Plug and Play mit RNA

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RNA-AptamereDOI: 10.1002/ange.201106636

Plug and Play mit RNA**G�nter Mayer,* Sabine Lennarz, Falk Rohrbach und Fabian Tolle

Aptamere · GFP · Nanoarchitekturen · RNA ·Supramolekulare Chemie

Galt die RNA fr�her allein als Vermittler zwischen demGenom und dem Proteom, so tritt heute immer mehr zutage,dass sie auch noch eine Vielzahl weiterer Aufgaben in zellu-l�ren Prozessen innehat und dabei eine �hnlich diversefunktionelle Bandbreite wie Proteine aufweist.[1] Das ver-besserte Verst�ndnis des Zusammenspiels zwischen der Formund der Funktion von RNA-Molek�len hat Wissenschaftlerdazu angeregt, neuartige molekulare Werkzeuge auf RNA-Basis zu entwickeln. Nichtcodierende RNAs wurden inpraktisch allen Dom�nen des Lebens gefunden, und die Un-tersuchung ihrer Biologie hat ein verst�rktes Interesse anRNA – und dabei besonders an artifiziellen, synthetischenRNA-Bausteinen – ausgelçst. Trotz ihrer relativ geringenchemischen Diversit�t (einem Umstand, der eine effizientechemische Synthese ermçglicht) kçnnen RNA-Molek�ledank ihrer sequenzabh�ngigen Sekund�r- und Terti�rstruktureine unglaubliche F�lle verschiedener Substanzen spezifischerkennen. Die selektive Wechselwirkung dieser RNA-Ele-mente, so genannter Aptamere, ermçglicht die spezifischeErkennung und Bindung einer Vielzahl von Biomolek�lenwie RNA, DNA und Proteinen, aber auch kleinerer Mole-k�le.[2] Dies wiederum kann zum Aufbau von komplexen�bergeordneten Strukturen oder zur Regulation von biolo-gischen Prozessen innerhalb der Zelle genutzt werden.

Zwei aktuelle Publikationen demonstrieren das hohePotenzial synthetischer RNA-Molek�le weit �ber bereitsetablierte Anwendungen hinaus: W�hrend Delebeque et al.Strukturen entwickelt haben, die sich in Bakterien selbst zu-sammenlagern,[3] ist es Paige et al. gelungen, RNA-Fluoro-phore zu entwickeln, die �hnlich wie GFP in eukaryotischenSystemen als Reporter f�r endogene RNA fungieren kçn-nen.[4]

Delebeque und Mitarbeiter haben RNA-Aptamere, diespezifische Proteine erkennen, in ein definiertes RNA-Grundger�st eingebracht. Die Expression dieser multimerenRNA-Molek�le f�hrt zu einer spontanen Zusammenlagerungkomplexer Architekturen in prokaryotischen Zellen. Diesegezielte r�umliche Orientierung ermçglicht die Induktion

ausgepr�gter biologischer Funktionen, hervorgerufen durchverst�rkte Proteinwechselwirkung (Abbildung 1). Die ge-schickte Auswahl der RNA-Sequenz ermçglicht das Designvon selbstorganisierten RNA-Strukturen, die sich im Innerenvon lebenden Zellen zuerst zu „Kacheln“ und sp�ter zu�bergeordneten zweidimensionalen (2D-)Feldern zusamm-enlagern. Der Einsatz von selektiven proteinbindendenRNA-Aptameren ermçglicht die kontrollierte Positionierungder Zielproteine auf der Oberfl�che dieser RNA-Matrix,wobei die Aptamerdom�nen als Andockstelle und Templatfungieren.

Die daraus resultierende Mçglichkeit einer durch dasRNA-Ger�st induzierten Protein-Protein-Wechselwirkungwurde an zwei eindrucksvollen Beispielen demonstriert. Imersten Beispiel wurden die Fluoreszenz eines k�nstlich ge-teilten „gr�n Fluoreszierenden Proteins“ (GFP) wieder her-gestellt. In einem zweiten Beispiel wurden durch das RNA-Ger�st zwei an der Wasserstoffproduktion beteiligte Enzyme

Abbildung 1. RNA-Architektur zur kontrollierten r�umlichen Anordnungvon Proteinen im Inneren von prokaryotischen Zellen. Oben: Aptamer-dom�nen enthaltene RNA-Strukturen (gr�ne und rote Kreise) werdendurch die zelleigene Transkriptionsmaschinerie hergestellt und lagernsich spontan �ber Hybridisierungsdom�nen (blaue Linien) zu „Ka-cheln“ zusammen, die sich wiederum ebenfalls spontan zu �bergeord-neten RNA-„Feldern“ organisieren. Unten: Vergrçßerung des Aus-schnittes im schwarzen Kreis des oberen Bildes. Zwei verschiedeneFusionsproteine A und B werden �ber die Aptamerdom�nen auf derRNA-Matrix gebunden; dabei werden die Proteine in r�umliche N�hegebracht, was wiederum eine biologische Funktion induziert.

[*] Prof. Dr. G. Mayer, Dipl.-Biol. S. Lennarz,Dipl.-Lebensmittelchem. F. Rohrbach, M. Sc. F. TolleLife & Medical Sciences Institute, University of BonnGerhard-Domagk-Straße 1, 53121 Bonn (Deutschland)E-Mail : gmayer@uni-bonn.deHomepage: http://www.mayerlab.de

[**] Wir danken allen Mitgliedern unserer Arbeitsgruppe f�r ihre Bei-tr�ge sowie der DFG und dem BMBF f�r finanzielle Unterst�tzung.

Highlights

12606 � 2011 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2011, 123, 12606 – 12607

([FeFe]-Hydrogenase und Ferredoxin) in r�umliche N�hegebracht, wodurch eine �ber 20fach erhçhe Wasserstoffpro-duktion gegen�ber der Reaktion ohne Templat erhaltenwurde. Dies demonstriert die erfolgreiche RNA-vermittelteKolokalisation der katalytischen Kaskade.

Multienzymatische Prozesse sind oft r�umlich hoch or-ganisiert, wodurch eine effiziente Weitergabe der Substratean das n�chste katalytische Zentrum damit eine gesteigerteAusbeute sequenzieller metabolischer Reaktionen mçglichwerden. Die Arbeit von Delebeque et al. erçffnet nun denZugang zu k�nstlichen Reaktionspfaden f�r die In-vivo-Pro-duktion von beispielweise Treibstoffen, Medikamenten oderChemikalien, die durch traditionelle chemische Synthesenschlecht zug�nglich sind. Anders als bei DNA-basierten An-s�tzen kann RNA durch die zelleigene Transkriptionsma-schinerie im Inneren lebender Zellen produziert werden undsich somit dort, wie von Delebeque et al. gezeigt, autonom zukomplexen Ger�ststrukturen zusammenlagern.

In einer anderen Studie haben Paige et al. eine simple,aber elegante Strategie entwickelt, um fluoreszierende Mar-kierungen zur Visualisierung von RNA-Molek�len in lebendeZellen einzuf�hren. Ausgehend vom Fluorophor 4-(p-Hy-droxybenzyliden)imidazolin-5-on (HBI), der auch in GFPgefunden wird, wurde ein Analogon synthetisiert und zurSelektion eines RNA-Aptamers verwendet. GFP erh�lt seineFluoreszenzeigenschaften infolge einer korrekten Protein-faltung, einer autokatalytischen intramolekularen Cyclisie-rung und einer Koordination des resultierenden Fluorophors�ber Wasserstoffbr�cken.[5] In Anlehnung daran wurden f�rdas HBI-Analogon 3,5-Difluor-4-hydroxybenzyliden(DFHBI) mithilfe von In-vitro-Selektion RNA-Aptameregefunden, die nicht nur DFHBI erkennen, sondern auch seineFluoreszenz aktivieren.

Das so erhaltene Aptamer, wegen seiner Fluoreszenzei-genschaften „Spinach“ (Spinat) genannt, wurde in native 5S-RNA geklont und in S�ugetierzellen (HEK293T) exprimiert,woraufhin nach Zugabe von DFHBI eine Fluoreszenz beob-achtet werden konnte. Angesichts der enormen Bedeutungvon GFP und seinen Derivaten f�r die Proteincharakterisie-rung und Zellbiologie l�sst sich erahnen, welch enormenEinfluss diese „gr�n fluoreszierenden RNAs“ (GFRs) f�r dieVisualisierung der nativen RNA-Dynamik in lebenden Zellenhaben kçnnten. Der „Spinach“-DFHBI-Komplex zeigt �hn-liche Fluoreszenzeigenschaften wie GFP, ist aber wesentlichstabiler gegen Photobleichung. „Spinach“ wurde bereits zurAnalyse der intrazellul�ren Dynamik endogener RNAs inlebenden S�ugetierzellen eingesetzt, wobei die Bildung undTranslokation von 5S-RNA durch die Fluoreszenz des Kom-plexes visualisiert wurde. Die Klonierung der „Spinach“-Se-quenz in ein interessierendes RNA-Molek�l kçnnte die Ver-folgung verschiedener endogener RNAs z. B. in S�ugetier-zellen ermçglichen (Abbildung 2). Durch den Einsatz ver-schiedener GFRs ließe sich auch eine Vielzahl endogenerRNAs simultan untersuchen.

Paige et al. gelang es, verschiedene RNA-Fluorophor-Komplexe herzustellen, die praktisch das ganze sichtbareLichtspektrum abdecken, allerdings haben die meisten dieserKomplexe niedrige Quantenausbeuten und eignen sich somit

nicht f�r anspruchsvolle mikroskopische Anwendungen.Strukturuntersuchungen und ein damit einhergehendes, tie-feres Verst�ndnis kçnnten die Entwicklung verbesserterRNA-Fluorophor-Paare mit unterschiedlichen Emissions-maxima, wie es bei GFP und seinen Derivaten der Fall ist, undso die Visualisierung der Kolokalisierung verschiedenerRNA-Molek�le und Proteine ermçglichen. In Kombinationmit anderen RNA-Werkzeugen kçnnte dieses System hilf-reich sein, um beispielsweise allosterische oder FRET-Son-den zu entwickeln, die nach der Aptamerbindung an das je-weilige Ziel fluoreszieren.[6] Damit w�rde dann nicht nur dieLokalisation, sondern auch die quantitative Analyse derZielstruktur mçglich sein.

Beide Publikationen demonstrieren das enorme Potenzialvon RNA-Aptameren zur Herstellung synthetischer Multi-enzymkomplexe ebenso wie zur Verfolgung biologischerFunktionen im Inneren von Zellen. Die Einfachheit, mit derAptamere generiert werden kçnnen, und die Mçglichkeit zurmodularen Kombination ermçglichen eine breite Anwen-dung, hier gezeigt am Beispiel von Lokalisation, Visualisie-rung und r�umlicher Ausrichtung von RNA und anderenBiomolek�len in der Zelle, die zu den grçßten Herausforde-rungen biologischer Assays z�hlen. Die beiden Arbeitenmachen deutlich, dass RNA-Elemente dazu beitragen kçn-nen, unser Wissen �ber diese Prozesse zu vertiefen, undvielf�ltige Anwendungen finden kçnnen. Damit erweist sichwieder einmal die F�higkeit von RNA-Bauteilen, �hnlich wieProteine, komplexe Strukturumgebungen darzustellen.

Eingegangen am 19. September 2011Online verçffentlicht am 15. November 2011

[1] J. Krol, I. Loedige, W. Filipowicz, Nat. Rev. Genet. 2010, 11, 597 –610.

[2] G. Mayer, Angew. Chem. 2009, 121, 2710 – 2727; Angew. Chem.Int. Ed. 2009, 48, 2672 – 2689.

[3] C. J. Delebecque, A. B. Lindner, P. A. Silver, F. A. Aldaye, Sci-ence 2011, 333, 470 – 474.

[4] J. S. Paige, K. Y. Wu, S. R. Jaffrey, Science 2011, 333, 642 – 646.[5] A. Miyawaki, T. Nagai, H. Mizuno, Curr. Opin. Chem. Biol. 2003,

7, 557 – 562.[6] J. L. Vinkenborg, N. Karnowski, M. Famulok, Nat. Chem. Biol.

2011, 7, 519 – 527.

Abbildung 2. Lebendzellvisualisierung des „Spinach“-DFHBI-Komple-xes. „Spinach“ ist ein RNA-Aptamer, das an DFHBI bindet und so des-sen Fluoreszenz aktiviert. Die Sequenz von „Spinach“ kann in ein zuanalysierendes RNA-Molek�l kloniert werden und ermçglicht damit dieUntersuchung endogener RNA in lebenden S�ugetierzellen.

AngewandteChemie

12607Angew. Chem. 2011, 123, 12606 – 12607 � 2011 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

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