Low Performer – Der Umgang mit Schlecht- und Minderleistung Lübeck – 10. April 2014

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Low Performer – Der Umgang mit Schlecht- und Minderleistung

Lübeck – 10. April 2014

Low-Performer in der Praxis

keine ausreichende Anstrengung

Einsatz wegen

geänderter Bedingungen

nicht mehr ausreichend

alters-/ gesundheits-

bedingte Einschrän-

kungen

Leistungsschwäche des Mitarbeiters

Begriff „Low-Performer“

• kein feststehender Rechtsbegriff

• von der Rechtsprechung nicht (gern) verwendet

• negativ belegt

• Alternativen:

Minderleistung, nach unten nachteilig abweichende Leistung,Nichtausschöpfen des üblichen Leistungsspektrums

Low-Performer-Fallgruppen (nicht „amtlich“)

Low-Performer

Slow-Performer

Bad-Performer

anders-Performer

Was wird vorgeworfen?

Grundsätzlicher Fallgruppen-Unterschied:

Kündigung wegen

Minderleistung

Kündigung wegen

Arbeitsfehlern

Volumen Singular

Arbeitsrechtlich berührte Bereiche:

personen-bedingter Bereich

verhaltens-bedingter Bereich

• er/sie will, kann aber nicht

• kein Verschulden

• nicht vorwerfbar

• trotzdem grundsätzlich Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers

personenbedingter Bereich

• er/sie kann, will aber nicht

• Verschulden

• vorwerfbar

• sanktionierbar

verhaltensbedingter Bereich

Grundlage für beide Bereiche

personenbedingter Bereich

verhaltensbedingter Bereich

Leistungsbegriff

Leistungsbegriff

• Ausgangspunkt: Arbeitsvertrag als Dienstvertrag

• keine objektive Festlegung des Leistungsbegriffs

• kein Anspruch auf Durchschnittsleistung

• „Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut wie er kann“

(Arbeits-)Leistungsbestimmende Faktoren

• objektiv: durch Arbeitsvertrag und Direktionsrecht

• subjektiv- durch das persönliche Leistungs-individuell: vermögen des Arbeitnehmers

angemessene Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit

Ordentliche Kündigung wegen Minderleistung –BAG Urt. v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02

• Pflicht zur angemessenen Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit

• Darlegung erheblicher Unterschreitung der Durchschnittsleistung genügt Darlegungslast AG

• Unterschreitung der berechtigten Erwartungen des AG an die Gleichwertigkeit des Leistungsaustauschs

Umsetzung der Leistungspflichten

• vertragliche Festlegung von Quantität und Qualität der Arbeitsleistung (Grenze: Dienstvertrag ./. Werkvertrag)

• Nachsteuern durch Leistungs- und Zielvereinbarungen

• Konkretisierung durch das Direktionsrecht in den Grenzen billigen Ermessen (§ 106 GewO)

Zwischenergebnisse

• Low-, Slow- und Bad-Performer erfordern unterschiedliche Zielsetzungen

• Versagen von Mitarbeitern ist häufig auch ein Versagen von Führungskräften

Pflichtverletzende Minderleistung:

• Arbeitnehmer schöpft vorwerfbar sein persönliches Leistungsspektrum nicht aus

• Abmahnung und verhaltensbedingte Kündigung denkbar

verhaltensbedingter Bereich

Minderleistung aufgrund von Gründen aus der Sphäre des Arbeitnehmer ohne Verschulden (oder Gründe für Verschulden nicht feststellbar):

• kein Vertragsverstoß, sondern Enttäuschung der Erwartungen an Austausch von Leistung und Gegenleistung

• kein Vorwurf gerechtfertigt

• personenbedingte Kündigung denkbar

personenbedingter Bereich

Minderleistung aufgrund von Änderungen an die Anforderungen des Arbeitsplatzes – Kenntnisse und Fähigkeiten des Mitarbeiters reichen nicht mehr aus:

• Pflicht zur Kenntnisaneignung im Rahmen des Direktionsrechts

• falls erfolglos und dennoch Minderleistung Kündigungsperspektive

betriebsbedingter Bereich

Vergleichsmaßstab beim Leistungsbegriff:

• Mitarbeiter arbeitet schlechter oder weniger als andere

Indiz:

• längerfristig durchschnittlich höhere Fehlerquote oder geringere Arbeitsmenge

Leistungsinhalt und Leistungsdefizite

• Quantitative Defizite

Grundsatz:Die Erwartung an die persönliche Leistungsfähigkeit darf nicht überschritten werden.

Aber:Längerfristige Unterschreitung der Leistungen vergleichbarer Arbeitnehmer um mehr als 1/3 kann zu grundlegender Störung des Gleichgewichts führen

Leistungsinhalt und Leistungsdefizite

• Qualitative Defizite

Grundsatz:Der Arbeitgeber darf möglichst fehlerfreie Arbeit erwarten.

Aber:Keine 1/3-Grenze in Bezug auf Qualität. Maßgeblich sind Fehlerhäufigkeit, Anforderungen des Arbeitsplatzes und Auswirkungen etwaiger Mängel

Problem bei Leistungsinhalt und Leistungsdefiziten

• „weiche“ Qualitätsfaktoren

Freundlichkeit, Einsatzbereitschaft, Flexibilität, Verkaufsgeschick keine vertragliche Definition möglich

Lösungen:

• klare Festlegung von Handlungszielen

• Beseitigung von Widersprüchen und Unklarheiten der Vergangenheit

• Kennzeichnung von Nebenpflichten

• strikte Kontrolle der Einhaltung der Pflichten

• konsequente Reaktion auf Nichterfüllung

Probleme der notwendigen Durchschnittsberechnung

Messbarkeit Vergleichbarkeit

Welcher gemessene Wert bringt Kündigungsperspektive?

• BAG Urt. v. 11.12.2003: 30 % (+)

• LAG BW Urt. v. 06.09.2006: 20 % Fehlerquote (-)

• BAG Urt. v. 17.01.2008: keine Quote bei Qualität

• Ist eine Messung überhaupt möglich?

• Wie wird gemessen?

• Ist die Messmethode anerkannt?

• Sind Spitzen nach oben und unten zu kappen?

• Wie gut ist die Messung dokumentierbar?

• Wie hoch ist der Arbeitsaufwand für Messung und Dokumentation?

Problem: Messbarkeit

• Gibt es überhaupt vergleichbare Mitarbeiter?

• Ist die Vergleichsgruppe eng oder weit zu ziehen?

• Erfolgt die Einteilung nach Tätigkeiten, persönlichen Merkmalen oder wonach sonst?

Problem: Vergleichbarkeit

Beispiel 1:

Mitarbeiter M ist an einer im Betrieb einzigartigen stückzahlbezogenen Maschine eingesetzt. Er ist mit einem Grad von 30 schwerbehindert und gleichgestellt. Im Betriebshandbuch der Maschine ist eine max. Stundenlast von 80 Stück angegeben. M produziert im Durchschnitt von 6 Wochen stündlich 37 Stück.

Probleme Beispiel 1:

• Einzelarbeitsplatz

• Individuelle Leistungseinschränkung durch SB?

• Ist die Angabe der max. Auslastung ein geeigneter Beurteilungsmaßstab?

• gute Messbarkeit

Beispiel 2:

Arbeitgeber A zahlt neben dem Grundlohn an Staplerfahrer Prämien nach einem speziellen betrieblichen Leistungssystem. Im Betrieb sind 20 Staplerfahrer beschäftigt. Staplerfahrer S erhält hiernach Prämien, die ca. 40 % unter der durchschnittlichen Prämienzahlung liegen. Er ist 56 Jahre alt, der Altersdurchschnitt der Staplerfahrer liegt bei 34.

Probleme Beispiel 2:

• eigengeschaffenes Prämiensystem

• Sind die Einzelarbeitsplätze tatsächlich miteinander vergleichbar, obwohl die Berufsgruppe identisch ist?

• Muss das Alter als individuell abweichender Einschlag berücksichtigt werden?

• gute Messbarkeit

• zumindest identische Berufsgruppenbezeichnung

Beispiel 3:

Kassiererin K wird im Rahmen von Testkäufen regelmäßig überprüft. Ihre Fehlerquote liegt bei 1 - 2 Fehlern pro 5 Testkäufe. Vergleichbare Mitarbeiterinnen kommen auf 1 – 2 Fehler pro 8 Testkäufe. K wird abgemahnt. In der Abmahnung heißt es: „Wir erwarten eine Verminderung ihrer Fehlerquote“. K macht danach nur noch 1 - 2 Fehler pro 6 Testkäufe.

Probleme Beispiel 3:

• Bestehen tatsächlich gleiche Erhebungsbedingungen?

• Liegt überhaupt ein steuerbares Problem vor?

• Hat sich K auf die erteilte Abmahnung nicht bereits verbessert wie verlangt?

Beispiel 4:

Mitarbeiterin M ist einzige Exportsachbearbeiterin für den Geschäftsverkehr mit dem Iran, Syrien und Nordkorea. Ihr unterlaufen vermehrt verschiedene Fehler bei der Bearbeitung der Zollunterlagen, wodurch erhebliche Schäden entstehen.

Probleme Beispiel 4:

• Individualarbeitsplatz

• Keine Vergleichsbezugspunkte

• Komplizierte Arbeitsmaterie

Fazit:

• keine Kündigung wegen Schlecht- oder Minderleistung bei Individualarbeitsplätzen

• auch Auswirkungen der Minderleistung (Schäden u.s.w.) relevant

• faktische Berücksichtigung individueller Leistungsminderungsfaktoren durch Rechtsprechung

Vermeiden:

• Bildung zu kleiner Vergleichsgruppen Manipulation der Durchschnittsberechnung

§ 32 BDSG

(1) Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.

(er/sie kann, will aber nicht)

1. schuldhafte Vertragspflichtverletzung („30 %“)

2. negative Prognose

3. Abmahnung

4. Interessenabwägung

verhaltensbedingte Kündigung

Abmahnung

1. Hinweis betreffend Vertragspflichtverletzung

2. Warnung über kündigungsrelevante Folgen für das Arbeitsverhältnis

Hinweis betreffend Vertragspflichtverletzung

• muss erwarteten Leistungsmaßstab konkret erkennen lassen

nicht: „Bessern sie sich“

„Wir erwarten eine deutliche Steigerung des Leistungspotenzials“

„Wir erwarten wenigsten durchschnittliche Leistungen von ihnen“

besser:

„Die durchschnittliche Leistung vergleichbarer Mitarbeiter in ihrer Abteilung liegt bei … Stück/Stunde. Ihre Leistung im Zeitraum von … bis … lag bei … Stück/Stunde. Wir erwarten, dass sie spätestens bis zum … wenigstens … Stück/Stunde produzieren. Diese Vorgabe entspricht nach unserer Einschätzung ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit.“

Warnung über Folgen

• Drohung mit Kündigung bei vergleichbarer Pflichtverletzung

• nicht: Drohung für den Fall fehlender Verbesserung

(er/sie will, kann aber nicht)

1. dauerhafte Störung der Leistungserwartung

2. negative Prognose

3. Qualifizierung und Hilfestellung

4. Interessenabwägung

(an sich nicht: Abmahnung)

personenbedingte Kündigung

Qualifizierung und Hilfestellung

• verbesserte Mitarbeiterführung

• Ursachenforschung

• Schulungen, Seminare

• (dokumentierte) Anweisungen

• u.v.a.m.

strukturelle Ähnlichkeiten zum BEM

Problem: Nichtkenntnis der Ursache für die Minderleistung

personenbedingte Kündigung verhaltensbedingte Kündigung

?

Lösung: Hilfestellung und Abmahnung

personenbedingte Kündigung verhaltensbedingte Kündigung

?

Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess

• Arbeitgeber muss Kündigungsgründe darlegen

• Voraussetzung: Dokumentation der Schlecht- oder Minderleistung

• Schwierigkeit eines Nachweises der fehlenden Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit

Abgestufte Darlegungs- und Beweislast Arbeitgeber muss Kündigungsgründe darlegen

1. Schritt:Arbeitgeber

Vortrag zu Minderleistung im Verhältnis zu vergleichbaren Arbeitnehmern Vermutung der schuldhaften Pflichtverletzung

2. Schritt:Arbeitnehmer

Zweifel an Messergebnissen,Darlegung von Gründen, die die Ausschöpfung des persönlichen Leistungspotenzials doch zeigen Erschütterung der Vermutung

3. Schritt:Arbeitgeber

Richtigkeit der Messergebnisse,Fehlerhaftigkeit der Einwände Wiederherstellung der Vermutung

4. Schritt:Arbeitnehmer

andere Performance wäre möglich gewesen verh. Kdg. kann nur noch an fehlender Abmahnung oder Interessenabwägung scheitern keine pers. Kdg. möglich (Prognose nicht negativ)

Idealverlauf einer Kündigung im Leistungsminderungsbereich

genaue Analyse und Dokumentation der Leistungsmängel

Gewährung von Hilfestellung bei Feststellung von Mängeln

Führung und Abmahnung

Kündigung

Mitbestimmung des Betriebsrats

keine Mitbestimmung bei:

• Festlegung der Arbeitspflicht

• individueller Pflicht zum Bericht über Tätigkeit (Zeit/Art/Umfang)

• allgemeine Erfassung der Tätigkeit

Mitbestimmung bei:

• Einhaltung von Datenschutzvorgaben (§ 80 Abs. 2 BetrVG = Überwachungsrecht)

• Technischen Einrichtungen zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG)

• Beurteilungsgrundsätzen (§ 95 Abs. 2 BetrVG)

• Personellen Einzelmaßnahmen (§§ 99, 100, 102 BetrVG)

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