Platzwechselvorgänge der Liganden in festen Komplexsalzen. IV. Austauschreaktionen der...

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Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie Band 420. Februar 1976. Heft 2, S. 97-192

Platzwechselvorgange der Liganden in festen Komplexsalzen. I V [l]

Austaurchreaktionen der Hexahalogenoormate(1V) in Alkalihalogenid-PreBlingen

Von W. PREETZ und W. HASENPUSCH

Kiel, Institut fur anorganische Chemie der Christian-Albrechts-Universitat

Inha l t subers ich t . Der beim Tempern der heterogenen PreBlinge aus festen Salzen ver- schiedener Halogenoosmate(1V) und Alkalihalogeniden auf 100- 140 "C eintretende Ligandenaus- tausch 1aBt sich durch die Bildung gemischter Halogenokomplexe nachweisen. Die Kinetik des Anionentransports durch die Phasengrenze Komplexsalz/Einbettungsmittel wird in Abh6ngigkeit verschiedener Parameter radiometrisch und spektrophotometrisch verfolgt. Der EinfluD der Fehl- ordnung sowie von intra- und intermolekularen Platzwechselvorglngen auf die Ligandendiffusion mird diskutiert.

Ligand Exchange in Solid Complex Salts. IV. Exchange Reactions of Hexahalo Osmates(1V) in Alkali Halide Pellets

Abst rac t . The ligand exchange observed on tempering the Leterogeneous pellets of solid salts of different hexahalo osmates(1V) and alkali halides to 100--140°C is established by forma- tion of mixed halo-complexes. The kinetics of the transmission of anions through the interface complex salt/embedding material is measured radiometrically and spectrophometrically as func- tion of different parameters. The influence of disorder, of intra- and intermolecular exchange pro- cesses on the diffusion of the ligands is discussed.

1. Einleitung I n vorangehenden Mitteilungen [ 2, 31 wurde uber die Kinetik zweier verschie-

denartiger Platzwechselvorgange in reinen festen Gemischtligaiidkoinplexen des Typs K,[OsCl,X,-,], X = Br, J ; n = 1-5, berichtet. Im Bereich von 115-135°C beobaehtet man intramolekulare Umlagerungen bei den fur n = 2, 3, 4 existieren- den cis- bzw. trans-Isomeren und zwischen 170 und 200 "C iiitermolekulare Li- gandenaustauschprozesse, die sich durch die Bildung aller gemischten Komplexe aus einem reinen Gemischtligandkomplexsalz anzeigen. Zu ahnlichen Ergebnissen komint man, wenn Mischkristalle, z. B. K,[OsCl,]/K,[OsBr,] oder heterogene Gemenge eines reinen Hexahalogenokomplexes und des entsprechenden Alkali- halogenids, z. B. K,[OsCl,]/KBr bzw. K,[OsBr,]/KCl, getempert werden [4].

Zur genaueren Untersuchung der unter Bindungsbruch ablaufenden inter- niolekularen Austauschreaktionen werden reine feste Hexahalogenokomplexsalze mit geeigneten Alkalihalogeniden innig vermisclit und zu Tabletten verprel3t. Der 7 X. anorg. allg. Chemie. Bd. 420.

9H W. P ~ w e ~ z u. W. HASEKPUSCH

hciin Tempern der PreRlinge dnrcli die Phaseiigreiize Korriplexsalz/Einbettui~p~- niittel eiiibetzeiide Halogenidaustauseli wird radiometrisch und spektrophoto- iiietrisch iTerfolpt.

2. Austauschreaktionen in Alkalihalo~cnid-PrcBlingen Austxuschi.enktioneii zm-ischen dcn Ligandeii T - O ~ Roniplexs;thi lint1 tie11

Bnionen eines Eiiihettuiigsmittel8 1:tssen sicli tlurcli die Bilduiig geiiiischter Koin- l’lexe n:tr~liweiseii.

2.1. Herstclliiiig drr PreRliiigr

tuiigsiiiatevials liBtigt von deiii Verteilung+yad der beideii Phaseii ineinander all. Der Anst:tubcli zurischeri den Koiiiplexligauc~eii und den Aiiionen des Ei nhet -

U r n eineii moglichst deutlichen Effelit zu erreichen, n l u B das Gernisch bnrgfaltig geniorqert \I erden. Das ini etwa hundertfarhen UbersrliiiB veraendete Einbettungssale muO zuvot im Sa- buurntrockenschranl~ he1 160°C entgart und getlocknet M eideii. Geriiige Gas- und Feuchtigkeits- einschliisse erkeiiiit inaii am Trahn er tb i i l’rcllirige beiin Tempern. Eine besonders gute S’er- teilnng erhalt iiidn niit dcri Tctiaalkl liimmoriiumkomplexsalzeli (TMA = Tetramethyl-. TA 4 = Trtraathil-. TBA ~ ‘letrabittSlarnrnonium). \Ten11 he gelost in Jlethj lenchloritl niit tlerii Ein- bct t urigsniit tel T erriehen merden. The durch Verpre ii dei (hnisclie h i ciiicm Diuch I 011 ct\\ a 111 to/cm’ erhaltenen Tabletten erscheiueii auch untrr deiir Blikroskop als isotiope Glaser. so daB e5 nioglich ist, die ,L\iiqtaiischvorgnnge diirc 11 cpe~ttopllotoilletrische Jlessungen ini sichtbaren Bereich zii verfolgen [.-I].

4.2. Kinct’ische I~rrtersiichungen

T e m p e r n tler Pro beii: Uni den zeitliclien Ablauf der Aust~tusc.lireaktio- iieri aucli hei T’erweiiduiig geriiigcr Suhstniizniengen quantitat’iv verfolgen zu liiiiineii, ist es zweckina13ig, radionktiv mnrkierte Koiiiplexe z u rerwenden.

Die versehierlmen H e x a ~ l ~ a l ~ g e n n k o m p l c ~ ~ ~ i l z c 3verden in der friiher beschriebenen \Yeise [31 ails Il,[Os*J,] hergcstellt (OH* = Os-lsotoperi~einisell mit la60s und 1910s> erhxlten d i ~ r c h Xcu- troneiial;tivieruiig vnn K,rOsJ,], spcz. Abtivitst,: etwa 10 mCi/100 mg 0s).

Etwa 5-3 iiig schivere Bruchstiiclic dcr aim et.7vl.a 1.0 mg(TBA),[Os*Cl,] uiid 100 nig KBr bzw. ails 1,3 nig (TBA),LOs*Br,] und 100 mg KCI hergrst~ellten PrcBlingc u erden in offenen Glascheii hei lO(1, 1 2 0 , 1 3 1 i ind 1 1 0 c C geternpcrt. Die Austauarl i rorg~ri~e lasseii sich durcll Xbkiihlen rlcr Prohen narli hrstiriiiritcn Rcalitionszeitcn abbrechen.

I o n o 13 11 o y e t i H c h e T r e II 11 u ng u ii c\ r a d i o met r i s c lie R e s t i iii r n u II g de r c e in IS c lit e n K oiiil) lc xe. Zur Uestiminung de;: zeitliclien Verlauts der ibotlier- iiien Ligaiidensubstitut ion an dem mdioakt i\ inarkierten dusgangskoinplex clurcli die L4nion~~n tles Eiiibettuiipsiiiittels iiiiisscii die entstandeneii Geniiachtligand- Imiiplexe iiacli Art uncl Jlcnge bestimrnt uwtlen. Zu ilirer Trcnnung eignet sicli die Hoclispaniiunpsionopliovese. Die geteriiperteii l’robcn bestehen zum iiberwie - gendeii Teil cms cleiii Einhcttm~gsmittel iiiid enthalten vie1 xu wenig Koniplex- sdzc , als &trJ diese h i tler ionol’huretiachcn Treniiuiig an ilirer Eiperifarhe i n

Form von Zorieii erkeiinbar sind. Es ist drtlier zweckriiiiBig, die Proben init eirier Losiirip aufzunelimen. i n cler :ilk geinischteii Cliloro-Erol?2o-Koiiiplexe in iiiaktivcr

Austaiischreitktionen der Hexahalogcnoosmate(1V) 99

Form, aber in zur visuellen Erkennung ausreichender Nenge vorhaiiden sind. Die Zuordiiung der Zonen ist denn unproblematisch. AuSerdem werdeti die Hydro- l y e und Alosorpt,ion an deni Papier der nur in auBerst geringer Konzentration vor- liegenden radioaktiven Komplexionen zuruckgedrangt'.

Zur q a a n t i t a t , i v e n Bestimmung der entstandenen Prodiikte schneidet man alle Zonen dcr Pherogranime sorgfaltig aus nnd mist unter Einhalt'ung rcproduzierbdrcr Standardbedirigtiiigen ihre Radioa.l;t,ivitiit in eiriem Bohrlochszintillationszahler. Aus den korrigierten Impulsrat'en der einzelncn Zoricn 1aSt sich sowohl die Gesamtmenge als a,uch der prozentuale Anteil aller vorhande- lien Spezies bereclinen.

An nicht , e r h i t z t e n P r o b e n l a n t sich zeigen, daB durch das M6rsern der Komplexsalze mit dem Einbettnngsmittel bei Zimmertemperatur und durcli den PreBvorgarig k e i n meSbarer Li- gandenanstausch vcrursacht wird. Dic zunachst allein in der Ausgangszone vorhandene Sktivitat gcht mit zunchmcridcr Dituer des Temperns mehr und mehr ituf die gemischten Komplexe iiber.

I n Abb. 1 sind h e nus Aktivitatsmessungen ermittelten prozentualeii Anteile der jeweils riebeneinander vorliegenden Komplexe fur verschiedene Teniperaei ten bei 140 "C fiir die Syst,eme (TBA),[OsCI,]/KBr und (TBA),[OsBr,]/KCl aimmimen- gestell t .

Abh. 1 Zeitabhlngige Bildurig der gcmischtcn Kamplexe (TTIA),[0sC1,Br6-,]. 11 = 0-6, in PreBlingen bei 140°C

K i n e t i sche D a t e n . Zur quantitntiven Beschreibung des Ligandcnaustau- sches eigiiet sich am best en die Abnahme der AktivitSit der Ausgangskomponente, weil sich die Gemischtligandkomplexe durch Folgereaktion ineinander umwandeln. I n allen Fallen beobachtet man zuiiachst einen sehr steilen Abfall, der schoii nach kurzer Teinyerzeit in ein nur flach geneigtes Plateau iibergeht. Der iiinerhalb einer 7*

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bestinimten Zeit erreichbare Austauschgrad iiimrnt init steigender Temperatur des Teinperns zu. Er hangt aul3er voni Verteilungsgrad der beiden Phasen inein- ander auch von dem Kation im Komplexsalz ab. Die Reaktion 1a13t sich an PreB- lingen aus (TBA),[OsBr,] und KC1 am genauesten verfolgen, weil die am weitesten gehende Umwandlung des Ausgangskoniplexes beobachtet wird, Abb. 2.

I

Abb. 2 Temperatur

Abnahme des (TBA),[OsBr,] in KC1-PreBlingen als Funktion von Zeit und

Wahrend es in diesem Fall, wie Abb. 1 erkeiinen lafit, zu einer Anreicherung der initt,lereii gernischten Koniplexe der Reihe kommt, fiilirt der Austauscli im System (TBA),[OsCl,]/KBr uberwiegend zu den? Endprodukt', so da13 man auch die Bildung von (TBA),[OsBr,] quant,itativ verfolgeri kann, wie das in Sbb. 3 dar- gestellt ist .

t

Abb. 3 tion yon Zeit und Temperatur

Bildung von (TBA),[OsBr,] BUS (TBA)JOsCl,] in IiBr-PreBlingen als Funh-

Trigt inan den Logarithmus der Abnahme des Cehaltes an d e n Ausgangs- koniplex gegen die Zeit des Teinperns auf, so ergeben sich durchgehogene Kim-en, die sich durch die Uberlagerung von zwei Geraden verschiedener Steigung gut annahern lassen, Abb. 4. Sie entsprechen einer sehr schnellen Anfangs- und einer wesentlich langsameren Polgereaktion. Fur beide lassen sich die Ceschm-indigkeits-

!

Anstauschreaktionen der Hexahalogenoosmate(1V) 101

konstanteii und aus deren Temperaturabhangigkeit auch die Aktivierungsener- gien berechnen. In Tab. I sind die Daten fur das System (TBA),[OsCI,]/KBr zu- sammengestellt. Wahrend die Geschwindigkeitskonstanten von der Vorbehand-

700

90

2 80 z e

(y 70

? - P

$ 60

50 50 700 750 200 250 300

t fbj Abb. 4 Temperatur

Abnahme dcs (TBA)2[0sCI,] in KBr-PrcBlingen als Funktion von Zeit und

lung des Gemisches abhangen - sie nehmen stark zu, wenn das Koinplexsalz in Gegenwart eines Losungsmittels mit dem Einbetturigsmaterial gemorsert w-ird - findet man bei den Aktivierungsenergien stets etwa gleiche Werte, namlich etwa 17 kcal/Mol fur die schnelle Startreaktion und etwa 10 kcal/Mol fur denPolgeprozeS , was auf unterschiedliche Mechanismen der beiden Vorgange hinweist.

Tabelle 1 Festkorperaustauschreaktionen im System (TBA),[OsCI,]/KBr

Geschwindigkeitskonstanten k, Halbwertszeiten t l l z nnd Aktivierungsenergien E, der

Anfangsreaktion Folgereaktion T k t lI2 E, k tl /z Ea ["C] [min-I] [min] [Kcal/N91] [min--l] [min] [Kcal/Mol]

~~~~~

80 1 , O . 6,9. 10' 100 4 5 . 10-5 1,5.104. 5,2. 10-6 1 , 3 . 105 120 i , 3 . 10-4 5,3.103 i,i . 10-5 6,3. 104 130 2 , ~ . 10-4 3,z . 103 1 7 , ~ f z,o i , 4 . 10-5 5,o. 101 10,2 & 1,5 1.10 4 2 . 10-4 i,7.103 2,4. 10-' 2,9 . 10'

K a t i o n e n a b h a n g i g k e i t . Der bei einer bestimmten Temperatur innerhalb einer bestimmten Zeit erreichbare Austauschgrad ist deutlich von dem Kation und der RfIenge des verwendeten Koniplexsalzes abhangig. I n Abb. 5 sind die prozentualen Anteile von Hexabromokoinplexsalzen mit vcrschiedenen Kationen, die nach sechsstundigem Tempern bei 140 "C in KCl-PreBlingen unverandert vor- gefunden werden, gegen das Mischungsverhaltnis Komplexsalz : Einbettungsrnittel

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aufgetmgen. Ein weitgeliend ahnliches Diagramin ergibt sich fur PreBlinge der entsprechenden Salze iron [OsC1,]2- in KBr. Der griil3te Austauschgrad wird bei den Tetrabutylammoniumsalzen gemessen. Bei dem Chlorokomplex verlialten

Abb. 5 Iiation (&I) und Mischu~i~sverhaltnis, 6 Std. getempert bci 140°C

Abhangigkeit, des Festkiirperanatansrhes in PreSlingeii M,[OsBr,]/KCI vom

sich dtts K- und TAA-Salz etwa gleichartig, wiihrend das TMA-Salz am langsam- st'en reagiert. Mit abnehniendem Komplexanteil st'eigt der Austauschgrad an, weil sich die PhssengrenzflBclie zwischen Koniplexsalz und dem Einbettungsmittel durch hessere Verteilung vergrol3ert.

Einf 1nB d e s Pressens. Der Festkorpersustausch wird nicht nur a,n den PreBlirigen beob- achtet, sondern t,ritt auch beim Tempern des sorgfaltig genlischten lockeren Pulvers auf. Dcr linter rergleichbaren Versuchsbedingungen crreichte Austauschgrad liegt' allordings etwa 10% nicdriger als bei den unter einem Druck von 10 to/cm2 verpreRten Proben. Beim Zusarnmenpressen vergriil3ert sich demnach die Phasengrenzflachc zwischen den Komplexkristalliten und dem Ein- bet>tungsmittel.

I s o n ~ e r e n v e r l i a l t n i s s e . Wie sich aus Abb. 1 eiitnehmen lLBt,, liegeen nach langerem Tempern alle Komponenten in nachweisbaren Mengen vor. Fur die inittleren Glieder ist es interessaiit, das Verhaltnis, in dem die heiden Stereoisome- ren entstantlen sind, zu kennen. Dazu werden am einem geternperten, fein ver- riebenen Prel3ling die TRA-Komplexsalze init Methylenchlorid eluiert. Der yuan- t,i tative Verlauf der Extraktion beweist , daB es beim Tempern nicht zu eincni Austausch deer Kationen zwischen den Alkalihalogenitleii und den Komplevsalzen koinnit,, denn im Gegensatz zu den TBA-Salzen sind die Alkalisalze der Komplexe in Met~hylenchlorid unloslieh. Da niidererseits die TRA-Komplexsalze in wBBriger Liisung sehr schwerloslich sind, werden sie nizch dem Prinzip reziproker Salzpaare i n die Kaliumsalze iiingewandelt. Zu dem Zweck versetzt man die Methylen-

Xustauschreaktioneii der Hexahalogenoosmate(1V) 103

chloridliisung mit einer gesattigten Losung von Kaliumacetat in Eisessig. Da die Kalium-Komplexsalze in den1 Geinisch unlijslieh sind, fallen sie quantitativ aus :

(TBB),[OsCI,Br,-,] + 2 CH,C0011+ K,[OsCI,Br,-,]$ + 2 CH,COO(TBA) Irii waiBrigen Medium ist das Kornplexgernisch gut lijslich und 1Bli3t sich iono-

phoretiseh auftrennen. Durch Ausschneiden und Eluieren der entsprechenden Zonen aus etwa 10 Pherograrnmen werden die Isoniereilgemische gewonnen. Die darin spektrophotoiiietrisch bestiinniteii Verhaltnisse decken sich innerhalb der Fehlergrenzen mit den IVerten, die sich fur die statistische Ligandenverteilung ergeben [S]. Man findet fur [0sCl2BrJ2- bzw. [OsC14Br,]2- cis :trans wie 80 : 20 und fur [OsCl3Br,]2- wie 40 : 60.

3. Spektrophotometrische Untersuchungen \Vie friiher eingehend berichtet, eignen sich die PreBlii1ge der Tetraslkyl-

ammoniumsalze der Hexahalogenokomplexe zur Aufnahme der Bbsorptions-

I \ ,350 min

E l A

t

I I I 1 4 I I I I I I I I I I I I I 1 1 I I -

350 4 00 4 50 500 550 - R [nm]

Abb. 6 linge (TRA),[OsCl,]/KRr bci 130°C bew. (TBA),[OsRr,]/KCI bei liO°C

Zeitabhgngige Anderung der Absorptionsspektren beim Tempern der PreO-

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spektren [ 51. \Venn die wie farbige GlSCser aussehenden Tablet'ten bei sorgfaltipem AusschluB yon Feuchtigkeit und Gasen durch Verpressen im Vakuum hergestellt it erden, belialten sie mch beim Tempern ihre Durchsichtigkeit weitgehentl bei. Erst nach langerer Zeit bildeii sich Streuzentren, die eirie Zunalime der hbsorp- t ion, vor alleiii iin kurzwelligen Bereich, bewirken.

7h

0

350 300 250 200 150 +-u[cm-1]

r%A,,~sl9r//cs~ 0 300 250 20 I

Abb. 7 (TBA),[OsCI,]/CsBr bzw. (TBA),[OsBr,]/CsCl bei 140°C

Zeitabhangige Anderting der IR-Spektren beim Tempcrn dcr PreDlinge

T e n n sich aueli die Banden in den -4bsorptionsspektren der gemischten Chloro- Broino-Koinplexe des sichtbaren Eereichs nicht iiach den beiden Ligandeii sepa- rieren lasseii, so findet man doch eine systeinetische uiid charakteristische Ver- schiebung der Maxima in dem langerwelligen Bereich, wenii [OsCl,]'- mit Br- substjtuiert wird [GI. Dadurrli ist es nioglicli, den Austanschprozefl m7iihrend des Teiiiperns der Tablette in eirier heizbaren Kiivette durch rnehrnialige Registrie- rung des Absorptionsspektrums zu verfolgen. Die Abb. G xeigt, wie sich mit fort- ~clireitender Zeit des Temperns der PreBlinge (TBA),[OsCl,]/KBr bei 130 "C bzw. (TBB),[OsBr,]/KCl bei 140 "C in den fiir C1- bzw. Br-haltige Komplexe typischen Eereichen \-on 450 -530 rim bew. 330 -390 nm neue A4bsorptionsmaxima auf-

Austauschreaktionen dcr Hexahalogenooamute(1V) 105

bauen. Da durch Folgereaktionen stets nielirere Geniischtligandkomplexe mit etmas unterschietllichen Absorptionsspektren gebildet werden, lassen diese files- sungen nur qualitative Aussagen zu. Auch visuell laBt sich die Reaktion erkennen, denn bereits nach kurzzcitigeni Tempern bei 140°C andern die PreBlinge ihre Farbe.

Die IR-Spektren der reineii und der gemischten Hexahalogenokomplexe weisen charakteristische Frequenzbereiche fur die Metall-Ligand-3'alenzschwingungen auf. I n den reinen Hexahalogenokomplexen liegen vos-cl bei 320 em-l urid Y ~ ~ - ~ ~

bei 220 c1n-l. ,$us Abb. 7 geht hervor, daIj in den IR-Spektren der Prefilinge bereits nach

menigen Stunden des Teniperns auf 140 "C neue Valenzschwingungen auftreten, die sich mit fortschreitender Zeit etwa in dem MaBe verstarken, wie die Baiiden des Ausgangskoniplexes Ltbnehrnen. Die geringfugigen Verschiebungen und die Aufspaltungen zeigen die Bildung der weniger syinmetrischen gemischteii Halo- genokoiiiplexe an. MTie bei den kinetischen Untersuchuiigen, SO beobachtet man auch hier, daJ3 keine viillige TJmwandlung eintritt. Nach 100 Stunden SCndern sich nbnilich die Intensitaten tier Banden nur noch geringfugig.

3. Diskussion TVie bei Substitutionsreaktioneii in wail3riger LBsung [GI, so entstehen auch

durch Austauschreaktionen in geeigneten heterogenen PreBlingcn in praparativen Xengen gemischte Halogenvkornplexe. Wahrend jedoch im ersteren Fall bedingt durch den trans-Effekt die Austauscliprozesse stereospezifisch verlaufen, fuhren (lie Festkorperreaktionen stets zu statistischer Verteilung der Liganden auf die Koordinationsstellen. I t1 dem etwas lioheren Temperaturbereich besitzen die Liganden, wie fruher gezeigt [ 41, innerhalb der Oktaedergruppen eine hohe Mo- Ililitat, so daJ3 die dirigierende Wirkung des trans-Effekts ausgeschaltet ist.

Wahrend bei den kristallinen und liomogenen Alkalisalzen gemischter Korn- plexe angenommen wurde, dalS die lockere Packung des Antifluoritgitters die intermolekularen Platzwechselvorgange der Liganden ermoglicht, durfte in den lieterogenen PreBlingen das Reaktionsgeschehen entscheidend durch die erheblich groI3ere Fehlordnung bestimmt sein. Die vor allem an den PhasengrenzflBcheii vorhandenen Gitterdefekte und die dadurch verursachten unsymmetrischen Kraft- felder begiinstigen die unter Bindungsbruch verlaufenden Austauschvorgange . Man beobachtet daher bei den PrelSlingen gegenuber den reinen Kornplexsalzen eine deutliche Erniedrigung der Einsatztemperaturen der Reaktionen uni etwa 50 "C. Das gilt iin Hinblick auf (lie Anfangsreaktion. Sie ist charakteristisch fur Platzwechselvorgange in gestorten Gitterbereichen und fuhrt sehr schnell zu einem Gleichgewicht an den Phasengrenzfliichen. Selbst beim schwachen Erwarmen auf nur 50°C 1aBt sich nach einem Monat ein geringfugiger Austausch feststellen. Er geht aber nicht uber 5% hinaus. Der erreichbare Austauschgrad ist demnach temperaturabhgngig. Offenbar liegt ein Spektrurn unterschiedlich aktiver Defekt- stellen vor, deren Wirksnmkeit erst bei bestiminten Temperaturen einsetzt.

106 W. PREETZ u. W. HASENPUSCH

Die nur bei holiereii Temperatureri beobachtbaren deutlich langsaineren Re- aktionen beschreiben den Anionentransport in das Innere der Komplexkristallite. Da sowolil die Reaktionsgeschwindigkeit als m c l i die Aktivierungsenergie voii der Griifienordnung wie bei intermolekularen Austauschprozessen in reinen Kom- plexsalzen sind, wird vermutet, daB der gleiche Mechanismus zugrunde liegt, d. 11.

die Anionen bewegen sicli uber die Leerstellen des Antifluorrtgitters von einer Komplexgruppe zur anderen.

Die Tatsache, dal3 auch in geteinperteii PrePJlingen nach deni Wiederauflosea kaurn Hytlrolysekomplexe aufgefunden wertlen, spricht fur die ausgepragte Ten- denx zur Erlialtung T, ollstandiger Oktaeder. Defekt- oder Leerstellen werden nur als I)urcligangsstationen benutzt, sie sind jedoch praktisch nkht beviilkert.

Die beobachtele Kationeiiabliaiugigl~eit der Platzwechselvorgange deutet auf eine Kopplung der Beweguiig von Kationen und akdissoziierten Liganden hin. Eine weitergehende Diffusion ist :tiler zuinindest fur die TBA+-Ionen auszuschlie- Ben, wie das Lijslichkeitsverhalteii getemperter Tabletten in organischen Losungs- mittelii zeigt. Die JTechselwirkung kann jedoch darin bestehen, daJ3 die Katioiieii durch Ubergang aus Tetraeder- jn Oktaederlucken der dichten Kugelpackung der Komplexgruppen die Dissoziatioilrneigung der Liganden durch Scliaffung anders- artiger Leerstelleii beeinflussen. Die Geschwindigkeit des intermolekulai*en Li- gandenaustausches nimmt von den K- iiber die Rb- zii den Cs-Koniplexsalzen stark ab. Die zunehmende KationengriiRe bedingt eiiie dichtere Packung. Rei den groBen Tetraalkylammoni~uniioneri wird jedoch genau das gegensinnige Ver- halteii beobachtet. Ein Grund dafiir durfte die weniger starre und deformierbare Gestalt tlieser Iorien sein.

W e die Differentialthermoanalyse voii (TBA),[OsBr,] zeigt, tritt zwischen 120 und 130 "C eine reversible endotherme Phasenumwandlung ein. Das erklart die p16tzliche Zunahme der Reaktionsgeschwindigkeit beini Tempern der KC1-PreR- linge bei etwa 130 "C. Verrnutlich werden durch die Phasenuiiiwandlung weitere Storstellen crzeugt.

Alle aberlegungen zusani men fiihren zu tlern in Abb. 8 dargestellten Bild tles Anioneiitransports. Die heterogenen, glasartigen Yrealinge sind stark fehlgeord- net. Kei steigender Temperatur, d. 11. bei Zunahrne der Schwirigungsainplitudell, kiinrien sich Anionen des Einbettungsniittcls an der Yhasengrenze den auBenlie- geiideii Oktaedern stark annahern. Die Substitution selbst lafit sich im Sinne der bekaiinten S,1- und SN2-Mechanisrnen abgreiizen. Zuni einen ist denkbar, cia6 infolge der gestorten Ladungsverteilung an der Phasengrenze tier Bindungsbruch eines auaenliegenden Liganden hegunstigt ist, also zunkchst ein Dissozi'ations- vorgang ain Koniplex eintritt. Der freigesetzte Ligand wandert auf eine Fehlstelle und hinterlaat ein nur funffach koordiniertes E'r:tgment, das sicli eveiituell erst iiacli intraniolekularer Uriigruppierung unter Aufnahme eines Anions der 3Fatrix wieder ah Oktaeder forniiert. Zum anderen kann aher aucli zuniichst ein Anion aus tiein Einbettungsniittel unter Bildung eines siehenfach koordinierten Uher-

dustaaschreaktionen der Hesahalogenoosmate(1V) 107

gangszustandes eintreten. Gleichzeitig wird ein Ligalid abgespalten und in den Einbettungsbereich versctzt.

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4.

Abb. 8 Modell des dnionentransport,s in einem heterogcncn PreBling

Der weitere Transport der aus clem Einbettungsniittel staininenden Anioiien lal3t sich gernafi Abb. 8 durch intramolekulare TSmlagerungen erklaren. Die er- hijhte Mobilitat cler Liganden innerhalb der Olrtaedersphare ist friiheer durch Iaomerisierung reiner cis- bzw. trans-Gernischtligandkomplexe iischgewiesen wor- den [ a ] . Durch Drehung uin &e dreiaiihligen Achsen kann jeder Ligand jede Ko- ordinationsstelle seines Oktaeders erreichen. Fur den Ubei-gang zu benachbarten Komplexgruppen niussen Bindungen gelost und neu geschlosseii werden, d. h. hier spielen Dissoziationsvorgange die entscheicleiitle Rolle. Der weohselaeitige Aus- tausch ist jedoch wenig wahrscheinlich, vielmehr ist mit clern zwischenzeitlichcn Auftreten freier Anionen zu rechnen, die sich in Leerstellen des Antifluoritgitters aufhalten. In den funffach koordinierten, strukturell labileii Oktaederfragmenten werden trigonalbipvramidale und tetragonal-pyrali~idale Anordnungen weehseln. Dadurch sintl intraniolekulare Verschiebungen der noch vorhandenen Liganden leicht mijglich.

Wegen des steilen Konzentr~tionsgradienten an der Phasengrenze ergibt si cli fur beide Halogenide ein eiitgegensetzter Stofftransport. Dsdurch bilden sich

Mischkristalle, nainlich iiii Einbettungsmit'tel aus zwei Alkalihalogeniden, auf der aiideren Seite alle denkbaren Geinischtligandkornplexe in unterschiedlicheri Mengenverhiiltnissen.

Die Wanderung der Halogenidioneii an Phasengrenzflachen und im Bereich der Komplexkristallite, die unter den Begriff Diffusion fallt, ist iiii Vergleich ZIL Linaren Sslzen ein wesentlich komplizierterer Vorgsng, der sieh sber wegen der Bestimmbarkeit der dixrch die Platzwecliselvorgiinge gebildeten unterscliiedlichen Produkte doch irn Detail untersuclien lafit. Die diffundierenden Anionen sind nicht als freic vagahundierende Teilchcn aufzufassen, vielmehr sind sie als Ligan- den an eiiie bestiininte Koordinationssphare gebunden. Frei bewegen sie sich nur selten und sprunghaft von einem Oktaetler zum anderen. Die Platxwechsel- haufigkeit ist nicht an alleii Orteri gleicli. Sie ist innerhalb geschlossener Koordi- nationsspharen und in der Nalie voii Felilstelleii besonders grofi, dagegen zwischen den komplexen Gruppen sehr klein.

Der Deutscheii Forschungsgemeinschaft nnd den1 Fonds der chemischen Tndustrie danlren wir fur die Unterstutzung uiiserer Arbeit.

Literatur [l] Mitt. 111. W. PREETZ 11. J. P. SADLEK. Z. anorg. allg. Chem. 410, 1'21 {19i4). [21 W. PREETZ 11. J. P. KADLER, Z. anorg. allg. Chem. 410, 18 (1971). [3] 11'. PREETZ u. J. P. NADLER, Z. anorg. allg. Chem. 410, 59 (1974). [4] W. PREETZ, 11. J. 1'. NADLER, J. Inorg. Nucl. Chcm. 44, 2688 (1971). [6] W. PREETZ u. H. HOMBORG, Z. anorg. allg. Chem. 415, 8 (1975). [GI W. PREETZ, Z. anorg. allg. Cliem. 348, 161 (1966).

Bei der Redaktion eingegangen am 6. Jlarz 1976.

Anschr. d. Verf.: Prof, Dr. W. PREETZ und Dip1.-Chem. W. Has~m~usca , Tnst. f. anorg. Chemie d. 1Jni.i. Kiel, BRD-23 Hiel, Olshausenstr. 40- 60

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