Polarisation der Elektronen an freien Atomen

Preview:

Citation preview

242

(Aus dem Forschungsinstitut der AEG.)

P o l a r i s a t i o n d e r E l e k t r o n e n a n f r e i e n A t o m e n . Von E. Rupp in Berlin-Reinickendoff.

Mit 3 Abbildungen. (Eingegangen am 30. Januar 1934.)

Schnelle Elektronen yon 20 bis 160 kV werden zweimal um 900 an Thallium- dampf gestreut. Hierbei wird eino unsymmetrisehe Reflexion im Sinne einer Po]arisatlon der Elektrone n gefunde n. Der P~nstieg der Po]arisation mit der Strahlgeschwindigkeit wird mit der Mottschen Theorie vergliehen (Fig. 3).

1. Au[gabestellung. Der blachweis, einer Polarisation freier Elektronen konnte bisher mit zwei versehiedenen u gefiihrt werden:

a) Streuung um 900 und Durehstrahlung einer diinnen Folie 1). b) Zweimalige Streuung um 900 8). I-Iierbei betr~igt die Polarisation

ftir Gold naeh den Versuehen yon D y m o n d a) 1 ,70~ bei 70 kV und steigt, wie der Verfasser nachgewiesen hat, auf 8 his 40/o bei 130 kV und auf 9 bis 10~/o bei 250kV.

Eine theoretische Behandlung der Elektronenpolarisation hat Mote ) auf der Grundlage der Diraesehen Wellenmeehanik gegeben. Die unter b) angeftihrten Experimente weiehen in zweierlei Hinsieh~ yon der Theorie ab. Einmal ist der Absolutwert der Polarisation wesentlieh kleiner gefunden worden, zum anderen ist der Gang mit der Strahlgesehwindigkeit ver- sehieden zwisehen Theorie und Experiment (s. hierzu Absetmitt 4).

Eine solehe Ubereinstimmung wird man aueh gar nieht unmit~elbar erwarten dtirien, da die Reetmungen ftir die Streuung am Atomkern durch-

i i : gefiihrt sind, w~ihrend w i r e s im Experiment mit Einzelstreuung und auch mit Mehrfachstreuung an gittergebundenen Atomen zu tun haben. Ein Ver-

< : gleich mit der Theorie wird sieh vielleieht besser durehftihren lassen, wenn man die gittergebundenen

F i g . 1. S c h e m a d e r

Elektronenstreuung. Atome r freie Atome eines Metalldampies er- P ~ P o l a r i s a t o r . A = Analysator. setzt. Ausgehend yon dieser Fragestellung beseh'Mtigt

sich die vorliegende Untersuehung mit der zweimaligen 90 ~ schneller Elektronen an Thalliumdampf 5) mit dem Ziel, die Abh~ngigkeit der Polari-

1) E. Rupp, Phys. ZS. 33, 158, 1932. Neue Versuche yon W. Groth, ttamburg, bei 195 kV mit einem Wolframspiegel als Polarisator und einer Goldfolie als Analysator erbrachten ebenfalIs den Naehweis einer Polarisation. -- 2) E. Rupp, ZS. f. Phys. 79, 642, 1932. -- a) E. G. Dymond, Prec. Roy. Soc. London (A) 136, 638, 1932. -- a) N. F. l~ott , ebenda (A)135, 429, 1932.- 5) Thallium wurde gew~hlt, well seine Ordnungszahl (81) sich wenig yon der fiir Gold (79) unterscheidet.

Polarisation der Elektronen an ffeien Atomen. 243

sation yon der Strahlgeschwindigkeit zu ermitteln. Das Schema der

ElektronensCreuung zeigt die Fig. 1. Die Versuche sind insofem relativ, als angenommen wird, dab bei 20 kV keiue Polarisation grSBer als die Versuchsfehler, vorliegt.

2. Beschre~bung der Versuchsanordnung. Die VersuchsrShre ist in der Fig. 2 dargestelR. Sie besteht aus zwei gleich gebauten Hochvakuum-

:Fig. 2. Yersuchsr(ihre~ halbschematiseh.

rShren R 1 und R 2. Die Elektronen treffen, einmal vom Gliihdraht G 1 ausgehend, dutch die Blende B 1 (Rundblende 1 mm Durchmesser) auf den Dampfstrahl P1 auf. Das andere Mal wird G 1 geerdet und die Elek- tronen kommen yon G 2 dutch B2. Demen~sprechend wird man bei un-

symmetrischer S~reuung einmal im Auff~nger A 1 die grSl~ere Elek~ronen- menge erwarten, das andere Mal im Auffanger A s. Die Blenden b, die die

Richtung der an P1 gestreuten Elektronen zum Dampfs~rahl P2 fest- legen, haben 0,3 mm Durchmesser und 20 mm Abstand. Der Abstand P1 P2 betr~gt 80 mm.

Der Thalliumdampf an P1 und P2 wird in je einem nach unten ge- henden Ansatz der R Shre durch Erhitzen des metallisbhen T1 mittels je eines elektrischen Ofens erzeugt. Er tritt dutch eine Metalldiise yon 0,5 mm Durchmesser in das Vakuum ein. In einem Abstand yon 5 ram yon der Diise wird der Dampf an einem eingeschmolzenen Kupferrohr kondensiert, das mit fltissiger Luft gefiilR istl). Durch Regulierung der (nicht gemessenen) Temperatur des fliissigen T1 kann der Dampfstrahl langere Zeit konstant

1) Die Ausffihrung ist ~hnlich wie "v-on W. Kluge und dem Verfasser in ZS. f. Phys. 77, 84, 1932 beschrieben.

244 E. Rupp,

gehalten werden, otme dag das Hochvakuum der RShre zusammenbricht 1). Allerdings war es nicht mSglich, Spannungen yon 200 kV und mehr an der

RShre zu halten. Die Kappen vor den Auffiingern A 1 und A s haben eine 0finung yon 2 ram, auf jeder 0ffnung liegt eine Goldfolie derselben Dicke, um Elektronen mit b~tr~chtlichen Geschwindigkei~sverlusten yon den Faraday-K~figen ~) abzl~alten. Die MeJ3anordnung und das Mel3verfahren sind dieselben wie friiher beschrieben3). Auch wurden die entsprechenden MeBkontrollen durchgef~thrt. Die Aufladungen der Auff~nger Werden mit zwei Einfadenelektrometern gleichzeRig gemessen, wobei der Ausschlag a 1

im rechten Elektrometer (zu A~ gehSrig, s. Fig. 2) in dem Augenblick ab- gelesen wird, wenn das linke Elektrometer den Ausschlag % gleich e.0,0 Skt.

anzeigt. Ira Falle fehlerfreier geometrischer Anordnung und gleicher elektrischer

Bedingungen in den Megvorrichtungen, die zu den Auff~ngern A 1 und A 2 gehSren, sollten die Ausschl~ge a 1 und % einander gMch sein bei fehlender Polarisation. Da sich diese Voraussetzungen aber nur in grober Arm~herung erfiillen lassen, werden a 1 und a 2 stets verschieden gefunden werden. l~iir die Feststellung einer Polarisation ist das auch ohne Belang, denn hierbei kommt es lediglich auf das Verhi~ltnis yon a I zu % an. Zeigt das Verh~l~nis al/a 2 far die RShre R 1 einen Gang mit der Strahl- geschwindigkeR, so wird man daraus aber noch nicht mit Sicherheit auf eine Polarisation schliel3en diirfen, da man dami~ rechnen mug, dal~ der Strahl sich in irgendeiner Weise unsymmetrisch verlagern kann bei ge- ~nderter Strahlgeschwindigkeit. Finder man nun mit der RShre R~ an- niihernd den entsprechenden Gang yon alia ~ wieder, so lassen sich die Fehler, die infolge falscher geometrischer Anordnung und ver~nderter elektrischer MeBbedingungen entstanden sind, eliminieren, indem man den Mittelwert yon al/a~ " far die beiden l~6hren R 1 und/~2 bildet.

3. Me[3ergebnisse. Zur Ubersicht fiber die Mel3genauigkeit bringt die Tabelle 1 eine Megreihe far die Ausschl/ige al, die mit der R6hre R 1 bei 160 kV erhalten wurden, wenn a 2 = cO,0 Skt.

Tabellel. E l ek t rome te r aus seh ]gge a 1 bei 160kV.

ol (skt). II 19, 119,o r18,6118,9 [19, I m I l l s 11 ,2119,o 1) In Vorversuchen wurde Hg-Dampf an S~elle des T1 verwendet, doch lieg

sich trotz des nahen Abstandes zwischen der Dftse und dem Kupferkfihler kein Hochvakuum aufrechterhalten. -- 2) Die I4onstruktion der K~ifige in dieser und in der vorhergehenden Untersuchung ist dieselbe wie bei W. Boas und E. Rupp, Ann. d. Phys. 7, 985, 1930 beschrieben. -- a) E. Rupp, ZS. f. Phys. 79, 642, 1932.

Polarisation der Elektronen an freien Atomen. 245

In der Tabelle 2 sind die Mittelwer~e ftir a I aus 15 bis 20 MeBreilien bei verschiedenen Strahlgeschwindigkeiten zusammengestellt, die einmal mit der RShre/~1, das andere Mal mit B 2 gemessen wurden. Die Versuchs- fehler, die infolge • und Schwankungen des einen Dampfstrahls gegenfiber dem anderen entstehen, sind in dieser Tabelle und in der fol- genden nicht aufgenommen, sie werden aber in Tabelle 4 angegeben.

Tabelle 2. M i t t e l w e r t e ffir al, wenn a~ ~ 20,0 Skt.

almit/~l (S k t ) . �9 �9 I 17,2 l 18,0 l 18,8 1 19,0 almit R: (Skr . . . 21,3 20,4 19,6 19,4

SchlieBlich bringt die Tabelle 8 das Verhiiltnis al/% ~fir verschiedene Strahlgeschwindigkeiten.

Tabe]le 3. Verh~ l tn i s alla~ _.

Spannung (kV) : H 20 i 80 I 130 I .160

�9 . l I o,oo I o,o ] o,o al/a~ mit _~ (Skt) . . 1,06 1,02 0,98 0,97

Aus dieser Tabelle erkennt man: 1. Bei 20 kV is~ al/% infolge fehler- halter Anordnung nicht gleich 1,00, wie theoretisch zu erwarten wi~re, sondern flit R 1 kleiner und fiir R~ grSBer als 1. 2. Fiir die RShre R 1 steigt das Verh~iRnis al/% mR wachsender Strahlgeschwindigkeit an, fiir die l~Shre R~ hingegen slnkt es mit der S~rahlgeschwindigkeit ab. Dieser Gang liegt im Sinne einer Polarisation, denn bei den Versuchen mit R 1 ist eine Zunahme der Elek~ronenmenge im Auff~nger A 1 (Ausschlag al) mit steigender Strahlgeschwindigkeit relativ zu A 2 zu erwarten, wiihrend bei den Versuchen mit R~ das Umgekehrte gilt.

Um die Polarisation P bei der Spannung V relativ zu P----0,0 bei 20kV zu erhalten, muB man ftir die RShre R 1 (al/%) V clutch (al/%)2o~v dividieren, wiihrend fiir die RShre R~ (al/a2)2o~v dutch (al/a,,)r dividiert wird. Die Werte ftir P in Prozen~en sind ebenso wie die Mi~telwerte flit beide RShren in der Tabelle 4 zusammengestellt uater Angabe der oben bezeichneten Versuchsiehler.

Tabelle 4. Po la r i sa t ion P bei versohiedenen Spannungen. P20kV ~0,0.

P (~) (%) . . . . . I o,o l P(~) (%) o,o (~ittol) (O)o)" : i : o,o

3,9 • 1,5 8,2 ~: 2,1 9,1 ! 3,1 4,2 ::]= 1,5 8,7 -4- 2,0 9,6 ::t= 3,0

246 E. Rupp.

Wie aus den 1Hittelwerten yon P far beide l~5tn'en ersichtlich ist, fiihren die Versuche zum Nachweis einer Polarisation, die mit wachsender Strahlgeschwindigkeit ansteigt. Die Versuchsfehler sind jedoch bei Ver- wendung des Metalldampfes wesentlich grSl~er als bei den friiheren Versuchen an Gold bei zweimal 90~

Versuche, die Polarisation dutch magnetische Felder zu beeinflussen, scheiterten an der experimen~ellen Schwierigkeit, in Gegenwart des T1- Dampfes das die magnetische Ablenkung kompensierende glektrische Feld konstant zu halten. Dieser Nachweis ist au•erdem bei den frtiheren Versuchen an Gold unter nahezu denselben Versuchsbedingungen geffuhrt worden.

4. l/ergleich mit der Mot tschen Theode. In der Fig. 3 sind die friiheren Ergebnisse bei der 90~ an Gold und die Werte aus dieser Unter-

o M ~ Zheor/eA~ suchung an T1-Dampf zu- .T/Oared' sammen mi~ der yon Mort ,, A~Fo//e undD~2n' fiir Goldkerne berechneten theo-

f ~ ' retischen Kurve eingetragen. 5 ~ Die theoretische Kurve hat o -~ ~ 6o 8o ~ ~ s o ~ ~ k v bei 127kV ihren HSchstwert

Fig. 3. Zusammenstellung der Polarisations- und fallt fiir noch hShere messungen bei 90o-Streuung. Spannungen langsam ab. Dieses

wichtige Kennzeichen ist aus den experimentellen Werten nicht ab- zulesen, denn sowohl fiir Gold wie fiir T1-Dampf steigt die Polarisation in dem untersuch~en Bereich dauernd an mit wachsender S~rahlgeschwin- digkeit. Leider sind gerade fiir T1-Dampf die Versuchsfehler so betr~chtlich, da~ man den genauen Kurvenverlauf nicht festlegen kann. Schlielilich sind auch die Absolutwerte der theoretischen Kurve grSl~er als die experi-

mentellen Wer~e. Bei einem Vergleich der l~{essungen for Gold und Thallium ist be-

merkenswert, da~ die Polarisation f~r die freien T1-Atome deutlich grSl~er ist als for die gittergebundenen Goldatome. Das diirfte sich nut zum ge- ringen Tell durch das hShere Atomgewicht des T1 erkl~ren. Vielmehr wird es damit zusammenh~ngen, da~ an dem lessen Golddraht (bzw. auch an der Folie) die Mehrfachstreuung der Elek~ronen eine grSl3ere l~olle spielt als an T1-Dampf, und schlie~lich mag vielleicht auch die Gitt er- bindung des Goldes die Polarisation herabdracken.

Recommended