Medikationssicherheit in der Kindermedizin · • Informationsplattformen für die AM Therapie bei...

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Christoph Male Universitätsklinik f. Kinder- und Jugendheilkunde Wien

AG Arzneimittel der Ö. Ges. f. Kinder- und Jugendheilkunde

Medikationssicherheit

in der Kindermedizin

Tagung Medikationssicherheit, 2016-11-09

Children as

“therapeutic orphans”

Kinder als „therapeutic orphans“

30-90% der bei Kindern eingesetzten Arzneimittel (AM)

wurden nie bei Kindern getestet und sind nicht für Kinder

zugelassen ‚off-label use‘

Jüngere Kinder

Schwere der Erkrankung

Anzahl der Medikamente

Conroy 1999; Turner 1996; Conroy 2000; Lindell 2009; Rauch 2016

Developmental Changes in Physiologic Factors That Influence Drug Disposition

Kearns et al,

NEJM 2003;

349:1157

• Pharmakokinetik

- Chloramphenicol, Aminoglykoside, etc

• Pharmakodynamik

- Cyclosporin, Midazolam, Vitamin K Antagonisten, etc

• Wachstum und Entwicklung

- Kortikosteriode, Tetrazykline, etc

• Kinderspezifische Krankheiten/-spektren - Neonatologie, Herzinsuffizienz, Leukämie, etc

Altersspezifische Unterschiede

in AM Wirkung und Sicherheit

• Einsatz unwirksamer Therapien

• Unwirksame Dosierung / Überdosierung

• Unbekanntes Nebenwirkungsprofil

• Ungeeignete Formulationen

• Keine Produkthaftung durch Hersteller

Gefahren fehlender AM Daten

bei Kindern

Grey-baby-Syndrome

• Chloramphenicol für Gehirnhautentzündung bei Kindern

• Dosis von Erwachsenen extrapoliert

• Unreife Glucuronidierung beim Säugling

Akkumulation

Hypotension, Zyanose, Hypothermie, Tod

Fatal cardiovascular collapse of infants receiving large amounts of chloramphenicol Sutherland, AMA J Dis Child. 1959

Dosierungsfehler abhängig von der

Verabreichungshilfe und Dosis

Yin, Pediatrics 2016

3,9

6,0

1,4

3,4

0,0

5,0

10,0

% A

DR

Stationärer Bereich Ambulanter Bereich

zugelassene AM

nicht zugelassene

Turner, Acta Paediatr 1999 Horen, Br J Clin Pharm 2002

Adverse drug reactions

bei nicht zugelassenen AM

• Alters-spezifische Physiologie, Pathologie, Pharmakologie

• Fehlende Daten zur Dosierung, Sicherheit, Interaktionen

Fehlende Zulassung off-label use

Insuffiziente und heterogene Daten in der Literatur

• Fehlen alters-entsprechender AM Formulationen

Ungenaue, unverläßliche Aufnahme

Für Kinder toxische Zusatzstoffe

Ungeeignete AM Stärken Fehler bei Berechnung, Verdünnung

• Notwendigkeit der individuellen Dosisberechnung (nach Gewicht/KO, Alter,

Reife, Komorbidität), Verdünnung, Manipulation

• Erhöhte Vulnerabilität von Kindern gg. Folgen von Medikationsfehlern

Einflußfaktoren auf die

Medikationssicherheit bei Kindern

Häufigkeit von Verschreibungsfehlern

in pädiatrischen Spitälern

Ghaleb, Arch Dis Child 2010

Mittelwert 13,2%

50-fach

1000-fach

Häufigkeit von Verabreichungsfehlern

in pädiatrischen Spitälern

Ghaleb, Arch Dis Child 2010

Mittelwert 19,1%

Häufigkeit von Verabreichungsfehlern

in pädiatrischen Spitälern

Ghaleb, Arch Dis Child 2010

Medikationsfehler bei Kindern vs Erwachsenen

Kaushal, JAMA 2002

• Potentielle ADEs bei Kindern 3 mal häufiger als Erwachsenen

• Signifikant häufiger bei Neugeborenen (NICU)

• Hauptsächlich Verschreibungsfehler, Dosierungsfehler

• Mehr AM Studien und Zulassungen für Kinder

• Informationsplattformen für die AM Therapie bei Kindern

• Elektronische Verschreibungssysteme, Dosiskalkulatoren

• Unit-Dose Verschreibungssysteme, Barcodes

• Klinische Pharmazeuten

• Ausbildung und Training der Verschreiber und Verabreicher

• Krankenhausinfrastruktur

Ausreichend qualifiziertes Personal

Standardisiertes Equipment

Leitlinien und Algorithmen

Fehlerberichtssysteme und Risikomanagment

• Kommunikationsstrukturen

Strategien zur Verbesserung der

Medikationssicherheit bei Kindern

• Erfordernis: Paediatric Investigation Plan (PIP)

• Anreiz für pädiatrische Zulassung:

- Patentverlängerung

• Paediatric Committee (PDCO) bei der

Europäischen Arzneimittelbehörde

• Kollateralmassnahmen

EU Paediatric Regulation (EC No 1901 & 1902/2006)

‚Better medicines for children‘

10 Jahre EU Paediatric Regulation Erreichtes & Limitationen

+ >2000 PIP Einreichungen, >900 vereinbarte PIPs (Stand 2016-10)

+ Paradigmenwechsel in der pharmazeutischen Industrie

+ >300 neuzugelassene pädiatrische AM, Indikationen, Formulationen

+ >250 AM mit neuen pädiatrischen Informationen

+ Kollaterale Massnahmen weitgehend umgesetzt

Diverse Ausnahmen von Regulation (zB. Generika, pflanzl. AM, etc.)

Wenige PIPs zu AM mit abgelaufenem Patentschutz

Lange Dauer von pädiatrischen AM Entwicklungen

Methodische und praktische Schwierigkeiten

Mäßige Akzeptanz bei Patienten/Eltern, Ärzten, Ethikkommissionen

British National Formulary for Children

British National Formulary for Children

www.kinderformularium.nl

https://kispiportal.uzh.ch/kinderdosierungen/

Kindermedika.at: Arzneimittel-Informationsplattform für

Kinder/Jugendliche in Österreich

• Basierend auf Verschreibepraxis in Österreich

• Systematische Erfassung aller AM-Informationen

• Abgestimmt mit Interessensgruppen in Ö

• Regelmässig aktualisiert

• Zugang für Ärzte, Pflege, Apotheker

• Deutschsprachig

• Strukturierte, praxisrelevante, aktualisierte Informationsquelle

• Daten aus allen verfügbaren Quellen, Bewertung nach Evidenzgrad

Qualitätssteigerung der AM Therapie von Kindern/Jugendlichen:

Risikominimierung durch bessere Information

Optimierte Wirksamkeit (korrekte Indikationen, Dosierungen)

Einheitliche pharmazeutischen AM Zubereitung für Kinder

Kosteneinsparungen durch rationalen Einsatz und Prävention von

Fehlbehandlungen

Kindermedika.at: Ziele und Nutzen

• Bei Kindern zusätzliche Risikofaktoren für die

Medikationssicherheit aufgrund von

Altersspezifischen Besonderheiten der AM Therapie

Fehlen von AM Daten und für Kindern zugelassenen AM

Fehlen altersentsprechender Formulationen

• Diese Faktoren aggravieren die üblichen Quellen für

Medikationsfehler

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