View
10
Download
0
Category
Preview:
Citation preview
Psychische Gesundheit in der frühen Kindheit
23. Juni 2017
Jubiläumsfachtagung MMI
Sabine Brunner
Marie Meierhofer Institut für das Kind
Sabine Brunner 2017
Was ist Gesundheit?
Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens (nicht nur das Fehlen von Krankheit und Gebrechen) WHO 1948
Dynamisches Verhältnis von inneren und äusseren
Ressourcen und Belastungen Weber et al. 2016
Sabine Brunner 2017
Was ist psychische Gesundheit?
Ø Integraler Bestandteil einer umfassend verstandenen Gesundheit
Ø Vielschichtiger Prozess, der Aspekte wie Wohlbefinden, Optimismus, Zufriedenheit, Ausgeglichenheit, Beziehungsfähigkeit, Sinnhaftigkeit, Alltagsbewältigung und Arbeitsbewältigung umfasst.
Ø Persönliches Wohlgefühl Ø Stabiles Selbstwertgefühl Ø Gefestigte Identität Ø Gefühl, Anforderungen aus
eigener Kraft erledigen können
Sabine Brunner 2017
WHO-Definition (2003): Eine Person fühlt sich psychisch gesund, wenn es ihr möglich ist, ihre geistigen und emotionalen Fähigkeiten zu nutzen, die alltäglichen Lebensbelastungen zu bewältigen, produktiv zu arbeiten und in der Gemeinschaft einen Beitrag zu leisten.
Psychische Gesundheit in der frühen Kindheit
Sabine Brunner 2017
Psychische Gesundheit über die Lebensspanne. Gesundheitsförderung Schweiz (2016): Grundlagenbericht 6 Sabine Brunner, Kapitel 6 Ø Persönliches Wohlbefinden Ø Stabiles Selbstwertgefühl Ø Gesunde Entwicklung des Kindes
Psychische Störungen in der frühen Kindheit – Probleme bei der Erfassung
• Schwierigkeiten, junge Kinder für Studien zu erreichen • Verfälschung der Daten, da aufgrund von Fremdurteilen erhoben • Störungen treten oft kontextabhängig auf • Viele unklar voneinander abgegrenzte Begriffe • Schnelle Veränderungen aufgrund der kindlichen Entwicklung
(A. Lenz 2014)
Sabine Brunner 2017
Prävalenzstudie zu 4jährigen Kindern (Wichstrøm et al. 2012) ü Fast 1000 Eltern zur psychischen Gesundheit ihrer Kinder befragt
Ø Hohe Komorbiditätsrate Ø Prävalenzrate (7%) ist deutlich unter anderen Messungen (bis 24% -
späteres Alter) Ø Hinweise auf Störungsbilder im späteren Kindesalter
Sabine Brunner 2017
Störungsbilder bei 4jährigen Kindern Prävalenz-rate
Aufmerksamkeits- / Hyperaktivitätsstörung 1.9% Depressive Störung 2.0% Oppositionelles Trotzverhalten 1.8% Angststörungen 1.5% Abweichendes Sozialverhalten 0.7%
Psychische Störungen bei Babys und Kleinkindern nach ICD-10
Regulationsstörungen • Fütterstörungen • Schlafstörungen / Störung des Schlaf-Wachrhythmus • Verhaltens- oder emotionale Störungen (Schreistörung)
Reaktionen auf Belastungen • Anpassungsstörungen • Belastungsreaktionen
Störungen in der Beziehung zur Bezugsperson • Trennungsangst • Reaktive Bindungsstörung
Tiefgreifende Entwicklungsstörung
Sabine Brunner 2017
Schutzfaktoren – Risikofaktoren bei jungen Familien (nach U. Thyen, 2012)
Risikofaktoren Schutzfaktoren
Familial • elterliche Erkrankung • Gewalt in Kindheit der Eltern • Dissozialität, Delinquenz bei Eltern • mangelndes Wissen und
Reflexionsmöglichkeiten eigenen Handelns
• stabile elterliche Beziehung • Erziehungskompetenzen der Eltern, insb.
ein autoritativer Erziehungsstil) • positives Familienklima
Sozial • Armut, soziale Benachteiligung • häufige Umzüge, Schulwechsel und • Erfahrung von Fremdunterbringung • Aufwachsen in deprivierten Quartieren
• soziale Unterstützung im Umfeld • Unterstützung durch Institutionen • Inanspruchnahme und positive
Erfahrungen mit Beratungsangeboten
Individuell beim Kind
• Besondere Vulnerabilität in den ersten drei Lebensjahren
• angeborene Erkrankungen, prä-, peri- oder postnatale Komplikationen
• Exposition mit Substanzen, die die neurologische Reifung beeinträchtigten
• Regulations- und Entwicklungsstörungen des Säuglings
• Schwieriges Temperament
• Körperliche Gesundheit • freundliches, interaktives Temperament • normale, kognitive und sozial-emotionale
Entwicklung • Freude am Lernen
Sabine Brunner 2017
Resilienz
☛Resilienz = Widerstandsfähigkeit, psychische Elastizität
(Wustmann 2011)
• Gesunde Entwicklung trotz widriger Umstände • Beständige Kompetenzen in belasteten Phasen • Schnelle Erholung nach hoher Belastung
Sabine Brunner 2017
Grundbedürfnisse eines Kindes (Bischof-Köhler, 2011)
Fürsorge und Schutz
Anregende Umgebung mit vielen
Erfahrungsmöglichkeiten Erleben von Autonomie und Selbstwirksamkeit
Sabine Brunner 2017
Fürsorge und Schutz
• Ununterbrochene Anwesenheit von verlässlichen, verfügbaren und vertrauten Bezugspersonen (3v, Simoni 2011)
• Bedürfnisse erkennen, adäquat interpretieren und prompt
beantworten (elterliche Feinfühligkeit – Papoušek 2011)
• Schutz vor Gefahren • Verständnis erhalten von den Abläufen der Umgebung • Hilfe bei der Regulation und Selbstberuhigung
Sabine Brunner 2017
Fürsorge und Schutz: Regulation von Gefühlen
Unangenehme Situation /
inneres Bedürfnis
Hilfe bei Regulation
Gefühl
Sabine Brunner 2017
Selbst-regulation
Innere Erregung
Gefühls-äusserung
Wohl-gefühl
Fürsorge und Schutz
Gestuftes Trösten (nach T. Brazelton)
Nuggi / Trinken geben
Wiegen / Schaukeln
Hochnehmen
Händchen / Füsschen zusammenhalten
Anfassen (Hand auf Oberkörper)
Ansprechen
Anschauen
Sabine Brunner 2017
Autonomie und Selbstwirksamkeit: Partizipation
• Mitwirken im Alltag • Eingehen und Anpassen der Abläufe an die
Bedürfnisse und Willensäusserungen der Kinder • Eigene Wirkungsbereiche erhalten (Selbstbestimmt) • Informationen und Erklärungen
Sabine Brunner 2017
Autonomie und Selbstwirksamkeit: Partizipation: Unverdaubares erklären
• Irritationen des Kindes erkennen • Was weiss das Kind, was hat es verstanden? • Erklärungen abgeben • Hat das Kind Fragen? • Gefühle einordnen helfen • Ambivalenzen und Widersprüchliches erklären • Empathie
DIALOG
Sabine Brunner 2017
Anregende Umgebung und Erfahrungsmöglichkeiten s.a. Wustmann, Simoni (2012). Orientierungsrahmen für frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in der Schweiz.
• Freude am Entdecken unterstützen • Altersadäquat • Individuell das Kind bei seinen Interessen und Fähigkeiten
abholen • Für das Kind bewältigbar • Möglichkeiten für das Kind, selbständig einzuwirken, zu
verändern, zu bearbeiten, zu gestalten • Nicht nur Innen-, auch Zwischen- und Aussenräume sollen
nutzbar sein Ø Spiel
Sabine Brunner 2017
Anregende Umgebung und Erfahrungsmöglichkeiten:
Das freie Spiel
Ø Lustgewinn Zweckfreiheit, um seiner selbst willen
Ø Explorieren und Lernen Bildungsprozesse, Vorbereitung auf die Zukunft, Einführen in die Kultur
Ø Selbstwirksamkeit Resilienzprozesse
Ø Ausdruck Kommunikationsform
Ø Innerpsychische Regulation sich mit Spielen beruhigen
Ø Verarbeiten von Erlebtem Realitätsbewältigung, Inszenierung von Konflikten, Suchen nach Lösungen
Sabine Brunner 2017
Anregende Umgebung und Erfahrungsmöglichkeiten:
Psychisches Ungleichgewicht zeigt sich im Spielverhalten
Ø Regression auf frühere Spielstufen Ø Fehlende Freude, fehlende Ideen, Spielblockaden Ø ‚Steckenbleiben‘ in Wiederholungen Ø Unangemessenes Tempo Ø Spielmaterial nicht passend einsetzen können Ø Übermässiges Ausagieren von Aggressionen Ø Schwierigkeiten im Umgang mit Spielkameraden
Sabine Brunner 2017
• an die Inputs und Interessen des Kindes anknüpfen • eigene Ideen sorgfältig und sparsam eingeben • Spiegeln des Kindes • eigene Freude am Spiel • Spielrhythmen mitsteuern • Pausen / Autonomiewünsche beachten • Dialog übers Spiel (kommentieren, fragen) • Spielraum gewähren und schützen
Anregende Umgebung und Erfahrungsmöglichkeiten: Das kindliche Spiel fördern
Sabine Brunner 2017
Mitspielen – Spielraum gewähren
Einen halben Schritt dem Kind voraus – einen halben Schritt dahinter
Rahmenbedingungen zur Förderung der psychischen Gesundheit in der frühen Kindheit
Sabine Brunner 2017
Recommended