Meldeverfahren bei Vorkommnissen mit Implantaten

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RedaktionC. Lessing, Bonn H. Siebert, Berlin

Unfallchirurg 2011 · 114:786–793DOI 10.1007/s00113-011-2017-7Online publiziert: 21. August 2011© Springer-Verlag 2011

H. Siebert1 · M. Stockheim2, 3 · H. Kienapfel4, 1 · W. Blömer5, 6

1 Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V., Berlin2 Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V., Essen3 Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, St. Marien-Hospital Borken4 Spezielle Orthopädische Chirurgie und Unfallchirurgie, Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum, Berlin5 Forschung & Entwicklung Orthopädie, Aesculap AG, Tuttlingen6 Bundesverband Medizintechnologie (BVMed), Berlin

Meldeverfahren bei Vorkommnissen mit Implantaten

Leitthema

Vorkommnisse mit Implantaten, sei es der Bruch einer Osteosynthese-platte oder eines Kunststoffinlays bei einer Totalendoprothese, sind Vor-kommnisse mit meist schwerwiegen-den Folgen für den Patienten, mit mittelbarer und unmittelbarer Aus-wirkung für die beteiligte Klinik und den Produkthersteller.

Die tatsächliche Häufigkeit derartiger Vorkommnisse ist nicht vollständig erfasst.FPatientenbezogene Faktoren/

Merkmale,FQualität der chirurgischen

Prozeduren undFspezifische Design- und/oder

produktionsbedingte Merkmale

sind alleine oder in Kombination Ursa-chen für unerwünschte Ereignisse. Pa-tienten, Anwender, Hersteller und Öf-fentlichkeit, aber auch behandelnde Ärz-te und Kliniken reagieren im Umgang mit derartigen Schadensfällen durchaus unterschiedlich. Teilweise fehlen kla-re Regelungen bzw. sind bestehende Re-gelungen nicht bekannt oder werden als verwirrend und wenig zielführend emp-funden.

Gesetzliche Regelungen bestehen für den Umgang bei mit unerwünschten Er-eignissen (Vorkommnissen) im Zusam-menhang mit Mediziniprodukten, die negative gesundheitliche Auswirkun-gen für Patienten, Anwender oder Drit-te zur Folge haben könnten. Dabei ist es unerheblich, ob der kausale Zusammen-hang in einem mangelhaften Produkt-design, in einem fehlerhaften Produkt-herstellprozess oder in fehlerhafter An-wendung zu finden ist.

Wer kennt tatsächlich diese Regelungen, was bezwecken sie, und wie soll im Einzelfall konkret verfahren werden?

Anlässlich der Zukunftswerkstatt Ortho-pädie und Unfallchirurgie im November 2009 wurde die Problematik der Vor-kommnisse mit Medizinprodukten in einer interdisziplinär besetzten Arbeits-gruppe zusammen mit Vertretern aus In-dustrie (Medizinprodukte) und des Bun-desinstituts für Arzneimittel und Medi-zinprodukte (BfArM). Dabei wurde fest-gestellt, dass unterschiedliche Kenntnis-se, aber auch unterschiedliche Auffas-sungen bei der Umsetzung der gesetz-lichen Regelungen bestehen. Eine Au-

torengruppe aus Vertretern der beiden Fachgesellschaften, des medizinischen Dienstes – Spitzenverband der Kranken-kassen – und des Fachbereichs Endopro-thetik Implantate (FBEI) des Bundesver-bands Medizintechnologie hat eine zu-sammenfassende Darstellung mit Hin-weisen zur Meldung von Implantat be-zogenen Vorkommnissen in Orthopädie und Unfallchirurgie verfasst, um die be-stehenden Regelungen verständlich dar-zustellen und häufig gestellte Fragen zu beantworten. Vertreter des BfArM ha-ben uns dabei unterstützt. Das Ergebnis ist hier dargestellt.

Ein Arbeitskreis unter der Leitung von Prof. Dr. Dominik Parsch, Stuttgart, der Arbeitsgemeinschaft für Endopro-thetik (AE) beschäftigt sich mit dieser Thematik und mit Fragenstellungen, die über das reine Meldeverfahren hinausge-hen. Er erarbeitet derzeit Vorschläge zur Entwicklung einer optimierten Scha-densanalyse beim Auftreten von melde-pflichtigen Vorkommnissen im Bereich der Endoprothetik und damit verbunde-nen Fragestellungen.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in den Orthopädie Mitteilungen 2011; 1:10–17.

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Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)

Vorweg einige Hinweise und Erläute rungen: Das Bundesinstitut für Arz- neimittel und Medizinprodukte (BfArM, http://www.bfarm.de) ist im Wesentlichen zuständig für die:FErfassung,FAuswertung undFBewertung

von Risiken, die bei der Anwendung oder Verwendung von Medizinproduk-ten auftreten. Es hat eine koordinierende Funktion hinsichtlich der zu ergreifen-den Maßnahmen bei schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen und Vor-kommnissen (Fassung 24. Juli 2010) und konkrete Informationspflichten gegen-über den zuständigen Landesbehörden und dem Deutschen Institut für Medizi-nische Dokumentation und Information (DIMDI).

Die Medizinprodukte-Sicherheitsplan-verordnung (MPSV) in der zuletzt am 10.05.2010 geänderten Fassung regelt die Vorgehensweise bei Vorkommnissen mit Medizinprodukten.

Risikobewertung

Das Institut hat bei allen zu melden-den Vorkommnissen und Rückrufen bei schwerwiegenden unerwünschten Ereig-nissen, die ihm bekannt werden, eine Ri-sikobewertung vorzunehmen. Hierzu hat es auch wissenschaftliche Untersuchun-gen durchzuführen oder durchführen zu

lassen, um mögliche Risiken zu ermitteln und zu entscheiden, ob ein unvertretba-res Risiko vorliegt und welche korrekti-ven Maßnahmen vorgenommen werden müssen.

Die Risikobewertung erfolgt in Zusam-menarbeit mit den an diesem Verfahren Beteiligten und, soweit erforderlich, mit den jeweils betroffenen Betreibern und Anwendern (Ärzte, Medizinprodukte-hersteller und Vertreiber). Für den ver-antwortlichen, oben beschriebenen Per-sonenkreis bestehen Mitwirkungspflich-ten. Dies bezieht sich zum einen auf die Überlassung von Material und Daten im Zusammenhang mit dem Vorfall (z. B. Implantat sowie gegebenenfalls relevante Operationsaufzeichnungen), zum ande-ren auf die Durchführung von Untersu-chungen und die Mitteilung der Untersu-chungsergebnisse.

Daraus folgt, dass im Falle eines Vor-kommnisses beruhend auf Design- und/oder produktionsbedingten oder techni-schen Mängeln der verantwortliche Pro-duzent die für die Risikobewertung erfor-derlichen Untersuchungen unverzüglich durchzuführen und dem BfArM die Er-gebnisse mitzuteilen hat. Im Falle eines Vorkommnisses aufgrund eines Anwen-derfehlers sind gegebenenfalls Maßnah-men zur Abwehr und zur Vermeidung der Fehlerwiederholung zu definieren. Dabei ist in der Regel eine Zusammenarbeit zwi-schen der produktverantwortlichen Orga-nisation und dem/den Anwender/n zwin-gend notwendig.

Einbindung einer vom Patienten/Anwender gewünschten unabhängigen Begutachtung

Die Verpflichtung des BfArM zur Risi-kobewertung ändert sich auch dadurch nicht, dass beispielsweise der Patient einen dritten unabhängigen Gutachter mit der Untersuchung des Explantats beauftragen will. Unbeschadet der seitens des BfArM bestehenden Befugnisse zur Sachverhalts-aufklärung und Risikobewertung ist es an dem Verantwortlichen (Medizinprodukt-hersteller), seinen Verpflichtungen nach-zukommen.

Infobox 1  Definition „meldepflichtige Vorkommnisse“

Ein meldepflichtiges Vorkommnis ist eine Funktionsstörung, ein Ausfall oder eine Än-derung der Merkmale oder der Leistung oder eine Unsachgemäßheit der Kennzeichnung oder der Gebrauchsanweisung eines Medi-zinprodukts, die unmittelbar oder mittelbar zum Tod oder zu einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Patienten, eines Anwenders oder einer anderen Person geführt hat, geführt haben konnte oder führen könnte.§ 2 MPSV

Zusammenfassung · Abstract

Unfallchirurg 2011 · 114:786–793DOI 10.1007/s00113-011-2017-7© Springer-Verlag 2011

W. Blömer · H. Kienapfel · M. Stockheim · H. Siebert

Meldeverfahren bei Vorkommnissen mit Implantaten

ZusammenfassungVorkommnisse mit Implantaten, sei es der Bruch einer Osteosyntheseplatte oder eines Kunststoff-Inlays bei einer Totalendoprothese, sind Vorkommnisse mit meist schwerwiegen-den Folgen für den Patienten, mit mittelbarer und unmittelbarer Auswirkung für die betei-ligte Klinik und den Produkthersteller.

SchlüsselwörterImplantate · Osteosyntheseplatte · Kunststoffinlay · Totalendoprothese

Registration procedure for incidents with implants

AbstractIncidents involving implants, whether there is a break in the osteosynthesis plate or a synthetic inlay of an endoprosthesis, are incidents with mostly severe repercussions for the patient with immediate and delayed effects for the clinic involved and the manu-facturer.

KeywordsImplant · Osteosynthesis plate · Synthetic inlay · Total endoprosthesis

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Fazit

Das BfArM muss im Falle einer Mel-dung eines Vorkommnisses mit schwer-wiegenden Folgen (Definition s. .Info-box 1) alle Maßnahmen einleiten, um seinen gesetzlichen geregelten Ver-pflichtungen nachzukommen, insbeson-dere um die Risikobewertung durchzu-führen. Es muss also klären, ob ein un-vertretbares Risiko im Einzelfall vorliegt und welche korrektiven Maßnahmen er-forderlich sind.

Trotz dieser klaren formalen gesetz-lichen Regelungen bleiben im Einzelfall noch Fragen zur Vorgehens- und Verhal-tensweise für den Anwender (Operateur/in), der/die bei einer Kontrolluntersu-chung ein solches unerwünschtes Ereignis feststellt: Beispielsweise muss jede Locke-rung eines Implantats dahingehend über-prüft werden, ob die Lockerung (Vor-kommnis) durch einen implantatbezo-genen Mangel verursacht oder mit verur-sacht wurde? Die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Fall ist bei kurzer Standzeit des Implantats eher gegeben als bei länge-rer Standzeit (>5 Jahre). Es muss ebenfalls

geprüft werden, ob möglicherweise auch ein Anwenderfehler oder eine Kopplung beider Ursachen vorliegt. In jedem Fall ist kritisch zu überprüfen,Fob das konkrete Vorkommnis eine

schwerwiegende Folge für den Patien-ten darstellt, und

Fob Patienten- oder operationstech-nisch bezogene Faktoren ursächlich im Vordergrund stehen.

Das Ergebnis der Prüfung soll nicht nur dem Patienten gegenüber offen darge-stellt, sondern auch zeitnah dokumen-tiert und den Patientenakten beigelegt werden. Im Übrigen müssen diese Fra-gen auch bei jedem Vorkommnis mit an-deren Medizinprodukten gestellt und ge-klärt werden. Auch hier sind die Meldun-gen an das BfArM obligatorisch.

Vorkommnisse mit schwerwiegen-den Folgen für Patienten, Anwender oder Dritte sind immer meldepflichtig und bedürfen unter dem Aspekt einer Opti-mierung der Sicherheit und Qualität der Versorgung einer offenen unmittelbaren Kommunikation zwischen den Betrof-fenen (Anwender, Medizinprodukteher-steller/Vertreiber und Patient) zur Prä-vention bzw. Vermeidung ähnlicher Er-eignisse. Auch in unklaren Fällen sollte die Kommunikation mit dem Bundesin-stitut für Arzneimittel und Medizinpro-dukte mittels Meldeverfahren im konkre-ten Fall gesucht werden, auch und vor al-lem mit dem Ziel, über die Risikobewer-tung die Patientensicherheit zu fördern.

Wir hoffen, dass wir Ihnen mit den folgenden „Hinweisen zum Meldeverfah-ren implantatbezogener Vorkommnisse in Orthopädie und Unfallchirurgie“ eine gewisse Hilfestellung im praktischen Um-gang und einen Anstoß für die konkrete Auseinandersetzung mit diesem Thema in ihrem Tätigkeitsfeld geben können.

Meldung von implantatbezogenen Vorkommnissen in Orthopädie und Unfallchirurgie

Orthopädie und Unfallchirurgie sind, wie andere medizinische Bereiche auch, von Behandlungsfehlern und Komplikationen (unerwünschte Ereignisse) betroffen. Eine systematische interne und externe Quali-tätssicherung, verbunden mit einem je-weils aktualisierten Risikomanagement, hilft, die Zahl und Schwere von Fehlern und Komplikationen kontinuierlich zu re-duzieren. Diese Handlungsempfehlungen bedürfen der Anpassung und Implemen-tierung an klinikinterne Vorgaben im Be-reich des Qualitäts- und Risikomanage-ments, sie wollen und können diese nicht ersetzen. Sie sollen Unterstützung bei der Erstellung betriebsinterner Richtlinien geben. Die spezifische Ausgestaltung und Anwendung entsprechen den jeweils gül-tigen Sorgfaltspflichten und liegen in der ausschließlichen Eigenverantwortung.

Neben diagnostischen und therapeu-tischen Fehlern ist das Implantatversa-gen in der Endoprothetik und Osteo-synthese eine ernstzunehmende Ursache „unerwünschter Ereignisse“. Daher müs-sen diese Ereignisse strukturiert erfasst, transparent dargestellt und in korrektiven Maßnahmen umgesetzt werden. Das ge-setzlich normierte Verfahren bei Implan-tatversagen unterstützt die klinikinternen Maßnahmen im Rahmen des Qualitäts- und Risikomanagements.

Die vorliegende Handlungsempfehlung richtet sich in erster Linie an die Anwender von Implantaten in Orthopädie und Un-fallchirurgie sowie an die für die Sicherheit von Implantaten und Medizinprodukten zuständigen Stabstellen in den Kranken-häusern. Sie erläutern, in welchen Fällen, bei welchen Vorkommnissen und in wel-cher Weise entsprechend der gesetzlichen Vorgaben vorzugehen ist (.Abb. 1).

Infobox 2  Wer meldet? – häufig gestellte Fragen

?Wer hat zu entscheiden, welcher Faktor bei multifaktoriellem Geschehen verantwortlich für das Implantatversagen ist?Die zuständige Behörde (BfArM)**Das Problem ist die erforderliche Differenzierung zwischen einem Vorkommnis, bei dem der Verdacht auf ein vorzeitiges Versagen des Implantates im Raum steht, und dem „Lebenszyklus entsprechenden“ Versagen.Empfehlung: Es ist zu empfehlen, jedes versagende Implantat zu melden, dass weniger als fünf Jahre Standzeit aufweist. Das ist zwar auch nicht wirklich trennscharf, aber man könnte so vermeiden, dass beim BfArM jeder Prothesenwechsel gemeldet wird, der eigentlich nicht zu bestanden wäre.

?Muss ein Plattenbruch im Rahmen einer Frakturbehandlung gemeldet werden, wenn die Platte (das Produkt) entsprechend den Angaben des Herstellers und der Operationsanleitung den lokalen anatomischen Verhältnissen entsprechend durch Biegung angepasst wurde?Erklärt sich der Plattenbruch nicht aus dem klinischen Verlauf, ist die Meldung an das BfArM zu empfehlen.

?Wer prüft, ob ein Anwender- oder Produktversagen vorliegt?Der verantwortliche Hersteller in enger Zusammenarbeit mit dem Anwender zur Vorlage beim BfArM. Ggf. wird ein externer Sachverständiger mit einer weiteren Untersuchung beauftragt.

Infobox 3  Definition „korrektive Maß-nahme“

§ 2 MPSVEine korrektive Maßnahme ist eine Maßnah-me zur Beseitigung, Verringerung oder Ver-hinderung des erneuten Auftretens eines von einem Medizinprodukt ausgehenden Risikos.

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Leitthema

Implantatversagen

Implantatversagen in Orthopädie und Unfallchirurgie treten vorwiegend im Be-reich der Endoprothetik und der Fraktur-behandlung auf. Ursachen sind:Fpatientenbezogene Faktoren,Fdie Qualität der chirurgischen

Prozeduren,Fspezifische design- und produktions-

bedingte Merkmale der verwendeten Implantate.

Hinweise zur Häufigkeit und Relevanz von Implantatversagen liegen in der Bundesrepublik Deutschland nicht vor. Das BfArM führt eine deskriptive Sta-tistik über die Risikomeldungen, die das BfArM erreichen. In dieser Auswertung gehen die Gelenkendoprothesen in der Produktgruppe „nichtaktive Implantate“ auf. Im Jahr 2009 erreichten das BfArM für diese Produktgruppe insgesamt 1046 Meldungen (http://www.bfarm.de [1, 2]). Eine weitere Differenzierung ist nicht ver-fügbar. Darüber hinausgehende Daten,

wie sie von nationalen Endoprothesen-registern (z. B. in Schweden, Norwegen u. a.; vgl. http://www.ear.efort.org) erho-ben werden, sind für Deutschland bisher nicht verfügbar [3, 4].

Bei einem Vergleich der insgesamt in Deutschland schätzungsweise gemelde-ten 200 Fälle pro Jahr mit internationa-len Registerdaten wird deutlich, dass Im-plantatversagen wesentlich häufiger auf-treten müssten, und somit wird ange-nommen, dass in vielen Fällen diese Er-eignisse nicht zur Meldung und Doku-mentation gelangen. Ein Implantatver-sagen kann schwerwiegende Folgen wie Revisionseingriffe, Infektionen und blei-bende Schäden nach sich ziehen. Zahlen zur Häufigkeit dieser Folgen eines Im-plantatversagens sind mit der vorhande-nen Datenbasis in Deutschland ebenfalls nicht zu ermitteln.

Wenn sich die Ursache des Implan-tatversagens durch den medizinischen Behandlungsverlauf zweifelsfrei erklä-ren lässt, kann auf eine BfArM-Mel-dung verzichtet werden. Die Gründe,

die zum Verzicht auf eine Meldung an die Bundes behörde geführt haben, soll-ten dokumentiert werden. In Zweifels-fällen kann die Prüfung des Behand-lungsverlaufs, respektive des Ereignisses durch einen unabhängigen Sachverstän-digen, die Schlichtungsstelle der Ärzte-kammern oder über die Krankenkasse durch die Medizinischen Dienste erwo-gen werden.

Meldung von Implantatversagen

Trotz klarer Regelungen und gesetzlicher Vorgaben zum Meldeverfahren und da-mit zur Beteiligung des BfArM scheinen in der Praxis doch erhebliche Unklarhei-ten darüber zu bestehen, in welchen Fäl-len eine Meldepflicht besteht und wie diese umgesetzt wird. Dies betrifft also auch Fälle, in denen ein unerwünsch-tes Ereignis im weiteren Sinne in einem Kausalzusammenhang mit dem Tod oder einer schwerwiegenden Verschlechte-rung des Gesundheitszustands eines Pa-tienten, Anwenders oder einer dritten

Person steht. So stellt z. B. ein vorzei-tiger Revisionseingriff eine erhebliche Konsequenz im Sinne einer Verschlech-terung des Gesundheitszustands des Pa-tienten dar. Darüber hinaus ist häufig eine damit verbundene Verschlechte-rung der Ausgangslage für eine evtl. spä-tere weitere Revisionsoperation gege-ben. Eine „schwerwiegende Verschlech-terung“ des Gesundheitszustands ist wei-terhin anzunehmen bei einer lebensbe-drohlichen Erkrankung oder Verlet-

zung, im Falle eines bleibenden Körper-schadens oder einer dauerhaften Beein-trächtigung einer Körperfunktion. Glei-ches gilt bei einem Zustand, der eine medizinische oder chirurgische Inter-vention erfordert, um einen bleibenden Körperschaden oder eine dauerhafte Be-einträchtigung einer Körperfunktion zu verhindern. Ob eine schwerwiegende Be-einträchtigung vorliegt, ist im jeweiligen Einzelfall auch in Relation zum Behand-lungsziel zu beurteilen.

Indikatoren für das Vorliegen eines Vor-kommnisses gemäß der Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung sind z. B.:Fder Bruch einer Implantatkomponente,Feine erforderliche Revision bzw. Ver-

schlechterung des Gesundheitszu-stands bedingt durch falsch verwen-dete Implantatkomponenten (Ver-wechslung, falsche Kennzeichnung usw.),

Foffensichtlich auf das Implantat zu-rückzuführende klinisch-medizini-sche Ereignisse, die eine schwerwie-gende Verschlechterung des Gesund-heitszustands des Patienten bedingen,

Fein vorzeitiger Revisionseingriff.

Für die Praxis bedeutet dies, dass im Zwei-felsfall eher eine Meldung erfolgen sollte. In jedem Fall sollten der Patient und des-sen Angehörige darüber informiert und die Umstände exakt dokumentiert wer-den (s. .Infobox 1).Eine schwerwiegende Verschlechte-rung des Gesundheitszustands wird in den europäischen Leitlinien des Medi-zinprodukte-, Beobachtungs- und Mel-desystems näher erläutert. Die Melde-pflicht im Rahmen des Medizinproduk-te-, Beobachtungs- und Meldesystems fokussiert also auf Vorkommnisse, die in einem kausalen oder möglichen kausa-len Zusammenhang mit spezifischen de-sign- und produktionsbedingten Merk-malen der verwendeten Implantate ste-hen. Sie betrifft nicht die Qualität der In-dikationsstellung oder/und der periope-rativen Prozesse oder/und patientenbe-zogene Faktoren, die zu einem Implan-

Infobox 4  Ablauf des Meldeverfahrens – häufig gestellte Fragen

?Wer hat das Formblatt auszufüllen? Der behandelnde Arzt oder der Hersteller?Sowohl der behandelnde Arzt bzw. derjenige, der das Vorkommnis zuerst bemerkt hat, als auch der Hersteller haben die Meldung mittels der Formblätter durchzuführen.

?Wer untersucht das explantierte Implantat, wer ist dazu verpflichtet?Zur Prüfung des Explantats ist in erster Linie der Hersteller verpflichtet. Diese Verpflichtung ergibt sich aus den Vorschriften zur Risikoabwehr und den Mitwirkungspflichten des Herstellers in der Medizinproduktegesetzgebung. Unabhängig davon kann ein unabhängiger Sachverständiger mit der Untersuchung des Explantats beauftragt werden.

?Wer trägt die Kosten?Die Prüfung durch den Hersteller ist durch diesen kostenlos durchzuführen. Entscheidet sich das Krankenhaus, der Patient oder die Krankenkasse für die Beauftragung eines Sachverständigen, trägt der jeweilige Auftraggeber die Kosten für die Begutachtung. Die Ergebnisse einer Begutachtung durch einen unabhängigen Sachverständigen sollten dem BfArM mitgeteilt werden.

?Welche Unterlagen müssen zusammen mit dem explantierten Implantat der untersuchen-den Stelle zur Verfügung gestellt werden?Alle relevanten Befunde und Berichte, wie Operationsbericht, prä- und postoperative Röntgenbil-der und des Verlaufs, CT-Bilder, evtl. histologische und bakterielle Untersuchungsbefunde, Einver-ständniserklärung des Patienten/der Angehörigen, Meldung an die Geschäftsführung des Kranken-hauses und den Kostenträger.

?Ist eine Meldung an den Hersteller/das vertreibende Unternehmen bei einem Implantat-versagen ausreichend?In aller Regel: nein. In § 3 MPSV wird die Meldung an die zuständige Bundesoberbehörde (BFarM) verlangt. Stellt der Anwender allerdings sicher, dass seine Meldung den Verantwortlichen nach § 5 MPG beim Hersteller erreicht, der wiederum selber beim BFarM melden muss, ist sichergestellt, dass die Meldung das BfArM erreicht. Definitiv unzureichend sind mündliche oder fernmündliche, form-lose Meldungen an den die Klinik betreuenden Mitarbeiter des Herstellers.

?Besteht eine Informationspflicht auch an den Kostenträger?Ja, nach § 294a SGB V muss die Krankenkasse über mögliche drittverursachte Gesundheitsschäden informiert werden (s. oben).

?Welche zusätzlichen Befunde sind sinnvollerweise zu dokumentieren und zu sichern?Das aktuelle Labor: „Entzündungslabor“ im Verlauf, Röntgenbilder der Erstimplantation, patienten-relevante und operationsrelevante Befunde/Berichte, evtl. histologische Befunde.

?Muss ich den Patienten auch aufklären, wenn kein Vorkommnis ohne schwerwiegende Folge vorliegt, z. B. bei einem Plattenbruch bei knöchern verheilter Fraktur ohne Funktions-störung etc.?Nicht verpflichtend. Dies muss situationsabhängig vom behandelnden Arzt entschieden werden. Eine umfassende Befunddokumentation und Information der Haftpflichtversicherung über die Geschäftsführung des Krankenhauses ist zu empfehlen.

?Muss ich den Patienten aufklären, wenn ein Vorkommnis mit schwerwiegender Folge  vorliegt (um Beispiel Revisionseingriff in Folge des Produktversagens)?Ja, der Patient muss in die Lage versetzt werden, die Situation zu beurteilen. Nur so kann der Patient gegebenenfalls auch zeitnah prüfen (lassen), ob es geboten ist, Haftungsansprüche geltend zu machen.

Infobox 5  Juristische Aspekte – häufig gestellte Fragen

?Ist so auch vorzugehen, wenn nach Ansicht des behandelnden Arztes kein  Vorkommnis im Sinne der Meldepflicht nach § 3 Abs. 2–4 der MPSV vorliegt?Nein. Die Befunde müssen jedoch dokumen-tiert, die Gründe, die gegen eine Meldung sprechen, in der Dokumentation dargelegt und der Patient/Angehörige informiert werden.

?Ist in unklaren Fällen immer die Haft-pflichtversicherung der behandelnden Institution/des behandelnden Arztes zu informieren?Nein, es ist aber anzuraten.

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Leitthema

tatversagen führen. Ein Implantatversa-gen ohne schwerwiegende Verschlechte-rung des Gesundheitszustands unterliegt dieser Regelung nicht.

Wer meldet?

Die MPSV sieht bei nicht aktiven Medi-zinprodukten laut § 3, Abs. 2–4 folgen-des vor: „Wer Medizinprodukte beruflich oder gewerblich betreibt oder anwendet, hat dabei aufgetretene Vorkommnisse dem BfArM zu melden.“ (Meldeformular unter http://www. bfarm.de → „nichtakti-ve Medizinprodukte“).

Zunächst ist der verantwortliche Her-steller nach § 5 der MPSV verpflichtet, in Deutschland aufgetretene Vorkomm-nisse dem BfArM zu melden. Die in an-deren Ländern des Europäischen Wirt-schaftsraums aufgetretenen Vorkomm-nisse hat er den dort zuständigen Behör-den zu melden. Dessen ungeachtet ist nach § 3, Abs. 3 der MPSV zu verfahren (s. oben). Dies gilt entsprechend auch für Ärzte, denen im Rahmen der Diagnos-tik oder Behandlung Vorkommnisse be-kannt werden.

Wer meldet? Hersteller, der Implantat-handel, Ärzte, die das Implantat anwen-den oder nachkontrollieren? Angehörige der Heilberufe kommen dieser Verpflich-tung auch nach, wenn Meldungen an Kommissionen oder andere Einrichtun-gen der Heilberufe, die im Rahmen ihrer Aufgaben Risiken von Medizinprodukten erfassen, erfolgen und dort eine unver-zügliche Weiterleitung an die zuständige Bundesoberbehörde sichergestellt ist (Re-gister mit vereinbarter Benachrichtigung des BfArM, s. .Infobox 2).

Was geschieht mit der Meldung?

Das BfArM hat für alle ihm nach § 3 MPSV gemeldeten Vorkommnisse eine Risikobewertung vorzunehmen. Darü-ber hinaus hat das BfArM wissenschaftli-che Untersuchungen durchzuführen bzw. durchführen zu lassen, um mögliche Ri-siken zu ermitteln. Ziel der Risikobewer-tung ist es festzustellen, ob ein unvertret-bares Risiko vorliegt und welche korrek-tiven Maßnahmen geboten sind. Sofern der verantwortliche Hersteller eigenver-antwortlich korrektive Maßnahmen trifft,

schließt die Risikobewertung durch das BfArM die Prüfung ein, ob diese Maß-nahme angemessen ist.

Die Risikobewertung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem verantwort-lichen Hersteller und, soweit erforder-lich, mit den jeweils betroffenen Anwen-dern/Chirurgen, wobei das BfArM in be-sonders eilbedürftigen Fällen eine unver-zügliche Bearbeitung sicherstellt. Anwen-der und Produkthersteller sind in glei-cher Form in diesen Prozess eingebun-den. Dabei kann das BfArM vom verant-wortlichen Hersteller, aber auch vom An-wender alle für die Sachverhaltsaufklä-rung oder die Risikobewertung erforder-lichen Auskünfte und Unterlagen sowie

die Überlassung des betroffenen Produkts oder von Mustern aus der betroffenen Produktionscharge zu Untersuchungs-zwecken verlangen. Patientendaten sind vor der Übermittlung so zu anonymisie-ren, dass ein Personenbezug nicht mehr hergestellt werden kann. Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten, gesetzliche Geheimhaltungspflichten und die ärztliche Schweigepflicht bleiben in je-dem Fall unberührt.

Das BfArM teilt das Ergebnis seiner Risikobewertung dem verantwortlichen Hersteller und der Person, die das Vor-kommnis gemeldet hat, sowie den zu-ständigen Behörden wie z. B. den Lan-desbehörden, gegebenenfalls dem Ro-

Meldung von Vorkommnissen in der Orthopädie und Unfallchirurgie

unerwünschtes Ereignis

Klin. Dokumentation des Ereignisses

Identi�kation Hersteller / Art. Nr. / Lot. Nr.

Meldeformular ausfüllen und an BfArM schicken

Information des Patienten, ggf. der Angehörigen

Einverständniserklärung zur Implantatuntersuchung

Information der Haftp�ichtversicherung

Dokumentation an den Hersteller schi-cken

ggf. Untersuchungen gemeinsam mit Hersteller

Ereignisauswertung und ggf. Korrekturmaßnahmen

Information des Patienten

Klin. Dokumentation des Ereignisses

Information des Patienten, ggf. der Angehörigen

Information der Haftp�ichtversicherung

Vorkommnis?

unkl

ar

nein

ja

Abb. 1 8 Meldung von Vorkommnissen in der Orthopädie und Unfallchirurgie

791Der Unfallchirurg 9 · 2011  | 

bert-Koch-Institut oder dem medizini-schen Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen mit. Wurden Produktrisi-ken identifiziert, müssen korrektive Maß-nahmen zur Beseitigung, Verringerung oder Verhinderung des erneuten Auftre-tens durch den verantwortlichen Herstel-ler gegebenenfalls unter Mitwirkung des Anwenders erfolgen. Hierzu können auch Rückrufmaßnahmen oder Maßnahmen-empfehlungen gehören. Das BfArM kann über durchgeführte korrektive Maßnah-men, Empfehlungen und Ergebnisse der wissenschaftlichen Aufarbeitung über die Internetseiten der Behörde informieren (s. .Infobox 3).

Ablauf des Meldeverfahrens

Die Meldungen der Hersteller erfolgen elektronisch als Datei in der Original-

formatierung. Für Anwender macht das BfArM die Informationen zur Übermitt-lung der Meldung und über zu verwen-dende Formblätter auf ihrer Internetseite bekannt (s. .Infobox 4). Die Meldefor-mulare sind abrufbar unter: http://www.bfarm.de → Medizinprodukte → Formu-lare.

Die Meldungen sind unverzüglich durchzuführen. Das explantierte Implan-tat wird zusammen mit allen verfügba-ren Röntgenbildern, einem erläuternden Bericht durch den behandelnden Arzt und weiteren Befundberichten (Histolo-gie, Bakteriologie) an den Produktvertrei-ber/Hersteller unter Hinweis auf die Mel-depflicht verschickt (Kopie an: Kranken-haus-Geschäftsführung, BfArM). Eine In-formation an die Klinik/den Arzt, die/der die Implantation vorgenommen hat, ist zu empfehlen.

Vorgehen im Einzelnen:FFeststellung mit Dokumentation des

Implantatversagens (z. B. Implantat-bruch),

FIdentifikation des Herstellers/Art.Nr./Lot.-Nr.,

FSicherstellung der bildgebenden Do-kumentation (z. B. Röntgenbild, evtl. Photo des explantierten Implantats),

FInformation und Aufklärung des Pa-tienten und evtl. der Angehörigen über:

1 die Diagnose und daraus resultie-renden Konsequenzen,

1 mögliche Risiken eines erneuten Eingriffs,

1 Einholung des Einverständnisses des Patienten, das ihm gehörende Implantat an Hersteller zur Unter-suchung versenden zu dürfen,

1 Dokumentation des Gesprächs,Fstandardisiertes Meldeformular

ausfüllen und an BfArM versenden (http://www.bfarm.de),

FInformation der Haftpflichtversiche-rung über die Geschäftsführung des Krankenhauses und den „Sicherheits-beauftragten Medizinprodukte “,

FKopie der Dokumentation inklusive der Einverständniserklärung und Aufklärung des Patienten, der In-formation der Geschäftsführung des Krankenhauses und BfArM-Meldung an Hersteller bzw. Produktvertreiber und evtl. erstbehandelnde Klinik/Arzt in Kopie weiterleiten,

FMeldung des Ereignisses an die Kran-kenkasse des Patienten [Gemäß § 294a, SGB V „Mitteilung von Krankheitsursa-chen und drittverursachten Gesund-heitsschäden“ sind Ereignisse, bei denen Hinweise für einen drittverursach-ten Gesundheitsschaden vorliegen, den Kostenträgern zu melden. Das Versagen eines Implantats stellt einen drittverur-sachten Gesundheitsschaden im Sinne des Gesetzes dar. Zugelassene Kranken-häuser (§ 108, SGB V) und Vertragsärz-te sind verpflichtet, die erforderlichen Daten einschließlich der Angaben über mögliche Ursachen und Verursacher den Krankenkassen mitzuteilen].

Das Verwerfen eines Implantats, das im Verdacht steht, für ein Vorkommnis ver-antwortlich zu sein, ist seit dem Inkraft-treten der vierten Medizinproduktege-

Infobox 6  Auf einen Blick: Vorgehen bei Implantatversagen in Orthopädie und Unfallchirurgie

Worauf müssen Sie achten, wenn Sie ein Implantatversagen feststellen, das nicht durch Patienten bezogene Faktoren, perioperative Maßnahmen, eine falsche Indikationsstellung, die Implantat-bearbeitung durch den Anwender, die Implantationstechnik verursacht wurde, sondern aufgrund spezifischer design- und produktionsbedingter Mängel nach § 3, Abs. 2–4 der MPSV?

1. Feststellung eines ImplantatversagensLiegen alle relevanten Röntgenbilder vor?Liegen alle relevanten Befundberichte einschließlich Operationsbericht vor?Handelt es sich um ein Implantatversagen durch:Fanwenderbezogene Vorkommnisse,Fanwendungsspezifische Vorkommnisse,Fproduktspezifische Vorkommnisse,Fschwerwiegende Folge?

2. In jedem Falle: zeitnahe Information des Patienten/der Angehörigen und der Klinikleitung bzw. der Stabstelle „Medizinproduktesicherheit“

Gespräch im Beisein eines Unbeteiligten mit Patienten/Angehörigen durchgeführt, dokumentiert? Dokumentation der Gründe, warum ein Vorkommnis vorliegt, das der Meldepflicht nicht unterliegt

3. Verfahrensablauf bei „Vorkommnis mit schwerwiegender Folge“ im Sinne des Gesetzes:FGespräch im Beisein eines Unbeteiligten mit Patienten/Angehörigen, unter Einholen des Einver-

ständnisses zur Verwendung des Implantates zu weiteren Untersuchungen und Erstellung eines Gesprächsprotokolls

FInformation der Geschäftsführung/Stabsstelle MedizinproduktesicherheitFInformation mit Formblatt an BfArM und Kopien an: Hersteller/Vertrieb, Geschäftsführung

Krankenhaus und Stabstelle Medizinproduktesicherheit, damit auch Haftpflichtversicherung, den Kostenträger und evtl. die erstbehandelnde Einrichtung/Arzt.

FVersand des explantierten Implantats mit relevanten Röntgen- und Befundberichten an Herstel-ler unter Beifügung einer Kopie der Einverständniserklärung des Patienten/seiner Angehörigen

FKopie und Sicherung der Unterlagen von: Patientenakte, Aufklärungsbogen, Einverständnis-erklärung des Patienten, relevanten patientenbezogenen Unterlagen, der durchgeführten Information an Hersteller/Produktvertrieb, Stabstelle Medizinproduktesicherheit, Kostenträger und BfArM.

FAuch im Zweifelsfall Vorgehen entsprechend des oben genannten Verfahrens unter Hinweis auf bestehende Zweifel betreffend Ursachen!

Das Merkblatt zur Meldung des Vorkommnisses finden Sie unter: http://www.bfarm.de

792 |  Der Unfallchirurg 9 · 2011

Leitthema

setz-Novelle (21.03.2010) nicht zulässig! Im dann geltenden § 12, Abs. 4 der MPSV heißt es: „Anwender und Betreiber haben dafür Sorge zu tragen, dass Medizinpro-dukte und Probematerialien, die im Ver-dacht stehen, an einem Vorkommnis be-teiligt zu sein, nicht verworfen werden, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind.“

Kann das zum Versagen geführte Im-plantat nicht explantiert werden, erfolgt dennoch eine Meldung nach § 3, Abs. 2–4 der MPSV unter Beifügung vorhandener Röntgenbefunde und Angaben entspre-chend der oben dargestellten Vorgehens-weise.

Juristische Aspekte

Das Vorkommnis eines Implantatversa-gens ist unabhängig der ausstehenden Würdigung der Ursache(n) als ein ver-meidbares unerwünschtes Ereignis im Verlauf der Behandlung anzusehen. Das Vorgehen entspricht den Standards zum Risikomanagement der jeweiligen Klinik/Arztpraxis (s. .Infobox 5).

Information Patienten/Angehörige

Der Patient und seine Angehörigen sind unabhängig von der Ursache des eingetre-tenen Vorkommnisses – auch im Fall eines Ereignisses ohne nachweisbare Folgen für den Patienten – sachgerecht und zeitnah zu informieren. Das Gespräch sollte in ru-higer und sachlicher Atmosphäre vom be-handelnden Arzt bzw. dem für die Behand-lung verantwortlichen Leiter der Klinik ge-führt werden. Auf Wunsch des Patienten oder Angehörigen kann eine weitere Per-son seines Vertrauens an diesem Gespräch teilnehmen. Inhalt des Gesprächs und Na-men der Anwesenden sind zu dokumentie-ren. Der Patient/Angehörige sollte gebeten werden, wesentliche Inhalte des Gesprächs mit seine eigenen Worten wiederzugeben, damit evtl. noch bestehende Missverständ-nisse ausgeräumt werden (s. .Infobox 6).

Aufbewahrung der Unterlagen

Kopien der Behandlungsunterlagen sind vollständig anzufertigen und getrennt von den Behandlungsunterlagen des Patienten aufzubewahren.

„Beauftragter für Implantatsicherheit“ in der Stabstelle Medizinproduktesicherheit

Die Benennung eines Beauftragten für Implantatsicherheit als Bindeglied zur übergeordneten Klinikstabsstelle Medi-zinproduktesicherheit wird empfohlen. Folgende Aufgaben in Zusammenarbeit mit der Stabsstelle sind speziell dabei zu übernehmen:FSicherstellung der praxisnahen Unter-

weisung aller an der Anwendung be-teiligten Personen vor der Anwen-dung von Implantaten, wie vom Ge-setzgeber vorgeschrieben, Dokumen-tation und Aufbewahrung gemäß Medizinproduktebetreiberverord-nung (MPBetreibV). Hersteller oder Vertriebsorganisationen sind davon in Kenntnis zu setzen.

FVor Anwendung eines neuen oder geänderten Implantats sollen Schu-lungsmaßnahmen unter Beteiligung des Herstellers oder Vertriebsorga-nisation für alle Anwender durchge-führt werden.

FSicherstellung von Schulungen neuer Mitarbeiter, die bei der Anwendung beteiligt sind.

FRegelung der Zuständigkeit und der Kommunikation innerhalb der Klinik/Einrichtung.

FRegelung der Zuständigkeit und der Kommunikation zwischen Klinik und Produkteherstellern und/oder Vertriebsorganisationen, v. a. auch betreffend:

1 Änderungen Anwendungsindika-tion, Design etc,

1 Vorkommnisse bereits eingeführter Implantate,

1 insbesondere Regelung einer zeit-nahen Informationsweitergabe an die Anwender – auch außerhalb der Dienstzeiten (z. B. bei Rück-rufaktion) Sicherheitshinweise des BfArM, der Hersteller und oder/Vertriebsorganisationen.

FFestlegung von klinikinternen Regeln zur Durchführung klinischer Prüfun-gen neuer/geänderter Medizinprodukte nach dem Konformitätsverfahren.

KorrespondenzadresseProf. Dr. H. SiebertGeschäftsstelle, Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V.,Luisenstraße 58-59, 10117 Berlinhsiebert@diaksha.de

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor weist auf folgende Beziehung hin: W. Blömer ist Mit-arbeiter der Fa. Aesculap AG.

Literatur 1. Heinz BC (2009) Endoprothesenregister und de-

ren Beitrag zur Sicherheit der Patientenversorgung mit Gelenkimplantaten. Bundesgesundheitsblatt 52:589–593

2. Heinz BC, Malleck D von (2005) Vorkommnisse bei Hüft- und Knie-Endoprothesen-Lockerung. Ortho-padie 34:47–54

3. Niethard FU (o J) Ein Endoprothesenregister auf der Grundlage von Routinedaten. Orthopadie Mit-teilungen 3/10, 205–206

4. (o A) (2010) Medizinreport „Das Endoprothesenre-gister muss kommen“, ÄB107, 7, A270

Feedback

Diese Handlungsempfehlungen sind auch ein Instrument zur Verbesserung der Patienten-sicherheit. Dieser Prozess bedarf kontinuier-licher Weiterentwicklung und Anpassung. Rückmeldungen jeder Art an die Heraus-geber sind deshalb ausdrücklich erwünscht. Sollten Sie bei Durchsicht und/oder Gebrauch dieser Empfehlung auf Ungereimtheiten, Missverständliches oder Fehler stoßen, bitten wir Sie ebenso um einen Hinweis, wie wir auch gerne Verbesserungsvorschläge aufnehmen.

Sie erreichen uns unter:Geschäftstelle Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und UnfallchirurgieLuisenstraße 58/5910117 BerlinE-Mail: office@dgou.de

Weiterführende Informationenhttp://www.BfArM.dehttp://www.dimdi.de

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