der
empirischen Studie erhoben.5 3 Beispiele von Instrumenten der Standortbestimmung: BCHI (2001), SCHEIN (1995), SCHMID/
BARMETTLER (2001) und SCHMID/BARMETTLER (2001a). Auf die Instrumente der Standortbestimmung
wird zuerst im Kapitel 2.2.4.2. und dann noch detaillierter im Kapitel 3.2. eingegangen. 4 Aus der Entwicklungspsychologie knnen Modelle der Lebensphasen herangezogen werden, um das Bedrfnis
nach Neuorientierung zu begrnden. Lebensphasenmodelle werden im Kapitel 2.2.2.3.2. dargestellt. 5 Resultate der Studie werden in Kapitel 3.2. aufgefhrt.
Kapitel 1: Einleitung 5
1.5. Methode der Arbeit Anhand einer Literaturanalyse werden die zentralen Begriffe Neuorientierung,
Standortbestimmung und Fluktuation definiert sowie die Grundlagen zur Erstellung eines
konzeptionellen Bezugsrahmens erarbeitet. Die Elemente dieses Bezugsrahmens, sind
- die Ursachen einer Neuorientierung
- die Ziele der Neuorientierung
- die Standortbestimmung
(Diese enthlt zwei Elemente: Einerseits die unternehmungsinternen und -externen
Funktionen, die Standortbestimmungen anbieten, andererseits die Instrumente fr eine
Standortbestimmung.)
- und die Bewerbung.
Die Instrumente und untersttzenden Funktionen werden als Erluterung des Bezugsrahmens
nur punktuell beschrieben, da ein Grossteil der Informationen darber erst im empirischen
Teil der Arbeit erhoben und erlutert wird. Anhand einer empirischen Studie in Form von
halbstandardisierten Interviews, sollen ausgewhlte Experten ber die in der Praxis
angewandten Instrumente der Standortbestimmung und die unterschiedlichen Ablufe und
Vorgehensweisen bei deren Anwendung, befragt werden. Das genaue methodische Vorgehen
mit den Elementen Problemstellung und Studienziele, Datenerhebung, Auswahl der
Interviewpartner und Datenaufbereitung und -auswertung wird in Kapitel 3.1. dargestellt.
Die Interviewpartner werden gebeten, Dokumente mit Informationen zum Thema
Neuorientierung/Standortbestimmung zur Verfgung zu stellen. Anhand einer
Dokumentenanalyse sollen anschliessend ergnzende Informationen ber die Angebote der
befragten Unternehmungen bezglich beruflicher Neuorientierung erarbeitet werden. Um eine
bessere bersicht ber die Instrumente der Standortbestimmung zu gewhrleisten und eine
umfassende Gliederung zu ermglichen, werden die in der Literatur gefundenen Instrumente
zusammen mit den Ergebnissen der empirischen Studie prsentiert. Aus den Erkenntnissen
der empirischen Studie und der Dokumentenanalyse werden in einem letzten Schritt
Handlungsempfehlungen abgeleitet. Reprsentativitt in der empirischen Studie als auch
Vollstndigkeit von Ursachen der Neuorientierung oder Instrumenten der
Standortbestimmung werden nicht angestrebt.
Kapitel 1: Einleitung 6
1.6. Aufbau der Arbeit Die Lizentiatsarbeit ist in vier Kapitel gegliedert. Nach den einleitenden Erluterungen im
Kapitel 1, werden im Kapitel 2 die theoretischen Grundlagen der Arbeit errtert. Zum einen
werden die fr das Thema zentralen Begriffe Fluktuation, Standortbestimmung und
Neuorientierung definiert, zum anderen werden diese Begriffe in einen konzeptionellen
Bezugsrahmen eingebettet. Der Hauptbestandteil des Kapitels stellt die Beschreibung der
einzelnen Elemente des Bezugsrahmens dar (Ursachen fr eine Neuorientierung / Ziele der
Neuorientierung / Standortbestimmung / Bewerbung). Das nchste Kapitel befasst sich mit den empirischen Untersuchungen. Kapitel 3 beinhaltet
sowohl die Ziele und die Methodik der empirischen Studie als auch die Ergebnisse der
Untersuchung. Die verschiedenen Angebote an Standortbestimmungen, die anhand von
halbstandardisierten Interviews erhoben wurden, werden aufgezhlt. Einige ausgewhlte
Instrumente der Standortbestimmung werden detailliert beschrieben. Im Kapitel 4 werden Handlungsempfehlungen fr die zwei Zielgruppen dieser Arbeit
abgegeben. Dies sind einerseits Personalverantwortliche in Unternehmungen, andererseits von
einer Neuorientierung betroffene Personen. Abschliessend wird eine Zusammenfassung der
Inhalte der Arbeit aufgefhrt sowie ein Schlusswort angefgt. Der Aufbau der Arbeit wird in Abbildung 1 dargestellt.
Kapitel 1: Einleitung 7
Abbildung 1: Aufbau der Lizentiatsarbeit
Kapitel 1: Einleitung
-Ausgangslage und Problemstellung -Stand der Forschung-Ziel der Arbeit -Methoden der Arbeit-Abgrenzung des Themas -Aufbau der Arbeit
-Handlungempfehlungen -Zusammenfassung und Schlusswort
-Ziele und Methodik -Ergebnisse der Untersuchung:-Interne Funktionen-Externe Institutionen
Kapitel 3: Empirische Studie
Kapitel 1: Einleitung
Kapitel 4: Handlungsempfehlungen
Begriffsdefinitionen: Konzeptioneller Bezugsrahmen:-Fluktuation -Ursachen fr eine Neuorientierung-Standortbestimmung -Zielsystem-Neuorientierung Standortbestimmung
-Bewerbung
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 8
2. Theoretische Grundlagen Als erstes werden in diesem Kapitel die zentralen Begriffe der Arbeit definiert (2.1.). In einem
zweiten Teil wird die Thematik berufliche Neuorientierung und Standortbestimmung in
einen konzeptionellen Bezugsrahmen eingebettet und dessen Elemente detailliert beschrieben
(2.2.).
2.1. Begriffsdefinitionen Damit man sich mit der Thematik dieser Arbeit auseinandersetzen kann, ist es unerlsslich,
einige zentrale Begriffe so zu definieren, wie sie im Rahmen dieser Studie Verwendung
finden. Es ist an dieser Stelle zu vermerken, dass diese Arbeit einen hohen Neuigkeitsgrad
aufweist. Die Begriffe berufliche Neuorientierung und Standortbestimmung werden in
der Literatur nur selten erwhnt und noch seltener definiert. So obliegt es dem Autor, die
Begriffe adquat zu definieren.
Fluktuation
Der Begriff Fluktuation kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Schwankung. In der
Betriebswirtschaft wird unter Fluktuation Personalschwankung verstanden. In der Praxis
des Personalmanagements wird der Begriff enger gefasst und meint lediglich die Summe aller
Personalabgnge (vgl. FLUCK 1992: 10f.). FLUCK nennt mehrere Unterscheidungskriterien,
nach denen sich der Begriff Fluktuation weiter unterteilen lsst. Relevant ist fr diese
Arbeit die Unterscheidung nach der Initiative:
- Organisationsinitiierter Austritt: Entlassung durch die Unternehmung
- Mitarbeiterinitiierter Austritt: Der Mitarbeiter kndigt den Vertrag Je nachdem auf welche Art der Austritt aus der Unternehmung erfolgt, treten andere
Mglichkeiten fr eine Neuorientierung in den Vordergrund. Wird ein Mitarbeiter von der
Unternehmung freigestellt, untersttzt ihn diese mglicherweise durch Outplacement oder
Beratung bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Ein Arbeitnehmer, der aus eigener
Initiative eine Unternehmung verlassen will, wird sich eher an externe Institutionen (Berufs-
und Laufbahnberatungen, Coaching-Unternehmen, Personalentwicklungsunternehmen usw.)
wenden und vorerst seine Absicht geheim halten. In SEMMER/BAILLOD (1993: 180) wird
neben der organisationsinitiierten und individuumsinitiierten auch noch die unvermeidbare
Fluktuation aufgefhrt. Diese Form tritt bei Pensionierung, Todesfall, schwerwiegender
Krankheit u. a. auf. Hinsichtlich der Thematik dieser Arbeit, wird man sich auf die beiden
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 9
Begriffe von FLUCK beschrnken. Ein organisationsinitiierter Austritt fhrt in der Regel zu
einer Neuorientierung, ein individuumsinitiierter Austritt erfolgt aufgrund einer
Neuorientierung. Beide Arten der Fluktuation fhren zu einer beruflichen
Standortbestimmung.
Berufliche Standortbestimmung
Eine berufliche Standortbestimmung kann einzeln oder in Gruppen, als Selbst- oder auch
als Fremdbeurteilung, anhand eines Fragebogens, im Rahmen eines Gesprchs, mittels Tests
oder mit Hilfe von bungen vorgenommen werden. Das Ziel einer Standortbestimmung ist,
dass die betroffene Person mglichst viele Informationen ber sich selbst sammelt. Es geht
darum, die eigenen Strken und Schwchen, Fhigkeiten, Interessen, Werte, Bedrfnisse,
Einstellungen, Antriebsfaktoren, Verhaltensweisen und Eigenschaften zu erkennen. Auf diese
Weise gelangt man zu einer Selbsterkenntnis, die berufliche Vernderungen ermglicht (vgl.
Graf 2002: 251). Eine Standortbestimmung liefert die Informationen, um die ideale Ttigkeit
fr einen Menschen zu umschreiben (vgl. Bchi 2001: 16). Damit im Rahmen einer
Standortbestimmung die ideale Ttigkeit fr eine Person ermittelt werden kann, sind neben
Fhigkeiten und Interessen auch das persnliche und berufliche Umfeld zu bercksichtigen.
Vorhandene finanzielle Mittel, Mobilitt, Familie, gesundheitliche Verfassung sowie
Ausbildungsstand sind wichtige Rahmenbedingungen, welche die Mglichkeiten fr die
persnliche Laufbahn einschrnken.
Berufliche Neuorientierung
Sich orientieren kommt aus dem Lateinisch-Franzsischen und bedeutet sich
zurechtfinden, eine Richtung suchen (vgl. Wermke u. a. 2001: 706). Der Autor bertrgt
dies auf sich beruflich neu orientieren, was gleichbedeutend ist mit eine neue berufliche
Richtung suchen. Berufliche Neuorientierung ist als Begriff in der Literatur kaum
anzutreffen. Die definitorischen Grenzen sind nicht starr vorgegeben.
Der Verfasser definiert berufliche Neuorientierung als einen Prozess, den eine Person vom
Zeitpunkt des Entscheids eines Stellenwechsels, bis zum Vertragsabschluss fr eine neue
Ttigkeit, durchluft. Dieser Prozess beginnt bei der Standortbestimmung, enthlt die Analyse
der verschiedenen Arbeitsangebote sowie die Bewerbung und endet mit dem Unterzeichnen
eines Arbeitsvertrages. Neuorientierung findet sowohl bei organisationsinitiierter- und
individuumsinitiierter Fluktuation als auch bei Stellenwechseln innerhalb eines Unternehmens
statt.
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 10
2.2. Konzeptioneller Bezugsrahmen Nach den begrifflichen Aussagen im ersten Teil des 2. Kapitels gilt es, die Thematik
berufliche Neuorientierung und Standortbestimmung in einen konzeptionellen
Bezugsrahmen einzubetten (2.2.1.), die Elemente dieses Bezugsrahmens zu beschreiben sowie
die Beziehungen zwischen diesen Elementen aufzuzeigen (2.2.2. bis 2.2.5). Zuerst prsentiert
der Autor eine kurze bersicht des Bezugsrahmens, die dann in den nachfolgenden
Abschnitten detailliert dargestellt und ergnzt wird.
2.2.1. Elemente des konzeptionellen Bezugsrahmens Anhand eines Bezugsrahmens sollen die Elemente, die einen Einfluss auf die berufliche
Neuorientierung und Standortbestimmung ausben, zueinander in Verbindung gebracht
werden. Da in der betriebswirtschaftlichen Fachliteratur keine Arbeiten bestehen, die sowohl
die Ursachen fr einen Stellenwechsel (diese Thematik wird in der Fluktuationsforschung
behandelt) als auch die Instrumente fr eine Standortbestimmung umfassen, wird der Autor
einen eigenen Bezugsrahmen aufstellen, der nicht auf einer Vorlage beruht. Der
Bezugsrahmen enthlt drei Elemente: a) Ursachen fr eine Neuorientierung
Die Ursachen fr eine Neuorientierung sind einerseits die Beweggrnde, die eine
Person dazu fhren, sich beruflich neu orientieren zu wollen, andererseits die
Beweggrnde, die Firmen dazu veranlassen, Leute freizustellen. Es wird eine
Gliederung in Umweltfaktoren, betriebliche Faktoren und individuelle Faktoren
verwendet. b) Ziele der Neuorientierung
Aufgrund von ungnstigem Zusammenwirken von Umweltfaktoren, betrieblichen und
individuellen Faktoren resultiert der Wunsch oder die Notwendigkeit fr ein
Individuum, sich nach einer neuen Stelle oder sogar nach einem neuen Beruf
umzusehen. Es entsteht das Ziel der beruflichen Neuorientierung. Dieses Ziel gilt als
erreicht, wenn ein Vertragsabschluss fr eine neue Stelle (ev. in einem neuen Beruf)
erfolgt ist, welche den Interessen, den Fhigkeiten und der Persnlichkeit des
Individuums entspricht. Die Zielsetzung ist das Kernelement des Bezugsrahmens. Die
anderen Elemente tragen zur Erreichung des Zieles bei.
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 11
c) Aktionsparameter Der Prozess der beruflichen Neuorientierung enthlt zwei Aktionsparameter, die direkt
zur Zielerreichung beitragen.
Standortbestimmung Durch das Durchfhren einer Standortbestimmung rckt die betroffene Person der
Zielerreichung einen bedeutenden Schritt nher. Erst wer sich im Klaren ist ber
eigene Strken, Schwchen, Interessen usw., kann zielgerichtet eine neue Stelle
suchen. Die Elemente einer Standortbestimmung sind einerseits die
untersttzenden Funktionen in den Unternehmungen selbst sowie die externen
Berater, welche Standortbestimmungen anbieten, andererseits die Instrumente der
Standortbestimmung.
Bewerbung Nach Abschluss der Standortbestimmung sind idealerweise alle Informationen
vorhanden, um die optimale Ttigkeit fr eine Person zu umschreiben. Der letzte
Schritt zur Zielerreichung liegt nun darin, geeignete Stelleninserate zu finden, sich
fr die Bewerbung vorzubereiten und ein erfolgreiches Bewerbungsgesprch zu
fhren.
In der Theorie existiert eine Aufteilung in mittelbare und unmittelbare
Aktionsparameter. Die mittelbaren Handlungsgrssen sind eher langfristig angelegt und
wirken oft indirekt, whrend die unmittelbaren Handlungsgrssen direkt zur
Zielerreichung beitragen (vgl. Zaugg 2002: 8). Die unmittelbaren Aktionsparameter
wurden bereits erwhnt (Standortbestimmung und Bewerbung), die mittelbaren
Aktionsparameter werden in dieser Arbeit als Ursachen fr eine Neuorientierung
bezeichnet. Die verschiedenen Faktoren, die eine Person dazu bewegen, sich nach einer
neuen Stelle umzusehen, wirken meist ber lngere Zeit und tragen indirekt zum Ziel
der Neuorientierung bei. Die Elemente des konzeptionellen Bezugsrahmens und ihre Beziehungen zueinander werden
in Abbildung 2 dargestellt.
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 12
Abbildung 2: Konzeptioneller Bezugsrahmen der Arbeit6
2.2.2. Ursachen fr eine Neuorientierung In diesem Unterkapitel sollen die wichtigsten Ursachen, die zu einer beruflichen
Neuorientierung fhren knnen, dargestellt werden. Es wurde in der Begriffsdefinition
festgelegt, dass eine Neuorientierung sowohl bei individuumsinitiierter Fluktuation, aufgrund
von organisationsinitiierter Fluktuation sowie bei internem Stellenwechsel durchschritten 6 Eigene Abbildung.
Ursachen einer beruflichen Neuorientierung
Ziele der Neuorientierung
Prozess der Neuorientierung
Berufliche Standortbestimmung
Bewerbung
Untersttzende Funktioneninnerhalb der Unternehmung
Untersttzende Funktionen ausserhalb der Unternehmung
(Externe Institutionen)
Instrumente der Standortbestimmung
Umweltfaktoren Individuelle Faktoren
Organisationale Faktoren
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 13
wird. Die Fluktuationsforschung bietet wichtige Erkenntnisse ber die Einflussfaktoren und
Prdiktoren von individuumsinitiierter Fluktuation7. Die Thematisierung von
organisationsinitiierter Fluktuation und internem Stellenwechsel wird hingegen weitgehend
vernachlssigt. Im Folgenden werden einige Erkenntnisse aus der Fluktuationsforschung
erlutert (2.2.2.1.). Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, werden die
verschiedenen Anstze stark zusammengefasst dargestellt. Es soll ersichtlich werden, welche
Faktoren einen Einfluss auf die Fluktuation haben, und welche Mglichkeiten zur Gliederung
dieser Faktoren bestehen. Anschliessend werden die gewonnenen Erkenntnisse dazu benutzt,
die Ursachen einer Neuorientierung so zu gliedern, wie dies fr diese Arbeit angebracht
erscheint (2.2.2.2.). Ergnzend wird dann auf weitere spezielle Anstze eingegangen, welche
die Motive fr einen Arbeitsplatzwechsel zu erklren versuchen.
2.2.2.1. Erkenntnisse aus der Fluktuationsforschung Gliederung der Einflussfaktoren
Eine der ersten umfassenden Untersuchungen, die sich ausschliesslich mit dem Thema
Fluktuation auseinandersetzt, wurde von SABATHIL durchgefhrt. Er unterscheidet drei
Kategorien von Ursachen fr eine Fluktuation (vgl. SABATHIL 1976: 35):8
Rahmenbedingungen Dies sind einerseits gesellschaftssystembezogene Faktoren, wie Arbeitsrecht und
Wirtschaftssystem, andererseits situative Rahmenbedingungen, wie die allgemeine
Wirtschaftslage und die berufsbezogene Arbeitsmarktsituation.
Organisationale Faktoren Die organisationalen Faktoren werden in fnf Gruppen unterteilt. Unter den
allgemeinen betrieblichen Faktoren werden insbesondere die
Branchenzugehrigkeit und der Standort genannt. Die techno-organisationalen
Faktoren beinhalten den Produktionsvollzug sowie die Arbeitsplatzgestaltung und
Arbeitszeitregelung. Die sozio-organisationalen Faktoren umfassen die
Beziehungsstrukturen und die Organisationsstruktur. Als vierte Gruppe werden die
monetren Faktoren erwhnt. Die Rede ist hier unter anderem vom Lohnsatz und
7 Fluktuation bedeutet im Zusammenhang mit Ergebnissen aus der Fluktuationsforschung stets
individuumsinitiierte Fluktuation. 8 Die meisten Einflussgrssen oder Faktoren, die in 2.2.2.1. erwhnt werden, werden in 2.2.2.2. nochmals
aufgefhrt und erlutert.
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 14
den Sozialleistungen. Unter sonstige Faktoren fllt z. B. der wirtschaftliche Schutz
vor Verlust des Arbeitsplatzes.
Individuelle Faktoren Diese Gruppe von Faktoren wurde in drei Kategorien eingeteilt. Die
personenbezogenen Faktoren sind insbesondere die Persnlichkeit und
demographische Angaben. Die zweite Kategorie sind die berufsbezogenen
Faktoren. Sie beinhalten z. B. das Ausbildungsniveau wie auch die
Betriebszugehrigkeitsdauer. Neben den genannten, existieren noch eine Reihe
weiterer Faktoren, die jedoch nur am Rande erwhnt werden. So wird z. B. die
Erziehung als mgliche Determinante fr Fluktuation angesehen.
Abbildung 3: Haupteinflussfaktoren der Fluktuation9
Spter hat man erkannt, dass die Ursachen einer Fluktuation ebenfalls die Ursachen anderer
Symptome sein knnen (z. B. innerer Kndigung). In FLUCK (1992: 67ff) wird ein Modell
verwendet, in welchem verschiedene organisatorische Faktoren unter Einfluss von
konstitutiven Rahmenbedingungen eine Disharmonie zwischen Mitarbeiter- und
Betriebsinteressen bewirken knnen. Diese Disharmonie endet je nach individuellen Faktoren
9 Vereinfachte Darstellung der Vorlage von Sabathil (1976: 36).
Rahmenbedingungen/Umweltfaktoren
Konstitutive Rahmenbedingungen
Situative Rahmenbedingungen
Organisationale Faktoren
Allgemeine betriebliche Faktoren
Techno - organisationale Faktoren
Sozio - organisationaleFaktoren
Montre Faktoren
Sonstige Faktoren
Individuelle Faktoren
Personenbezogene Faktoren
Berufsbezogene Faktoren
Sonstige Faktoren
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 15
des Mitarbeiters und situativen Rahmenbedingungen in einer Fluktuation oder in einer
inneren Kndigung.
Abbildung 4: Modell der Disharmonie-Einflussfaktoren10
Die in der Abbildung 4 erwhnten Faktoren werden nun kurz erlutert:
Organisatorische Faktoren Diese Gruppe umfasst das Betriebsumfeld, die technisch-organisatorische
Struktur, die Anreizstruktur sowie die soziale Struktur in einem Unternehmen.
Auch der Arbeitsinhalt wird hier erwhnt. Stimmen in einem oder in mehreren
dieser Faktoren die Bedingungen nicht mit den Vorstellungen eines Arbeitnehmers
berein, kann eine Disharmonie zwischen Mitarbeiter- und Betriebsinteressen
ausgelst oder verstrkt werden.
Konstitutive Rahmenbedingungen Die konstitutiven Rahmenbedingungen unserer Volkswirtschaft sind die
Verfassung, die Gesetze und die Verordnungen. Ein gutes Beispiel ist das
Arbeitsrecht, welches einen bedeutenden Einfluss auf die Fluktuation hat. Diese
10 Vereinfachung der Darstellung aus Fluck (1992: 67) zur Entstehung von Fluktuation und innerer Kndigung.
Organisatorische Faktoren
Verstrker und Auslser der Disharmonie Konstitutive
Rahmenbedingungen
Individuelle Faktoren
Intensitt der Disharmonie
Situative Rahmenbedingungen
Art des Symptomes
Innere Kndigung Sy mptom
Fluktuation Symptom
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 16
Rahmenbedingungen sind von Unternehmungen oder Einzelpersonen nur durch
langzeitliche Bemhungen zu beeinflussen und werden in der Arbeit von FLUCK
als statisch betrachtet. Verfassung, Gesetze und Verordnungen haben einen
Einfluss auf die organisationalen Faktoren einer Unternehmung.
Individuelle Faktoren Unter individuelle Faktoren, werden personenbezogene Faktoren (z. B.
Geschlecht, Lebensalter, Familienstand, Persnlichkeit), berufsbezogene Faktoren
(z. B. berufliche Stellung, Dienstalter) und die Sozialisation neuer Mitarbeiter
verstanden. All diese Faktoren haben einen Einfluss darauf, wie intensiv eine
Disharmonie von dem Individuum wahrgenommen wird.
Situative Rahmenbedingungen Diese Faktorengruppe hat einen wesentlichen Einfluss auf die
Fluktuationsentscheidfindung eines Arbeitnehmers. Je nach allgemeiner oder
branchnenspezifischer Wirtschaftslage, Arbeitsmarktbedingungen und
demographischer Situation, resultiert die entstandene Disharmonie in einer inneren
Kndigung oder einer Fluktuation.
Whrend Fluktuation schon ausreichend definiert wurde, bentigt der Begriff Innere
Kndigung noch weitere Erklrung. Grundstzlich wird unter Innerer Kndigung eine
Distanzierung von der Stelle verstanden, die bewusst oder unbewusst vollzogen wird und zu
einem Verzicht auf Engagement fhrt (vgl. MASSENBACH 2001: 9). Die betroffenen
Menschen wollen den Konflikt weder offen austragen noch wollen oder knnen sie die
ussere Kndigung einreichen (vgl. LHNERT 1989: 49). Die innere Kndigung kann als
Versuch angesehen werden, die frustrierende Arbeitssituation an die eigenen Bedrfnisse
anzupassen und sie wenigstens halbwegs ertrglich zu gestalten. Dabei entfernt man sich von
der Arbeitssituation, der Unternehmung oder auch den Vorgesetzten. Das Arbeitsverhalten
der betroffenen Personen zeichnet sich durch verminderte Beitrags- und Leistungsbereitschaft
aus (vgl. Faller 1990: 231). Da eine innere Kndigung keine Neuorientierung zur Folge hat,
ist der Begriff im weiteren Verlauf der Arbeit nicht mehr von Relevanz. Es herrscht eine grosse Vielfalt an Gliederungsversuchen der Einflussgrssen sowie an
Prozessmodellen der Fluktuation. Nicht nur die Fluktuationsforschung hat Antworten auf die
Frage nach den Ursachen einer beruflichen Neuorientierung, auch im Gebiet der
Personalerhaltung stsst man auf Faktoren, die einen Einfluss darauf haben, ob eine Person
mit ihrer Stelle zufrieden ist.
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 17
Prdiktoren der individuumsinitiierten Fluktuation
Einige Autoren befassen sich mit der Vorhersage von individuumsinitiierter Fluktuation. Es
geht darum zu erforschen, anhand welcher Umweltfaktoren, individuellen Faktoren, Werten,
Einstellungen, Absichten und Verhaltensweisen, Fluktuation vorhergesehen werden kann.
BAILLOD unterteilt die Prdiktoren der Fluktuation in fnf Gruppen (vgl. BAILLOD
1992: 23):
Objektive Faktoren der Umwelt Diese Faktoren werden unabhngig von individuellen Einschtzungen betrachtet.
Beispiele hierzu sind Arbeitslosigkeit, Betriebsgrsse, Aufstiegsmglichkeiten,
Arbeitsinhalt usw.
Individuelle Faktoren Es handelt sich hier um objektive individuelle Faktoren wie Alter, Geschlecht,
Betriebszugehrigkeit, Ausbildung, Persnlichkeitseigenschaften usw.
Einstellungen Hier wird die allgemeine Arbeitszufriedenheit11 von spezifischen
Arbeitszufriedenheiten unterschieden. Beispiele fr spezifische
Arbeitszufriedenheiten sind Bezahlung, Aufstiegsmglichkeiten, Fhrungsstil/
Fhrungsverhalten, Arbeitsinhalt usw.
Absichten Diese Gruppe enthlt die Suchabsicht und die Fluktuationsabsicht.
Verhaltensweisen Bei den Verhaltensweisen werden das Leistungsniveau und der Absentismus
genannt. Fr die Entscheidung, die Stelle zu wechseln, sind weniger die objektiven Gegebenheiten
ausschlaggebend als vielmehr deren Wahrnehmung und Bewertung durch die Person
(SEMMER/BAILLOD 1993: 181). Diese Aussage bekrftigt, dass die individuellen
Einstellungen und Absichten eines Menschen fr Fluktuation ausschlaggebend sind. Die
individuelle Wahrnehmung und Bewertung einer Stelle schlgt sich in der
Arbeitszufriedenheit einer Person nieder.
11 Auf die Arbeitszufriedenheit wird nachfolgend noch ausfhrlicher eingegangen.
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 18
Die generalisierten Einstellungen Allgemeine Arbeitszufriedenheit, Organisationale
Verbundenheit und Normative berzeugungen, eignen sich sehr gut als Prdiktoren von
Fluktuation. Whrend die Allgemeine Arbeitszufriedenheit als zusammenfassende Einstellung
gegenber der Arbeit als Ganzes betrachtet werden kann, stellt die Organisationale
Verbundenheit die Einstellung gegenber dem Unternehmen dar. Die Normativen
berzeugungen reprsentieren das sozialpsychologische Umfeld einer Person. Die drei
generalisierten Einstellungen korrelieren miteinander und werden durch das Fhrungsklima,
den Arbeitsinhalt, das Verhltnis Arbeit-Privatbereich und das Alter der Person bestimmt
(vgl. BAILLOD/SEMMER 1994: 159). In der Fluktuationsforschung besteht weitgehend Einigkeit darber, dass neben
demographischen Variablen die Arbeitszufriedenheit und die Organisationale Verbundenheit
fr das Fluktuationsgeschehen von zentraler Bedeutung sind. Sie haben einen Einfluss auf die
Fluktuationsabsicht, welche zum Fluktuationsverhalten fhrt (vgl. SEMMER/BAILLOD/
STADLER/GAIL 1996: 190). Die Allgemeine Arbeitszufriedenheit leistet den grssten
direkten Beitrag zur Vorhersage der Fluktuationsabsicht (vgl. BAILLOD/SEMMER 1994:
159). Die wahrgenommenen Alternativen auf dem Arbeitsmarkt spielen bei der
Fluktuationsentscheidung ebenfalls eine wichtige Rolle.
2.2.2.2. Einflussfaktoren fr eine Neuorientierung Fr diese Arbeit soll ein mglichst einfaches Schema zur Gliederung der Ursachen einer
Neuorientierung verwendet werden. Dem verwendeten Schema liegt keine Empirie zugrunde,
es stellt lediglich ein Versuch des Autors dar, die Erkenntnisse aus der Fluktuationsforschung
in einer vereinfachten Art und Weise auf die Thematik der beruflichen Neuorientierung zu
bertragen. Da sich die Fluktuationsforschung nur mit individuumsinitiierter Fluktuation
auseinandersetzt, mssen zur Vervollstndigung zustzlich die organisationsinitiierte
Fluktuation und der interne Stellenwechsel in das Schema miteinbezogen werden. Da der Hauptfokus dieser Arbeit auf der Standortbestimmung liegt, wird die Betrachtung der
Faktoren, die eine Neuorientierung auslsen12, eingeschrnkt. Die Anstze, welche die innere
Kndigung sowie andere Symptome einbeziehen, sind sehr ausfhrlich. Der Autor mchte
sich auf diejenigen Kombinationen von Einflussfaktoren beschrnken, die zu einer
Neuorientierung fhren und wird nicht auf andere mgliche Symptome eingehen. BAILLOD
12 Faktoren die eine Neuorientierung auslsen werden im weiteren Verlauf der Arbeit zur Vereinfachung mit
Faktoren abgekrzt.
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 19
(1992: 23) nennt in seiner Studie die Prdiktoren fr eine Fluktuation. Diese Prdiktoren
unterscheiden sich von den Ursachen einer Neuorientierung, wie sie in diesem Unterkaptitel
erwhnt werden sollen. Die Absichten beispielweise, werden nicht als Faktoren
bercksichtigt. Anhand der Fluktuationsabsicht kann man zwar einen Stellenwechsel
voraussagen, sie entsteht jedoch erst aufgrund einer ungnstigen Kombination von Faktoren.13
Sie ist also das Ergebnis des Zusammenwirkens verschiedener Faktoren und kennzeichnet den
Beginn des Prozesses einer Neuorientierung. Die Grundlage des Schemas bildet die Einteilung der Faktoren nach SABATHIL (1976: 35)
in Rahmenbedingungen, organisationale Faktoren und individuelle Faktoren. Der Begriff
Rahmenbedingungen wird durch Umweltfaktoren ersetzt. Die Einflussgrssen, die
SABATHIL nennt, werden um Faktoren aus neueren Anstzen ergnzt. Abschliessend
werden dann die Faktorengruppen zueinander in Beziehung gebracht.
2.2.2.2.1. Umweltfaktoren Zu den Umweltfaktoren gehren sowohl die rechtlichen Grundlagen einer Volkswirtschaft als
auch die wirtschaftliche Lage. Nachfolgend werden Faktoren aufgelistet, welche in diese
Kategorie gehren und kurz erklrt: Grundrechte wie Berufsfreiheit, Freizgigkeit und Vertragsfreiheit
Ohne das Grundrecht der Berufsfreiheit, welches die freie Wahl des Arbeitsplatzes garantiert,
ist eine individuumsinitiierte Fluktuation nicht mglich (vgl. SABATHIL 1976: 42).14 Die
Freizgigkeit15 erlaubt es Schweizerbrgern frei zu whlen, in welcher Region der Schweiz
sie sich aufhalten resp. niederlassen wollen. Sie stellt eine grundlegende Rahmenbedingung
fr einen Stellenwechsel dar. Die Vertragsfreiheit schliesslich, ist die Grundlage fr
Einzelarbeitsvertrge. Arbeitsrecht
Das Bundesgesetz ber die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel, bildet das Grundgerst
fr alle Arbeits- und Angestellten-Verhltnisse (vgl. FLUCK 1992: 71). Arbeitsmarkt
Der Arbeitsmarkt nimmt eine Koordinations- und Allokationsfunktion der Arbeit wahr (vgl.
SABATHIL 1976: 44). Nach FLUCK (1992: 100) ist der Arbeitsmarkt die wichtigste 13 Kombinationen von Faktoren werden in 2.2.2.2.4. beschrieben. 14 Die Berufsfreiheit wird im Art. 31 der Bundesverfassung geregelt. 15 Die Freizgigkeit wird im Art. 62 der Bundesverfassung geregelt.
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 20
Rahmenbedingung bezglich einer Fluktuationsentscheidung. Individuumsinitiierte
Fluktuation wird nur dann erfolgen, wenn innert ntzlicher Frist eine neue Stelle (die den
Fhigkeiten und Bedrfnissen besser entspricht) gefunden werden kann. Relevant fr die
Verhltnisse auf dem Arbeitsmarkt ist auch die demographische Situation in einer
Volkswirtschaft. Wirtschaftslage
Die allgemeine, die branchenspezifische und die berufsbezogene Wirtschaftslage haben nicht
nur einen Einfluss auf das Anstellungsverhalten der Unternehmungen, sondern auch auf die
Fluktuationsbereitschaft der Arbeitnehmer. Entscheidend fr die individuumsinitiierte
Fluktuation ist die Angebots- Nachfragerelation hinsichtlich eines bestimmten Berufsbildes
(vgl. SABATHIL 1976: 50). Die Konjunktur beeinflusst die organisationsinitiierte
Fluktuation.
2.2.2.2.2. Organisationale Faktoren Zu dieser Gruppe gehren folgende Faktoren aus der Unternehmung: Branchenzugehrigkeit
Die Fluktuationsraten verschiedener Branchen sind oft sehr unterschiedlich. In gewissen
Berufen ist es blich, hufig die Stelle zu wechseln, da dies fr die Entwicklung von
Kompetenzen und die Gewinnung von Erfahrung notwendig ist. Eine erhhte Fluktuation ist
bei sehr anstrengender oder monotoner Arbeit zu verzeichnen (vgl. FLUCK 1992: 74 f.). Standort
Der Wirkungsgrad des Faktors Standort ist nicht eindeutig nachgewiesen. Es wird jedoch
davon ausgegangen, dass in dichten Agglomerationen die individuumsinitiierte Fluktuation
hher ist als in sprlich besiedelten Gebieten. Grnde hierfr sind die Anzahl der alternativen
Arbeitspltze und die Transparenz des Arbeitsmarktes (vgl. FLUCK 1992: 75). Natrlich
haben auch Einflussgrssen wie die Erreichbarkeit und die Umgebung einen Einfluss auf die
Attraktivitt einer Unternehmung, was wiederum Auswirkungen auf die Fluktuationsrate hat. Betriebsgrsse
Verschiedene Studien zeigen, dass zwischen der Betriebsgrsse und der Fluktuation kein
direkter Zusammenhang besteht (vgl. BAILLOD 1992: 25). Dies wird darin begrndet, dass
die Attraktivitt grsserer und kleinerer Unternehmen fr die Arbeitnehmer auf
unterschiedlichen Merkmalen beruht. Welche dieser Merkmale als wichtiger erachtet werden,
ist individuell verschieden.
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 21
Image
Das Image einer Unternehmung lsst sich durch eine entsprechende Public-Relations-Politik
beeinflussen (vgl. SABATHIL 1976: 55). Firmen mit einem guten Image, vermgen die
Arbeitnehmer lnger zu binden. Produktionsvollzug
Die Rate der Stellenwechsel hngt auch vom Arbeitsablauf ab. Je reibungsloser der
Produktionsprozess gestaltet wird, desto angenehmer ist dies fr die Arbeitnehmer (vgl. LUX
1965: 169, zit. n. SABATHIL 1976: 57). Massnahmen wie job rotation, job enlargement
und job enrichment knnen den Produktionsprozess fr den Arbeitnehmer bereichern (vgl.
THOM 2002: 176 ff.). Arbeitsinhalt
Der Arbeitsinhalt kann zu einem Stellenwechsel bewegen, wenn keine geistige
Herausforderung besteht, die Arbeit fr den Arbeitnehmer keinen Sinn macht oder keine
Erfolgserlebnisse erreichbar sind.16 Der Arbeitsinhalt kann dann zu organisationsinitiierter
Fluktuation fhren, wenn der Arbeitnehmer den Anforderungen der Stelle nicht gengt. Arbeitsplatzgestaltung
Eine menschengerechte Arbeitsumwelt ist eine weitere bedeutende Fluktuationsdeterminante.
Die Arbeitsplatzgestaltung bezieht sich nicht nur auf die Grsse des Raumes und die Anzahl
von Arbeitspltzen im selben Raum, sondern beinhaltet auch Beleuchtung, Lftung, Lrm
sowie Temperatur und umfasst Anliegen wie Sicherheit und Schutz der Gesundheit (vgl.
FRIELING/SONNTAG 1999: 265 - 379). Arbeitszeitregelung
Der Aspekt der Arbeitszeitregelung gewinnt immer mehr an Bedeutung. Eine moderne
Arbeitszeitregelung kann zum dominanten Kriterium fr oder gegen eine Fluktuation werden
(vgl. FLUCK 1992: 80). Technologie
Mit neuen Technologien verndern sich die Anforderungen an die Arbeitnehmer. Technologie
fhrt dann zu Stellenwechseln, wenn Arbeitnehmer den neuen Anforderungen nicht mehr
gewachsen sind oder wenn gewisse Berufe durch neue substituiert werden. Das Anwenden
von neuen Technologien kann natrlich auch Rationalisierungsmassnahmen nach sich ziehen
(vgl. GREENHAUS/CALLANAN/GODSHALK 2000: 5).
16 Die einzelnen Aspekte werden in Fluck (1992: 88 ff.) erlutert.
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 22
Unternehmenskultur
Die Unternehmenskultur, verstanden als Wertvorstellungen, Denkhaltungen und Normen, die
das Verhalten von Mitarbeitern einer Unternehmung prgen, beeinflusst das Wohlbefinden
eines Mitarbeiters. Stimmt die Unternehmenskultur nicht mit den Wertvorstellungen eines
Individuums berein, kann dies zu Fluktuation fhren. Fhrungsstil
Der Fhrungsstil des Vorgesetzten beeinflusst ebenfalls das Wohlbefinden des Mitarbeiters.
Durch die Machtposition des Vorgesetzten, dessen Einfluss auf die Karrieremglichkeiten des
Mitarbeiters und das Ungleichgewicht an Kompetenzen, Verantwortung und Information,
kommt der Beziehung zwischen den beiden Parteien eine wichtige Bedeutung zu (vgl.
FLUCK 1992: 87). Soziale Beziehungen
Die Interaktionsmglichkeiten, die ein Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz auffindet (z. B. in
der Arbeitsgruppe), haben einen Einfluss auf die Fluktuationswahrscheinlichkeit. Je mehr
Mglichkeiten zur Kommunikation einer Person zur Verfgung stehen und je mehr soziale
Untersttzung sie erhlt, desto kleiner ist das Risiko eines Stellenwechsels (vgl. BAILLOD
1992: 34). Aufstiegsmglichkeiten
Nach FLUCK (1992: 81 f.) werden die Aufstiegsmglichkeiten hufig als ein
ausschlaggebendes Kriterium fr die Attraktivitt einer Stelle angesehen. Durch die grosse
Bedeutung dieses Faktors, kann sich eine Unternehmung durch Schaffung von Transparenz
und Konsistenz des Befrderungssystems einen komparativen Vorteil erarbeiten. Neben den
Aufstiegsmglichkeiten, nehmen auch die Weiterbildungsmglichkeiten an Bedeutung zu. Lohnsatz
Die subjektive Empfindung eines jeden Menschen entscheidet ber die Wichtigkeit des
Faktors Geld. Obwohl die finanzielle Entschdigung nicht der zentrale Anreizfaktor fr den
arbeitenden Menschen ist, gilt es als erwiesen, dass bei Unzufriedenheit mit dem Entgelt
keine vllige Arbeitszufriedenheit mglich ist (vgl. FLUCK 1992: 82 f.). Der bedeutendste
Bestimmungsfaktor der Lohnzufriedenheit ist das subjektive Empfinden von Lohn-
gerechtigkeit. Sozialleistungen
Die freiwilligen Sozialleistungen werden immer wichtiger fr das Anreizsystem eines
Betriebes. Diese Zusatzleistungen sind hufig zentral beim Entscheid ber einen
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 23
Stellenwechsel. Zusatzleistungen wie Firmenfahrzeuge, Spesenvergtungen,
Sonderkonditionen usw. sind sehr beliebt (vgl. FLUCK 1992: 85).
2.2.2.2.3. Individuelle Faktoren Die individuellen Faktoren beinhalten einerseits demographische und berufsbezogene Daten
einer Person und andererseits die Persnlichkeitsmerkmale: Geschlecht
Der Zusammenhang des Geschlechts einer Person und ihrer Fluktuationstendenz ist eher
gering (vgl. BAILLOD 1992: 28). Frauen scheinen jedoch tendenziell hufiger zu fluktuieren
als Mnner. Letztere wechseln die Stelle meistens wegen den Arbeitsbedingungen, die Frauen
hufig aus familiren Grnden (vgl. SABATHIL 1976: 78). Lebensalter
In der Literatur besteht Einigkeit, dass sich die Fluktuationsneigung mit zunehmendem Alter
tendenziell verringert (vgl. SABATHIL 1976: 79). Im Zusammenhang mit dem Lebensalter
mchte der Autor das Modell der Lebensphasen erwhnen. Nach diesem Ansatz kann die
Lebensdauer eines Menschen in verschiedene Phasen eingeteilt werden. Je nach Phase, in der
sich ein Mensch befindet, rcken andere Bedrfnisse und Prioritten in den Vordergrund. Die
verschiedenen Lebensphasen haben einen unterschiedlichen Einfluss auf das Bedrfnis nach
Neuorientierung.17 Familienstand
Mit dem Heiraten und dem Grnden einer Familie, nimmt auch die Wahrscheinlichkeit fr
einen Stellenwechsel ab. Dies ist durch ein gesteigertes Sicherheitsbedrfnis zu begrnden.
FLUCK (1992: 94) drckt sich allgemein aus: Grssere Stabilitt im Leben bewirkt eine
Verminderung der Fluktuationsneigung. Eine Familie kann dann der Grund fr eine
individuumsinitiierte Fluktuation werden, wenn die Arbeit zu wenig Freiraum fr das
Privatleben brig lsst. Ausbildungsniveau
Die Schulbildung scheint positiv mit der Arbeitszufriedenheit zu korrelieren, was damit zu
begrnden ist, dass Personen mit hherer Ausbildung, interessantere, herausforderndere
Ttigkeiten verrichten drfen. Eine andere These besagt, dass eine bessere Schulbildung
17 Auf das Modell der Lebensphasen wird in 2.2.2.3.2. ausfhrlicher eingegangen.
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 24
hhere Ansprche und somit eine grssere Frustrationswahrscheinlichkeit mit sich bringt
(vgl. FLUCK 1992: 96). Es knnen somit keine allgemeingltigen Aussagen gemacht werden. Betriebszugehrigkeitsdauer
Mit lngerer Betriebszugehrigkeit nimmt die Neigung fr eine individuumsinitiierte
Fluktuation ab. Die Dauer der Betriebszugehrigkeit an der vorangegangenen Stelle ist ein
guter Prdiktor fr das Fluktuationsverhalten auf der aktuellen Stelle (vgl. BAILLOD 1992:
28 f.). Berufliche Stellung
Die berufliche Stellung hat einen klar erwiesenen Einfluss auf die Fluktuationsneigung eines
Mitarbeiters. Mit steigender hierarchischer Stellung nimmt die Fluktuationsrate deutlich ab
(vgl. FLUCK 1992: 96). Physiologische Faktoren
Die krperliche Leistungsfhigkeit und Gesundheit sind Faktoren, die man nicht
vernachlssigen sollte. Personen, die schwerwiegend erkranken, sind eventuell gezwungen,
eine Stelle mit reduzierten Anforderungen zu suchen. hnliches gilt fr Leute, die einen
schweren Unfall erleiden und wichtige Ttigkeiten im Berufsalltag durch eine krperliche
Behinderung nicht mehr wahrnehmen knnen. Persnlichkeitsmerkmale
Je nach Persnlichkeitsstruktur hat ein Mensch andere Bedrfnisse, Interessen, Einstellungen ,
Werte usw. Diese Persnlichkeitsmerkmale sind fr den Entscheid fr eine Neuorientierung
von zentraler Bedeutung. Steht die Situation am Arbeitsplatz im Konflikt mit den
Bedrfnissen eines Arbeitnehmers oder verstsst die Unternehmungspolitik gegen dessen
Werte, ist eine individuumsinitiierte Fluktuation absehbar. Geistige Leistungsfhigkeit
Dieser Faktor enthlt die Kernpotentiale eines Menschen. Intelligenz, Aufnahmefhigkeit,
Konzentrationsfhigkeit und andere leistungsorientierte Merkmale sind relevant fr die
Zufriedenheit mit einer Stelle. Sie geben Auskunft darber, ob eine Person in ihrer Ttigkeit
unter- oder berfordert ist. Eine vollstndige Zufriedenheit ist nur erreichbar, wenn eine
Person ihre Potentiale nutzen kann.
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 25
2.2.2.2.4. Beziehungen zwischen den Faktoren Nachdem die einzelnen Faktoren genannt und deren Wirkung auf einen Stellenwechsel kurz
erklrt wurden, sollen nun die Beziehungen zwischen den drei Faktorengruppen aufgezeigt
werden. Eine berufliche Neuorientierung erfolgt meist aufgrund des Zusammenwirkens mehrerer
Faktoren. Je nachdem welche der bereits genannten Faktoren die Auslser fr einen
Stellenwechsel sind, resultiert eine organisationsinitiierte Fluktuation, eine
individuumsinitiierte Fluktuation oder ein interner Stellenwechsel.
Abbildung 5: Folgen des Zusammenwirkens der Faktorengruppen18
Aufgrund der Vielzahl von Einzelfaktoren, sind sehr viele Faktorenkombinationen mglich,
die zu einem Stellenwechsel fhren knnen. Aus der grossen Menge an denkbaren Szenarien,
wird nun eine Anzahl von typischen Beispielen ausgewhlt, welche die drei Arten des
Stellenwechsels auslsen knnen:19
18 Eigene Abbildung. 19 Die Beispiele sind nicht empirisch besttigt. Es geht dem Autor nur darum, mgliche Beziehungen zwischen
den Faktorengruppen aufzuzeigen. Es wird dargestellt, wie vielseitig die verschiedenen Kombinationen von
Faktoren sind, die zu einer Neuorientierung fhren knnen.
Ursachen einer beruflichen Neuorientierung
Umweltfaktoren Individuelle Faktoren
Organisationale Faktoren
Organisationsinitiierte Fluktuation
Individuumsinitiierte Fluktuation Interner Stellenwechsel
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 26
Organisationsinitiierte Fluktuation
Umweltfaktor Wirtschaftslage
Individuelle Faktoren Betriebszugehrigkeitsdauer, physiologische Faktoren,
geistige Leistungsfhigkeit
In einer schwierigen Wirtschaftslage, in der Umsatzeinbussen zu verzeichnen sind, der
Wettbewerb zwischen Unternehmungen zunimmt, und eventuell sogar ein Konkurs befrchtet
wird, ist die Kndigung von Arbeitnehmern oft die letzte Mglichkeit, wettbewerbsfhig zu
bleiben. Es ist denkbar, dass die Kndigung diejenigen Arbeitnehmer betrifft, die dem Betrieb
noch nicht lange zugehren oder auf deren krperlichen resp. geistigen (je nach Arbeit)
Fhigkeiten am ehesten verzichtet werden kann. Mitarbeiter mit fr das Unternehmen
wichtigem Potential und Know-How, werden keine Kndigung erhalten.
Betrieblicher Faktor Arbeitsinhalt
Individueller Faktor Geistige Leistungsfhigkeit, Persnlichkeitsmerkmale
Fr jede Stelle gibt es ein Anforderungsprofil. Ein Mitarbeiter muss ber gewisse Fhigkeiten
verfgen, um die Arbeit bewltigen zu knnen. Stellt sich heraus, dass ein Mitarbeiter mit
seiner Arbeit berfordert ist oder keine Bereitschaft fr eine zufriedenstellende
Leistungserstellung zeigt, wird er wahrscheinlich durch eine leistungsfhigere resp.
motiviertere Person ersetzt.
Individuumsinitiierte Fluktuation
Betriebliche Faktoren Unternehmungskultur, soziale Beziehungen, Fhrungsstil
Individuelle Faktoren Persnlichkeitsmerkmale
Ob das soziale Umfeld am Arbeitsplatz stimmt, hngt von der Unternehmenskultur, den
Arbeitskollegen und dem Fhrungsstil des Vorgesetzten ab. Eine Unternehmenskultur, die
asoziale Denkhaltungen frdert, unfreundliche Arbeitskollegen oder ein autoritrer
Vorgesetzter, fhren einen Mitarbeiter jedoch erst dann dazu, die Unternehmung zu verlassen,
wenn er diese Faktoren als strend empfindet. Wie der Zustand am Arbeitsplatz beurteilt
wird, hngt also stark von der subjektiven Sicht eines Arbeitnehmers ab. Diese wird durch
Persnlichkeitsmerkmale wie Einstellungen, Werte und Denkweisen bestimmt.
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 27
Umweltfaktoren Arbeitsmarkt
Betriebliche Faktoren Lohnsatz
Die Nachfrage nach Arbeitskrften beeinflusst die auf dem Markt blichen Lohnstze. Ist die
Nachfrage nach Arbeitskrften gross, steigen die Lohnstze, da Unternehmungen bemht
sind, den Arbeitnehmern ein mglichst attraktives Angebot zu machen. Dies fhrt zu einem
Anstieg der individuumsinitiierten Fluktuationsrate. Wenn man bercksichtigt, dass wiederum
nur Personen mit bestimmten Persnlichkeitsmerkmalen einen Stellenwechsel in Erwgung
ziehen, knnte man auch noch die Gruppe der Individuellen Faktoren in das Beispiel
miteinbeziehen.
Interner Stellenwechsel
Betriebliche Faktoren Arbeitsinhalt, Unternehmungskultur, soziale Beziehungen
Individuelle Faktoren Geistige Leistungsfhigkeit, Persnlichkeitsmerkmale
Ein Arbeitnehmer findet in seiner Ttigkeit keine Erfllung, da ihm die Arbeit nicht vielfltig
und herausfordernd genug erscheint. Er ist unterfordert und mchte die Stelle wechseln. Da
die Unternehmungskultur mit seinen eigenen Werten bereinstimmt und er in seiner zehn-
jhrigen Betriebszugehrigkeit gute soziale Kontakte aufgebaut hat, mchte er die
Unternehmung nicht verlassen. Er wird intern nach einer passenderen Stelle suchen.
Umweltfaktor Arbeitsmarkt
Betrieblicher Faktor Arbeitsinhalt
Individueller Faktor Geistige Leistungsfhigkeit
Ein Mitarbeiter, der mit seiner Stelle nicht zufrieden ist (Unter- oder berforderung), kann
nur dann die Unternehmung verlassen, wenn der Arbeitsmarkt dies zulsst. Ist innert
ntzlicher Frist keine Arbeit zu finden, die seinen Bedrfnissen besser entspricht, bleibt ihm
keine andere Wahl, als in der Unternehmung zu bleiben. Er kann dann hchstens nach einer
passenderen Stelle innerhalb der Unternehmung Ausschau halten.
In den Beispielen wurden nur diejenigen Faktoren erwhnt, die hauptschlich fr den
Stellenwechsel verantwortlich sind. Man kann jedoch davon ausgehen, dass alle in den
vorhergehenden Unterkapiteln erwhnten Einflussfaktoren Auswirkungen auf einen
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 28
Stellenwechsel haben. Die Umweltfaktoren Grundrechte und Arbeitsrecht wirken nur indirekt.
Sie beeinflussen die betrieblichen Faktoren (die Bedingungen am Arbeitsplatz).
2.2.2.3. Spezielle Anstze Bisher wurde gezeigt, welche einzelnen Faktoren zu einer Neuorientierung fhren knnen und
wie diese Faktoren zusammenwirken. Im Folgenden werden spezielle Anstze zur Erklrung
von individueller Fluktuation und internem Stellenwechsel dargestellt, die in der
betriebswirtschaftlichen Fachliteratur thematisiert werden. Zuerst wird auf den Begriff
Karriereplateau eingegangen (2.2.2.3.1.), dann werden verschiedene Lebensphasenmodelle
diskutiert (2.2.2.3.2.) und schliesslich wird der Wertewandel unserer Gesellschaft besprochen
(2.2.2.3.3.).
2.2.2.3.1. Karriereplateau Der ursprngliche Begriff des Karriereplateaus bezeichnet den Punkt in einer Karriere, an
dem die Wahrscheinlichkeit einer weiteren hierarchischen Befrderung sehr gering ist (vgl.
ECKARDSTEIN/ELSIK/NACHBAGAUER 1997: 5). Dieses Begriffsverstndnis wurde von
weiteren Autoren modifiziert und verndert, so dass mittlerweile eine Vielfalt an
Definitionsvorschlgen vorliegt. In neueren Studien werden unter Karriereplateau oft zwei Ausprgungen verstanden. Das
strukturelle Plateau bezieht sich auf eine Positionsimmobilitt, die durch die Struktur einer
Organisation hervorgerufen wird. In hierarchisch strukturierten Unternehmungen, bleibt es
einer geringen Anzahl von Arbeitnehmern vorbehalten, die hchste Entscheidungsebene zu
erreichen. Dies bedeutet, dass alle anderen Arbeitnehmer frher oder spter ein
Karriereplateau erreichen werden. Das inhaltliche Plateau bezeichnet das Ausbleiben von
neuen, herausfordernden und abwechslungsreichen Ttigkeiten, sodass die aktuellen
Arbeitsaufgaben von den Betroffenen voll beherrscht werden und keine weiteren Lernchancen
mehr enthalten (vgl. ECKARDSTEIN/ELSIK/NACHBAGAUER 1997: 6). ECKARDSTEIN/ELSIK/NACHBAGAUER (1997: 7) fassen zusammen, dass sich
Mitarbeiter dann auf einem Karriereplateau befinden, wenn
eine weitere Befrderung unwahrscheinlich ist sie sich zu lange auf derselben Position befinden und/oder die Ttigkeit keine Herausforderung und Lernchance mehr darstellt
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 29
Aus diesen Definitionen kann man ableiten, dass Personen, die ein Karriereplateau erreichen,
oft das Bedrfnis entwickeln, neue Herausforderungen (im Sinne von hierarchischem
Aufstieg oder neuen Ttigkeiten) zu suchen. Bei den betroffenen Personen steigt die
Wahrscheinlichkeit eines Stellenwechsels. Das Erreichen eines Karriereplateaus, ist also eine
ernstzunehmende Ursache fr eine berufliche Neuorientierung.
2.2.2.3.2. Lebensphasenmodelle In der Entwicklung des Menschen von seiner Geburt bis zu seinem Tod, lassen sich gewisse
Gesetzmssigkeiten erkennen. Aufgrund dieser Gesetzmssigkeiten, kann der Prozess der
menschlichen Entwicklung in einzelne Phasen (je nach Modell sind diese aufeinanderfolgend
oder berschneidend) unterteilt werden. Diese Phasen lassen sich durch Unterschiede im
Lebensstil, den Einstellungen, den Handlungen und den Verhaltensweisen eines Menschen
unterscheiden. Von Phase zu Phase verndern sich die Bedrfnisse, Ziele, Fhigkeiten,
Motive und anderen wichtigen Charakteristika eines Individuums (vgl. SATTELBERGER
1995: 288 f.). Mit dem individuellen Lebenszyklus des Menschen und den verschiedensten
Teilzyklen befassen sich Autoren aus den Wissenschaftsdisziplinen der
Betriebswirtschaftslehre, der Psychologie, der Soziologie sowie der Gerontologie (vgl. GRAF
2002: 11). Einen Einfluss auf die berufliche Karriere und die Entscheidung zu einer
Neuorientierung haben der biosoziale, der familire und der berufliche Lebenszyklus. Diese
drei Lebenszyklen, die in gegenseitiger Wechselwirkung zueinander stehen (vgl. KOCH
1981: 201), sollen nun kurz beschrieben werden.
Biosozialer Lebenszyklus
Der biosoziale Lebenszyklus eines Menschen beschreibt den stufenweisen Verlauf der
Persnlichkeitsentwicklung und ist von biologischen wie auch von sozialen Einflussfaktoren
abhngig (GRAF 2002: 47). Soziale Einflussfaktoren sind beispielsweise Erziehung, gesellschaftliche bzw. kulturelle
Wertvorstellungen oder auch soziale Normen und Riten, welche ein Individuum in dessen
verschiedenen Lebensabschnitten beeinflussen. Ausgehend von sowohl usserlichen
Vernderungen des Krpers als auch des Verhaltens in verschiedenen Altersabschnitten,
versuchen diverse entwicklungspsychologische Anstze, die Entwicklung vom Kind zum
Erwachsenen bis hin ins hohe Alter in aufeinanderfolgende Phasen zu gliedern. Diese
Phaseneinteilungen ordnen den komplexen menschlichen Entwicklungsverlauf und teilen den
verschiedenen Lebensabschnitten bestimmte Charakteristika zu (vgl. KOCH 1981: 197). Das
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 30
lteste Modell der biosozialen Lebensphasen stammt von den Griechen, welche zehn Phasen
unterschieden. Spter verwendeten die Rmer ein Modell mit fnf Phasen. Vor allem in den
70er Jahren wurde die Idee der Einteilung des menschlichen Lebens in Phasen wieder aktuell
(vgl. GRAF 2002: 48). Unterdessen gibt es zahlreiche psychologische Entwicklungstheorien,
die das Leben in Phasen unterteilen.20 Eine in der Psychologie sehr bekannte Entwicklungstheorie, ist die Theorie der
psychosozialen Entwicklung von ERIKSON.21 Sie beschreibt acht Phasen der menschlichen
Entwicklung vom Kleinkind bis ins hohe Alter. In jeder Phase sind bestimmte Konflikte zu
lsen und Spannungen abzubauen. Der Verlauf der weiteren Entwicklung hngt von der Art
ab, diese Konflikte zu lsen (vgl. FLAMMER 2003: 85). Die Auseinandersetzungen mit den
Konflikten und Spannungen haben auch Auswirkungen auf den beruflichen Lebenszyklus und
sind somit fr die Thematik Neuorientierung und Standortbestimmung von Bedeutung.
Familirer Lebenszyklus
Der familire Lebenszyklus bezieht sich primr auf die vom Individuum gegrndete Familie.
Eine zentrale Bedeutung haben Ehe, Kinder und Grosskinder (vgl. GRAF 2002: 45).
Entwicklungen im Bereich der Familie beeinflussen den individuellen Lebenszyklus einer
Person. Das Spannungsfeld Beruf-Familie kann eine Ursache fr eine berufliche
Neuorientierung darstellen.
Beruflicher Lebenszyklus
Aus der Sicht des Einzelnen besteht ein beruflicher Werdegang aus mehreren bedeutenden
Einheiten oder Phasen, die sowohl vom Betroffenen als auch von der Gesellschaft als solche
erkannt werden. Die mit den einzelnen Einheiten oder Phasen verbundenen Zeitspannen
variieren jedoch je nach Beruf oder Person deutlich (SCHEIN 1995: 14). Die wichtigsten Phasen eines beruflichen Werdegangs nach SCHEIN (1995: 14 ff.) werden in
Tabelle 1 zusammengefasst dargestellt.
20 Eine breite Auswahl an psychologischen Entwicklungstheorien findet sich in FLAMMER (2003). 21 Die Theorie findet sich in FLAMMER (2003: 83 ff.).
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 31
Phase 1: Wachsen, Phantasieren und erkennen
In dieser Zeit (Kindheit/Jugend) existiert erst eine Vorstellung von einer mglichen
Beschftigung. Zentral ist die Vorbereitung auf die Ausbildung, die fr den gewhlten Beruf
erforderlich ist.
Phase 2: Lernen und Berufsausbildung
Im Verlauf der beruflichen Ausbildung gilt es eine Vielzahl an Entscheidungen zu treffen, um
die beruflichen Ziele erreichen zu knnen. Es geht darum, die Eignungsvoraussetzungen fr
den spteren Beruf zu schaffen.
Phase 3: Eintritt ins Berufsleben
Fhigkeiten, Motive und Werte werden auf die Probe gestellt. Man wird mit einem neuen
Umfeld und neuen Leuten auseinandergesetzt. Ein Lernprozess beginnt. Eine Vorstellung des
beruflichen Werdegangs zeichnet sich ab.
Phase 4: Grundausbildung und berufliche Sozialisation
Einfhrung in die Kultur der Organisation. Die Sozialisationsphase ist eine wichtige Quelle
des persnlichen Lernens. Man muss den gestellten Anforderungen gengen. Es muss
entschieden werden ob der richtige Beruf und die richtige Organisation gewhlt wurden.
Phase 5: Akzeptanz
Man wird als vollwertiger Mitspieler der Leistungsgemeinschaft akzeptiert. Es entwickelt sich
ein Zugehrigkeitssinn. Arbeitsmotivation und Werte zeichnen sich deutlicher ab. Man
entwickelt einen Zugang zu den eigenen Fhigkeiten, Strken und Schwchen.
Phase 6: Dauerhafte Beschftigung und Zugehrigkeit
In dieser Phase wird klar, ob man auf lange Sicht eine Zukunft im Unternehmen hat. Es
werden Befrderungen oder Kndigungen gesprochen.
Phase 7: Krise der mittleren Jahre
Nach langjhriger Berufsttigkeit nehmen die meisten Menschen irgendeine Art der
Neuorientierung der eigenen Person vor. Die persnliche Position, die Ziele und die
Zukunftsaussichten werden hinterfragt.
Phase 8: Schwung erhalten, wiedergewinnen oder ausklingen lassen
Erkenntnisse aus der Neuorientierung entscheiden ber das weitere Vorgehen. Es geht darum,
Beruf, Familie und Interessen unter einen Hut zu bringen.
Phase 9: Loslsung
In dieser Phase wird einen Gang zurckgeschaltet. Man bereitet sich langsam auf den
Ruhestand vor.
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 32
Phase 10: Ruhestand
Man wird mit der Pensionierung konfrontiert. Es wird Abschied vom Berufsleben genommen.
Tabelle 1: Phasen eines beruflichen Werdegangs nach SCHEIN22
In dem Modell von GRAF (2002: 67 ff.) besteht der berufliche Lebenszyklus aus vier Phasen.
Mit der Berufswahl wird die frhe Karrierephase eingeleitet. Sie umfasst neben der
Arbeitsplatz- und Betriebswahl auch die Einfhrung in ein Unternehmen. Der weitere Verlauf
fhrt ber die individuelle Laufbahn eines Mitarbeiters, in der Erfahrungen gesammelt
werden und eine Karriereorientierung entsteht. Die mittlere Karrierephase ist von
Vernderungen geprgt. Die Mitarbeiter berprfen ihren beruflichen und persnlichen
Standort und ziehen Alternativen in Erwgung. Diese Phase wird auch Krise der
Lebensmitte genannt und erscheint oft im Alter zwischen 35 und 45 Jahren. Die letzte Phase
ist die spte Karrierephase, in welcher aufgrund des hohen Alters Qualifikationen
abnehmen und Leistungsmglichkeiten verfallen knnen. In dieser Phase werden hufig
Karriereplateaus erreicht und die Gefahr von innerer Kndigung erhht sich. Die spte
Karrierephase wird durch die Pensionierung beendet. Aus den beiden vorgestellten Modellen zum beruflichen Lebenszyklus geht hervor, dass ein
Wunsch zu einer beruflichen Neuorientierung stark von der Phase abhngt, in der sich eine
Person befindet. Beide Modelle erwhnen, dass der Wunsch nach einer Neuorientierung in
der Krise der mittleren Jahre am grssten ist.
Zusammenfassend mchte der Autor noch einmal erwhnen, dass der biosoziale, der familire
und der berufliche Lebenszyklus in starkem Zusammenhang zueinander stehen. Je nachdem,
in welcher Phase seines individuellen Lebenszyklus sich ein Mensch befindet, stehen andere
Bedrfnisse, Interessen und Motive im Vordergrund. Bei jungen Arbeitnehmern, die sich
ihrer Berufung noch nicht sicher sind und Arbeitnehmern im mittleren Alter, ist die
Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Neuorientierung am hchsten.23
22 Quelle: SCHEIN (1995: 14 ff.) 23 Diese Aussage beruht alleine auf der Interpretation der Lebenszyklusmodelle. Der Autor kann dies nicht mit
empirischen Daten belegen.
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 33
2.2.2.3.3. Wertewandel FLUCK (1992: 51) definiert Werte als [...] individuelle Leitlinien, Prinzipien und
Einstellungen, nach denen Menschen ihr Leben und Handeln ausrichten. SCHMID-KAISER
(1987: 35) beschreibt Werte als ein System kollektiver, meist in Begriffe gefasster
Lebensinhalte, die als Leitbilder menschliches Handeln bestimmen und in der Motivstruktur
des Verhaltens von Akteuren massgebend sind. Daneben gibt es jedoch diverse andere
Definitionen. Gesellschaftliche Vernderungen haben Auswirkungen auf die Werte, welche sich dadurch im
Verlauf der Zeit einem Wandel unterziehen. Das Einsetzen des Wertewandels liegt in der
ersten Hlfte der 60er-Jahre.24 ber das Ende der Vernderung der Werthaltungen besteht in
der Fachliteratur keine Einigkeit (vgl. MASSENBACH 2001: 33 f.). Es haben sich verschiedenste Autoren mit dem Wertewandel auseinandergesetzt.
INGLEHART (1977: 21 ff.) baut auf der Bedrfnispyramide von MASLOW (1977) auf, aus
welcher er die Annahme der hierarchischen Abfolge von Bedrfnissen bernimmt. Er geht
davon aus, dass durch die Befriedigung der materiellen Bedrfnisse, Bedrfnisse einer
hheren Ebene in den Vordergrund rcken. Seit dem zweiten Weltkrieg hat in den westlichen
Lndern der Wohlstand und die Sicherheit stark zugenommen. An die Stelle von materiellen
Bedrfnissen treten Bedrfnisse nach Selbstentfaltung, Zugehrigkeit und Anerkennung
(postmaterielle Bedrfnisse). Die Werte einer Person sind im Zeitablauf relativ stabil. Die
Vernderung der Werte erfolgt ber den Generationenwechsel (vgl. INGLEHART 1977: 31
ff.). NOELLE-NEUMANN (1978: 10 ff.) empfindet den Wandel in den Werthaltungen als
Wertverlust. Ihre Studien belegen, dass sich die Arbeitsmoral verschlechtert und die
Leistungsbereitschaft sinkt. Dies sind Symptome fr einen Zerfall der Gesellschaft. Befragungen ber die Wertestruktur in der Schweiz25 haben ergeben, dass die Familie bei
einem Grossteil der Befragten an oberster Stelle steht. An zweiter Stelle steht die
Selbstverwirklichung und der Hedonismus (Streben nach Sinneslust). Vor allem junge Leute
tendieren dazu, ihr Leben auf Spass und Vergngen auszurichten. An vierter Stelle folgt die
Leistungsorientierung, die noch immer eine grosse Bedeutung fr die Schweizer hat. Aus 24 Die Werte der Menschen haben sich bestimmt schon vor dieser Zeit verndert. Der Begriff Wertewandel
bezeichnet jedoch die spezifischen Vernderungen in einem bestimmten Zeitabschnitt. 25 Die Aussagen aus FLUCK (1992: 56 ff.) basieren zum Grossteil auf einer Reprsentativerhebung der Gruppe
Corso im Jahre 1990.
Kapitel 2: Theoretische Grundlagen 34
diesen Erkenntnissen kann man ableiten, dass zwar eine hohe Arbeitsmotivation in der
Bevlkerung besteht, jedoch nur fr Arbeit, die interessant ist und Spass macht (vgl. FLUCK
1992: 56 f.). Dieses Streben nach Selbstverwirklichung in der Arbeit stellt fr viele
Arbeitnehmer den Grund fr einen Stellenwechsel dar.
2.2.3. Ziele der Neuorientierung Wie der Abschnitt 2.2.2.gezeigt hat, existiert eine Vielzahl an Mglichkeiten, wie der Wunsch
nach einer beruflichen Neuorientierung entsteht. Das oberste Ziel einer beruflichen
Neuorientierung ist eine passende Stelle zu finden oder sich in der Selbststndigkeit zu
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