RNA-Gerüst bringt Ordnung in die Zelle

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T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

Chem. Unserer Zeit, 2011, 45, 350 – 353 www.chiuz.de © 2011 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 351

in Hub1-defizienten Zellen fast aus-schließlich ein Spleißprodukt, näm-lich das durch Verwendung derstromaufwärts liegenden SpleißstelleGCAAGU gebildete. Für die Erken-nung der zweiten Spleißstelle(GUGAGU) ist demnach die Interak-tion von Hub1 mit dem Spleißosomessentiell. Bemerkenswerterweisekonnten Fusionsproteine von Hub1und Snu66 bzw. Prp38, bei denenHub1 an den Aminoterminus des umdas Hub1-Interaktionsmotiv verkürz-ten Interaktionspartners gebundenwar, den Spleißdefekt in den Hub1-defizienten Hefezellen korrigieren.Demnach entfaltet Hub1 seine Wir-kung am Spleißosom unabhängigdavon, ob es mit seinem natürli-chen Interaktionspartner über dasHub1-Interaktionsmotiv verbundenist.

Mit der Modulation des alternati-ven Spleißens kann Hub1 demnacheine physiologische Funktion zuge-wiesen werden.Allerdings ist davonauszugehen, dass Hub1 an weiterenfundamentalen Prozessen des Zell-stoffwechsels beteiligt ist, denn dasProtein ist essentiell für das Überle-ben der Backhefe, aber nicht seineInteraktion mit Snu66 (Hefemutantenmit einem verkürzten Snu66 ohneHub1-Interaktionsmotiv sind überra-schenderweise lebensfähig, solangedie übrigen Komponenten desSpleißosoms intakt sind). Eine weite-re offene Frage betrifft die Regulati-on des durch Hub1 vermittelten al-ternativen Spleißens, denn das Hub1-abhängige Spleißprodukt akkumu-liert in Wildtypzellen vor allem wäh-rend der G2-Phase des Zellzyklus.Außerdem bleibt die Funktion vonHub1 in anderen Modellorganismenzu klären. Bislang konnte nur derEinfluss auf das alternative Spleißenbei einer zweiten Hefe (Schizo-saccharomyces pombe) bestätigtwerden.

[1] C. R. Wilkinson et al., Curr. Biol. 2004, 14,2283-2288.

[2] S. K. Mishra et al., Nature 2011, 474, 173–178.

Annette Hille-Rehfeld, Stuttgart

S Y N T H E T I S C H E B I O LO G I E

RNA-Gerüst bringt Ordnung in die ZelleDie noch in den Kinderschuhen steckende synthetische Biologie will die lebende Zelle neuerschaffen und dabei irgendwie anders gestalten. Wie das synthetische Leben jedoch aus-sehen soll, weiß man noch nicht genau. Zu den wenigen Beispielen gehören ein künstlicherStoffwechselweg und Craig Venters synthetisches Bakterien-Genom. Jetzt kommt einGerüst hinzu, das in einer Bakterienzelle für Ordnung sorgt.

Die Arbeitsgruppe von Pamela Silveran der Harvard-Universität wollte dieim Labor inzwischen bewährten Me-thoden der DNA-Nanotechnologie(z.B. ChiuZ 2008, 42, 70) innerhalbder Zelle einsetzen, um Enzym-kataly-sierte Stoffwechselreaktionen durchdie räumliche Nähe der beteiligtenEnzyme effizienter zu gestalten.

Allerdings ist die Synthese einzel-ner DNA-Stränge, mit denen mandann Gerüste oder Baukräne assem-blieren könnte, in der Zelle nicht vor-gesehen. Das Abschreiben der DNA-Doppelhelix erfolgt an beiden Strän-gen simultan und erzeugt zwei Aus-fertigungen des wiederum doppel-strängigen, ringförmig geschlossenenBakteriengenoms. Deshalb musstendie Forscher statt DNA die mit ihremBauvorhaben besser kompatible RNAfür ihr Projekt verwenden.

Sie entwarfen verschiedene Grup-pen von RNA-Sequenzen, die sich auf-grund ihrer komplementären Ab-schnitte entweder zu eindimensiona-len Fasern oder aber zu einer Art mo-lekularem Maschendraht zusammen-lagern können. Zusätzlich verliehensie den Molekülen Bindungsstellenfür bestimmte Proteine, in Form vonbekannten Sequenzen so genannterAptamere (das sind Nukleinsäure-Se-quenzen, die aufgrund ihrer Fähigkeitzur Bindung bestimmter Zielmole-küle aus einer astronomischen Zahlvon möglichen Sequenzen herausge-fischt wurden).

Hierbei ergab sich ein weiteresProblem, denn die bekannten Apta-mere sind überwiegend DNA-Mo-leküle. Es gibt nur wenige RNA-Apta-mere und unter diesen gibt es keine,die Enzyme erkennen, die zu einemStoffwechselweg zusammenpassen

würden. Deswegen wählte Silvers Arbeitsgruppe unterden bekannten RNA-Aptameren zwei aus, welche dieDomänen PP7 und MS2 erkennen, und musste dann dieEnzyme, die sie untersuchen wollten, an diese Domänenankoppeln.

RNA-Strukturen beeinflussen BiosyntheseFür eine erste Machbarkeitsstudie wählten die Forscherals möglichst einfaches Modellsystem die Wasserstoffab-scheidung aus, die bei den Bakterien, die das Gas produ-zieren, von dem Protein Ferredoxin (als Elektronen-Do-nor) und dem Enzym Hydrogenase abhängt. Sie koppeltendas Ferredoxin gentechnisch an das MS2-Protein undHydrogenase an das PP7-Protein und exprimierten beideFusionsproteine in Escherichia coli (unseren Darmbakte-rien, die zum Glück normalerweise keinen Wasserstoffproduzieren). Sie untersuchten dann die Gasproduktionin Gegenwart, und zu Vergleichszwecken natürlich auchin Abwesenheit, der RNA-Konstrukte.

Die Experimente zeigten, dass die Bakterien in Anwe-senheit der RNA-Gerüste bis zu 48mal so viel Wasserstoffpro Zeiteinheit erzeugen konnten wie ohne diese Hilfe.Die Forscher interpretieren das dahingehend, dass, wiegewünscht, die durch die Bindung der beiden Proteine andas RNA-Gerüst garantierte räumliche Nähe von Ferredo-xin und Hydrogenase die Produktivität gesteigert hatte.

Da sich die Bindungsdomänen auch mit anderen Pro-teinen oder Enzymen koppeln lassen, dürfte es nichtschwerfallen, die Vorgehensweise auf andere Paare vonProteinen, und dann auch auf kompliziertere Stoffwech-selwege zu übertragen. Sollte sich die RNA-Nanotechno-logie in der Zelle bewähren, so wäre es wohl der Mühewert, das Repertoire an RNA-Aptameren zu erweitern.

In den Zellen von Eukaryonten, von Hefe bis Homosapiens, würde die Methode nicht ohne weiteres funkti-onieren, aber dort herrschen ja, dank der Raumaufteilungmit Organellen für wohldefinierte Aufgabenbereiche,sowieso schon geordnete Verhältnisse.

Michael Großwww.michaelgross.co.uk

[1] C. J. Delebecque et al., Science 2011, 333, 470.

Einen Aufsatz zur Synthetischen Biologie finden Sie in diesem Heft auf S. 316 ff.

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