»Matrosenhunde, Kapitänsfrauen und der weiß lackierte Zaun« – Vorschau

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Jeden Tag ein Bild, jeden Tag ein Satz: eine Korrespondenz zwischen Madeleine Penny Potganski (Text) und Fine Heininger (Illustration

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Matrosenhunde, Kapitänsfrauen und der weiß lackierte ZaunEine Korrespondenz zwischenFine Heininger & Madeleine Potganski06. Sept. 2009 bis 31. Jan. 2010

Fine Heininger & Madeleine Potganski 2010Sieb- & Laserdruck, Handbindung in denWerkstätten der Kunsthochschule Berlin-Weißensee 1. Auflage, ___ von 10 Stück

Dank an Hanns Schimanski & Wim Westerfeld

KorrespondenzTote vergessene Sätze werden aufgeweckt und dürfen ein Bild heiraten.

Spielregeln:

Dies ist eine Korrespondenz mittels zweier Kom-munikationsformen: Text & Bild. Madeleine Potganski ist für das Textliche zustän-dig, Fine Heininger fürs Bildhafte; beides wird abwechselnd produziert; die jeweils An-dere antwortet und das jeden Tag!Zum Beispiel: Erreicht Madeleine um 12 Uhr mit-tags eine kryptische Zeichnung, nun denkt & schwenkt sie ihre Gedanken weltlich und inner-lich, um bis 18 Uhr einen dazugehörigen bezie-hungsweise ergänzenden Satz zu erwiedern; um-gekehrt verläuft es andersherum; abwechselnd.Wenn nichts kommt, wird trotzdem gezeich-net oder geschrieben & verschickt. Versäum-nisse werden nachgeholt, es gibt keine Strafe, aber auch keine leeren Seiten, schon gar nicht an Weihnachten, Geburtstag oder Sylvester.Dies ist eine Übung, es wird kein Ziel verfolgt au-ßer dem kontinuierlichen aber abwechslungs-reichen Austausch: Madeleine muss Stilrichtun-gen & Zeiten sowie Erzählperspektiven ändern.Fine muss mit verschiedenen Materialien arbeiten (Bleistift, Tusche, Filzstift, Kuli, Buntstift, Tinte).Der Rahmen ist dieses Buch, es ist als ei-ne Art Katalog zum Spiel zu verte-hen, hier kommt Beides zusammen.Jeder Tag bekommt eine Doppelseite mit Text & Bild sowie dem aufgestempekten Datum anstatt einer Seitenzahl zur zeitlichen Orientierung.Denkansätze können sich auf ei-nen Tag beschränken oder sich in Text & Bild über mehrere fortsetzen.Der Text muss mindestens ein Wort beinhalten und höchstens so lang sein wie eine Doppelseite.Das Bild kann formatfüllend oder ganz klein sein; Naturzeichnung oder Abstrakt & alles dazwischen.

In meinem Leben ist kein Platz für dich, würde ich sagen, und mich ein bisschen kleiner machen.

Raus aus den Klamotten, rein ins Heldenkostüm.

Eiserne Lunge

Verleugne ich das Wesen meines Zimmers, wenn ich es ständig putze?

Menschen, die in der Luft hängen, kann man nicht umarmen; man kann ihnen einen Klapps auf die Kniescheibe geben und gucken, ob sie sich drehen.

Du kommst hier nicht rein!

Füße passen nicht unter die Bettdecke, zu kurz für einen, zu schmal für zwei, zerknittert und gestreift, kein Wunder, wenn man da nicht mehr klar denken kann.

»Ich werde auf dich warten« sagte die kleine Kapitänsfrau und versuchte, es nicht zu hassen, das Meer.

Ernestine beobachtete die Lage durch das kleine Loch in ihrer Tür und als die Luft rein war, huschte sie flink ins Treppenhaus und schleppte den Münz-baum, dessen dicke dunkelgrüne Blätter vor sich hinschrumpelten, in ihre Wohnung:

«Jetzt wird alles gut.»

Er faxte nächtelang kryptische Nachrichten an Menschen, die er gar nicht kennenlernen wollte, während im Innenhof das Leben tobte.

Was ist schon Empirie gegen große Ideen?

Ich möchte Buchstabennudelsuppe für uns kochen und mich mit dir verstecken, in einem Kompost-haufen, beruhigend und erdig.

Von Zeit zu Zeit denke ich darüber nach, wie viele warme Hände dich schon berührt, wie viele Augen dich schon verliebt angesehen haben.

Und seltsamerweise überkommt mich dabei das wohlige Gefühl, Teil einer Bewegung zu sein.

Jahr für Jahr mühten sich die Bäume; Blüten im Frühling, Früchte im Sommer, Indianerblätter im Herbst - nur im Winter, da konnten sie einfach leuchten.

Manches muss vielleicht noch ein bisschen herumfliegen.

Wenn ein Stück von dir spazierengeht, garantiert dir keiner, dass es wiederkommt.

Das Schöne an Grenzen ist ja, dass dahinter etwas Neues anfängt.

Und da sitze ich dann auf dem Boden, und male Kreise in den Staub, damit es ein bisschen poetisch wirkt und nicht nur unaufgeräumt.

Ist ein Zimmer mehr wert als ein Zelt?

Und die große Uhr über dem Siemens-Logo hatte für mich ausgesehen wie eine dicke, freundlich lächelnde Sonne.

Reflektieren und Reparieren.

Da draußen laufen so viele Menschen rum, die man heiraten könnte, sagte S. und ich wünschte mir, es wären weniger.

Aber die Grillen zirpen und wenn ich die Augen zu-mache stelle ich mir vor, ich wäre im Süden, mit ei-nem Zelt am Meer, gehe den ganzen Tag spazieren, liege faul in der Sonne und verkoche abends irgend-ein Gemüse mit dem Gaskocher.

Jetzt nie mehr aufstehen, einfach so sitzenbleiben und zerfließen.

Und dann sitzt man da, Sand im T-Shirt und Blick in die Ferne.

Ist es zu spät für die Sonnenseite?

Wir fuhren in die Stadt, in der wir Kinder waren und merkten, dass es schöner gewesen wäre, einfach eine Postkarte zu kaufen und an Früher zu denken.

Wer Münzen hat, kann immerzu Schließfächer benutzen, mit Einkaufswagen durch Supermärkte rasen und in Pfadfindermanier in der S-Bahn eine Zeitung kaufen.

Das ist kein Poesiealbum, das ist das pure Leben - da sind Fehler erlaubt.

«In Städten mit Häfen

Marcus Wiebusch bei einem Konzert in München 2009

haben die Menschen noch Hoffnung.»

Wer bäckt denn all die Hundekuchen?

Ich muss jetzt weitermachen sonst klebt alles fest.

Darf ich in dir schlafen?

Ich musste hinsehen, wie bei einem Unfall.

Wir dachten Luxusgedanken.

Ich morse, aber keiner versteht mich.

Ich mache mehrmals am Tag den Kühlschrank auf; dann schau ich rein und mach wieder zu.

Klappt das Leben nur mit Stundenplan?

Vielleicht ist mein Haus nicht mein Zuhause, aber wenigstens fällt es nicht um wenn ich darin tobe.

Angebot des Tages: ein erfrischendes Bad in Lauge, bringt Sie näher zu sich selbst!

Ich bin ein Gedankenmessie.

Ich werde dich weiter lieben, aber ich brauche dich nicht mehr dazu.

«Morgen ziehst du in deine neue Wohnung:

Paul Celan an Ingeborg Bachmann, Paris 1957

darf ich bald kommen und mit dir eine Lampe suchen gehen?»

Was bleibt, außer Zwiebelduft und salzigen Tränen?

Er glaubt nicht an Kinder und Hunde, er glaubt an Liebesfilme.

Madeleine Penny Potganski,

geboren 1985 in Mün-chen, drängelte sich all-morgendlich in Wien an der Hofburg an Lippiza-nern & Japanern vorbei, um dem Studium der Thea-ter-Film- und Medienwissen-schaft nachzugehen. Bald verschlug es sie jedoch nach Berlin, wo der Himmel weit und die Straßen breit sind und sie sich auf die Su-che nach neuen Wörtern ma-chen konnte und vor neue Lebensrätsel gestellt wurde. Sie wirkte szenographisch an dem Film «Marisol» (dffb) von Hella Wenders mit, schraubte an Bühnenteilen zu Schimmelpfennigs «Vorher/Nachher» (bat Berlin) und verwob Sätze für Monteverdis «Lamento d‘Arianna» (UdK und Komische Oper Berlin).Momentan diplomiert sie zum Kino des kaum erforsch-ten französischen Filmre-gisseurs Jean Epstein.

Madeleine.Potganski@gmx.net

Fine Heininger,

geboren 1984 in Berlin stu-dierte an der Ecole Natio-nal Supereieure des Arts Decoratifs in Paris Illustra-tion & Druckgrafik nach-dem sie einem Intermezzo Mode- sowie Textil & Flä-chendesign an der Kunst-hochschule Berlin Wei-ßensee absolviert hatte.Mittlerweile studiert sie dort Visuel-le Kommunikation.Bisher wurden die Bü-cher «Notizen», «Hautgren-ze», «Quintensprünge unter dem Milchwald» und «Auf der Mauer, auf der Lauer» im Selbstver-lag herausgegeben.Mommentan schreibt und zeichnet sie an ihrem Di-plom mit dem Arbeitsti-tel «Lilli Aschaffenburg».

www.finemusique.com

Tote vergessene Sätze werden aufgeweckt und dürfen ein Bild heiraten.

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