Oxydativer Ligandenaustausch zur Darstellung gemischter Halogenokomplexe von Osmium

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Z. anorg. allg. Chem. 406, 92-100 (1974) J. A. Barth, Leipzig

Oxydativer Ligandenaustausch zur Darstellung gemischter Halogenokomplexe von Osmium

Von W. PREETZ, A. SCHEFFLER und H. HOMBORG

K i el, Institut fur Anorganische Chemie der Christian-Albrechts-Universitat

I n h a l t s u b e r s i c h t . Der schrittweise oxydative Austausch der Liganden von Hexa- halogenokomplexen in Losung und im festen Zustand wird durch Isolierung der als Zwischen- produkte auftretenden Gemischtligandkomplexe verfolgt. Die spektrophotometrische Bestimmung des cis-trans-Verhaltnisses zeigt, da13 sich J und Br durch Oxydation mit CI, meistens stereospezifisch ersetzen lassen. I n einigen Fallen tritt in Abhangigkeit von den Versuchsbedingungen Isomerisierung oder Konfigurationsumkehr ein. Die Austausch- mechanismen werden diskutiert.

O x y d a t i v e L i g a n d E x c h a n g e for P r e p a r a t i o n of Mixed O s m i u m - H a l o - Complexes

A b s t r a c t . The stepwise replacement of ligands in hexahalocomplexes by oxydation in solution and solid state is investigated by isolation of intermediately formed mixed- ligand complexes. The spectrophotometric determination of the cis/trans relation shows, that mostly I and Br can be replaced stereospecifically by oxydation with chlorine. De- pending on experimental conditions in some cases isomerisation or inversion of configu- ration takes place. The exchange mechanisms are discussed.

1. Einleitung Uber Gemischtligandkomplexe des Typs [MX,Y,-,]2- mit M = Re, Os,

Ir, Pt; X =i= Y = C1, Br, J ; n = 1-5, einschliefllich der fur n = 2, 3 und 4 existierenden cis- und trans-Isomeren ist mehrfach berichtet worden 1-3). Zur Reindarstellung, insbesondere der Stereoisomeren, sind bisher ausschliefllich Ligandensubstitutionsreaktionen herangezogen worden, die auf Grund des unterschiedlichen trans-Effekts der Halogene stereospezifisch verlaufen. Unter geeigneten Versuchsbedingungen entstehen Reaktionsgemische, die entweder nur die cis- oder nur die trans-Formen neben den ubrigen Ge- mischtligandkomplexen enthalten. Daraus lassen sich die einzelnen Spezies mit Hilfe hochspannungsionophoretischer Verfahren isolieren.

1) 147. PREETZ, Z. anorg. allg. Chem. 345, 151 (19GG). 2 ) W. PREETZ u. H. HOMBORG, J. inorg. nuclear Chem. 32, 1979 (1970). 3 ) W. PI~EETZ u. H. J. W ~ L T E R , J. inorg. nuclear Chem. 33, 3179 (1971).

Darstellung gemischter Halogenokomplexe von Osmium 93

Zur Erweiterung der praparativen Moglichkeiten ist nach neuen Me- thoden des Ligandenaustausches zu suchen. AuBer durch schrittweise Sub- stitution sollte das auch durch stufenweise Oxydation der Komplexli- ganden bei gleichzeitigern Angebot anderer freier Donatoren, die sich an eine so geschaffene unbesetzte Koordinationsstelle des Zentralions an- lagern, gelingen.

Wichtig fur die praparative Problemstellung ist, ob der oxydative Ligandenaustausch stereospezifisch oder stereoselektiv erfolgt bzw. ob es bei den unvollstandig koordinierten Komplexionen im Ubergangszustand zu Umlagerungen innerhalb der Ligandensphare kommt. Zur Klarung dieser Fragen miissen parallel zur fortschreitenden Oxydation jeweils mog- lichst alle im Reaktionsgemisch vorhandenen Komplexe quantitativ erfaBt werden. Das ist mit Hilfe der bekannten Absorptionsspektren der in Frage kommenden gemischten Halogenokornplexe voii Os(1V) nach der Trennung durch Ionophorese moglich. Durch spektrophotometrische Messungen laBt sich das genaue Isomerenverhaltnis bestimmen.

2. Oxydationsreaktionen Die verwendeten Losungs- und Oxydationsmittel mussen einerseits den

Stabilitatsverhaltnissen der Komplexe angepaBt sein, andererseits giinstige Trennbedingungen bei der Ionophorese zulassen. Hydrolytischer Zerfall ist am wenigsten in den konzentrierten Halogenwasserstoffsauren zu erwarten. Sie lassen sich vor der ionophoretischen Trennung durch Abdampfen im Vakuum quantitativ entfernen. Das gleiche gilt fur die Oxydationsmittel H,O, (E, = 1,78 V), C1, (E, = 1,36 V), Br, (E, = 1,09 V), J, (0,53 V). Auf Grund der verschiedenen Normalpotentiale EO4) eignen sich die ersten 3 zur Oxydation von J-, die ersten beiden zur Oxydation von Br-Liganden. Es ist jedoch zu beachten, daB die Redoxpoteutiale durch die Komplexbildung beeinfluBt werden. Durch die Donorwirkung der Liganden wird die Elek- tronendichte am Zentralion erhoht. Das Oxydationspotential sinkt ab, so da13 das Zentralion leichter oxydierbar wird. Gleichzeitig verringert sich die Elektronendichte an den Liganden, und zwar um so mehr, je starker deren Donoreigenschaften ausgepragt und je groBer die Akzeptoreigenschaften des Zentralions sind. Die starkste Beeinflussung der Oxydationspotentiale ist daher bei den jodhaltigen Komplexen zu erwarten.

Die Oxydationsreaktionen durfen nicht durch Substitutionsvorgange gestort werden, d. h. es muB bei tiefen Temperaturen gearbeitet werden, bei denen alle Ligandenaustauschprozesse eingefroren sind. Das ist auch bei den

4, Handbook of Chemistry and Physics, 51st Edit. D l l l , The Chemical Rubber Co., Cleveland, Ohio, USA, 1970.

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kinetisch an1 wenigsten stabilen, jodreichen Komplexen5) unterhalb von - 25 "C, bei den Chloro-Bromo-Komplexen bereits bei Zimmertemperatur der Fall. Da mit sinkender Temperatur auch die Oxydationspotentiale ab- nehmen, ist mit Verlangsamung der Reaktionen zu rechnen.

2.1. O x y d a t i o n von [OsBr612- m i t C1, u n d H,O, i n HC1

Durch eine auf -15°C gekuhlte Losung von K2[OsBr6] in konz. HC1 wird ein mit Argon verdunnter Cl,-Strom geleitet. Die nach bestimmten Reaktionszeiten entnommenen Proben werden bei moglichst tiefer Tempe- ratur eingedampft und dann ionophoretisch aufgetrennt. Die entstandenen gemischten Chloro-Bromo-Komplexe werden dabei sichtbar. Die geschatzten prozentualen Mengenanteile sind in Tab. 1 zusammengestellt.

Tabelle 1 Zwischenprodukte bei der Oxydation von [OsBr,lZ- mit C1, in konz. HC1 bei -15°C

Probe Zeit [OsBrJ'- [OsBr,CI]*- [OsBr,Cl,]"- [OsBrJCls]'- [OsBr.C1,IZ- [OsBrCI.]*-

l m i n 10% 10% 3min 5% 10% 7 niin 5% 20 min 5% 30 min 45 min 90 min 150 min 250 min

50% 30% 40% 45% 40% 55% 5% 70% 20% 5 Y" 75% 20%

65% 35% 55% 40% 5 Y" 40% 45% 15% 20% 50% 30%

Der oxydative Ligandenersatz verliiuft uberraschenderweise sehr ahnlich wie bei hoheren Temperaturen die Substitution5). Die ersten 3 Liganden werden sehr schnell ersetzt. Beim [0~Br,Cl,]~- liegt eine kinetische Bar- riere, d. h. die Reaktion wird zu den chlorreichen Komplexen hin deutlich langsamer. Durch spektrophotometrische Untersuchung der getrennten Komplexe laBt sich einwandfrei nachweisen, daB bei der Oxydation aus- schlieolich die reinen cis-Isomeren entstanden sind.

Bei Verwendung von H,O, als Oxydationsmittel ergibt sich grundsiitzlich das gleiche Ergebnis. Wegen der innigeren Mischung verlaufen die ersten Schritte schneller. Es werden aiederum die vollig reinen cis-Isomeren gebildet.

2.2. O x y d a t i o n von [0sJ,J2- m i t Cl,, Br, u n d H,02 i n HC1 bzw. HBr

K,[OsJ,] wird bei -30°C mit C1, gesattigter konz. HC1 bzw. mit HCI, die m an H20, ist, behandelt. Bei der ionophoretischen Trennung werden im allgemeinen nur zwei benachbarte Chloro-Jodo-Komplexe beob- achtet. Alle gemischten Komplexe lassen sich so je nach Reaktionsdauer in guter Ausbeuto darstellen. Die spektrophotometrische Untersuchung zeigt

5) W. PKEETZ u. H. J. WALTER, Z. anorg. allg. Chem. 402, 169 (1973).

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die ausschliel3liche Bildung der cis-Isomeren an. Schon bei geringer Ver- dunnung der konz. HC1 treten in erheblichem Umfang Hydrolysekomplexe auf. Fuhrt man die Oxydation bei - 20°C durch, so verliert sich der stufen- artige Charakter der Reaktion, d. h. es werden alle gemischten Chloro- Jodo- Komplexe gleichzeitig gebildet.

Oxydiert man in konz. HBr geliistes K,[OsJ,] mit, Br,, so entstehen die lrinetisch wenig stabilen Bromo-Jodo-Komplexe. Die spektrophotometrische Untersuchung dieser Speziss ist schwierig, zeigt aber fiir die mittleren Glieder wieder die Bildung der cis-Formen an.

2.3. O x y d a t i o n g e m i s c h t e r C h l o r o - J o d o - K o m p l e x e m i t Br, in HBr

Da sich die Chloro- Jodo-Osmate(1V) besonders einfach und in hohen Ausbeuten durch Substitutionsreaktioneii herstellen lassen,), demgegen- uber die Chloro-Bromo-Komplexe bei der Ionophorese wesentlich langere Trennzeiten erfordern, ist es auch aus praparativer Sicht interessant, ob sich die Komplexe des Systems [0~Cl,Br,-,]~- aus den entsprechenden Gliedern der Reihe [OSC~,J,-,]~- durch Ligandenoxydation stereospezifisch darstellen lassen.

Die Oxydation reiner gemischter Chloro-Jodo-Komplexe, gelost in konz. HBr mit Br, bei -2O"C, ergibt fur die einfach substituierten Gemischt- ligandkomplexe und fur die 3 trans-Isomeren in quantitativer Ausbeute die entsprechenden Chloro-Bromo-Osmate(1V). Fur die cis-Isomeren ist dagegen die Ligandenoxydation nicht stereospezifisch. Es entstehen Iso- inerengemische rnit unterschiedlichen cis-trans-Verhaltnissen.

I s o m e r e n v e r h a l t n i s bei d e r O x y d a t i o n v o n c i s -Komplexen

Genauere Untersuchungen uber das cis-trans-Verhaltnis in Abhangigkeit von den Versuchsbedingungen sind an ~is-[OsCl,J,]~- durcligefuhrt worden. Oxydiert man diesen Komplex mit der etwa doppelt-aquivalenten Menge Br, bei -5°C in verschieden konzentrierter HBr, so ergeben sich fur das entstehende [OsC1,Br,12- die in Abb. 1 graphisch dargestellten Isomeren- verhaltnisse. Wahrend sich in konz. HBr etwa ein cis-trans-Verhliltnis von 40 : 60 einstellt, bleibt in verdiinnter HBr quantitativ die cis-Konfiguration erhalten. Die Ausbeute ist allerdings gering, da mit der Verdunnung der Anteil der Hydrolyseprodukte erheblich zunimmt. Unter sonst gleichen Versuchsbedingungen ist die Bildung des trans-Isomeren begunstigt, wenn das Oxydationsinittel in moglichst kleinen Mengen und nur geringem fiberschulj angewendet wird. Der Anteil der trans-Form scheint um so grol3er zu werden, je mehr Reaktionsschritte zum Endprodukt erforderlich sind, d. h. je mehr Liganden oxydativ ersetzt werden.

$) W. F'REETZ, H. J. WALTER u. E. W. FRIES, Z. onorg. allg. Chern. 402, 180 (3973).

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Sbb. 1. Abhangigkeit des cis-trans-Verhaltnisses von der HBr-Konzentration bei der osydat.iven Darstellung von [OsCI,Br2l2- aus C~S-[OSCI,J,]~-

Deinnach beeinflussen die Versuchsbedingungen bei der Oxydation von cis-Komplexen die Bildung der Isomeren in folgender Weise :

cis-Form Versuchsbedingung trans-Form

niedrig SSurekonzentration hoch viel Oxydationsmittel wenig wenig Reaktionsschritte viel tief Temperatur tief

I n v e r s i o n bei anodischer O x y d a t i o n . Bei der anodischen Oxy- dation mit einer Elektrolysespannung von 0,8 V beobachtet man fur die trans-Komplexe den gleichen stereospezifischen Verlauf. Aber auch aus den cis-Isomeren entstehen in reiner Form die entsprechenden trans-Koniplexe. Diese Inversion bei der anodischen Oxydation ermoglicht die gezielte Dar- stellung der trans-isomeren Chloro-Bromo-Osmate(1V) aus den gut zugang- lichen cis-isomeren Chloro- Jodo-Komplexen.

2.4. O x y d a t i o n v o n cis-[0sC1,J2]2- m i t Br, i n HC1

Um festzustellen, ob bei dem oxydativen Ligandenersatz die entstan- dene freie Koordinationsstelle durch den Oxydationspartner direkt oder durch ein Anion aus der Losung besetzt wird, wird z. B. cis-[0sC1,J2]2-, ge- lijst in HC1, mit Br, umgesetzt. Folgende Reaktionen sind denkbar :

Darstellung geniiscliter Halogenokomplexe von Osmium 87

Der Fortgang der Reaktion in Abhangigkeit von der Anzahl der zuge- gebenen Tropfen Oxydationsmittel (Br, in HCl) ist in Abb. 2 verdeutlicht. Der prozentuale Anteil der einzelnen Komponenten wurde nach der iono- phoretischen Auftrennung geschatzt. Der dreifach substituierte Komples [OsCl,BrJ]2- ist hellgrun, Br und J befinden sich in cis-Position zueinan- der'). Dieser Komplex entsteht neben [OSC~,J]~- zu Beginn der Reaktion als Zwischenprodukt, allerdings nur zu maximal 15%. Der oxydierende Partner Broin tritt demnach nur in geringem Umfang als neuer Ligand in den Komplex ein. Unvollstandig koordinierte Zwischenprodukte spielen also eine erhebliche Rolle. Sie geben AnlaB zur Bildung verschiedenartiger Hydrolysekomplexe, die sich wegen ihrer deutlich geringeren Wanderungs- geschwindigkeit bei der Ionophorese sehr einfach feststellen lassen. So beob- achtet man den blauen Komplex [OsCl,J(H,O)]- und eine gelbe Zone, ver- mu tlich [ OsC1,Br ( H,0)] -.

Abb. 2. Zwischenprodukte bei der Oxydation von cis-[O~Cl,J,]~- rnit Br, in HCI (geschiitzte Werte)

2.5. O x y d a t i o n s r e a k t i o n e n a n f e s t e n Komplexsa lzen

Zur Ausschaltung von storenden Einfliissen durch das Losungsmittel und um den Konfigurationswechsel im Ubergangszustand zu erschweren, wurden Oxydationsversuche an festen Komplexsalzen vorgenommen. Ver- reibt man durch Gefriertrocknung hergestelltes, sehr fein kristallines K,[OsJ,] mit einigen Tropfen Br, oder leitet einen Chlorstrom daruber, so erhalt man nach ganz kurzer Zeit quantitativ K,[OsBr,] bzw. K,[OsCl,]. Aus K,[OsBr,] bildet sich allerdings mit C1, nicht der Hexachlorokomplex.

Bei dosierter Einwirkung des Oxydationsmittels, z. B. durch Ver- dunnung mit Argon oder Anwendung von Aufschlemmungen der Komplexe

7, H. HOMBORG, Dissertation, Univ. Saarbrucken, 1973. 7 Z. anorg. allg. Chemie. Bd. 406.

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in Chloroform, lasseii sich gemischte Komplexe als Zwischenprodukte ab- fangen. Im Gegensatz zu den Oxydationsreaktionen in wll3rigen Systemen werden nach dem Auflosen keine Hydrolysekomplexe bzw. dunkle Ruck- stande beobachtet.

Die Kal iumsalze der trans-Isomeren der gemischten Chloro-Jodo-Komplexe ergeben bei der Oxydation mit Brom stereospezifisch die entsprechenden trans-Isomeren der Chloro- Bromo-Reihe. Auch die Umsetzung von cis-K,[OsCl,J,] mit Brom verlauft unter Konfigu- rationserhalt, es bildet sich quantitativ cis-K,[OsCl,Br,]. Das ist nicht mehr der Fall bei cis-K,[OsCl,J,], bei dem neben cis- etwa 30% trans-K,[OsCl,Br,] entsteht. Ein Temperatur- einfluB auf das erhaltene cis-trans-Verhaltnis ist nicht feststellbar, denn die Oxydation bei - 50°C in einer Chloroformaufschlemmung fiihrt zum gleichen Ergebnis. Auch bei cis-[0sCl2J,]2- verlauft die Oxydation nicht streng stereospezifisch, sondern durch intramo- lekulare Umlagerung tritt teilweise Isomerisierung ein.

Nach der Oxydation der jodreicheren Komplexe werden bei der Ionophorese zusatz- liLhe Zonen neu gebildeter Gemischtligandkomplexe, aber keine Hydrolyseprodukte, beob- achtet. Der Effekt ist bei K,[OsCI,J4] starker als bei K,[OsCl,J,]. Die weitgehende Neu- bildung der Koordinationssphare bei der Oxydation dieser Komplexe ist also mit einem intermolekularen Ligandenaustausch verbunden. In einigen, auf diese Weise gebildeten Komplexen lieB sich das Isomerenverhaltnis ermitteln. Es ist im K,[OsC1,Brz] (entstanden aus K,[OsCI,J,]) cis: trans wie 50: 50 in K,[OsCl,Br,] (entstanden am K,[OsCl,J,]) wie 30: 70.

Auch bei diesen Festkorperoxydationen lassen sich Zwischenprodukte abfangen, z. B. bei cis-K,[OsC1,J,] der Komplex K,[OsCl,BrJ], in dem Br und J cis-standig angeordnet sind; bei der Oxydation von cis-K,[0~C1,~J,] treten K,[OsCl,BrJ,] und K,[OsCl,Br,J] auf.

3. Diskussioii der Ergebnisse

Der in vielen Fallen stereospezifische Verlauf des oxydativen Liganden- austausches, z. B. die ausschlieBliche Bildung der cis-Isomeren bei der Oxy- datioii voii [OsJ,I2- mit C1, oder Br,, ist sehr uherraschend, denn wegen der groBen Unterschiede in deli Redoxpotentialen der Halogenide erwartet man einen statistischen Angriff. Dieser wird vermutlich auch vorliegen. Mehrere Griinde, z . B. die Tatsache, da13 der Oxydatioiispartner iiur in geringem Um- fang als Ligand in die Koordinationssphare eiiitritt und daB bei der anodi- schen Oxydation im wesentlichen gleiche Produkte wie mit den freien Halo- genen entstehen, sprechen dafiir, da13 priniar ein fiinffach koordinierter Zwischenzustand gebildet wird. Dieser ist labil und kann sich sehr schnell uinlagern. Es sind trigonal-bipyramidale und tetragonale Konfigurationen zu diskutieren. Ausschlaggebend fur das sich bildende Produkt diirften die energetischen Unterschiede zwischen den moglichen Anordnungen iin funffach koordinierten Ubergangszustand sein. Wegen der schnellen Um- lagerungsgeschwindigkeiten wird sich die energiearmste Konfiguration ein- btellen. Wie Berechnungeii der Kristallfeldstabilisierungsenergie ergeben

Darstellung gemischter Halogenokomplexe von Osmium 99

haben 6 ) , ist im allgemeinen die tetragonal-pyramidale Anordnung bevor- zugt .

Der experimentelle Befund der stereospezifischen Bildung der cis-Iso- meren aus K,[OsJ,] bei der Oxydation mit C1, laBt sich wie folgt interpre- tieren : Bei dem als statistisch angenommenen Angriff des Oxydations- mittels wird aus [OSC~J,]~- prim& eine tetragonale Pyramide gebildet, in der entweder C1 oder J der leeren Koordinationsstelle gegeniiber steht. Die ausschlieBliche Bildung des cis-Form ist nur plausibel, wenn es zur Um- lagerung in eine Konfiguration kommt, bei der Jod die Spitze der Pyramide einnimmt. Formal kann man sagen, daB der groBte, am starksten polari- sierbare und trans-aktivste Ligand sich gegenuber der Ligandenlucke an- ordnet. Die Lucke selbst verhalt sich dann wie ein Ligand mit sehr geringem trans-Effekt, d. h. die trans-standige 0s - J-Bindung wird sehr stabil sein, was ihre Bildung erklaren kann. Erst im zweiten Schritt wird die Lucke besetzt, und zwar zum Teil auch durch den oxydierenden Partner selbst. Der relativ hohe Anteil, zu dem dies trotz des groBenUberschusses an freien Ligandionen in der Losung geschieht, Kap. 2.4, erklart sich aus der fur den RedoxprozeB notwendigen starken Annaherung an das Zentralion. Der oxy- dierende Partner befindet sich also in der Reaktionszone und hat nach dern Elektronenaustausch mit dem austretenden Liganden selbst gute Chancen zur nukleophilen Substitution. Die bei den Reaktionen in Losung oft ent- stehenden Hydrolyseprodukte lassen vermuten, dal3 primar ein Wasser- molekul eintritt, das allerdings in konzentrierten Losungen schnell durch ein Halogenidion eliminiert wird.

Der bei der Oxydation der trans-Komplexe stets beobachtete Konfigura- tionserlialt hangt vermutlich mit der besonderen Stabilitat bestimmter Gruppierungen zusammen. So sind die planare OsC1,-Ebene und C1 -0s -C1- Achsen wesentlich bestandiger als entsprechende Baugruppen mit J. Trans- standig angeordnete J-Liganden unterliegen der Eigenlockerung . Das Reak- tionsgeschehen wird sehr kompliziert, sobald drei verschiedene Halogenide beteiligt sind. Uber den EinfluB des eintretenden Liganden auf die Konfi- guration lassen sich noch keine Aussagen machen.

DaB Enterschiede im Oxydationspotential zwischen gleichartigen aber unterschiedlich gebundenen Liganden einen dirigierenden EinfluB ausuben oder dem statistischen Angriff entgegenwirken, 1aBt sich nicht ausschlieBen. Dsfur spricht die starke Abnahme der Reaktionsgeschwindigkeit fur den Er- satz der J-Liganden in jodarmen Chlorojodokomplexen. Aus [OaC1,JI2- laBt sich in schwefelsauren Losungen das letzte J durch anodische Oxydation

*) F. BASOLO u. R. 0. PEARSON, Mechanismen in der anorganischen Chemie, G . Tkieme Verlag Stuttgart, 1973. 7"

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nicht entfernen. Offensichtlich wird bei hoherer Elektrolysespannung das Zentralion oxydiert, denii nach dem Eindampfen der Losung und Wieder- aufnahme mit Wasser bildet sich durch Hydrolyse ein dunkler Nieder- schlag, und gleichzeitig tritt starker Geruch nach OsO, auf. Der Grund dafur kijnnte die Disproportionierung von Os(V)- oder Os(V1)-Komplexen sein.

Soweit die Reaktionen stereospezifisch verlaufen, sind sie von priipara- tivem Interesse, weil die Reihenfolge der Ersetzbarkeit durch oxydativen Ligandenaustausch gerade umgekehrt wie fur Substitutionsreaktionen ist. Wahrend sich das stark trans-aktive J nur schwer substituieren lii5t, wird es bei der Oxydation zuerst ersetzt.

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danken wir fur die Unterstiitzung unserer Arbeit.

Bei der Redaktion eingegangen am 16. Oktober 1973.

Anschr. d. Verf. : Prof. Dr. W. PREETZ, Dip1.-Chem. A. SCREFFLER und Dr. H. HOMBORG, Inst. f. anorg. Chemie d. Univ. Kiel, BRD-23 Kiel, OlshausenstraBe 40-60

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