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diplomarbiet Lukas Dietrich
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P A R A // A X E N
S C h N I T T S T E L L E N V O N V I S U E L L E M D E S I G N U N D M U S I K .
P A R A L L A X E N Schnittstellen von visuellem Design und Musik. Ein Reisebericht.
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E I N L E I T U N G
Legt man zwei identische Tonsignale übereinander und invertiert deren
Phase, löschen sich die Tonsignale gegenseitig aus (destruktive Interfer-
enz1), man hört: Stille. Überlagert man mittels additiver Farbmischung2
drei Grundfarben R(ed), G(reen) und B(lue) erhält man eine »farblose«
Fläche – Weiß.
Abb. 1: Additive Farbmischung RGB
Physikalische Parallelen zwischen Bild und Ton sind ohne weiteres
festzustellen. Doch vom Bild zur Grafik und vom Ton zur Musik ist es
noch ein großer Schritt. Ist Weiß die grafische Repräsentanz von Stille?
Oder müsste es eher Schwarz sein? Wieso werden tiefe Frequenzen
oft als dunkel empfunden, und hohe als hell? Bereits hier kommen
Wahrnehmung, Prägung und Interpretation ins Spiel. Sowohl Musik als
auch Grafik bedienen sich mehr oder weniger strikter Regelwerke, was
Form und Ausdruck anbelangt. So entspringt jede Visualisierung von
Musik einem Paradigma, einer Vorstellung davon, wie Musik aussehen
könnte – Abbildung einer Wellenform, Equalizer, Bühnenlicht – ebenso
in der Umkehrung, der »Vertonung« von grafischem Material von der
Notenschrift bis zum Film.
In der vorliegenden Arbeit soll es primär nicht darum gehen, Musik zu
visualisieren, ebenso wenig soll Grafisches musikalisch interpretiert
werden, wenngleich solche »Übersetzungsversuche« zwangsläufig Be-
standteile der visuellen und auditiven Experimente sind. Vielmehr geht
es darum, Gemeinsamkeiten, Überschneidungen und Divergenzen der
Genres in Konzeption, Entstehung und im Ergebnis zu destillieren.3 Was
1 Bertelsmann Taschen Lexikon, Band IJ, S. 65
2 Küppers, Farbenlehre S. 175 ff.
3 Vgl. Motte-Haber, Musik und Bildende Kunst S. 75 f.
meint der Gestalter, wenn er vom »Rhythmus« eines Entwurfs spricht?
Wie verwendet und hört ein Musiker den Begriff (Klang)Farbe? Wie
klingt eine Improvisation zur Farbe Blau? Und wie würde ebendiese Im-
provisation in einer visuellen Umsetzung aussehen? Universeller: Wann
ist ein Bild eine Komposition? Kann ein Musikstück eine Farbe haben?
Was könnten visuelle Korrelate von »forte« und »piano« sein? Wann ist
eine Melodie gut proportioniert? Kann Typografie grooven?
Diese Fragen sind Teil des Traggerüsts dieser experimentellen Arbeit:
Sichtweisen von unterschiedlichen Standpunkten, auf die Versuchsob-
jekte in Form von Begriffen – Parallaxen, die mögliche Zugänge aufzei-
gen, aber die Überschneidung nicht erklären oder allgemein gültige
Antworten liefern wollen.
Abb. 2: Phasenauslöschung
x
y
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K O N Z E P T
Die zehn Begriffe Improvisation, Komposition, Form, Tempo, Rhythmus,
Dynamik, Farbe, Skizze, Störung und Pause bilden einen konzeptuel-
len Rahmen für diese Arbeit. Es ist bemerkenswert, dass Musik und
visuelles Design ein gemeinsames Vokabular teilen. Kriterium für die
Auswahl der zehn Begriffe war es, ein möglichst breites Spektrum
an Analogien aufzudecken: Während sich Begriffe wie Komposition,
(Klang-)Farbe oder Rhythmus relativ direkt übersetzen lassen, werfen
andere, wie etwa From, Dynamik oder Pause Fragen auf, die im Zuge des
theoretischen Teils erörtert werden. Insgesamt lassen die Begriffe sich
entweder wörtlich übernehmen oder antipodisch gegenüberstellen, wie
in den Buchklappen zu Beginn und am Ende des Buches illustriert.
Entstanden sind im Rahmen dieser Arbeit einhundert Einzelwerke, die
sich mit den Parallelbegriffen auseinandersetzen. Diverse Techniken
oder Stilmittel, alleine oder in Kombination, fanden dabei Anwendung:
Zeichnung mit Stift oder mit Ton
Fotografie digital und analog
Programmierung Generative Grafik4
Malerei mit Farbe oder mit Licht
Installationen Inszenierungen, Collagen
Gespräch Reflexion
Text Theorieteil, Essays und Zitate
Typografie Satz und Zeichnung
Tongenerierung mittels analogem oder virtuellem Instrument
Tonverarbeitung Aufnahme und Editierung
Der Fokus lag dem Studium und Studieninhalt entsprechend auf der
visuellen Gestaltung als Hauptmedium, parallel dazu sind einige
musikalische Werke entstanden.
Formale Regeln
Um das Versuchsgebiet zusätzlich einzugrenzen, wurden vorab einige
formale Regeln festgelegt, was die Konzeption des Buches anbelangt,
so entspricht ein Werk einer Einzelseite im vorliegenden Buch, jede der
4 Im Speziellen mit den Open Source Programmen Processing und Nodebox
genannten Techniken wird mindestens einmal mit einem der 10 Schlüs-
selworte verbunden, weiters wird jede Technik mindestens einmal mit
der anderen verbunden. Eine Technikkombination sollte höchsten neun
Mal im Buch verwendet werden. Quasi als »Joker« darf gegen jede der
aufgestellten Regeln einmal verstossen werden.
Zum Medium Buch
Zurecht stellt sich die Frage, ob ein Buch das richtige Medium ist.
Gerade die multimodalen Arbeiten, die Bild und Ton kombinieren,
würden eine andere Umsetzung, zum Beispiel in Form einer Webseite,
nahelegen. Aus unterschiedlichen Gründen habe ich mich dennoch für
das Medium Buch beziehungsweise eine Kombination von Buch und
Webseite entschieden. Zum einen bietet ein Buch eine ganz andere
haptische und taktile Qualitäten, man kann es in die Hand nehmen
und darin blättern, querlesen und das Lese- oder Sichttempo präziser
steuern. Das Buch funktioniert autark, unabhängig von Stromquellen
und ist transportabel. Typografisch und gestalterisch tun sich Möglich-
keiten auf, die in dieser Form in einer reinen Bildschirmumsetzung
nicht gegeben sind.
Dennoch habe ich mich dazu entschieden, es nicht bei diesem Buch
zu belassen, sondern ergänzend zum Buch eine Website zu gestalten.
Der Entscheidung für eine Website ging eine Entscheidung gegen eine
beigelegte Audio-CD voraus. Auch hierfür spielten unterschiedliche
Überlegungen eine Rolle. Zum einen würde die Autarkie des Buches
darunter leiden, setzt doch das Abspielen einer CD ein Abspielgerät und
einen geeigneten Raum respektive räumliche Gegebenheiten voraus,
wie sie etwa in einer Bibliothek nicht zwangsläufig gegeben sind, mit
anderen Worten kann sich eine beigelegte CD schlichtweg als »unprak-
tisch« erweisen. Zum anderen handelt es sich bei der Audio CD um
ein aussterbendes Medium, dass nach und nach durch andere digitale
Datenformate abgelöst wird, allen voran der Audiodatei im kodierten
und komprimierten MP3 Format.
Das eigentliche Hauptargument zur Ausarbeitung einer begleitenden
Website war jedoch die Möglichkeit, die Musik unmittelbar an das
visuelle Ergebnis zu koppeln – was mit der CD schlichtweg unmöglich
ist. Neben der Kopplung können auch zeitliche Abläufe präziser
gesteuert werden, ich kann genau festlegen, wie lange etwa ein Bild
D A T E N F O R M A T E
Das MP3 Format ist hier nur als Synonym für eine Vielzahl verfüg-barer Formate wie etwa ALAC (Apple Lossless Encoding), ATRAC (Ad-vanced Lossless), FLAC, MPEG-4, WavPack oder WMV genannt.
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zur abgespielten Musik gezeigt wird und umgekehrt. Daneben tun sich
zusätzliche Möglichkeiten der Hypertextualität (die allerdings auch im
Buch Anwendung finden soll), der Interaktion und der Transmodalität
(Beispiel: Animation eines statischen Bildes aus dem Buch, Aufzeigen
eines Entstehungsprozesses) auf.
Entstanden ist auf diese Weise ein Buch, das 100 Werke auf 100 Einzel-
seiten abbildet. Die Nummerierung erfolgt in Form einer dreistelligen
Zahl mit führender Null pro Werk. Parallel zur Enstehung des Buches
wurde die Domain www.parallaxen.net registriert, und jedes Werk hat
eine Repräsentanz auf der Website; die spezifische URL ergibt sich
aus der Seitennummerierung, das heißt die URL parallaxen.net/001
entspricht dem Werk 001, parallaxen.net/002 dem Werk 002 im Buch
etc. Dieses einfach System soll eine stringente Navigation zwischen
Buch und Website ermöglichen, ohne das man sich komplizierte URL-
Schemas abtippen oder merken muss.
Zum Titel der Arbeit – Parallaxen
Um das Motiv der vorliegenden Arbeit besser zu verstehen, hilft die
Klärung des Begriffs der »Parallaxe«: Im herkömmlichen Sinn versteht
man darunter die »scheinbare Änderung der Position eines Objekts,
wenn der Beobachter seine Position verändert«5. In der Astronomie
dient die Parallaxe zu Entfernungsmessung von Sternen. Je weiter der
Stern entfernt ist, desto kleiner ist die Parallaxe, der Winkel zwischen
den gedachten Linien (siehe Abb. rechts).
Von der dieser naturwissenschaftlichen Definition abgesehen, bes-
chreibt beispielsweise Slavoj Žižek gleich mehrere maßgebliche Erschei-
nungsformen der Parallaxe: Die ontologische Differenz, die als letzte
Parallaxe unseren Bezug zur Wirklichkeit bestimmt; die wissenschaftli-
che Parallaxe, die in der gegenwärtigen Hirnforschung den überwind-
baren Graben zwischen der phänomenalen Erfahrung der Wirklichkeit
und ihrer wissenschaftlichen Erklärung markiert; und die politische
Parallaxe, die als gesellschaftlicher Antagonismus jeden gemeinsamen
Grund verwehrt6.
5 dtv Taschen-Lexikon, Band D, S. 39f.
6 Žižek, Parallaxe, Klappentext
entfernter Stern
naher Stern
Parallaxe
Parallaxe
Erdbahnhalbmesser
Erdbahn
SonneErde
Musik
VisuelleGestaltung
MusikvisualisierungFokus dieser Arbeit
Objekt
entfernter Stern
naher Stern
Parallaxe
Parallaxe
Erdbahnhalbmesser
Erdbahn
SonneErde
Musik
VisuelleGestaltung
MusikvisualisierungFokus dieser Arbeit
Objekt
Um beim bildhaften Beispiel aus der Astronomie zu bleiben: Die
ausgewählten zehn Gebiete sind im System dieser Arbeit zehn Sterne,
zehn Betrachtungsobjekte, die jeweils vom Standpunkt der Musik und
vom Standpunkt der visuellen Gestaltung anvisiert werden. Während
sich die reine Visualisierung von Musik sich nach meiner Vorstellung
vor dem Betrachtungsobjekt abspielt, also in dem Dreieck von Objekt,
Musik und visueller Gestaltung, möchte ich den Fokus auf das Gebiet
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nach dem Objekt richten; die Linien der Parallaxe laufen weiter und
eröffnen einen neuen Raum, der wesentlich mehr Interpretations-
möglichkeiten und Freiraum zulässt, der gleichzeitig aber auch schwi-
eriger zu umreißen und zu bearbeiten ist, da die Betrachtungslinien
vom (Versuchs)objekt weg immer weiter auseinander laufen und die
Zusammenhänge mit wachsender Entfernung vom Ursprungsobjekt im-
mer vager nachzuvollziehen sind.
Inhalte, Themen, Aussage
Im Rahmen erster Recherchen rund um das Thema bemerkte ich, dass
es schwierig ist, das Thema klar zu umreissen und einzugrenzen – ein
schier endloses Feld an Übersetzungsversuchen, Parallelen und Diver-
genzen tut sich auf. Man denke dabei zum Beispiel an die Korrespon-
denzen von Arnold Schönberg und Wassily Kandinsky, die sich rege
über theoretische und praktische Konzepte aus Musik und Bildender
Kunst austauschten7 und sie in die eigene Arbeit inkorperierten.
Die (umkehrbare) Visualisierung von Musik sollte auch nicht Kern der
Arbeit sein, weil es auf diesem Gebiet bereits unüberschaubar viele
Ansätze, auch viele Klischees, gibt: Vom Screensaver bis zum Live-Kon-
zert, vom Supermarkt bis zur Vernissage einer Kunstausstellung, wird
Bild permanent mit Ton unterlegt
Wenn aber nicht dieser »Übersetzungsansatz« die inhaltliche Grundlage
der Arbeiten liefern soll: Was dann? Was könnten die Arbeiten zum
Inhalt haben? Parallelen lassen sich vor allem im Ideenfindungs- und
Entstehungsprozess finden.
Parallel zur Entstehung der Arbeit ergab sich mit dem hdv Trio8 eine Se-
rie von Konzerten, die uns unter anderem nach Kasachstan, Kirgistan,
Griechenland, Serbien oder in den Senegal führten. Diesen Sachverhalt
sah ich als Chance, eine zusätzliche Reflexionsebene in die Arbeit ein-
zubringen. Die Eindrücke dieser Reisen bieten einen roten Faden oder
Rahmen, der sich im Buch widerspiegeln soll. Von einem (geografischen
oder oder gestalterischen oder philosophischen) Standpunkt ausgehend
begebe ich mich auf die Reise, um – vielleicht auf Umwegen – immer
wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Dieser Ausgangspunkt ist
7 Vgl. Maur, Vom Klang der Bilder, S. 354 - 359
8 http://www.hdvtrio.com
die Annahme, dass es eine Schnittstelle zwischen visueller Gestaltung
und Musik gibt, und das Ziel ist es, diese Membran zwischen den Diszi-
plinen sichtbar – nicht dingfest – zu machen.
Zum Aufbau des Theorieteils
Entgegen der Empfehlung aus dem »Leitfaden Bachelorarbeit« wurde
bewusst auf eine klassische Untergliederung des Theorieteils in Kapitel
und Unterkapitel verzichtet. Anstelle dessen habe ich, zusätzlich
zu dieser theoretischen Einleitung, fünf Essays geschrieben, die um
jeweils zwei der zehn vorab definierten Schlüsselworte kreisen. Den
strukturellen Rahmen für diese Essays bildet jeweils ein Reisebericht,
einerseits, um die »trockene Theorie« in einen lebendigen, realen
Kontext zu stellen und dort zu testen; andererseits wollte ich damit
den freien Charakter dieser Arbeit unterstützen: Ich liefere keine 1:1
Übersetzungen und keine Erklärungsversuche, wie Musik auszuschauen
oder ein Bild zu klingen hat. Vielmehr soll der Theorieteil – bei aller
Wissenschafltichkeit – gleichzeitig ein Plädoyer an die Wachheit und
an das Verantwortungsbewusstsein des Gestalters sein. Wir leben in
einer hochkomplexen Zeit und in einer Welt, in der sich gestalterische
Konzepte nicht nur an ästhetischen Kriterien und formalen Paradig-
men, sondern an einem gesamtheitlichen, Mensch, Technik und Natur
umfassenden Kontext orientieren müssen, um Gestaltung zu machen,
die sich nicht darauf beschränkt, schön zu sein.
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T O B E O R G A N I Z E D
I N T O S h A P E .
David Hockney
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W I T h O U T A P L A N
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B A L L S .
Lars von Trier
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Friedrich Nietzsche
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Wenn man Ton in Bilder übersetzen will, tritt man noch ein paar
Schritte weiter zurück, und der ursächliche Zusammenhang – Ton löst
(Bild)Ereignis aus oder (Noten)Bild löst Tonereignis aus – verschwin-
det ganz. Anders gesagt, sind solche wörtlich Übersetzungen zwar
möglich, aber nicht immer sinnvoll und im künstlerischen Kontext
meistens langweilig, weil rein technisch-analytisch. Die Wellenform
von Stücken unterschiedlicher Stilistik sind wenn überhaupt nur von
Experten zuorden- und dechiffrierbar, und wenn stark genug ver-
T E M P O
In der Umgangssprache meint Tempo ein (hohe) Geschwindikeit; In der Musik bezeichnet das Tempo den »Schnel-ligkeitsgrad des zugrunde liegenden Metrums«1. Die klassischen Tempoanga-ben sind dem Italienischen entnommen: Largo, Lento, Adagio, Andante, Mod-erato, Allegro, Vivace oder Presto, um nur die gebräuchlisten zu erwähnen. Das Metronom erlaubte es dem Komponisten, präzise Angaben (Schläge pro Minuten) zum Aufführungstempo zu machen. In der Grafik wäre der Begriff Tempo frei mit dem Begriff Geschwindigkeit zu verbin-den, der im Bezug zur Visualität eines Werkes stehen kann.
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T E M P O & S T Ö R U N GReiseroute: Dornbirn – Bratislava, retour
Reisedistanz: 1.432 km
Ich sitze im Zug nach Bratislava. Langsam setzt der Wagon sich in
Bewegung, die Zugräder erzeugen ein Klacken mit jeder Schweissnaht,
über die sie rollen. Das Klacken wird kontinuierlich schneller, entwick-
elt sich zu einem mehr oder weniger gleichförmigen Puls, der langsam
in den Hintergrund tritt. Mit dem Gleisnahtaccelerando wird auch die
Landschaft beschleunigt, vom Zugfenster eingerahmt. Die Strommasten
der Oberleitung huschen rhythmisch daran vorbei, manchmal und zufäl-
lig synchron mit dem Klacken. Die Holzlatten des Lärmschutzverbauung
verschwimmen zu einem nicht mehr wahrnehmbaren Muster, und die
Landschaft dahinter wird zur braun-grünen Farbfläche. Synchronität
von Bild und Klang, wenn der Zug in den Tunnel rast, plötzlich ist das
Bild weg und abrupt wird der Klang dumpfer, der Unterdruck schließt
die Ohren, und man rast durch eine neue Bild- und Klangwelt.
Doch bereits das ist eine Abstraktion, eine
Visualisierung von Ton zu Bild, die nicht mehr
im ursächlichen Zusammenhang steht wie etwa,
wenn ich einen Stein auf den Boden fallen lasse
und den Aufprall zeitgleich sehe und höre. Im
Zug sitzend, bin ich einen Schritt weiter von
linearer Synchronität entfernt, ich kann mir
zwar erklären, dass die Schweissnaht im Gleis
das Klacken auslöst, aber visuelle Rhythmus der
Strommasten passt eigentlich nur zufällig dazu,
und die vorbeiziehenden Berge gar nicht mehr.
Wohin fahre ich?
größert, so das nur ein eine Aneinanderreihung von Wellenbergen und
Wellentälern übrig bleibt, auch von diesen nicht mehr - die Abbildung
wird dem subjektiven Wahrnehmungsvermögen nach beliebig. Das
Exempel lässt sich ausdehnen vom einer simplen Pegelanzeige über
eine FFT-Analyse3, Bildschirmschoner, einer Lichtshow zum Konzert,
bewegten Lippen zum Playback - auch das ist letztlich nur eine Visual-
isierung von gesungenem Text respektive Musik - und anderen visuel-
len Darstellungsformen, die ein Audiosignal als Informationsträger
zur Umwandlung in ein statisches oder animiertes visuelles Ergebnis
verwenden.
Abb. 3: FFT Analyse eines Audiosignals in 256 Bändern
Eine direkte Übersetzung wird ab einem gewissen Punkt vorhersehbar,
damit reproduzierbar, und damit repetitiv. Um zu weniger repetitiven
Ergebnissen zu gelangen, muss das Wahrgenommene abstrahiert
werden. Was sehe ich, wenn ich mich im Zug sitzend schnell an einer
Landschaft vorbei bewege? Ich sehe einen Bildstreifen aus Einzelbil-
dern (1 Einzelbild = Zugfenster), die ich ab einer gewissen Geschwin-
digkeit nicht mehr als Einzelbilder wahrnehmen kann. Ich sehe ein
neues Bild, das mit der Realität als Standbild nur noch schemenhaft
vergleichbar ist: Ähnliche Farben, Formen, Verläufe. Daraus ergeben
sich zwei Formen von Unschärfe, oder wenn man so will: Störungen.
Aus dieser Betrachtungsdistanz ergibt sich
auch gleichzeitig Störung zwei – je weiter ich
vom Objekt bin, desto weniger Details vermag
ich wahrzunehmen, die Wahrnehmungsgrenze
ist unterschritten.
FFT-AnalyseFast Fourier TransformIn der Musik: Algorith-mus zur Berechnung der Lautstärkenwerte nach Frequenzbändern.2
S T Ö R U N G
Als Störung bezeichnet man »die Abweichung eines geplanten oder erwarteten Vorgangs von seinem fest-gelegten, vorausberechneten oder erwarteten Ver-lauf aufgrund einer unvorhergesehenen, ungeplanten Einwirkung«4. In der Musik und in der visuellen Gestal-tung muss eine Störung (im Entstehungsprozess) nicht zwangsläufig ein unerwünschtes Ereignis sein, sondern führt oft zu interessanten Abweichungen von der Norm oder neuen Resultaten.
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In der Tonwelt verhält es sich mit der geschwindigkeits- und distanz-
bedingten Unschärfe ähnlich. Die Gleisnaht erzeugt noch keinen Ton,
sondern nur ein Geräusch. Würde der Zug entsprechend schnell beschle-
unigen, so dass er beispielsweise in der Sekunde 440 Gleisnähte passi-
ert, würden wir einen Ton hören (Kammerton A = 440 Hertz, Sprich 440
Schwingungen pro Sekunde). Die Wahrnehmungsgrenze ist hier noch
nicht überschritten, dazu müsste der Zug mehr als 20.000 Gleisnähte
in der Sekunde passieren, um einen vom menschlichen Ohr nicht mehr
wahrnehmbaren Ton im Ultraschallbereich zu erzeugen.
Hier stellt sich die Frage: entspricht das Einzelbild dem Geräusch und
das Bewegtbild dem Ton? In beiden Fällen ist es so, das der Verlust
von Information (Geräusch, Einzelbild) zum Gewinn neuer Information
führt (Ton, Bewegtbild).
Ähnliche Analogien liegen in der Distanz zum Objekt respektive zum
Klangereignis. Wenn ich nach der Fahrkarte suche, höre ich das leiseste
Papierrascheln. Ich kann die Gespräche der Mitreisenden im Abteil klar
und deutlich hören. Aus den Nebenabteilen dringen nur Gesprächs-
fetzen und Geräusche, die ich noch ansatzweise zuordnen kann. Wenn
der Zug an einem Bahnsteig hält, höre ich von den Menschen am
Bahnsteig lediglich eine Geräuschwolke, deren Einzelsignale ich nicht
mehr nuanciert, getrennt wahrnehmen kann. Hier ist die auditive
Wahrnehmungsgrenze überschritten, ein Zuviel an simultaner Informa-
tion. Gleichzeitig dreht sich hier die Übersetzungsanalogie Bild – Ton:
Ich kann visuell viele Details ausmachen und wahrnehmen, so sehe und
erkenne ich jedes Gesicht, jeden Koffergriff, jeden Zigarettenstummel,
jede Wasserflaschenaufschrift, wenn ich die Aufmerksamkeit darauf
lenke, aber egal, wie sehr ich mich anstrenge, die Geräusch- oder
Klangwolke lässt sich mit dem Gehör nicht auseinander dividieren.
Selbstverständlich ist auch die visuelle Wahrnehmung limitiert, was
die Menge an Informationseinheiten anbelangt; ich kann nicht alles
gleichzeitig sehen, sondern muss meine Aufmerksamkeit gezielt auf De-
tails lenken. Aber das Auge funktioniert in diesem speziellen Kontext
präziser – ich sehe scharf und höre diffus.
1 Tempo: Taschenlexikon, Band T, S. 51
2 Wellenform: en.wikipedia.org/wiki/Waveform
3 Fourier-Transformation: Taschen Lexikon, Band EF, S. 351
4 Störung: de.wikipedia.org/wiki/Stoerung
Mittlerweile habe ich den Zug gewechselt und passiere auf dem Weg
von Wien nach Bratislava die grüne Grenze; identisches Szenario zur
Abfahrt in Dornbirn, die visuellen und auditiven Sinneseindrücke
unterscheiden sich nur marginal. Das Bild ist gelber, das liegt an den
Rapsfeldern. In der Ferne drehen sich einige Windräder, asynchron
zueinander und asynchron zu den Strommasten, die mir seit acht Stun-
den den Blick aus dem Zugfenster in Häppchen zerteilen. Polyrhythmik
nennt man das in der Musik, aber dieser Rhythmus ist zu komplex, um
notiert werden zu können.
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C R E A T E D , T h E S E S I G N S h A V E N O F U R T h E R U S E .
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R h y T h M U S & F O R M Reiseroute: Dornbirn – München – Istanbul – Almaty (Kasachstan) –
Bishkek (Kirgistan), retour
Reisedistanz: 13.484 km
Auch nach vielen Flügen ist es mir immer noch ein Rätsel, wie sich so
ein Haufen Blech derart beschleunigen lässt, dass man Minuten nach
dem Start in 10.400 Meter Flughöhe über Landes- und Kontinentgren-
zen hinweg segelt. Das visuelle Erlebnis über den Wolken stimmt nicht
mit der auditiven Monotonie des Triebwerkswerkgeräusches überein.
Dafür ist diese visuelle Sensation umso größer, speziell wenn man in
einen wolkenlosen Tag hinein fliegt.
Das amorphe – gewissermaßen analoge – Land ist durch Bebauung und
Bewirtschaftung in geometrische Muster zerteilt. Es sind, von oben
betrachtet, digitale Pattern, Seinszustände einer Landschaft: Grün
oder Braun, Weizen oder Mais, Raps oder Nicht-Raps sind die Repräsen-
tanzen von Null und Eins. Nur hie und da wir die öknomisch einger-
ichtete Land(wirt)schaft von einer Linie oder einer Kurve durchzogen,
vielleicht ein Fluß, eine Strasse, ein Bahngleis.
Fährt man am Boden an ebensolche Felder vorbei, wie sie von oben
betrachtet zum Muster werden, schauen diese Felder pittoresk aus.
Da stehen ein paar einzelne alte Obstbäume, dort drüben ein Wäldchen
und ein Weiher und ein Haus, ein Traktor fährt über die Landstraße.
Das Braun ist nicht mehr Nur-Braun, man sieht die grünen Keimlinge
aus dem Boden sprießen. Aus 10 Kilometern Höhe betrachtet, sind
diese Details verschwunden, und es bleibt ein visuelles Bild, das bei-
nahe un-menschlich, oder zumindest un-natürlich erscheint.
Mähdrescher und Traktoren tun sich mit 7-eckigen, runden oder
amorph geformten Weizenfeldern schwer.
Jedenfalls ergibt sich die Wahrnehmbarkeit
hier überhaupt erst aus dem Betrachtungsab-
stand. Wie Kunstschaffende oder Gestalt-
ende die Landschaft unterteilen würden? Es
würden sich mindestens Alternativen erge-
ben zu diesem solitären Rastersystem, dass
auf Landschaft angewandt wird. Wir sind in
typografischen und satztechnischen Rastersys-
F O R M
Aristoteles prägte den Begriff der Form, unter der im Allgemeinen »Gestalt, Umriß, Gepräge«1 verstanden wird. Nicht nur im Vergleich von Musik und bildender Kunst nimmt der Begriff unterschiedliche Bedeutungen an: »Form ist (im Gegensatz zur Materie) das den Dingen (…) immanente Gestaltungsprinzip, das das Material zu einem Ganzen formt und sich selbst im Material entwickelt.«2 Unter Form versteht man aber auch eine Struktur, sprich einer »feststellbaren formalen Gesetzlichkeit eines Gegebenen, im Gegensatz zum Inhalt«3.
temen ähnlich gefangen. Der Bauer im Mähdrescher auf dem Maisfeld
entspricht in etwa dem Gestalter im InDesign auf dem A4 Blatt.
Zumindest gibt es noch keine DIN Normen für Landschaftsformate.
Oder vielleicht doch? So sicher bin ich mir gar nicht mehr. Alles wird
festgelegt, »eingerastert« und genormt, vom typografischen Punkt bis
zur Landesgrenzeneinteilung auf nationaler und kontinentaler Ebene.
Gleisschwellen und Gleise bilden Raster, die Strommasten und Oberlei-
tungen, die Dörfer und Städte sind im Raster hingebaut und über ein
Raster an Straßennetz miteinander verknüpft. Aus dem Radio dringt
Raster-Musik, zu 99.9 Prozent im 4/4 Takt gerastert und monoton
vor sich hin stampfend. Aus dem Flugzeug betrachtet erkennen wir
die Größe, Tragweite und Komplexität dieser Systeme, so scheint mir,
besser, und erkennen auch, dass über diesen grafisch sichtbaren Ras-
tersystemen noch zahllose virtuelle, erdachte und eingebildete Raster
existieren.
R h y T h M U S
»Rhythmus ist die Gliederung eines zeitlichen Vorgangs oder einer räumlichen Ausdehnung in sinnlich wahrneh-mbaren Einheiten (…)«4. Als elementares Prinzip haben die meisten Lebensvorgänge einen mehr oder minder regelmäßigen Rhythmus: Der Pulsschlag, die Atmung, Sonnen Auf- und Untergang. Rhythmus ist in fast allen Kunstsparten ein essentielles Gestaltungselement, von der Literatur über die bildende Kunst bis zur Musik, wo der Rhythmus einen besondern Stellenwert einnimmt, da Musik »im Gegensatz zur bildenden Kunst an die Zeit im Sinn chronologischer Abläufe gebunden ist«.5
Landung um 2 Uhr nachts in Almaty, Kasach-
stan. Am nächsten Morgen geht sich vor dem
Soundcheck im »Palast der Kinder« um 14 Uhr
gerade noch eine kurze Promenade in die Stadt
aus. Die Strassen sind hier gefühlte 10 Mal
breiter als in Österreich, dafür gibt es keinerlei
Strassenmarkierungen. Eine überdimensionierte
Skulptur von Nursultan Nasarbajew (der regier-
ende kasachische Präsident) wacht darüber...
worüber? Vielleicht, das die Strassen nicht
schmaler werden. Das Strassenraster ist hier also so potent, das es
keiner aufgemalten (Detail)Typografie bedarf. Dirigent dieser 6-spuri-
gen Gebrauchtwagenfuge ist ein Gendarm in Leuchtweste, der verloren
in Mitten der Mega-Kreuzung herumfuchtelt und versucht, den Verkehr
zu organisieren. Wie durch ein Wunder wird er nicht überfahren.
Doch einen Schritt zurück, weg von den Metaphern zu einem noch ab-
strakteren Zusammenhang. Das Raster unterteilt den Raum in Formen.
Ein Notationssystem ist nichts anderes. Es versucht, die Multidimen-
sionalität des Klanges in einem Zweidimensionalen System zu erfassen.
Der zeitliche Raster wird durch Tempoangaben (vage wie Andante oder
Allegro oder metrisch-präzis wie seit Beethoven durch Metronomanga-
ben: q = 120 sprich 120 Viertelnoten in der Minute) Notendauer und
Taktstriche definiert, die Tonhöhe wird durch Notenlinien und daran
oder darauf sitzenden Notenköpfen gerastert. Zumindest auf einem Tas-
teninstrument gibt es per definitionem keine Zwischentöne, und ähn-
60
lich schwierig wir es uns in gängigen Design-Applikationen gemacht,
aus dem Raster auszubrechen. Es ist natürlich mit etwas Einfallsreich-
tum nicht unmöglich, aber die Ausrichtung, das Preset, beginnt immer
beim Raster und man muss sich dann von ihm weg arbeiten.
Im Rahmen des Gestaltungsstudiums wird man deshalb immer wieder
ermahnt, man möge erst von Hand skizzieren, bevor man sich an den
Bildschirm setzt, wohl auch, um dieses Gefangensein im Raster ein
Stück weit zu umgehen. Fakt ist, dass immer mehr direkt und auss-
chließlich am Bildschirm gestaltet wird. Es ist nicht relevant, diesen
Sachverhalt als falsch oder richtig zu bewerten. Kritischer ist, dass wir
sowohl in der Musik als auch in der Grafik zwar die Herangehensweise,
die Methodik hinterfragen, aber die Werkzeuge – das Instrument oder
das Computerprogramm – einfach stillschweigend akzeptieren und als
nicht veränderbare Konstanten in unserem Gestaltungssystem ansehen.
Leonardo DaVinci und Michelangelo haben ihre Pinsel noch selbst
gebunden, die Pigmente selbst zerrieben. In alten Zeiten bauten sich
die Musiker ihre Trommeln, Flöten und Saiteninstrumente selbst. Auch
gab es keine institutionalisierten Unterrichtsysteme, die eben auch –
gedachte – Raster sind.
An dieser Stelle komme ich zum anfangs erwähnten fliegenden Haufen
Blech zurück. Wir leben in einer technisierten Welt, und wir haben
irgendwann aufgehört, diese Technik zu verstehen oder verstehen zu
wollen. Wir mögen uns weiters in einer Übergangszeit vom Analogen
zum Digitalen befinden, aber wir werden – oder haben bereits – den
Punkt erreichen, an der Technik von einem einzelnen Individuum
nicht mehr erfassbar ist. Auch das ist kein nostalgisches Nachtrauern,
sondern Anerkennung unabänderlicher Tatsachen. Das Grundproblem
aller Technik ist, dass sie nicht versagen darf. Sie ist darauf ausgelegt,
fehlerlos zu funktionieren. Dies macht zum Beispiel bei einem Flugzeug
durchaus Sinn. Im Kreativprozess des Grafiker oder des Musikers kön-
nen perfekte Maschinen eine geradezu katastrophale Auswirkung haben,
wenn sie nicht trickreich bedient werden. Aber selbst hier bleiben
wir begrenzt auf das Programm, die Programmiersprache, das Main-
board, das Computergehäuse oder die Abmessungen, Verstärkung und
Spieltechnik unseres Instruments.
Ansätze zu selbstbestimmten Anwendungen und Werkzeugen gibt es, es
sei hier nur stellvertretend auf Projekte wie arduino6, den Reactable7,
Programme für generative Computergrafik (Processing8, NodeBox9) und
Werkzeuge zur generativen Musikproduktion (MAX/MSP10, PureData11)
verwiesen.
Das soll, bei aller Wertschätzung des Analogen, kein Plädoyer für die
Abkehr vom Computer sein, vielmehr geht es um ein intelligentes
Verbinden und um das Übertragen von analogen Prozessen in eine
digitale Umgebenung. In der Architektur entwickelte sich Anfang
der neunziger Jahre ein differenziertes System von Sowohl-als-auch
Verknüpfungen von digitalen und analogen Verfahren, von freien und
geometrisch-abstrakten Formen.12 In der Musik und im grafischen
Bereich zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Wurde die Digitalfotografie
oder die digitale Musikproduktion anfangs noch müde belächelt, hat
sie sich mittlerweile so zum Standard erhoben, dass analoge Fotografie
(auf Negativ-Film) oder analoge Musikaufnahme (auf Bandmaschine)
beinahe schon als nostalgisch abgetan wird. Einen Schritt weiter, erle-
ben analoge Medien und Werkzeuge zur Zeit eine kleine Renaissance,
denkt man zum Beispiel an die Vinyl-Schallplatte, lange Zeit totgesagt
und mittlerweile trendiges Sammlerobjekt, auch in Neuauflage, oder an
die Polaroid-Kamera.
1 Taschenlexikon, Band E/F, S. 302
2, 3 ebd.
4, 5 Taschenlexikon, Band R, S. 141
6 http://www.arduino.cc
7 http://mtg.upf.es/reactable
8 http://processing.org
9 http://nodebox.org
10 http://www.cycling74.com
11 http://puredata.info
12 Höfler, Bildwelten, S. 65
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A F T E R S I L E N C E , T h A T W h I C h C O M E S N E A R E S T T O E X P R E S S I N G T h E I N E X P R E S S I B L E I S M U S I C .
Aldous Huxley
050
E N E R G I E D E R S T A D T – h I E R I S T A L L E S G R Ö S S E R , D I C h T E R , D R E C K I G E R , I N T E N S I V E R .
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///////////////////////////////
F A R B E & D y N A M I K Reiseroute: Dornbirn – München – Athen – Syros, retour
Reisedistanz: 3.616 km
Die Reise nach Griechenland lebt von Kontrasten. Wir kommen
zunächst in Athen an und sind im Stadtteil Exarchia untergebracht,
ein Stadtviertel nördlich des Zentrums, das als Studentenviertel und
Szenetreffpunkt gilt. Die Strassen und Gassen sind dort tagsüber wie
nachts belebt, ein wildes Durcheinander von Strassencafés und Bars,
Studenten und Obdachlosen, Häuserblocks und Grünanlagen.
Bereits am nächsten Morgen reisen wir mit der Fähre nach Syros,
einer Insel der Kykladen, gut 150 Kilometer von Athen entfernt. Die
Ankunft im Hafen von Syros bedient Klischées, manifestiert in den
Farben der griechischen Fahne: Tiefblau das
Meer und im strahlenden Weiß die gekalkten
Fassaden der Häuser von Syros.
Schönberg schreibt: »Kunst auf der unter-
sten Stufe ist einfache Naturnachahmung.«1
Auch wenn es nicht um bloße Nachahmung
geht, die Farben auf der Insel sind wirklich
aussergewöhnlich und inspirierend. Schönberg
führt weiters aus, dass es nicht nur um eine
Nachahmung der äußeren Natur, sondern auch
der inneren Natur geht, wenn man eine höhere
Stufe der Kunst anstrebt. Das heißt, es werden nicht »bloß Gegen-
stände und Anlässe dargestellt, die einen Eindruck machen, sondern
vor allem dieser Eindruck selbst.«2 Das liefert eine mögliche Erklärung,
wieso Reisen so inspirierend sein können und wieso viele Künstler
gereist sind und reisen. Stereotypen hin oder her, vor Ort ist das
griechische blau-weiß beeindruckend. Da hilft keine noch so präzise
ausgemessene Pantone-Farbtafel und kein noch so guter Lambda-Print
eines hochauflösenden Fotos im Leuchtkasten. Denn wie Küppers in
seiner Farbenlehre schreibt und wie es an anderer Stelle bereits einmal
zitiert wurde ist »Farbe keineswegs die Eigenschaft von Material,
farbig auszusehen«3. Er ergänzt, »Farbe ist als Empfindungspotential
latent im Sehorgan des Betrachters bereits vorhanden«4. Das kann man
einerseits nüchtern-trocken betrachten: Farbe ist abhängig von der
[ K L A N G ] F A R B E
Küppers schreibt in seiner Farbenlehre: »Farbe ist keineswegs die Eigenschaft eines Materials, farbig auszusehen«a. hier soll Farbe weniger im technisch-physikalischen Sinn erfasst werden (eine extrem komplexe Materie), sondern vielmehr »neben Linie und Fläche« als »hauptausdrucksmittel künstlerischer Gestaltung«b. Selbes gilt für die Klangfarbe, die per Definition »(…) dadurch bestimmt [ist], welche Obertöne stärker mitklingen«c. Auch hier soll der Fokus auf den künstlerischen Ausdruck und die angestrebte emotionale Wirkung gerichtet sein, um einen übersetzungsversuch von der Klangfarbe zur Farbe anbieten zu können.
Beleuchtung, und aus dem Winkel, in dem die Sonne auf Syros ins Meer
scheint, resultiert eben dieses Blau.
Unbestritten ist, das »Farbe nur eine Sinnesempfindung«5 ist, sprich
das die Aussenwelt farblos ist und Farbe nur durch das Empfinden des
Betrachters wahrgenommen wird. Das Meer ist also nicht blau, ebenso
wenig die Fassaden weiß sind, sondern sie »besitzen lediglich ein
individuelles Absorptionsvermögen«6. Der nicht absorbierte Teil wird als
Restlicht reflektiert und lösen einen Farbreiz im Auge des Betrachters
aus.
Was mit aber für den Vergleich von Farbe und Klangfarbe viel wich-
tiger erscheint ist jedoch die subjektive, emotionale Wahrnehmung
von Farbe. Denn auch das ist ein Grund, wieso eine Pantone-Tafel
unter Laborbedingungen nicht das Meer simulieren kann. Oder um das
Beispiel auf ein praxisnäheres Beispiel zu reduzieren: Die Pantone-
Tafel in Wirklichkeit nicht einmal den Farbton des Druckerzeugnisses
festzulegen vermag, es bleibt immer eine Annäherung. Das gedruckte
Plakat wird nicht unter Normlicht aufgehängt, es ist unterschiedli-
chen Lichtverhältnissen und Witterungseinflüssen ausgesetzt und das
Druckerzeugnis ist mehr als alles andere davon abhängig, in welchem
Kontext es platziert wird: Im Kunstmuseum oder in der Bar, als Stras-
senreklame oder als Wohnzimmerschmuck.
In der Musik verhält es sich zunächst ähnlich, die Wahrnehmung
einer Klangfarbe ist im hohen Maß vom Kontext abhängig, in dem sie
wahrgenommen wird. Wir sind in der Lage, allgemeine Tendenzen zu
hören, empfinden eine Klangfarbe vielleicht als warm oder kalt, hell
oder dunkel, angenehm oder unangenehm. Wird man spezifischer, ist
die Klangfarbe aber noch weniger definierbar, noch subjektiver als
die Farbe, die immerhin in hohen Maße normiert, weil messbar, ist.
Klangfarbe ist viel schwieriger dingfest zu machen und vielleicht noch
stärker von unserer Prägung abhängig. Uns mag der eine Farbton besser
gefallen als der andere, und manche Farbtöne mögen uns sogar als
hässlich erscheinen; die Wirkung von dissonanten Klängen - wenn man
nicht gewohnt ist, diese zu hören - ist aber ohne Frage gravierender
und reicht für manche in die Unerträglichkeit. Um das Beispiel einfach
zu halten, werden heute die wenigsten Menschen ein Problem damit
haben, ein abstraktes Bild zu betrachten, im visuellen haben wir eine
relativ hohe Akzeptanz für den Grad an Abstraktion. Mit »moderner«
Musik hat die breite Maße viel eher Schwierigkeiten: Es sind bald schon
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hundert Jahre vergangen, aber Schönbergs Zwölftonmusik wird wohl
immer noch von den wenigsten Menschen als gehörfällig empfunden.
Abstrakte Werke von Schönbergs Zeitgenossen Kandinsky, Mondrian
oder Picasso hängen mittlerweile in Reproduktion in jedem Hotelzim-
mer dieser Welt, ohne das sich jemand daran stört oder die Gemälde
als unangenehm empfinden würde. Was nicht den künstlerischen
Gehalt dieser Werke schmälern soll, aber man stelle sich nur vor, es
würde Zwölftonmusik oder gar noch modernere, radikal neue Musik als
Hintergrundberieselung im Fahrstuhl oder im Supermarkt laufen - es
würde schlicht weg nicht toleriert. Hier ist Musik ins Hintertreffen
geraten, was zum Teil daran liegen mag, das wir sehr visuelle Wesen
sind: 80% aller Informationen, die wir normalerweise wahrnehmen,
sind optischer Art7.
Um zur Klangfarbe zurück zu kommen, Schönberg beschreibt sie als
zweite Dimension des Klanges8 und bemängelt, dass die ästhetische
Bewertung derselben sich in einem viel ungeordneterem Zustand
befindet als etwa die Bewertung der Harmonie, sprich der Abfolge von
Akkordverbindungen. Er schließt sogar seine große Harmonielehre
mit Überlegungen zur Klangfarbe ab und macht deutlich, wie wichtig
dieses Teilgebiet ihm schien:
»Jedenfalls wird unsere Aufmerksamkeit auf die Klangfarben immer reger (…) Das scheint mir Zukunftsphantasie (…) Klangfarbenmelodien! Welche feinen Sinne, die hier unterscheiden, welcher hochentwickelte Geist, der an so subtilen Dingen Vergnügen finden mag!«8
Nach unserem Auftritt im Theater von Syros geht es am nächsten Mit-
tag per Fähre wieder zurück nach Athen. Wir kommen im Hafen von
Piräus an und nehmen ein Taxi zurück zum Hotel. Oder besser gesagt,
bis fast zum Hotel. Denn im Stadtzentrum stoßen wir auf Polizeibar-
rikaden, und der Taxifahrer lässt uns aussteigen mit dem Verweis, er
könne hier nicht weiter.
Nach den ruhigen eineinhalb Tagen auf Syros ist man wie gelähmt von
der Hitze, der Energie der Stadt; hier ist alles größer, dichter, dreck-
iger, intensiver, lauter, eine Antipode zum (zumindest jetzt, in der
Vorsaison) stoischen Syros, was, um es noch einmal zu erwähnen, die
Dynamik, oder genauer den Dynamik- oder Kontrastumfang, die eine
Reise haben kann, verdeutlicht.
Vollbepackt laufen wir durch die Strassen Richtung Hotel und erkun-
digten uns bei der nächsten Strassensperre bei einem Polizisten, was
los sei. »Demonstration«, meint dieser. Als wir ihn weiter nach dem
Weg zu unserem Hotel in Exarchia fragen, meint er nur »Keine gute
Idee«, denn genau dort wäre im Moment das Zentrum der Ausschrei-
tungen. Nun sind es schon Ausschreitungen, keine Demonstrationen
mehr; im Laufe des Abends sollten wir noch mehrere Deutungen der
Ereignisse erhalten, die von »It’s only a game« bis zu »Unruhen«
reichten.
Während man in Syros den Blick auf das endlos scheinende blaue Meer
und auf den Himmel, in nur marginal anderen, ebenso endlosen Blau-
ton ausruhen kann, wird Auge und Ohr in Athen mit Informationen
bombardiert.
Dynamik ist in der Musik nicht zwangsläufig
ein mehr an Information, sondern zunächst
eine Verstärkung der identischen Information;
einen Ton kann sehr leise gespielt werden
(ppp – dreifaches piano, pianississimo) oder
extrem laut (fff – dreifaches forte, fortissis-
simo), aber an der eigentlichen Toninforma-
tion ändere ich damit nichts – ich ändere
also nicht den Satz, sondern spreche in lauter
aus, ändere vielleicht auch den Gestus, wodurch die Aussage anders
wahrgenommen wird. Ich verstärke (oder schwäche ab), wie ich etwas
sage, und diese Metapher lässt sich gut auf die Bildwelt übertragen;
ich kann ein Idee, eine Aussage sehr subtil in eine Arbeit einbauen,
oder ich übertreibe, verstärke eine Idee. Je stärker ich kontrastiere,
desto größer ist der Dynamikumfang, der Kontrast meiner Arbeit. Ob
ich eine Bildidee hinausschreien oder -flüstern möchte, ist abhän-
gig von der Aussage, der Intention, dem Rezipienten und letztlich
auch vom Maßstab: Bei einem Rockkonzert wird auch ein sehr leise
gespielter Ton laut gemacht durch die Verstärkung über die PA Anlage,
und wenn ich im Gegenzug im vollen Fußballstadium mit aller Kraft
aber unverstärkt schreie, wird man mich kaum auch nur wahrnehmen.
Syros war leise, Athen war laut – bezogen auf die auditive und visuelle
Wahrnehmung, aber auch auf die Ereignisse. Erst später erfahren wir
aus den Nachrichten den Hintergrund der Aussschreitungen: Rechtsex-
treme haben ein von Asylanten seit längerem illegal besetztes Haus
D y N A M I K
In der Musik ist es »die Anwendung verschiedener Tonstärkengrade«d, und wenn man diesen Begriff auf den Dynamikumfang erweitert, zeichnen sich Analogien zum Kontrastumfang eines grafischen Werkes ab. Zwar kann Dy-namik auch wörtlich - im Sinne von »Schwung« verstanden werden, lässt sich aber mit erstgenannten Vergleich leichter erfassen: Den Dynamikabstufungen zwischen piano (leise) und forte (laut) und dem Kontrastumfang beispielsweise eines Schwarzweiss-Abzugs (dort: die Abstufungen zwischen Schwarz und Weiss).
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mit Steinen und Feuerwerkskörpern angegriffen, worauf die Polizei
eingrifft. In weiterer Folge kam es zu Strassenkämpfen zwischen den
Rechten und linken Gruppierungen, die sich ebenfalls ins Gesche-
hen einmischte, sowie der Polizei. Die Polizei setzte Tränengas und
Blendgranaten ein, es gab mehrere Verletze. Das alles erfahren wir, wie
erwähnt, erst im Nachhinein, und es blieb uns nichts anderes übrig,
als den Nachmittag in einem Strassencafé zu verbringen, vis à vis einer
Polizeistation. Wir hören die Demonstranten durch die Strassen ziehen,
der Lärm einmal näher, einmal weiter weg, vereinzelt ein lauter Knall.
Ein komisches Gefühl, wie wir scheinbar sicher in unserer Café-Oase
sitzt, um uns der Tumult. Ein Bild von Griechenland, das so gar nicht
mit den malerischen Buchten und Kalkfassaden in Syros zusammen-
passt; in Summe bleibt eine nicht ausschließlich schönes, sicher aber
ein kontrastreiches Bild.
1,2 Schönberg, Harmonielehre S. 13.
3 Küppers, S. 14
4 ebd., S. 15
5 ebd., S. 28
6 ebd., S. 56
7 ebd., S. 7
8 Schönberg, Harmonielehre S. 503
9 ebd., S. 504
a Küppers, S. 14
b Taschenlexikon, Band E/F, S. 194
c Taschenlexikon, Band K, S. 158
d Taschenlexikon, Band D, S. 381
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S E L L y O U
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V E R O N E S E
G R E E N A N D
E M E R A L D
G R E E N A N D
C A D M I U M
G R E E N A N D
A N y S O R T
O F G R E E N
y O U L I K E ;
B U T T h A T
P A R T I C U -
L A R G R E E N ,
N E V E R .
Pablo Picasso
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Parallaxes. Interfaces between Graphic Design and Music. This thesis shows 100 single art works combined into a book, revealing the intersection of graphic design and music, based on the 10 terms sketch, improvisation, composition, colour, rhythm, dynamics, tempo, form, space and noise. Besides the 100 art works, the
thesis contains a theoretical part separated into five individual essays, each one orbiting two of the ten mentioned terms. As an active musician, I have been travelling to Slovakia, Kazakhstan and Kyrgyzstan, Greece, Serbia and Senegal during the ten weeks of formation of this thesis. The essays therefor are not only
theoretical treatises, but vivid travelogues that bring design theory in a physical context. Parallels of image and sound are obvious. however, it is still a big step from single images to graphic design and from a single sound to a piece of music. Pure visualisation of music is not the aim of my thesis. I rather want
to reveal similarities, intersections, interfaces and divergences of the genres in terms of conception, formation and results. What is rhythm in a graphical image? how does a musician use the term colour or tone colour? What does an improvisation on the colour »blue« sound like? And what would this improvisation look
like in a visual composition? Extending the focus: when does an image become a composition? What could be visual correlates of »piano« and »forte«? When is a melody well proportioned? Can typography have a groove? Questions form the framework of this experimental piece of work: perceptions from different viewpoints,
looking at the 10 sub-topics of this thesis – parallaxes, offering various approaches to the subject, while not explaining the intersections or providing universally valid answers: My thesis is about questioning, not answering. Parallaxes. Interfaces between Graphic Design and Music. This thesis shows 100 single art
works combined into a book, revealing the intersection of graphic design and music, based on the 10 terms sketch, improvisation, composition, colour, rhythm, dynamics, tempo, form, space and noise. Besides the 100 art works, the thesis contains a theoretical part separated into five individual essays, each one orbiting
two of the ten mentioned terms. As an active musician, I have been travelling to Slovakia, Kazakhstan and Kyrgyzstan, Greece, Serbia and Senegal during the ten weeks of formation of this thesis. The essays therefor are not only theoretical treatises, but vivid travelogues that bring design theory in a physical context.
Parallels of image and sound are obvious. however, it is still a big step from single images to graphic design and from a single sound to a piece of music. Pure visualisation of music is not the aim of my thesis. I rather want to reveal similarities, intersections, interfaces and divergences of the genres in terms of
conception, formation and results. What is rhythm in a graphical image? how does a musician use the term colour or tone colour? What does an improvisation on the colour »blue« sound like? And what would this improvisation look like in a visual composition? Extending the focus: when does an image become a composition?
What could be visual correlates of »piano« and »forte«? When is a melody well proportioned? Can typography have a groove? Questions form the framework of this experimental piece of work: perceptions from different viewpoints, looking at the 10 sub-topics of this thesis – parallaxes, offering various approaches to the
subject, while not explaining the intersections or providing universally valid answers: My thesis is about questioning, not answering. Parallaxes. Interfaces between Graphic Design and Music. This thesis shows 100 single art works combined into a book, revealing the intersection of graphic design and music, based on the
10 terms sketch, improvisation, composition, colour, rhythm, dynamics, tempo, form, space and noise. Besides the 100 art works, the thesis contains a theoretical part separated into five individual essays, each one orbiting two of the ten mentioned terms. As an active musician, I have been travelling to Slovakia,
Kazakhstan and Kyrgyzstan, Greece, Serbia and Senegal during the ten weeks of formation of this thesis. The essays therefor are not only theoretical treatises, but vivid travelogues that bring design theory in a physical context. Parallels of image and sound are obvious. however, it is still a big step from single
images to graphic design and from a single sound to a piece of music. Pure visualisation of music is not the aim of my thesis. I rather want to reveal similarities, intersections, interfaces and divergences of the genres in terms of conception, formation and results. What is rhythm in a graphical image? how does a
musician use the term colour or tone colour? What does an improvisation on the colour »blue« sound like? And what would this improvisation look like in a visual composition? Extending the focus: when does an image become a composition? What could be visual correlates of »piano« and »forte«? When is a melody well
proportioned? Can typography have a groove? Questions form the framework of this experimental piece of work: perceptions from different viewpoints, looking at the 10 sub-topics of this thesis – parallaxes, offering various approaches to the subject, while not explaining the intersections or providing universally valid
answers: My thesis is about questioning, not answering. Parallaxes. Interfaces between Graphic Design and Music. This thesis shows 100 single art works combined into a book, revealing the intersection of graphic design and music, based on the 10 terms sketch, improvisation, composition, colour, rhythm, dynamics, tempo,
form, space and noise. Besides the 100 art works, the thesis contains a theoretical part separated into five individual essays, each one orbiting two of the ten mentioned terms. As an active musician, I have been travelling to Slovakia, Kazakhstan and Kyrgyzstan, Greece, Serbia and Senegal during the ten weeks of
formation of this thesis. The essays therefor are not only theoretical treatises, but vivid travelogues that bring design theory in a physical context. Parallels of image and sound are obvious. however, it is still a big step from single images to graphic design and from a single sound to a piece of music. Pure
visualisation of music is not the aim of my thesis. I rather want to reveal similarities, intersections, interfaces and divergences of the genres in terms of conception, formation and results. What is rhythm in a graphical image? how does a musician use the term colour or tone colour? What does an improvisation on the
colour »blue« sound like? And what would this improvisation look like in a visual composition? Extending the focus: when does an image become a composition? What could be visual correlates of »piano« and »forte«? When is a melody well proportioned? Can typography have a groove? Questions form the framework of this
experimental piece of work: perceptions from different viewpoints, looking at the 10 sub-topics of this thesis – parallaxes, offering various approaches to the subject, while not explaining the intersections or providing universally valid answers: My thesis is about questioning, not answering. Parallaxes. Interfaces
between Graphic Design and Music. This thesis shows 100 single art works combined into a book, revealing the intersection of graphic design and music, based on the 10 terms sketch, improvisation, composition, colour, rhythm, dynamics, tempo, form, space and noise. Besides the 100 art works, the thesis contains a
theoretical part separated into five individual essays, each one orbiting two of the ten mentioned terms. As an active musician, I have been travelling to Slovakia, Kazakhstan and Kyrgyzstan, Greece, Serbia and Senegal during the ten weeks of formation of this thesis. The essays therefor are not only theoretical
treatises, but vivid travelogues that bring design theory in a physical context. Parallels of image and sound are obvious. however, it is still a big step from single images to graphic design and from a single sound to a piece of music. Pure visualisation of music is not the aim of my thesis. I rather want to reveal
similarities, intersections, interfaces and divergences of the genres in terms of conception, formation and results. What is rhythm in a graphical image? how does a musician use the term colour or tone colour? What does an improvisation on the colour »blue« sound like? And what would this improvisation look like in a
visual composition? Extending the focus: when does an image become a composition? What could be visual correlates of »piano« and »forte«? When is a melody well proportioned? Can typography have a groove? Questions form the framework of this experimental piece of work: perceptions from different viewpoints, looking at
the 10 sub-topics of this thesis – parallaxes, offering various approaches to the subject, while not explaining the intersections or providing universally valid answers: My thesis is about questioning, not answering. Parallaxes. Interfaces between Graphic Design and Music. This thesis shows 100 single art works combined
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mentioned terms. As an active musician, I have been travelling to Slovakia, Kazakhstan and Kyrgyzstan, Greece, Serbia and Senegal during the ten weeks of formation of this thesis. The essays therefor are not only theoretical treatises, but vivid travelogues that bring design theory in a physical context. Parallels of
image and sound are obvious. however, it is still a big step from single images to graphic design and from a single sound to a piece of music. Pure visualisation of music is not the aim of my thesis. I rather want to reveal similarities, intersections, interfaces and divergences of the genres in terms of conception,
formation and results. What is rhythm in a graphical image? how does a musician use the term colour or tone colour? What does an improvisation on the colour »blue« sound like? And what would this improvisation look like in a visual composition? Extending the focus: when does an image become a composition? What could be
visual correlates of »piano« and »forte«? When is a melody well proportioned? Can typography have a groove? Questions form the framework of this experimental piece of work: perceptions from different viewpoints, looking at the 10 sub-topics of this thesis – parallaxes, offering various approaches to the subject, while
not explaining the intersections or providing universally valid answers: My thesis is about questioning, not answering.. Parallaxes. Interfaces between Graphic Design and Music. This thesis shows 100 single art works combined into a book, revealing the intersection of graphic design and music, based on the 10 terms
sketch, improvisation, composition, colour, rhythm, dynamics, tempo, form, space and noise. Besides the 100 art works, the thesis contains a theoretical part separated into five individual essays, each one orbiting two of the ten mentioned terms. As an active musician, I have been travelling to Slovakia, Kazakhstan and
Kyrgyzstan, Greece, Serbia and Senegal during the ten weeks of formation of this thesis. The essays therefor are not only theoretical treatises, but vivid travelogues that bring design theory in a physical context. Parallels of image and sound are obvious. however, it is still a big step from single images to graphic
design and from a single sound to a piece of music. Pure visualisation of music is not the aim of my thesis. I rather want to reveal similarities, intersections, interfaces and divergences of the genres in terms of conception, formation and results. What is rhythm in a graphical image? how does a musician use the term
colour or tone colour? What does an improvisation on the colour »blue« sound like? And what would this improvisation look like in a visual composition? Extending the focus: when does an image become a composition? What could be visual correlates of »piano« and »forte«? When is a melody well proportioned? Can typography
have a groove? Questions form the framework of this experimental piece of work: perceptions from different viewpoints, looking at the 10 sub-topics of this thesis – parallaxes, offering various approaches to the subject, while not explaining the intersections or providing universally valid answers: My thesis is about
questioning, not answering. Parallaxes. Interfaces between Graphic Design and Music. This thesis shows 100 single art works combined into a book, revealing the intersection of graphic design and music, based on the 10 terms sketch, improvisation, composition, colour, rhythm, dynamics, tempo, form, space and noise.
Besides the 100 art works, the thesis contains a theoretical part separated into five individual essays, each one orbiting two of the ten mentioned terms. As an active musician, I have been travelling to Slovakia, Kazakhstan and Kyrgyzstan, Greece, Serbia and Senegal during the ten weeks of formation of this thesis. The
essays therefor are not only theoretical treatises, but vivid travelogues that bring design theory in a physical context. Parallels of image and sound are obvious. however, it is still a big step from single images to graphic design and from a single sound to a piece of music. Pure visualisation of music is not the aim
of my thesis. I rather want to reveal similarities, intersections, interfaces and divergences of the genres in terms of conception, formation and results. What is rhythm in a graphical image? how does a musician use the term colour or tone colour? What does an improvisation on the colour »blue« sound like? And what
would this improvisation look like in a visual composition? Extending the focus: when does an image become a composition? What could be visual correlates of »piano« and »forte«? When is a melody well proportioned? Can typography have a groove? Questions form the framework of this experimental piece of work: perceptions
from different viewpoints, looking at the 10 sub-topics of this thesis – parallaxes, offering various approaches to the subject, while not explaining the intersections or providing universally valid answers: My thesis is about questioning, not answering. Parallaxes. Interfaces between Graphic Design and Music. This
thesis shows 100 single art works combined into a book, revealing the intersection of graphic design and music, based on the 10 terms sketch, improvisation, composition, colour, rhythm, dynamics, tempo, form, space and noise. Besides the 100 art works, the thesis contains a theoretical part separated into five individual
essays, each one orbiting two of the ten mentioned terms. As an active musician, I have been travelling to Slovakia, Kazakhstan and Kyrgyzstan, Greece, Serbia and Senegal during the ten weeks of formation of this thesis. The essays therefor are not only theoretical treatises, but vivid travelogues that bring design
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graphic design and music, based on the 10 terms sketch, improvisation, composition, colour, rhythm, dynamics, tempo, form, space and noise. Besides the 100 art works, the thesis contains a theoretical part separated into five individual essays, each one orbiting two of the ten mentioned terms. As an active musician, I
have been travelling to Slovakia, Kazakhstan and Kyrgyzstan, Greece, Serbia and Senegal during the ten weeks of formation of this thesis. The essays therefor are not only theoretical treatises, but vivid travelogues that bring design theory in a physical context. Parallels of image and sound are obvious. however, it is
still a big step from single images to graphic design and from a single sound to a piece of music. Pure visualisation of music is not the aim of my thesis. I rather want to reveal similarities, intersections, interfaces and divergences of the genres in terms of conception, formation and results. What is rhythm in a
graphical image? how does a musician use the term colour or tone colour? What does an improvisation on the colour »blue« sound like? And what would this improvisation look like in a visual composition? Extending the focus: when does an image become a composition? What could be visual correlates of »piano« and »forte«?
When is a melody well proportioned? Can typography have a groove? Questions form the framework of this experimental piece of work: perceptions from different viewpoints, looking at the 10 sub-topics of this thesis – parallaxes, offering various approaches to the subject, while not explaining the intersections or
providing universally valid answers: My thesis is about questioning, not answering. Parallaxes. Interfaces between Graphic Design and Music. This thesis shows 100 single art works combined into a book, revealing the intersection of graphic design and music, based on the 10 terms sketch, improvisation, composition,
colour, rhythm, dynamics, tempo, form, space and noise. Besides the 100 art works, the thesis contains a theoretical part separated into five individual essays, each one orbiting two of the ten mentioned terms. As an active musician, I have been travelling to Slovakia, Kazakhstan and Kyrgyzstan, Greece, Serbia and
Senegal during the ten weeks of formation of this thesis. The essays therefor are not only theoretical treatises, but vivid travelogues that bring design theory in a physical context. Parallels of image and sound are obvious. however, it is still a big step from single images to graphic design and from a single sound to
a piece of music. Pure visualisation of music is not the aim of my thesis. I rather want to reveal similarities, intersections, interfaces and divergences of the genres in terms of conception, formation and results. What is rhythm in a graphical image? how does a musician use the term colour or tone colour? What does an
improvisation on the colour »blue« sound like? And what would this improvisation look like in a visual composition? Extending the focus: when does an image become a composition? What could be visual correlates of »piano« and »forte«? When is a melody well proportioned? Can typography have a groove? Questions form the
framework of this experimental piece of work: perceptions from different viewpoints, looking at the 10 sub-topics of this thesis – parallaxes, offering various approaches to the subject, while not explaining the intersections or providing universally valid answers: My thesis is about questioning, not answering.
Parallaxes. Interfaces between Graphic Design and Music. This thesis shows 100 single art works combined into a book, revealing the intersection of graphic design and music, based on the 10 terms sketch, improvisation, composition, colour, rhythm, dynamics, tempo, form, space and noise. Besides the 100 art works, the
thesis contains a theoretical part separated into five individual essays, each one orbiting two of the ten mentioned terms. As an active musician, I have been travelling to Slovakia, Kazakhstan and Kyrgyzstan, Greece, Serbia and Senegal during the ten weeks of formation of this thesis. The essays therefor are not only
theoretical treatises, but vivid travelogues that bring design theory in a physical context. Parallels of image and sound are obvious. however, it is still a big step from single images to graphic design and from a single sound to a piece of music. Pure visualisation of music is not the aim of my thesis. I rather want
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S K I Z Z E & P A U S EReiseroute: Dornbirn – Köln – Belgrad – Novi Sad, retour
Reisedistanz: 3.425 km
Von den 10 ausgewählten Begriffen ist die »Pause« mit am Schwi-
erigsten zu übersetzen. Kandinsky erläutert das in »Punkt und Linie
zur Fläche« anhand der kleinsten visuellen Einheit, dem Punkt: Er
beschreibt den geometrischen Punkt nach gängiger Vorstellung als
»Verbindung von Sprechen und Schweigen«1. Er möchte jedoch den
Punkt aus dem herkömmlichen Verständnis, einer bloßen Unterbrec-
hung, herauslösen und ihm neue, innere Eigenschaften zuweisen und
damit »einen immer mehr wachsenden Klang«2.
In der Musik ist die Pause zunächst die Bezeichnung für einen genau
definierten Zeitraum, während dem die Musik aussetzt3. Jeder No-
tenwert (Halbe, Viertel, Achtelnote etc.) hat eine Repräsentanz als
Pausenwert (Halbe, Viertel, Achtelpause etc.). Pausen können sich
weiters über ganze Takte erstrecken, oder man kann es auf die Spitze
treiben wie John Cage in seinem Stück »4’33”«, bei dessen Aufführung
überhaupt kein Ton mehr gespielt wird, das Stück besteht aus drei
Sätzen »Tacet« (eine Stimme setzt vorübergehend aus4), der Pianist
betritt die Bühne und spielt 4’33” gar nichts. In der unmittelbaren
Übersetzung in die Gestaltung wäre die Pause vielleicht weniger der
Punkt am Satzende, sondern der Abstand danach; oder Absatz, der
den Text in Blöcke, Sinneinheiten gliedert. Oder es ist der Weissraum
um den Fließtext, die Überschrift, die Bilder. Doch das sind alles nur
mögliche Erklärungsversuche.
Werk Nummer 100 im vorliegenden Buch ist eine weisse Seite, es ist
nichts darauf enthalten als die Seitenzahl. Nun sind weisse Seiten als
visuelle Pausen in Büchern gar nichts ungewöhnliches, aus diesem
Grund erscheint es mir wichtig, dass ich an dieser Stelle das Werk
widme, erkläre. In der Analogie zum Stück von John Cage: Auch bei
diesem nimmt der Rezipient viel mehr war als reine Stille. Geräusche
aus dem Publikum, das Surren der Saalscheinwerfer, vielleicht ein leises
Quietschen des Klavierhockers. Bei der weissen Seite ist es gleich, wir
können sie niemals rein weiss sehen. Vielleicht liegen ein paar Staub-
körner darauf. Unter Neonröhren wirk die Seite bläulich-kühl, abends
im Garten hat das Blatt vielleicht einen Rotstich und die Bäume, unter
der sie betrachtet wird, wirft einen Schatten darauf. Zudem gibt es
einen inneren und einen äußeren Kontext: Der innere Kontext ist das
Buch, welche Seite liegt vor der weissen Seite und was folgt ihr; habe
ich die Seite zufällig aufgeschlagen oder im Fluß der Betrachtung
dorthin gelangt; Kenne ich diese Erklärung, oder weiss ich nichts über
das Werk und sehe deshalb darin gar keine Pause, keine visuelle Stille,
sondern eben nur ein leeres Blatt, das es schnell zu überblättern gilt?
Ich habe bisher nichts über die Reise nach
Serbien geschrieben. Das Prozedere ist bekannt,
man begibt sich zum Flughafen (in diesem
Fall München), checkt ein, fliegt wenig später
nach Köln, wechselt die Maschine, fliegt nach
Belgrad, wird am Flughafen abgeholt und ist 70
km später, abends, im quirligen Stadtzentrum
von Novi Sad. Das ist gar nicht so viel anders
als zu hause, eine Fußgängerzone, die, weil
Novi Sad 200.000 Einwohner hat und Dornbirn
40.000, ziemlich genau fünfmal so groß ist wie
die in Dornbirn. Leute sitzen in den Strassenkaffees, flanieren spät-
nachts durch die Gassen. Das Hotel ist heruntergekommen (Kakerlaken
im Gang), aber dafür zentral gelegen. Wir sind nur 3 Tage hier, davon
fallen mindestens 1 1/2 Tage für die An- und Abreise weg, und ich
beschließe, hier ein wenig »Pause« zu machen. Meistens versucht man,
von einem bereisten Ort möglichst viele Sinneseindrücke mitzuneh-
men: Man läuft durch die Strassen, schaut sich Museen und Sehen-
swürdigkeiten an, macht Fotos, kostet lokale Spezialitäten, sucht den
Kontakt mit den Menschen, sprich, man läuft mit offenen Augen und
Ohren durch die Gegend, erlebt. Dieses Wachsein ist wichtig, für einen
Gestalter vielleicht noch mehr, doch Wachsein macht auch müde. Man
kennt das, wenn man einen ganzen Tag durch eine neu bereiste Stadt
läuft, sind am Abend nicht nur die Beine müde, auch der Kopf, die
Augen schmerzen, vom Informationsüberschuss, den es zu verarbeiten
gilt. Am Ende hat man oft nicht mehr gesehen, als ein paar Mauern,
ein paar Strassen, ein paar Häuser. Doch eigentlich kennt man die
Konzepte, das Konzept »Häuser« zum Beispiel, weiss, wie es funktioni-
ert, hat es oft gesehen, und muss oder will es nicht zum tausendsten
mal bewusst wahrnehmen, analytisch betrachten, was Haus A von
Haus B unterscheidet. Es ist keine Reisemüdigkeit, kein Reisefrust,
aber manchmal wünscht man sich Stille, und Stille kann in diesem Fall
auch heißen, die visuelle Repetition fürs Auge zu umgehen (in Wien
P A U S E
In der Musik ist die Pause das »vorübergehende Aussetzen einzelner (…) Instrumente«a und ist von eben so entsc-heidender Bedeutung wie die gespielte Note. Analog verhält es sich in der Grafik, wo der bewusste Umgang mit (Weiss)Raum von entscheidender Bedeutung für die Gesamtwirkung eines Werkes ist.
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versuche ich manchmal um jeden Preis zu vermeiden, den Stefansdom
sehen zu müssen, oder in Paris den Eiffelturm; aus dem einfachen
Grund, weil ich dieses Bild schon zu oft gesehen habe und es mir den
Blick verstellt für Neues, weil es den Fokus des Betrachters auf sich
und von anderen Dingen weg zieht).
»Das Sichtbare existiert, weil es bereits gesehen worden ist.«5
Ich setze mich in Novi Sad morgens um halb zehn mit meinem Skiz-
zenbuch in ein Strassencafé und verbringe dort den ganzen Tag zeich-
nend. Ich nehme meine Umgebung war, doch eher unterbewusst. Man-
chmal dringen Sachen ins Bewusstsein, die Kirchturmuhr schlägt und
ich füge meiner Zeichnung ein paar Glocken hinzu, der Blick fällt auf
das Strassenpflaster und ich verändere den Winkel in der Kreuzschraf-
fur, eine Dame im roten Kleid läuft vorbei, ihre Absätze klacken auf
der Strasse, geben einen Zeichenrhythmus vor, ich trinke Kaffee. John
Berger schreibt: »Sichtbar sein heißt, anwesend sein.«6 und weiter:
»Die Funktion der Malerei ist es, eine Abwesenheit mit dem Schein der
Anwesenheit zu füllen«7. Wenn ich beschließe, Musik zu malen (oder
zu zeichnen oder auf einem anderen Weg auszudrücken), muss ich sie
nicht illustrieren. Es genügt, wenn sie im Bild anwesend, spürbar ist.
Eine signifikante Unterscheidung macht Roland Barthes anhand des
Paradigmas von sileo und taceo, beides aus dem Lateinischen und in
der wörtlichen Übersetzung identisch: schweigen, still bleiben. Bei
genauer Übersetzung ist aber »tacere = verbales Schweigen ≠ silere:
Ruhe, Abwesenheit von Bewegung und Lärm«8. Ein Pause in der Musik
oder der Weissraum auf dem Papier kann beides sein: Die Stille, das
Nicht-Vorhandensein eines Tones, eines Geräusches und das In-
nehalten, das Fehlen von Bewegung.
Ein Gedankensprung zur Skizze;
Gestaltung ist ein Prozess. Ich will an dieser
Stelle nicht unbedingt von einem kreativen
Prozess sprechen, weil meiner Ansicht nach
nur Teilaspekte dieses Prozesses kreativ,
schöpferisch sind, andere Aspekte (Wissen,
Erfahrung, Vorgaben, Zeit etc.) von ebenso
großer Bedeutung sind. Aber es ist ein Prozess,
eine Abfolge von bewussten und Unbewussten
Entscheidungen. Die Skizze sehe ich in diesem Prozess an der Schnitts-
telle, dem Übergang von der Idee, zum fertigen Werk.
»Der Punkt ist das Resultat des ersten Zusammenstossens des Werkzeugs mit der materiellen Fläche.«9
Die Skizze ist keine reine Improvisation mehr, sondern mehr ein
Forschen in eine vorher erdachte Richtung. In der einfachen Über-
setzung gibt es in der Musik die Kompositionsskizze, in der der
Komponierende fragmentarische Bausteine der späteren Komposition
festhält. Man kann aber noch einen Schritt weiter denken, denn dieses
Skizzieren existiert auch während des Musikmachens ex tempore, im
speziellen beim Improvisieren: Es ist vielleicht eine Tonart vorgegeben,
eine musikalische Grundstimmung, eine Richtung, in der die Melo-
die verlaufen soll, und die Improvisation ist ein sich herantastendes
Skizzieren von Ideen oder Ideenbausätzen, aus denen später vielleicht
ein Phrase, eine Melodie, eine Komposition wird.
Das Konzert in Novi Sad beginnt am Samstag spät in der Nacht. Als wir
später heimgehen Richtung Hotel wird es bereits wieder hell. Die Stras-
sen sind jetzt still, ruhig, die Stadt macht Pause.
1 Kandinsky, Punkt Linie Fläche, S. 21
2 Kandinsky, Punkt Linie Fläche, S. 23
3 dtv Musik-Atlas, S. 66f.
4 dtv Musik-Atlas, S. 79
5 Berger, Kunstwerk, S. 90
6,7 ebd. S. 83
8 Barthes, Neutrum, S. 55
9 Kandinsky, Punkt Linie Fläche, S. 25
a Taschenlexikon, Band P, S. 71f.
b Taschenlexikon, Band Si - Sz, S. 44
S K I Z Z E
Der Begriff Skizze steht in der Kunst für »erster Entwurf, Vorstudie, rasche, mehr oder minder flüchtig zeichnerisch ausgeführte Niederschrift eines (…) Formgedankens«b. Skizzieren kann man aber ebenso einen Kompositionsentwurf, einen Text oder ein Code-Fragment; Im weiteren Sinne könnte man auch das üben, speziell das üben von oder für die Improvisa-tion, als Skizze in »Echtzeit« betrachten.
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K O M P O S I T I O N & I M P R O V I S A T I O NReiseroute: Dornbirn – Madrid – Dakar – Saint Louis, retour
Reisedistanz: 9.280 km
Nach einer langen Anreise über Madrid Ankunft gegen 23 Uhr örtli-
cher Zeit in Dakar. Von der Delegierten der österreichischen Botschaft
abgeholt, übernachten wir in der Residenz des österreichischen
Botschafters, der selbst nicht anwesend ist. Da es bereits Nacht ist, ist
das, abgesehen vom Flughafen, das erste Bild, das ich von Dakar zu
sehen bekomme. Mit dem Auto geht es am nächsten Morgen nach Saint
Louis, wo wir am Donnerstag auf dem jährlichen Jazzfestival spielen
sollen. Die vierstündige Autofahrt führt durch die Vorstadt oder -städte
von Dakar, und es wird klar, dass man sich hier nicht nur auf einem
anderen Kontinent, sonder in einer anderen Welt befindet. Die Armut
ist allgegenwärtig, die Leute ausserhalb des Geländefahrzeugs besitzen,
das ist anzunehmen, oft nicht mehr als die Sachen am eigenen Körper.
Die Strassen versinken im Müll, auf dem Kinder barfuss laufen, als wäre
es ein Sandstrand. Wir verlassen die Stadt, am Wegrand immer wieder
ein völlig demoliertes Fahrzeug, dass rostend im Sand versinkt; hier
liegt ein Pferd, tot umgekippt und liegen gelassen, jemand hat ein
Tuch über den Kopf geworfen. Wir passieren eine Markt, voll von Leu-
ten und voll von Waren, die voll von Fliegen sind. Fleisch und Früchte
und Fisch, unerträglicher Gestank dringt in den Wagen, der sich durch
den Markt zwängt, über tote Fischköpfe, vorbei an Eselgespannen,
bettelnden Kindern und bunt bemalten, verbeulten Renault-Bussen.
Überhaupt ist es ein Wunder, was sich hier auf den Strassen bewegt:
Der Großteil der Autos, die hier über den Asphalt rollen, wäre bei uns
längst verschrottet, das sind keine Gebraucht- sondern Verbrauchtwa-
gen. Auf eine gewisse Art ist es Improvisationskunst, die diese Gefährte
weiterrollen lässt: Unzählige Schichten Farbe, Klebbänder und Drähte
halten den Rost zusammen, abgeschnittene Plastikflaschen fangen das
Öl auf, die Scheinwerfer sind ausgehölt oder aufgemalt, Reifen werden
so lange gefahren, bis sie zerreißen. Es ist allerdings keine Improvisa-
tion im künstlerisch freien Sinne, denn erstens muss hier zwangsläufig
und nicht freiwillig improvisiert werden, zweitens muss das verwendet
werden, was da ist – es gibt keine Wahlmöglichkeit. Analogien in den
Kunstbereich lassen sich, wenn überhaupt, in der Bricolage1 finden.
Improvisation ist, weder in der bildenden Kunst noch in der Musik,
gebunden an (technische) Virtuosität. Improvisation ist, nach meiner
Vorstellung, sich einfallsreich vorhandener Mitteln zu bedienen und
ein Maximum an Varianten zu erdenken und zu generieren. Für die
Improvisation ist das Werkzeug und das Medium sekundär. Im Senegal
habe ich nicht zwei Autos entdeckt, die gleich ausgesehen hätten.
Rollende Kunstwerke, notgedrungene Reduktion auf das zum Fahren
Notwendigste. Improvisation eröffnet künstlerische Ausdrucksmöglich-
keiten von großer Bandbreite, aber sie ist nicht frei, wie man zunächst
meinen könnte. Sie findet immer in einem eng abgesteckten Rahmen
statt. Egal, wie einfallsreich das Auto zusammengebastelt ist, einige
Dinge sind notwendig, damit es noch als Auto zu definieren ist und
funktioniert: Ein Lenkrad, vier Räder, ein Motor, Benzin. Das ist in etwa
notwendig, damit aus einer Zusammenstellung von Blech, Gummi und
Öl ein fahrbarer Untersatz wird. Fehlt eine entscheidende Komponente,
wird das Auto zum Schrott oder eben eine im Sand versinkende Wüs-
tenskulptur. In der Musik sind diese Grenzen der Improvisation einmal
eng, einmal lose definiert, aber sie sind immer vorhanden. Sogar oder
gerade im Freejazz ist das so, der vordergründig traditionelle Grenzen
durchbrochen hat. Der Freejazz-Pionier Ornette Coleman sagt über
(seine) Improvisation:
»For me, if I am just going to use the changes them-selves, I might as well write out what I am going to play.«2
Und meint damit, wenn er nur das Tonmaterial der zugrunde liegenden
Akkordfolgen (»Changes«) zum Improvisieren verwenden würde, könnte
er seine Improvisationen eben so gut vorher aussschreiben und auswen-
dig lernen - es wäre also keine echte Improvisation mehr. In weiterer
Folge schreibt er:
»From realizing that I can make mistakes, I have come to realize there is an order to what I do«3
Aus der Erkenntnis, das Fehler möglich sind und geschehen, leitet
Coleman ab, dass auch seiner scheinbar völlig »freien« Musik eine
Ordnung zugrunde liegt, ein Rahmen besteht, innerhalb dessen sich die
Musik entwickeln darf. Erst wenn es keine »Fehler«, keine »falschen«
Noten mehr gäbe, könnte sich die Musik zurecht als frei bezeichnen. Im
Falle Colemans sind diese Grenzen vielleicht das Improvisieren jenseits
K O M P O S I T I O N
Der lateinische Wortursprung (compo-sitio »Zusammenstellung, Zusammenset-zung«) liefert bereits eine treffende Definition. In der Musik ist es das »Zusammenstellen von Tönen durch einen Komponisten zu einem Werk, in schrift-licher oder grafischer Form festgehalten [notiert] und somit wiederholbar«a. In der bildenden Kunst versteht man unter der Komposition dem entsprechend »die Anordnung und Verbindung formaler El-emente in einen Kunstwerk«b.
I M P R O V I S A T I O N
Im Allgemeinen versteht man unter Improvisation »eine ohne jede Vorberei-tung (aus dem Stehgreif) unternommene handlung«c. In der Musik die Improvisa-tion ein lange Tradition in Klassischer wie Neuer Musik, vor allem aber im jazz und vielen außereuropäischen Musik-kulturen. Die eigentliche Improvisa-tion erfolgt zwar aus dem Stehgreif, erfordert aber theoretisches Wissen und praktischem handwerk - im Sinne der Beherrschung des Instruments - voraus, zumindest dann, wenn das Resultat nicht beliebig sein soll, sondern analog zur Intention des Interpreten. Im Bezug auf die Grafik kann es sich ähnlich verhalten, wenn man beispielsweise an eine frei hand gezogen Linie oder einen Pinselschwung denkt. Improvisation eröffnet ein hohes Maß an Freiheit, ist aber keinesfalls mit Beliebigkeit gleichzusetzen.
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des vom zugrunde liegenden Tonmaterials des Akkords. Eben dieses
Tonmaterial ist damit aber quasi tabuisiert oder stigmatisiert, es ist
quasi – um ein Beispiel aus der Bildsprache zu bringen – invertiert. So
schreibt auch Žižek über Zwölftonmusik: »Was ist die Zwölftonmusik
anderes als ein selbstverordneter Satz harmonischer Beschränkungen
und Gebote?«4
In der Malerei könnte man die Grenzen in der Abmessung der Lein-
wand, der verwendeten Farbpalette oder dem kategorischen Auss-
chließen von gegenständlicher Darstellung ausmachen. Freie Malerei
ist also nicht freier als gegenständliche Malerei, sie hat nur andere
Grenzen und ein anderes Regelwerk. Die Konkrete Kunst geht hier
noch einen Schritt weiter, so forderte beispielsweise Piet Mondrian,
»die Überwindung des Animalischen und Individuellen zugunsten der
Gestaltung des ›Mineralischen‹, des Geistig-Abstrakten und Univer-
sellen«5 und verlangte dies nicht nur für die bildende Kunst, sondern
auch für die Musik: »Um zu einer universellen Gestaltung zu gelangen,
wird die Musik eine neue Ordnung der Töne und Nichttöne (Geräusche)
wagen, aber auch neue Instrumente erfinden müssen.«6
Wir kommen nach Mittag in Saint Louis an, wo wir im Hotel Le Mame
Coumba Bang untergebracht sind, etwas ausserhalb der Stadt. Das
Hotel ist beinahe leer, Ende Mai heißt hier bereits Ende der Saison,
im Juni beginnt die Regenzeit. Am Nachmittag fahren wir, begleitet
von unserem Fahrer Pré und Mamadou, einem
jungen Schriftsteller, den wir im Hotel getrof-
fen haben, in die Stadt. Wir schauen uns
zunächst den Quai des Arts an, eine große
Halle, bestückt mit Neonröhren und Ventila-
toren, in der wir morgen spielen sollen. Die
Anordnung der Neonröhren ist wahrscheinlich
zweckmäßig-funktional und wirkt dennoch
beinahe wie eine zeitgenössische Kunstinstal-
lation (Foto), ein weiters mal begegnen mir
Parallaxen dort, wo man sie nicht erwartet.
Über die von Gustave Eiffel erbaute Brücke
fahren wir ins Zentrum der Stadt und laufen zu
Fuß durch die Gassen. Saint Louis ist eigen-
tlich eine sehr schöne Stadt, mit Gebäuden
aus der Kolonialzeit (was die Gebäude nicht
weniger hübsch macht, aber einen bitteren Beigeschmack hinterlässt),
die nun bunt angemalt und mit allerlei Krämerläden besetzt der Stadt
ein Gesicht geben. Eigentlich, weil hier immer noch alles im Müll ver-
sinkt, der Boden, der Fluss Senegal, das Meer, jeder Quadratzentimeter
Strasse ersetzt die nicht vorhandenen Abfalleimer. Bemerkenswert ist,
dass man sich nach ein paar Tagen scheinbar so an den Müll gewöhnt,
das man ihn allmählich aus dem Blickfeld ausblendet, oder man nimmt
ihn zumindest nicht mehr als alles überwuchernd war und entdeckt
die Dinge hinter der Müllwand. Das alles ist beeindruckt, faszinierend
fremd, ja man traut es sich beinahe nicht auszusprechen ob der allge-
genwärtigen Armut, aber es ist auch schön. Die Dinge haben hier ihre
eigene, innere Ordnung, es ist eben doch nicht alles zufällig hingewor-
fen und rottet vor sich hin, sondern ist eine Komposition nach Regeln,
die sich dem Reisenden nicht, vielleicht nie erschließen werden. Es ist
dieses spezielle, intensive, gelb-orange Licht, die Erd- und Ockertöne
der Landschaft, die desaturierten Farben der Häuser, der sonnengeble-
ichte Plastikarnister im Sandstrand. Fast schämt man sich, daran
Gefallen zu finden, eine Ästhetik hinter der Hässlichkeit zu entdecken,
doch man kann nicht anders, als überall Schönheit zu entdecken.
»Das Allgemein-Harmonische einer Komposition kann also aus einigen zu dem höchsten Maße des Gegensatzes steigen-den Komplexen bestehen. Diese Gegensätze können sogar einen disharmonischen Charakter haben, und trotzdem wird ihre rich-tige Verwendung nicht negativ, sondern positiv auf die Gesamt-harmonie wirken und das Werk zu einem höchst harmonischen Wesen erheben.«7
Oder, wie es John Berger poetischer formuliert:
»Der Sturm beruhigt sich, das Meer wechselt die Farbe von schmutzigem Grau zu Aquamarin. Unter dem Steingeröll einer Lawine blüht eine Blume. (…) Wo und wie immer die Schönheit anzutreffen ist – sie ist eine Ausnahme, ein trotzdem.«8
Ich mache viele Fotos, fotografiere Leute, Häuser, Strassen, Land-
schaften, Objekte, Zerfallenes, Kaputtes. Dabei ist der Senegal eines der
reicheren Länder in Subsahara-Afrika. Es fühlt sich eigenartig an, denn
ich habe das Gefühl, als nehme ich etwas mit (im Englischen heißt es
treffend: »to take a picture«) von einem Land, dem ich, so scheint mir,
wenig zurückzugeben habe.
Foto: halle im »Quai des Arts«, Saint Louis
133
Susan Sontag wirft in ihrem Buch »Das Leiden anderer betrachten«
viele Fragen zu allgemeinen Thematik der Voyeuristischen Komponente
im Fotografieren auf, sie liefert keine Antworten auf die Problematik
der Betrachtung und dem Festhalten von Leid, doch ein Satz ist mir
hängen geblieben:
»Zuletzt verblasst das Besondere an den Anklagen, die von Fotos ausgehen; aus der Kritik an einem bestimmten Konflikt (…) wird die Darstellung menschlicher Grausamkeit und Brutalität schlechthin. Welche Absichten der Fotograf mit seinen Bil-dern verfolgt, ist (…) unerheblich.«9
Das Fotografieren hier, es ist die Geschichte Afrikas in klein, der
»Toubab« (das ist Wolof10 für »Weisser«) kommt und nimmt mit,
profitiert. Es war und sind immer noch Bodenschätze und Arbeitskräfte
(früher als Sklaven, heute ist es nicht entscheidend anders, nur eben
gegen [marginale] Bezahlung). Es läuft alles ein wenig subtiler ab, es
wird nach Aussen schön gemacht - aber es bleibt bei der alten Vertei-
lung von Geld und Macht. Heute kennen wir die Bilder Afrikas aus
den Medien, hungernde Menschen, Kindersoldaten, Dürre, Krankheit,
Elend. Wir leben damit, irgendwie, zucken mit den Schultern, spenden
vielleicht ab und an etwas, um unser Gewissen zu beruhigen. Wir sind
uns nicht bewusst, dass wir immer genommen haben und immer noch
nehmen von einem Kontinent, der auch die Wiege der Menschheit
genannt wird.
Wir sehen bunte Fischerbote am Strand, tote Fische und Plastik. Wir
trinken einen zuckersüßen Kaffee von einem Strassenverkäufer. Gegen
Abend fahren wir zurück zum Hotel, wo wir zusammen mit anderen
Hotelgästen und der Hotelcrew das Champions League Finale an-
schauen (Barcelona gewinnt 2:0).
»Die Komposition ist die innerlich-zweckmäßige Unterordnung 1. der Einzelelemente und 2. des Aufbaus (Konstruktion)unter das konkrete malerische Ziel.«11
Ich sitze am Flughafen von Madrid, es ist 6 Uhr am morgen. Ich bin
von Dakar gekommen und warte auf den Anschlussflug. Ich sehe im-
mer wieder auf die »Departure«-Anzeigetafeln, bis ich das Gate hinter
meiner Flugnummer sehe. Ich sehe die anderen Destinationen, die von
hier angeflogen werden, verteilt um den ganzen Erdball. Theoretisch
könnte man von hier aus an fast jeden Punkt dieser Erde fliegen, man
müsste sich nur entscheiden, in ein anderes Flugzeug zu steigen und
wäre dann vielleicht in Bogota oder Tokio oder Dubai oder Berlin. Und
am nächsten Flughafen könnte man es genauso machen. Mit meiner
Arbeit verhält es sich ganz ähnlich. Ich bin einige Destinationen ange-
flogen, habe mich dort für längere oder kürzere Zeit umgeschaut, den
Mikrokosmos erkundet. Die 10 Begriffe waren die Flughäfen, Knoten-
punkte, an denen ich mich jedesmal neu entscheiden durfte, wohin die
Reise weiterführt. Antipodische Ausgangspunkte der Reise waren die
Musik und die visuelle Gestaltung, aber Endpunkte, oder gar eine finale
Destination, gibt es auf meiner Reise nicht.
1 Bricolage von franz. ›bricoler‹ – basteln, tüfteln
http://en.wikipedia.org/wiki/Bricolage
2, 3 Coleman, The Shape of Jazz, Plattenrückseite
4 Žižek, Parallaxe, S. 284
5, 6 Maur, Klang der Bilder, S. 401
7 Kandinsky, Punkt Linie Fläche, S. 106
8 Berger, Kunstwerk, S. 10
9 Sontag, Leiden, S. 142
10 Wolof ist die native Sprache im Senegal, siehe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Wolof_(Sprache)
11 Kandinsky, Punkt Linie Fläche, S. 36
a, b Taschenlexikon, Band K, S. 232
I F I W E R E N O T A P h y S I C I S T , I W O U L D P R O B A B L y B E A M U S I C I A N . I O F T E N T h I N K I N M U S I C . I L I V E M y
D A y D R E A M S I N M U S I C . I S E E M y L I F E I N T E R M S O F M U S I C . . . I G E T M O S T j O y I N L I F E O U T O F M U S I C .
Albert Einstein
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L I T E R A T U RAlphabetisch
Bandur, Markus
Total Serialism Contemporary Research from Music to Architecture
Birkenhäuser Verlag, Basel 2001
Barenboim, Daniel & Said, Edward W.
Parallelen UND ParadoxienBerlin Verlag, Berlin 2004
Barthes, Roland
Das NeutrumSuhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005
Becker, Alexander & Vogel, Matthias (Hrsg.)
Musikalischer Sinn Beiträge zu einer Philosophie der Musik
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007
Behne, Klaus-Ernst
Gehört • Gedacht • GesehenZehn Aufsätze zum visuellen, kreativen und
theoretischen Umgang mit Musik
ConBrio Verlagsgesellschaft, Regensburg 1994
Berendt, Joachim-Ernst
Nada Brahma Die Welt ist Klang
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 1985
Berger, John
Das Kunstwerk Über das Lesen von Bildern
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1982
De Bono, Edward
Thinking CourseBBC Active, Essex 1988
Deicher, Susanne
MondrianTaschen Verlag, Köln 2006
dtv-Atlas Musik
Deutsche Taschenbuch Verlag, München 1997, 17. Auflage
Band 1 Systematischer Teil Musikgeschichte von den Anfängen bis zur Rennaissance
Band 2 Musikgeschichte vom Barock bis zur Gegenwart
Fiell, Charlotte & Peter
Graphic Design for the 21st CenturyTaschen Verlag, Köln 2005
Kandinsky, Wassily
Punkt und Linie zur FlächeBenteli Verlag, Berlin 1986, 10. Auflage
Lewandrowsky, Pina & Zeischegg, Francis
Visuelles Gestalten mit dem Computer
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2002
Maur, Karin von
Vom Klang der BilderDie Musik in der Kuns des 20. Jahrhunderts
Prestel Verlag, München 1996
Mießgang, Thomas
Sematics IIMögliche Musiken im Zeitalter der Desillusion
Triton Verlag, Wien 2002
Néret, Gilles
MalewitschTaschen Verlag, Köln 2003
Harald Küppers
Das Grundgesetz der FarbenlehreDuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2004, 10. Auflage
155
Höfler, Carolin
Form und Feld erschienen in
Bildwelten des Wissens Digitale Form
Akademie Verlag, Berlin 2005
Reas, Casey & Fry, Ben
Processing
A Programming Handbook for Visual Designers and Artists
Massachusetts Institute of Technology, 2007
Schönberg, Arnold
HarmonielehreUnviversal Edition, Wien 1949, Auflage 1997
Shiffman, Daniel
Learning ProcessingMorgan Kaufmann Publishers, Burlington 2008
Schnebel, Dieter
Denkbare MusikSchriften 1952 - 1972
Verlag M. DuMont Schauberg, Köln 1972
Sontag, Susan
Das Leiden anderer betrachtenFischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2005
Yuill, Simon
All Problems of Notation Will be Solved by the MassesMusical code making and breaking from Sun Ra to free software
Mute Vol 2 #8 - Spring Issue - April 2008
Mute Publishing Ltd., London, 2008
Žižek, Slavoj
ParallaxeSuhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006
Infos zur Bachelorarbeit – folgt.
Dornbrin, 15. Juni 2009
I M P R E S S U M
folgt!
I N D E X
W E B S I T E
www.parallaxen.netDomain + Seitennummer
parallaxen.net/001 etc.
001 100 Kreise, von Hand gezeichnet
002 100 Kreise mit Processing
003 100 Kreise, gefüllt
004 100 Kreise, Alpha 10 Prozent
006 100 Kreise, als Rhythmusmuster
007 Bassseite
008 Bassseitentypographie, fotografiert
009 Bassstring-Font »a«
010 Bassstring-Font komplett
011 etc.
001 100 Kreise, von Hand gezeichnet
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001 100 Kreise, von Hand gezeichnet
099 100 Kreise, von Hand gezeichnet
100 Pause
folgt!
Skizze – Entwurf
Improvisation – Freiraum
Komposition – Layout
Rhythmus – Raster
Klangfarbe – Farbe
Dynamik – Lautstärke
Tempo – Bewegung
Form – Konzept
Pause – Raum
Störung – Artefakt
Skizze
Farbe
RhythmusDynamik
Pause
StörungFarbe
Entwurf
Konzept
Raum
Lautstärke
Raster
Improvisation
Komposition
Form Tempo
Freiraum
Layout
100 Kreise von Hand
100 Kreise ProcessingNotenpapier Typo Sketchbook I
Sketchbook II
Sketchbook III
Sketchbook IV
Sketchbook V
Saint Color
Talking Drum
SOT AlmatyPlakat gelegt
Gehörauge Africaa 2
Compocart
100 Kreise Voll
100 Kreise Alpha
Rundsilber
Stadtcollage
Bassstring Swing
Sticks Grün
Streichquartett in B
Sticks Rot
Kabelbinder S/W
Künstlerischer A
Aktionsnotation
Wahrscheinlichkeit
Rhythmus Splatter
Rhythmus Weiß
Africaa M. Shekere
Africaa Pattern
100 Kreise Rhytmus
Splatter Dots
Blaue Tetraeder
Tellerxylophon
Lampe
LP
Blank
Ruhe Bitte
Leiser
Weißes Rauschen
Skulptur
Non-intentional LP
Splatter Dots+Bars
Splatter Dots+Bars+Lines
Gabel Font Gabel Font Foto
Bassstring Font Fotos
Bassstring Font A
Bassstring ABC
Dichtungsringe
2 CDs auf Rot
CD vor dem Kopf
Form Almaty
Alamaty Radio TowerEuphemia
Ausdruck x3
Filter
Nägel
Filterjazz
Inkscape
100 Kreise Variantion
Plakat geknickt
Plakat am Gartenhaus
Plakat Wäschespinne
Vertikale Ruhe
Ohr
E
A
100 Kreise CMYK
Klanggras
Farbextraktor Font
Farbextraktor Land
Africaa La Mer
SOAP WienFarbcollage Farbcollage+
Every Person
Every Place
Kabelsalat
Kabelkopf
Kabeltypo
Kabelfont ~
Almaty A
Almaty B
Athen A
Athen B
Novi Sad A
Bratislava A
Bratislava C
Bratislava B
St. Louis A
St. Louis B
Dynamik Linien
Dynamik Buchstaben
Wüstenblume
Gaussian Garden
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