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Fachthemen
DOI: 10.1002/stab.201201642
42 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 82 (2013), Heft 1
Natalie StranghönerJörn Berg Anna GorbachovPeter Schaumann Anne Bechtel
Der Ausbau Erneuerbarer Energien in Deutschland ist politisch verankert. Insbesondere unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit spielen die zugehörigen baulichen Anlagen eine wichtige Rolle. Bewertungssysteme zur Nachhaltigkeitsquantifizierung von baulichen Anlagen existieren zwar auf dem Gebäudesektor, jedoch nicht ausreichend für die Anwendung bei Ingenieurbauwerken. Im Zuge einer nachhaltigen Energieversorgung liegt es nahe, Nachhaltigkeitsaspekte bereits während der Planung und Ausführung von Anlagen zur Gewinnung Erneuerbarer Energien zu berücksichtigen. Der Beitrag behandelt die Entwicklung einer Methodik zur Nachhaltigkeitsbewertung von tragenden Stahlkonstruktionen Erneuerbarer Energien. Die Anwendung der Methodik erfolgt exemplarisch im Rahmen einer ökologischen Nachhaltigkeitsbewertung am Beispiel eines Baustahlfermenters einer Biogasanlage. Die entwickelte Methodik erlaubt einen Vergleich unterschiedlicher Bauweisen und Ausführungsvarianten in Bezug auf nachhaltigkeitsbezogene Gesichtspunkte und dient als Entscheidungshilfe unter Berücksichtigung von Anforderungen an eine nachhaltige Bauweise.
Sustainability assessment for load carrying steel constructions of renewables – Development of methods and application examples. The upcoming installation of renewables in Germany is already politically established. Especially under consideration of sustainability aspects, the structural systems of renewables are very important. Rating systems for sustainability exist only for buldings but not sufficient for application in structural engineering. For a sustainable energy supply sustainability aspects should be considered during design and execution of structures of renewables. This article addresses the development of methods for sustainability assessment of load carrying steel structures of renewables. The described method is applied exemplary for the environmental sustainabilty assessment of a steel digester of a biogas power plant. With the help of the sustainability rating system, different construction methods can be compared under consideration of sustainability aspects. Furthermore, the method can be utilized as a help for a decision in order to fulfill sustainability requirements.
1 Einleitung
Die Aktualität des Themas Nachhal-tigkeit hat in den vergangenen Jahren weltweit einen zunehmenden Stellen-wert erfahren. Insbesondere im Be-reich der Energieversorgung erfährt die Sicherstellung einer nachhaltigen Energiegewinnung eine wichtige Be-deutung. Dementsprechend wird der Einsatz und Ausbau von Erneuerba-ren Energien verstärkt fokussiert. In Deutschland ist die Energiewende im Rahmen des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) politisch verankert, so dass der Anteil Erneuerbarer Ener-gien am Stromverbrauch bis zum Jahr
2020 auf mindestens 35 % gesteigert werden soll. Bild 1 zeigt die deutsch-landweite Stromerzeugung aus Erneu-erbaren Energien in TWh ab dem Jahr 2000 und die Prognose bis zum Jahr 2020 [1]. Insbesondere für die Energie-quellen Windenergie, Bioenergie und Fotovoltaik ist ein wachsendes Poten-tial bzgl. der Stromerzeugung erkenn-bar. Zu der Umsetzung der politischen Ziele und dem Ausbau der Erneuerba-ren Energien ist dementsprechend ein erhebliches Potential im Baugewerbe für lasttragende Komponenten der zu-gehörigen Anlagen vorhanden. Der Werkstoff Stahl spielt für die lasttra-genden Konstruktionen eine bedeu-
tende Rolle, da beispielsweise umge-bungsbedingte Herausforderungen von Offshore-Windenergieanlagen den Einsatz von Stahlstrukturen er-fordern.
Biogasanlagen stellen eine wich-tige Säule bei der zukünftigen Energie-versorgung dar. Durch die Möglichkeit der bedarfsgerechten Stromerzeugung sind ein Beitrag zur Netzentlastung, die Glättung von Last- und Erzeu-gungsspitzen sowie eine Verbesserung der fluktuierenden Stromerzeugung aus Wind und Fotovoltaik möglich. Des Weiteren ermöglichen Biogasan-lagen – durchaus auch kleinerer Grö-ßenordnungen, z. B. 75-kW-Anlagen, die so genannten Gülle-Anlagen – die energetische Unabhängigkeit in länd-lichen Regionen durch die Gewähr-leistung der Eigenversorgung.
Bild 2 zeigt die Anzahl der deutsch-landweit vorhandenen Biogasanlagen und die zugehörige installierte elek-trische Leistung sowie die Prognose für die Jahre 2012 und 2013 [2]. Der-zeit besteht der Großteil der Biogas-fermenter vorhandener Biogasanla-gen aus Stahlbeton. Der Anteil von Stahlfermentern ist aktuell mit 5 bis 10 % zu beziffern. Potential zur Stär-kung des Stahlanteils ist ausreichend vorhanden – es sollte auch genutzt werden. Für eine mittlere Anlagen-größe von 500 kWel mit zwei Haupt-fermentern, einem Güllevorlagerbe-hälter und einem Gärrestbehälter er-gibt sich ein Baustahlbedarf von etwa 120 t Stahl. Dies entspricht einem Ver-hältnis von etwa 0,24 t Baustahl pro 1 kWel installierter elektrischer Leis-tung. Bedingt durch den wachsenden Anteil der Bioenergie am deutsch-landweiten Strombedarf ist bis zum Jahr 2020 von einer durchschnittlichen, jährlichen Zunahme von mindestens
Nachhaltigkeitsbewertung stählerner Tragkonstruk tionen Erneuerbarer EnergienMethodenentwicklung und Anwendungsbeispiele
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neuerbare Energien, mit dem Fokus auf Windenergie- (WEA) und Biogas-anlagen, ermöglicht. Betrachtungsge-genstand dieser Bewertungsmethodik sind die Gründungsstrukturen von WEA und Fermenter von Biogasanla-gen, jeweils ausgeführt in Stahlbau-weise.
2 Methode zur Nachhaltigkeitsbewertung
2.1 Theoretischer Hintergrund
Als Grundlage für die Entwicklung einer Methodik zur Nachhaltigkeitsbe-wertung von Stahlkonstruktionen für Erneuerbare Energien wurde das Hand-buch der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) gewählt [3], mit dessen Hilfe die Nachhaltigkeit von Büro- und Verwaltungsgebäuden unter Einbeziehung ökologischer, ökonomischer, soziokultureller und funktionaler, technischer sowie pro-zessbezogener Aspekte bewertet wer-den kann. Eine direkte Übertragung auf lasttragende Stahlkonstruktionen von WEA und Biogasanlagen ist je-doch nicht möglich. Gemäß den Krite-rien des DGNB-Handbuchs beziehen sich beispielsweise soziokulturelle und technische Aspekte hauptsächlich auf die Bauwerksnutzung, welche im Ver-gleich zum Gebäudesektor bei Stahl-konstruktionen von WEA und Biogas-anlagen von untergeordneter Relevanz sind. Im Rahmen einer umfassenden Literaturrecherche wurden über 200 Kriterien zur Bewertung von Nachhal-tigkeitsaspekten aus weiteren Nach-hal tigkeits bewertungs systemen ausge-wertet und deren Anwendbarkeit auf Stahlkonstruktionen von WEA und Biogasanlagen analysiert. Neben dem DGNB-Katalog lag der thematische Fokus auf Kriterien zur Beschreibung von Nachhaltigkeitsaspekten Erneuer-barer Energien sowie auf entsprechen-den Aspekten von Stahl [4]. Darüber hinaus wurden Kriterien entwickelt, mit denen eine Nachhaltigkeitsbewer-tung auf Unternehmensebene möglich ist, um zusätzlich auch auf das nach-haltige Handeln der involvierten Un-ternehmen, insbesondere im Rahmen der Herstellung, eingehen zu können.
2.2 Entwickeltes Nachhaltigkeitsbewertungssystem
Im Rahmen der Kriterienanalyse wur-den letztendlich insgesamt 35 Kriterien
neuerbarer Energien einen entscheiden-den Faktor dar. Im Bereich des Hoch-baus ist bereits in den vergangenen Jahren das Thema Nachhaltigkeit so-wohl durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) als auch durch das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) vorange-trieben worden. Für einen nachhaltig-keitsorientierten Ausbau Erneuerba-rer Energien liegt es nahe, Nachhaltig-keitsaspekte bereits bei der Planung, Fertigung und Ausführung von zuge-hörigen Stahlkonstruktionen zu be-rücksichtigen. Aus diesem Grund be-schäftigt sich dieser Beitrag mit der Entwicklung einer Bewertungsmetho-dik, welche die Nachhaltigkeitsbewer-tung von Stahlkonstruktionen für Er-
230 MWel und auf der Grundlage der positiven Entwicklung bis zum Jahr 2011 sogar bis zu 500 MWel durch Biogasanlagen auszugehen. Unter An-nahme eines Anteils der Baustahlbehäl-ter an der Summe aller Biogasfermen-ter von 100 %, ergibt sich demzufolge ein durchschnittlicher, jährlicher Stahl-bedarf von etwa 55000 t bis 120000 t Baustahl. Dieses Zahlenbespiel ver-deutlicht das große Potential, welches bei dem Bau von Stahlbehältern für Biogasanlagen und somit für den Stahl-bau vorhanden ist.
Zur Ausnutzung des gegebenen Potentials ist die Nachhaltigkeitsbe-wertung der Anlagen als ein wertvolles Hilfsmittel anzusehen, denn das Thema Nachhaltigkeit stellt beim Ausbau Er-
Bild 1. Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien in Deutschland entsprechend der Energieerzeugungsart ab dem Jahr 2000 und Prognose bis zum Jahr 2020 [1]Fig. 1. Generated electricity by renewables in Germany from the year 2000 until 2012 and forecast until the year 2020 [1]
Bild 2. Anzahl der Biogasanlagen und installierte elektrische Leistung in Deutsch-land sowie Prognose für die Jahre 2012 und 2013 [2]Fig. 2. Number of biogas power plants and installed electricity capacity in Germany and forecast for the years 2012 and 2013 [2]
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die Stahlbauweise eine weitere Ausfüh-rungsvariante von Biogasfermentern darstellt. Hierbei können die Behälter grundsätzlich aus be schichtetem Bau-stahl oder nichtrostendem Stahl ausge-führt werden. Die Verbindungstechni-ken unterscheiden sich in geschweißte, geschraubte, gefalzte und zukünftig auch geklebte Verbindungen. Der Blechdickenbereich der zum Einsatz kommenden Grundbleche reicht je nach Anlagengröße von etwa 5 bis 12 mm für die Baustahlvariante und 1,5 bis 5 mm für die Variante aus nicht-rostendem Stahl. Die Lebensdauer von Biogasanlagen wird derzeit aufgrund der relativ jungen Bauweise und fehlen-den Erfahrungen sowie der derzeitigen Garantie für die Einspeisevergütung mit 20 Jahren angesetzt.
Im Rahmen der vorliegenden öko-logischen Nachhaltigkeitsbewertung wird als Betrachtungsgegenstand ex-emplarisch ein geschweißter Baustahl-fermenter einer Biogasanlage unter-sucht. Konstruktionsdaten bzw. maß-gebende Eingangswerte wie Werkstoff, Stahlmasse, Wanddicken und Leistung der gesamten Anlage sind in Bild 4 auf-geführt.
3.2 Methodische Vorgehensweise
Die ökologische Nachhaltigkeitsbewer-tung und die zugehörigen Kriterien ge-
Einheit etc. enthält. Ergänzt werden die Steckbriefe um eine Bewertungs-methodik, die für jedes Kriterium ent-wickelt wurde – unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen von Stahlkonstruktionen für Erneuerbare Energien. Auf einen Teil der Kriterien und entsprechende Ergebnisse wird im folgenden Abschnitt zur Nachhal-tigkeitsbewertung stählerner Biogas-behälter detaillierter eingegangenen. Untersuchungen an Offshore-Wind-energieanlagen hinsichtlich ökologi-scher Auswirkungen wurden bereits in [4] und [5] vorgestellt.
3 Nachhaltigkeitsbewertung stählerner Biogasanlagenbehälter
3.1 Stahltragkonstruktion von Biogasanlagen
Im Allgemeinen gehören zu den Be-standteilen einer Biogasanlage ein Güllevorlagerbehälter, ein oder meh-rere Faulbehälter (Hauptfermenter) und ein Gärrestbehälter, welche in un-terschiedlichen Bauarten bzw. Werk-stoffen ausgeführt werden können. Derzeit wird der Großteil dieser Bio-gasbehälter in Stahlbetonbauweise aus-geführt. Eine wesentliche Anforderung an die Bauwerksnutzung des Fermen-ters ist die Gasdichtheit, um einen mög-lichst störungsfreien Prozess der Bio-gasgewinnung zu ermöglichen, so dass
definiert, welche die Kategorien Öko-logie, Ökonomie, Soziologie, Technik und Prozess abdecken und mit deren Hilfe die Nachhaltigkeit von tragen-den Stahlkonstruktionen von WEA und Biogasanlagen bewertet werden kann. Als funktionelle Einheit wurde die lasttragende Stahlkonstruktion ge-wählt. In Abgrenzung zum DGNB Katalog wird kein kumulierter Nach-haltigkeitsindex berechnet, welcher die verschiedenen Nachhaltigkeitskrite-rien unterschiedlich wichtet. Vielmehr ermöglicht das Bewertungssystem ei-nen unabhängigen Vergleich unter-schiedlicher Ausführungsvarianten unter Einbeziehung nachhaltigkeits-bezogener Aspekte.
Für die Anwendung der einzelnen Kriterien ist eine Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus der Stahlkon-struktion – angefangen bei der Trag-werksplanung sowie der Herstellung der Vorprodukte über die Nutzung bis hin zum Rückbau der Konstruktion und deren Verwertung – erforderlich, um eine ganzheitliche Nachhaltig-keitsbilanz erstellen zu können. Zur Sicherstellung einer möglichst praxis-nahen Anwendung des Bewertungs-katalogs wurde ein Anwendungstool mit Hilfe der Programmoberfläche Microsoft Excel entwickelt, in wel-chem das Bewertungssystem samt sei-ner Nachhaltigkeitskriterien enthalten ist. Die Auswertung für die verschie-denen Nachhaltigkeitskategorien er-folgt schließlich mit Hilfe von Polardi-agrammen (s. Bild 6).
2.3 Kategorien und Kriterien
Der Kriterienkatalog, bestehend aus den 35 definierten Kriterien und ent-sprechenden Methoden, ermöglicht eine Bewertung der Stahlkonstruktio-nen hinsichtlich der Nachhaltigkeit über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg. Zusätzlich ist insbesondere für die sozialen, technischen und pro-zessbedingten Aspekte eine unterneh-mensbezogene Bewertung durchführ-bar. In Bild 3 sind die ausgewählten Kriterien mit Bezug zu den einzelnen Nachhaltigkeitsaspekten (Ökologie, Ökonomie, Gesellschaft/Soziologie, Technik und Prozess) dargestellt.
Für jedes Kriterium wurde im Rah-men des Projektes ein Steckbrief er-stellt, der eine detaillierte Beschreibung des Kriteriums sowie Informa tionen zum zugehörigen Indikator und der
Bild 3. Darstellung der im Katalog enthaltenen Kriterien, aufgeteilt nach den ein-zelnen NachhaltigkeitsaspektenFig. 3. List of criteria allocated to the appropriate sustainability aspects
Nachhaltigkeitsaspekte und -kriterien
Ö1 Lebenszykluskosten
Ö2 Aufwendungen für FuE
Ö3 Beschäftigungseffekte
Ökonomie
U1 Nicht erneuerbarer Primärenergiebedarf
U2 Gesamtprimärenergiebedarf und
Anteil EE
U3 Abiotischer Ressourcenbedarf
U4 Wasserbedarf
U5 Treibhauspotenzial
U6 Ozonschichtabbaupotenzial
U7 Oxidantienbildungspotenzial
U8 Versauerungspotenzial
U9 Eutrophierungspotenzial
U10 Stäube
U11 Risiken für die menschliche Gesundheit
und die Umwelt
U12 Lärmbelastung
U13 Recyclingpotenzial von Stahl
U14 Abfallaufkommen
Ökologie
T1 Korrosionsschutzmaßnahmen
T2 Nutzungsdauer
T3 Wartungs- und
Instandsetzungsfreundlichkeit
T4 Nutzungsvielfalt und Mehrfachnutzung
T5 Rückbau und Recyclingfreundlichkeit
und Wiederverwendbarkeit
Technik
P1 Maßnahmen zur Qualitätsicherung
P2 Material- und Ressourceneffizienz
P3 Implementierung von
Managementsystemen
P4 Baustelle / Bauprozess
P5 Projektrealisierungszeit
P6 Transportaufkommen und Anteil der
Verkehrsträger
Prozess
Gesellschaft/Soziologie
S1 Arbeitsicherheit/Unfallhäufikeit
S2 Anteil an Auszubildenden
S3 Qualifizierungsindex
S4 Weiterbildungsmaßnahmen
S5 Mitarbeiterfluktuation
S6 Familienfreundlichkeit
S7 Soziales Engagement
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Bild 6 in Form eines Polardiagramms gegenübergestellt. Hierbei ist zu beach-ten, dass die beiden Kriterien Stäube (U10) und Lärmbelastung (U12) auf-grund derzeit noch fehlender Anga-ben in den entsprechenden Datenban-ken noch nicht erfasst werden kön-nen. Da die beiden Kriterien jedoch für grundsätzlich wichtig befunden wurden, sind sie der Vollständigkeit halber hier mit aufgeführt.
Je nach verwendetem Datensatz liegen die Werte für den nicht regene-rativen Primärenergiebedarf (U1) bei ca. 1500 GJ (Ökobau.dat) beziehungs-weise ca. 1300 GJ (EPD-Datensatz). Auch für die Treibhausgasemissionen weisen die Ergebnisse auf der Grund-lage des Ökobau.dat-Datensatzes mit gut 116 Tonnen gegenüber 98 Tonnen unter Berücksichtigung des EPD-Da-tensatzes höhere Werte auf. Bei weite-rer Betrachtung der übrigen Ergebnisse wird deutlich, dass bei der Bilanzierung auf Grundlage des EPD-Datensatzes im Vergleich zur Ökobau.dat die Werte für nahezu alle Kriterien, mit Ausnah- me des Ozonabbaupontenzials (OPD) und des Stahlverlusts (SV), niedriger sind. Der niedrigere Ressourcenbe-darf sowie auch die geringeren Emis-sionen sind in erster Linie auf einen höheren Anteil an Sekundärstahl bei der Stahlherstellung zurückzuführen, woraus ein entsprechend niedriger Pri-märmaterialbedarf resultiert. Wie un-mittelbar anhand des Kriteriums U13a erkennbar ist, beträgt der Pri-märstahlanteil beim EPD-Datensatz für Stahl ca. 38 %. Im Vergleich dazu liegt der Primärstahlanteil beim Öko-bau.dat-Datensatz bei fast 80 %. Hohe Beiträge zum ODP (U6) gehen insbe-sondere auf große Stromverbräuche während des gesamten Lebenszyklus zurück. Da bei der Herstellung von Sekundärstahl viel Strom benötigt wird, ist der Wert für diesen Indikator bei der EPD-Datensatz-Variante hö-her. Die Bilanzierung beider betrach-teter Varianten erfolgte abgesehen von
hen primär auf eine Ökobilanzierung der Konstruktion zurück. Um eine leicht anwendbare Vorgehensweise bei der Nachhaltigkeitsbetrachtung zu gewährleisten, wurde eine Methodik entwickelt, mit der eine vereinfachte Ökobilanz über den gesamten Lebens-zyklus erstellt werden kann. Der Fo-kus liegt dabei auf einer Massenbilanz der im Herstellungsprozess eingesetz-ten Werkstoffe und deren Verknüpfung mit Ökobilanzdaten aus der Ökobau.dat-Datenbank bzw. aus Umweltpro-dukt-Deklarationen (EPD). Darüber hinaus werden weitere Angaben zu den übrigen Lebenszyklusphasen, wie Informationen zu Fertigung, Transport-arten und -wegen und Recycling in die Bilanzierung einbezogen. Bild 5 stellt die in Anlehnung an DIN EN 15978 [6] festgelegten und hier betrachteten Lebenszyklusphasen dar. Gegenüber der Norm wurde im Rahmen der Ge-samtnachhaltigkeitsbetrachtung zu-sätzlich eine Planungsphase 0 defi-niert, die jedoch bezüglich der Ökobi-lanz nicht relevant ist. Zudem wurde die auf die Herstellungsphase fol-gende Errichtungsphase um die Be-trachtung der Fertigung erweitert. Ne-ben den ökobilanzbasierten Kriterien (U1-U10 und U14), die über den kom-pletten Lebenszyklus betrachtet wer-
Planungsphase
0
Belastungen undVorteile außerhalb
der Systemgrenzen
D
Herstellungsphase
A1-A3
Fertigungs-/Errichtungsphase
A4-A7
Nutzungsphase
B
Ende desLebenszyklus
C
Lebenszyklus
Bild 5. Lebenszyklus in Anlehnung an DIN EN 15978 [6] (hier blau markiert: zusätzliche Aspekte im Vergleich zur Norm)Fig. 5. Life cycle according to DIN EN 15978 (in blue: changes compared to the standard)
Werkstoff: S235 und S355J2+N
Durchmesser: 13,9 m
Höhe: 14,0 m
Volumen: ~ 2.000 m3
Wanddicke: 5 bis 6 mm
Stahlmasse: ~ 35 t Baustahl
Lebensdauer: 20 Jahre
Korrosions- Beschichtungschutzsystem: auf EP-Basis
Bild 4. Systemparameter des betrachteten Baustahlfermenters(Foto: Schachtbau Nordhausen GmbH)Fig. 4. System parameters of the analysed biogas digester made of structural steel (photo: Schachtbau Nordhausen GmbH)
den, enthält die ökologische Nachhal-tigkeitsbewertung weitere Kriterien, die zum Teil nur an bestimmten Lebens-zyklusphasen ansetzen. Dazu zählen die Kriterien Risiken für die menschli-che Gesundheit und die Umwelt (U11), Lärmbelastung (U12) und Recycling-potenzial von Stahl (U13). In Tabelle 1 sind auf der linken Seite die ökologi-schen Kriterien aufgeführt und die zugehörigen Indikatoren und Einhei-ten angegeben.
3.3 Ökologische Nachhaltigkeitsbewertung
Nachfolgend werden die Ergebnisse der ökologischen Nachhaltigkeitsbe-wertung für den exemplarischen Bio-gasfermenter vorgestellt. Hierzu wur-den für die im Katalog enthaltenen ökologischen Kriterien entsprechende Indikatorwerte ermittelt. In Tabelle 1 sind auf der rechten Seite für die Kri-terien U1–U14 die Ergebnisse der Nachhaltigkeitsbewertung für die be-trachtete Fermenter-Variante aufge-führt. Die Gesamtbilanz wurde zum einen auf Grundlage des Baustahl-Da-tensatzes aus der Ökobaut.dat [7] und zum anderen mit den Daten aus der EPD für Baustahl vom bauforumstahl e.V. [8] erstellt. Die Ergebnisse sind in
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Lebensyzklus betracht werden, der ent-sprechende Anteil einzelner Lebens-zyklusphasen an den Gesamtwerten aufgetragen (Ökobau.dat-Variante). Der Beitrag der Herstellungsphase wurde für jedes Kriterium zu 100 % und die Anteile der übrigen Phasen in Relation dazu gesetzt. Es ist ersicht-lich, dass die Herstellungphase für fast alle Indikatoren ausschlaggebend ist. Weitere signifikante Beiträge erge-ben sich in der Fertigungs-/Errichtungs-phase (A4–A7). Insbesondere für die Indikatoren Wasserbedarf (WB) und erneuerbarer Primärenergiebedarf (PEerneuerbar) resultieren hohe Anteile, die zum Teil sogar über dem Anteil der Herstellungsphase liegen. Sowohl die Nutzungsphase (B) als auch die Entsorgungsphase (C) sind hingegen tendenziell von geringerer Bedeutung. Zudem wird deutlich, dass das Stahl-recycling in der Phase D deutliche Gutschriften für die Indikatoren zur Folge hat. Eine Ausnahme stellt das Ozonabbaupotential dar, für das in dieser Phase keine Gutschrift gegeben wird. Der Wert ist ca. doppelt so hoch wie der Wert der Herstellungsphase, was auf den hohen Strombedarf bei der Sekundärstahlherstellung zurück-zuführen ist.
5 % bezogen auf die eingesetzte Stahl-menge sehr gering ist.
Neben der Gegenüberstellung zweier Datensatzvarianten ist in Bild 7 für die Kriterien, die über den gesamten
den verwendeten Stahldatensätzen analog. Dies führt dazu, dass beim Kri-terium Stahlverlust über den Lebens-zyklus (U13b) ein identischer Wert ausgewiesen wird, der jedoch mit ca.
Kriterium Indikator EinheitBaustahl
Ökobau.dat
Baustahl Bauforum
Stahl
U1 nicht erneuerbarer Primärenergiebedarf PEn. ern. MJprim 1511000 1276000
U2Gesamtprimärenergiebedarf und Anteil Erneuerbarer Primär-energiebedarf
U2a Gesamtprimärenergiebedarf PEGesamt MJprim 1582000 1345000
U2b erneuerbarer Primärenergiebedarf PEerneuerbar MJprim 71000 68000
U3 abiotischer Ressourcenbedarf ADP kg Sb-Äqv. 642 525
U4 Wasserbedarf WB kg 54559000 35532000
U5 Treibhauspotenzial GWP kg CO2-Äqv. 116000 98000
U6 Ozonschichtabbaupotenzial ODP kg R11-Äqv. 1,70E-03 2,20E-03
U7 photochemisches Oxidantienbildungspotenzial POCP kg C2H4-Äqv. 25 10
U8 Versauerungspotenzial AP kg SO2-Äqv. 330 212
U9 Eutrophierungspotenzial EP kg PO4-Äqv. 35 27
U10 Stäube – – – –
U11 Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt RGU kg-Äqv. 73000 56000
U12 Lärmbelastung – – – –
U13 Recyclingpotenzial von Stahl
U13a Primärstahlanteil bei der Herstellung PSA % 78,59 37,63
U13b Stahlverlust über Lebenszyklus SV kg 2161,66 2161,66
U14 Abfallaufkommen AE kg 505000 211000
Tabelle 1. Indikatorergebnisse der ökologischen Nachhaltigkeitskriterien für den untersuchten Biogasfermenter (Baustahl)Table 1. Indicator results for the ecological sustainability criteria of the analyzed biogas fermenter (construction steel)
0
0
0
1
Baustahl -Ökobau.dat
Baustahl - EPDBauforum Stahl
U1PE n. erneuerbar
[MJ]U2a
PE Gesamt
[MJ]
U2bPE erneuerbar
[MJ]
U4WB[kg]
U3ADP
[kg SB-Äq]
U14AE[kg]
U13bSV[kg]
U13aPSA[%]
U11RGU[kg]
U9EP
[kg PO -Äq]4
U8AP
[kg SO -Äq]2
U7POCP
[kg C H -Äq]2 4
U5GWP
[kg CO -Äq]2
U6ODP
[kg R11-Äq]
Bild 6. Gegenüberstellung der Ergebnisse der ökologischen Bewertung für den Baustahlfermenter im Polardiagramm Fig. 6. Comparison of the results of the environmental assessment for the biogas digester made of structural steel in a polar diagram
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den Anteil von Stahlfermentern bei Biogasanlagen erheblich zu steigern.
Danksagung
Die vorgestellten Ergebnisse und ent-wickelte Bewertungsmethode wurden im Rahmen des Forschungsprojektes „Nachhaltige Stahlkonstruktionen für Erneuerbare Energien“ (Laufzeit: 05/2010–10/2012) als Teil des Ver-bundforschungsprojektes NASTA er-arbeitet. Das IGF-Vorhaben (16599 N/ FOSTA Nr. P844) der Forschungs-vereinigung Stahlanwendung e.V. (FOSTA) wurde über die Arbeitsge-meinschaft industrieller Forschung (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemein-schaftsforschung (IGF) vom Bundes-ministerium für Wirtschaft und Tech-nologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Die Autoren möchten sich für die fi-nanzielle Unterstützung beim BMWi sowie für die organisatorische Unter-stützung bei der FOSTA bedanken. Weiterhin bedanken sich die Autoren bei den Firmen SCHACHTBAU Nord-hausen GmbH, Erich Stallkamp ESTA GmbH und WELTEC BIOPOWER GmbH für die Bereitstellung von In-formationen zu Stahlkonstruktionen von Biogasanlagen und allen projekt-begleitenden Industriepartnern für ihre Unterstützung.
Literatur
[1] Basisdaten Bioenergie Deutschland, Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V./Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, September 2011.
[2] Branchenzahlen 2011 und Branchen-entwicklung 2012/2013, Fachverband Biogas e.V., Juni 2012.
[3] DGNB Handbuch – Neubau Büro- und Verwaltungsgebäude. Deutsche Ge-sellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V., 2012.
[4] Schaumann, P. et al.: Zur Nachhaltig-keitsbewertung von Stahlkonstruktio-nen für Erneuerbare Energien. Stahl-bau 80 (2011), H. 10, S. 711–719.
[5] Schaumann, P. et al.: Indicators for Environmental and Social Assessment of Steel Support Structures for Off-shore Wind Turbnies. Proceedings of the EWEA Offshore 2011, 29th Nov.–1st Dec., Amsterdam, The Netherlands, 2011.
„Nachhaltige Stahlkonstruktionen für Erneuerbare Energien“ (NaStafEE) wurde daher eine Bewertungsmetho-dik entwickelt, mit deren Hilfe Nach-haltigkeitsaspekte bereits bei der Pla-nung, Fertigung und Ausführung von tragenden Stahlkonstruktionen Er-neuerbarer Energien berücksichtigt werden können. Hierfür wurde ein Katalog mit insgesamt 35 Kriterien ausgearbeitet, welcher die drei Säulen der Nachhaltigkeit Ökologie, Ökono-mie und Soziologie – erweitert um technische und prozessbezogene As-pekte – beinhaltet. Eine ökologische Nachhaltigkeitsbewertung wurde ex-emplarisch an einem geschweißten Baustahlfermenter einer Biogasanlage durchgeführt. Als Datengrundlage wur-den Datensätze aus der EPD für Bau-stahl und der Ökobau.dat verwendet. Hierbei zeigt sich, dass für nahezu alle ökologischen Kriterien die Verwen-dung der EPD zu deutlich niedrigeren und somit günstigeren Ergebnissen führt. Weiterhin zeigte sich im Rah-men der Lebenszyklusbetrachtung des Baustahlfermenters, dass die Her-stellungsphase für nahezu alle ökolo-gischen Kriterien den größten Anteil an den Gesamtemissionen hervor-ruft.
Mit Hilfe der im Rahmen des For-schungsvorhabens entwickelten Nach-haltigkeitsbewertung wird es möglich sein, dass Marktpotential von Biogas-anlagen mit stählernen lasttragenden Konstruktionen besser zu nutzen und
3.4 Gesamtbewertung
In Abschnitt 3.3 wurde die Bewertungs-methodik am Beispiel der ökologischen Nachhaltigkeit eines Baustahlfermen-ters vorgestellt. Die Vorgehensweise für die vier übrigen Kategorien Öko-nomie, Soziologie, Technik und Pro-zess ist analog, so dass die Bewer-tungsergebnisse für jede Kategorie in Form eines Polardiagramms darge-stellt werden können. Die Bewer-tungsmethodik erlaubt einen Ver-gleich unterschiedlicher Bauweisen und Ausführungsvarianten in Bezug auf nachhaltigkeitsbezogene Gesichts-punkte. Schließlich dient sie als Ent-scheidungshilfe für oder gegen eine bestimmte Variante unter Berücksich-tigung von Anforderungen an eine nachhaltige Bauweise.
4 Zusammenfassung und Ausblick
Das Leitbild einer nachhaltigen Ener-gieversorgung erfordert den Einsatz Erneuerbarer Energien. Für die bauli-che Umsetzung der zugehörigen Anla-gen ist der Einsatz von Stahlkonstruk-tionen unabdingbar. Im Bereich des Hochbaus existieren bereits Instru-mente zur Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden wie beispielsweise dem DGNB-Katalog. Die Übertragung und Anwendbarkeit auf Stahlkonstruktio-nen von Erneuerbaren Energien ist je-doch nicht ohne weiteres möglich. Im Rahmen des Forschungsvorhabens
Bild 7. Aufteilung der Gesamtindikatorwerte auf die Lebenszyklusphasen für den betrachteten Baustahlfermenter (Ökobau.dat)Fig. 7. Break down of the indicator results for the biogas digester with regard to the life cycle phases
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Dipl.Ing. Rasmus Eichstädt,Institut für Stahlbau, Leibniz Universität Hannover, Appelstraße 9A, 30167 Hannover,stahlbau@stahl.unihannover.de
Univ.Prof. Dr.Ing. HermannJosef Wagner,Dipl.Ing. Christoph Baack,Dipl.Ing. Jessica Lohmann,Lehrstuhl Energiesysteme und Energiewirtschaft, RuhrUniversität Bochum,Universitätsstraße 150, 44801 Bochum,lee@lee.rub.de
bleche. Institut Bauen und Umwelt e. V., Oktober 2010.
Autoren dieses Beitrages:Univ.Prof. Dr.Ing. habil. Natalie Stranghöner,Jörn Berg M.Sc., Anna Gorbachov M.Sc.,Institut für Metall und Leichtbau,Universität DuisburgEssen,Universitätsstraße 15, 45141 Essen,iml@unidue.de
Univ.Prof. Dr.Ing. Peter Schaumann,Dipl.Ing. Anne Bechtel,
[6] DIN EN 15978:2012-01: Nachhaltig-keit von Bauwerken – Bewertung der umweltbezogenen Qualität von Gebäu-den – Berechnungsmethode.
[7] Ökobau.dat: Datenbank Version 2011, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, http://www.nachhaltigesbauen.de/baustoff-und-ge-baeudedaten/oekobaudat.html, Zugriff am 27. 04. 2012.
[8] EPD-BFS-2010111-D: Umwelt-Pro-duktdeklaration nach ISO 14025 – Bau-stähle: Offene Walzprofile und Grob-
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