Möglichkeiten und Grenzen der Systemtherapie bei Hochkonfliktfamilien Referat von Prof. Dr. med...

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Möglichkeiten und Grenzen der Systemtherapie bei HochkonfliktfamilienReferat von Prof. Dr. med Wilhelm Felder im Rahmen des Abschiedssymposiums für Dr. med. Madeleine Eggler

• Auswirkungen des elterlichen Konfliktes auf Kinder

• Wirksamkeit der Systemtherapie

• Systemtherapie bei Hochkonfliktfamilien

Scheidungskinderstudie in Bern 2006

Einfluss des elterlichen Konfliktes auf die Kinder und Jugendlichen in der Scheidungsfamilie und in der Kernfamilie

Andrea Zimmermann 2006

N= 1811 Lehrlingen

15-24 jährig

472= 26 % Scheidung

1334 =74 % Kernfamilie

Konfliktausmass : 5 Stufen

Konfliktinhalte:

•Loyalitätskonflikt

•Kindbezogene Inhalte

•Elternbezogene Inhalte

•Gewalt

Befindlichkeit der Kinder:

•Somatische Beschwerden

•Selbstwert

•Ärger

Kinder aus Scheidungsfamilien unterscheiden sich nicht signifikant von Kindern aus Kernfamilien bezüglich der gemessenen Befindlichkeitsaspekte.

Kinder, die einen hohen Konfliktwert der elterlichen Beziehung angeben, geben ebenfalls ein signifikant niedrigeres Wohlbefinden an als Kinder aus wenig gespannten elterlichen Beziehungen.

Die erfragten Konfliktinhalte

(Loyaltät, Gewalt, elternbezogen, kindbezogen)

Klären 11 % der Varianz der Befindlichkeit der Kinder auf.

Wir wissen aus vielen empirischen Studien und aus unserer klinischen Erfahrung, dass

der elterliche Konflikt für Kinder ein Risikofaktor für die Entwicklung ist,

Wir wissen aus vielen empirischen Studien und aus unserer klinischen Erfahrung, dass

der elterliche Konflikt für Kinder ein Risikofaktor für die Entwicklung ist,

aber

Wir haben kaum ein evidenzbasiertes Wissen, wie in einer bestimmten Familie der Konflikt auf die einzelnen Familienmitglieder wirkt.

Im Einzelfall sind wir auf unser klinisch-therapeutisches «Allgemeinwissen» angewiesen.

• Auswirkungen des elterlichen Konfliktes auf Kinder

• Wirksamkeit der Systemtherapie

• Systemtherapie bei Hochkonfliktfamilien

Kirsten von Sydow, Stefan Beher,

Rüdiger Retzlaff, Jochen Schweizer

Die Wirksamkeit der Systemischen Therapie/Familientherapie

Hogrefe 2007

Erwachsenenpsychotherapie:

33 RCT; 27 erfolgreich

Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen:

50 RCT; 44 erfolgreich

Weersing,Weisz 2002:

Von 67 RCT messen lediglich 6 die vermuteten Mediatoren über den Therapieverlauf.

Weersing,Weisz 2002:

Von 67 RCT messen lediglich 6 die vermuteten Mediatoren über den Therapieverlauf.

Warum Therapien wirksam sind, wissen wir immer noch kaum.

• Auswirkungen des elterlichen Konfliktes auf Kinder

• Wirksamkeit der Systemtherapie

• Systemtherapie bei Hochkonfliktfamilien

Franziska Gabaglio

Emotionale und kommunikative Aspekte in hochstrittigen Familien

Dissertation 2009

Charakteristiken von HKF

– Die emotionalen Probleme der Eltern sind deutlich vordergründig

– Partner sind unfähig/ nicht willens, kleinere Konflikte ohne Hilfe des Gerichts zu lösen

– Mehrere Versuche, den Konflikt mit aussergerichtlichen Standardinterventionen zu beenden, sind gescheitert

– Die Eltern beziehen die Kinder in die Paarkonflikte mit ein und die Beziehung zum anderen Elternteil wird belastet

die Kinder tragen potentiell emotionale und physische Schäden davon

Homrich, Muenzenmeyer-Glover & Blackwell-White, 2004

Einschlusskriterien

• Die Eltern leben getrennt oder geschieden.• Die Familien werden vom Sozialdienst aufgrund von

Besuchsrechtsstreitigkeiten betreut und / oder stehen unter einer Erziehungsbeistandschaft.

• Zwischen den Eltern besteht ein hohes Konfliktniveau. ( Einschätzung aufgrund 2 Expertenurteilen)

• Die Eltern müssen mindestens ein gemeinsames Kind im Alter von 0 bis 12 Jahren haben.

Ausschlusskriterien

• Hängiger Rekurs (z.B. gegen errichtete Beistandschaft)

• Geistige Behinderung des Index - Kindes• Mangelnde Deutschkenntnisse der Elternteile

und / oder der Kinder• Stationärer psychiatrischer Aufenthalt eines

Elternteils• Vorliegende oder sich abzeichnende

Gefährdungssituation eines oder mehrerer Kinder der Familie oder eines Familienmitglieds

Eltern mit Besuchsrechtskonflikten auf Sozialdienst

Randomisierung

Verfügung KIM Übliches behördliches Vorgehen

Studienteilnahme? Studienteilnahme?

ja janein nein

Interventionsgruppe

Kontrollgruppe

Übliches Vorgehen

Studiendesign I

Intervention KIM

Einschätzung elterliches Konfliktniveau: 2 Expertenurteile

• Familiendarstellung• Ressourcenaufstellung• Erfassen der problembelasteten

intrafamiliären Erziehungsbereiche• Erfassen der problembelasteten

interfamiliären Bereiche

Festlegen der Interventionsinhalte

Diagnostik

Mutter-Kind-Familie

Vater-Kind-Familie

Interfamiliäre Intervention

• Loyalitätskonflikt der Kinder• Fokus auf die Bedürfnisse der Kinder• Elterliche Verantwortung stärken• Bedingungen für die Kontakte unter

Einbezug der Kinder

Ziel: Lösungen für die Besuche generieren, welche beide Elternteile akzeptieren können

Interfamiliäre Intervention

In Mutter-Kind-Familie

In Vater-Kind-Familie

Intrafamiliäre Intervention

• Analyse von Problemverhalten

• Interventionstechnik entsprechend des Problemverhaltens

Ziel: Erziehungskompetenz der Elternteile fördern

Intrafamiliäre Intervention

Ergebnisse

• 20% der Kinder keinen 40% unregelmässigen, 40 % regelmässigen Kontakt

• Rund die Hälfte der Eltern ist mit Höhe des Kindesunterhalts unzufrieden

• Mütter mit Sorgerecht zufrieden, Väter unzufrieden• Mütter flexibler bei Kontakten als Väter• Mütter mit Besuchsregelung zufriedener als Väter• Mütter schätzen Beziehung des Kindes zum Vater

besser ein als dies Väter für die Beziehung des Kindes zur Mutter tun.

• Eltern schätzen eigenes Erziehungsverhalten mit mehr positive Erziehung, weniger körperliche Bestrafung und weniger Inkonsistenz ein als jenes des Ex-Partners.

Ergebnisse

• Die Väter schätzten das Erziehungsverhalten der Mütter als inkonsistenter ein als die Mütter das Erziehungsverhalten der Väter

• Sowohl aus Sicht der Kinder wie aus Sicht der Eltern werden die Jungen belasteter eingeschätzt als die Mädchen.

• Die Väter schätzten das Erziehungsverhalten der Mütter als inkonsistenter ein als die Mütter das Erziehungsverhalten der Väter

• Sowohl aus Sicht der Kinder wie aus Sicht der Eltern werden die Jungen belasteter eingeschätzt als die Mädchen.

• Es konnten keine signifikanten Interventionseffekte festgestellt werden.

M.Friedman 2004

The So-Called High-Conflict Couple:

A Closer Look

The American Journal of Family Therapy,32:101-117,2004

• Es gibt Paare mit verstrickten Nachscheidungskämpfen.

• Es gibt Paare mit verstrickten Nachscheidungskämpfen.

• Es gibt Paare mit asymmetrischen Nachscheidungskämpfen auf Grund der psychischen Störung (Persönlichkeitsstörung) eines Elternteils.

• Es gibt Paare mit verstrickten Nachscheidungskämpfen

• Es gibt Paare mit asymmetrischen Nachscheidungskämpfen auf Grund der psychischen Störung (Persönlichkeitsstörung) eines Elternteils

• Es gibt Paare mit asymmetrischen Nachscheidungskämpfen, weil der obhutsberechtigte Elternteil den Umgangsberechtigten marginalisieren will.

Sind behördliche (und therapeutische) Interventionen an der Aufrechterhaltung des asymmetrischen Konfliktes ursächlich mitbeteiligt?

Sind behördliche (und therapeutische) Interventionen an der Aufrechterhaltung des asymmetrischen Konfliktes ursächlich mitbeteiligt?

„Lexigenic“

M.Adams, S.Coltrane 2006

Framing Divorce Reform: Media,Morality and the Politics of Family

Family Process, Vol 46, 1, 2006, 17-34

Analyse von Artikeln zum Thema Scheidung, Scheidungsgesetzgebung und Ehe in drei amerikanischen Tageszeitungen über ca. 40 Jahre

No-fault Divorce in Kalifornien 1969

(Abrücken vom Verschuldensprinzip)

Abrücken vom Verschuldensprinzip

Paradigmawechsel:

Vorher: Tritt eine soziale Störung auf, unter der ein Ehepartner oder beide leiden, darf der Staat eingreifen.

Nachher: Scheidung ist ein Rechtsanspruch

No-fault Divorce in Kalifornien 1969

In der Folge:

• Mütter sind benachteiligt (Geld)

No-fault Divorce in Kalifornien 1969

In der Folge:

• Mütter sind benachteiligt (Geld)

• Väter sind benachteiligt (Geld, Umgangsrecht)

No-fault Divorce in Kalifornien 1969

In der Folge:

• Mütter sind benachteiligt (Geld)

• Väter sind benachteiligt

(Geld, Besuchsrecht)

• Kinder sind die wahren Opfer

Mit der Argumentation, es gäbe im Scheidungsprozess eben doch Opfer, bekam die Scheidung wieder den Aspekt einer sozialen Störung, einer sozialen Ungerechtigkeit.

Beginnend ab 1996 mit deutlichem Anstieg ab 2001 standen Bemühungen um Aufrechterhaltung der Ehe und Ablehnung der Scheidung viel mehr im Vordergrund des öffentlichen Interesses als weitere Reformen der Scheidungsgesetzgebung.

Dieser Prozess ist nichts anderes als eine erneute soziale Stigmatisierung der Scheidungswilligen/Geschiedenen, an der wir Psy-Fachleute nicht unschuldig sind.

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