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Schuldrecht AT, 08.07.2014

PD Dr. Sebastian Martens, M.Jur. (Oxon.)

§ 7: Das Schuldverhältnis bei der Beteiligung mehrerer Personen

I. Der Austausch des Gläubigers

1. Grundideen

• Normalerweise bleiben die Parteien eines

Schuldverhältnisses von Beginn bis Ende dieselben.

• Das Recht ermöglicht aber in manchen Fällen auch den Austausch des Gläubigers:den Austausch des Gläubigers:

– Rechtsgeschäftlicher Austausch des Gläubigers durch Abtretung (§§ 398ff. BGB);

– Gesetzlicher Austausch (cessio legis) in speziell angeordneten Fällen (z.B. §§ 268 III, 774 I 1 BGB);

– Austausch durch staatlichen Hoheitsakt (z.B. § 835 ZPO; sehr selten).

• Der rechtsgeschäftliche Gläubigerwechsel durch

Abtretung hat große praktische Bedeutung.

• Durch die Abtretung wird es möglich, Forderungen

zu verkaufen und dadurch zu Geld zu machen

(sogenanntes „Factoring“).

Beispiel:Der Kaufmann K hat eine Menge ausstehender

Forderungen gegen seine Kunden, aber kein Bargeld Forderungen gegen seine Kunden, aber kein Bargeld

mehr. Deshalb verkauft er seine Forderungen an die B-

Bank, die ihm dafür 90% des Nominalwerts zahlt.

• Der gesetzliche Gläubigerwechsel wird auch als

„Legalzession“ bezeichnet.

• Auf die Legalzession finden gemäß § 412 BGB nahezu alle Vorschriften über die Abtretung entsprechende Anwendung.

2. Grundlagen der Abtretung

• Die Abtretung (Zession) ist ein abstraktes Verfügungsgeschäft, durch die der Gläubiger(Zedent) die Inhaberschaft an seiner Forderung an einen Dritten (Zessionar) überträgt:

Alter Gläubiger

(Zedent)Schuldner

Forderung

Neuer

Gläubiger

(Zessionar)

Dinglich:

Abtretungsvertrag

(§ 398 S. 1 BGB)

Schuldrechtlich:

Kaufvertrag

über die

Forderung

(§ 433 BGB)

Forderung

• Die Abtretung ist zwar in Buch Zwei zum Schuldrecht

geregelt, sachlich handelt es sich aber um eine sachenrechtliche Materie.

• Die Abtretung ist das Grundmodell des dinglichen Verfügungsgeschäfts, durch das der Inhaber eines

Rechts dieses Recht durch Rechtsgeschäft an einen

Dritten überträgt (§§ 413, 398 BGB).

• Das BGB kennt viele Spezialregelungen zur • Das BGB kennt viele Spezialregelungen zur rechtgeschäftlichen Übertragung von Rechten:

– § 929 BGB: Bewegliche Sachen

– §§ 873, 925 BGB: Grundstücke

– §§ 1153 f. BGB: Hypothek, u.a.

• Soweit keine Spezialregelung eingreift, können Rechte durch bloße Einigung nach §§ 413, 398 BGB übertragen werden.

• Auch bei der Abtretung gilt das Abstraktionsprinzip: Es ist strikt zwischen der (dinglichen) Abtretung und

dem (schuldrechtlichen) Verpflichtungsgeschäft, der

unterliegenden causa zu unterscheiden!

3. Voraussetzungen der Abtretung

Eine wirksame Abtretung setzt Folgendes voraus:

• Vertrag zwischen Zedent und Zessionar über die • Vertrag zwischen Zedent und Zessionar über die Abtretung;

• Bestehen der abgetretenen Forderung;

• Berechtigung des Zedenten zur Abtretung;

• Übertragbarkeit der Forderung.

a. Vertrag

§ 398 Abtretung1Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit

einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung).

• § 398 S. 1 BGB lässt für eine wirksame Abtretung einen

Vertrag zwischen dem alten und dem neuen Gläubiger

genügen.

Beispiel:Kaufmann K hat seit langem einige Schulden bei X. X ist es

leid, sich mit K herumzuärgern. Deshalb verkauft und über-

trägt er seine Forderungen gegen K an das Inkassounter-

nehmen „Die Eintreiber“. Als K hiervon erfährt, ist er em-

pört. Er hält alles für unwirksam, weil er der Abtretung

nicht zugestimmt hat. Wie ist die Rechtslage?

b. Existenz der Forderung und Berechtigung des Zedenten

• Die Forderung muss bestehen, und der Zedent muss zur Verfügung über sie berechtigt sein.

• Ein gutgläubiger Forderungserwerb ist grundsätzlich ausgeschlossen und nur in besonderen gesetzlichen

Ausnahmefällen zugelassen (z.B. bei Wertpapieren).

i. Bestehen der Forderungi. Bestehen der Forderung

• Die Forderung muss grundsätzlich wirksam entstanden und darf nicht untergegangen sein. Sie

braucht aber nicht unbedingt durchsetzbar zu sein.

Beispiel:K hat eine Forderung gegen X, die er dem Z abtritt. X

meint, die Abtretung sei unwirksam, weil die Forderung

bereits verjährt gewesen sei. Hat X Recht?

• Auch künftige Forderungen können schon vor ihrer Entstehung abgetreten werden, wenn sie

ausreichend bestimmt oder bestimmbar sind.

• Die Abtretung künftiger Forderungen wird jedoch

erst mit Entstehung der Forderungen wirksam.

Beispiel:Der Fußballklub Schalke 05 benötigt dringend frisches

Kapital. Zu diesem Zweck verkauft er alle Zuschauer-Kapital. Zu diesem Zweck verkauft er alle Zuschauer-

einnahmen der nächsten 20 Jahre an einen russischen

Finanzinvestor und tritt ihm die Ansprüche gegen die

Zuschauer ab. Wirksam?

ii. Berechtigung des Zedenten zur Abtretung

• Der Zedent muss zur Abtretung berechtigt sein. Dies

ist er als Inhaber oder bei Zustimmung des Inhabers (§ 185 BGB).

c. Übertragbarkeit der Forderung

• Forderungen sind grundsätzlich übertragbar.

• Die Übertragbarkeit kann aber durch Rechtsgeschäft oder durch Gesetz ausgeschlossen sein.

i. Übertragung durch Gesetz ausgeschlossen

• Nach § 399 1. Fall BGB ist eine Abtretung

ausgeschlossen, wenn die Leistung an einen anderen

Gläubiger zu einer Veränderung des Inhalts der Gläubiger zu einer Veränderung des Inhalts der Leistung führen würde. Die Schuld wäre in der

Person des Zessionars nicht mehr dieselbe.

Beispiel:Der Arbeitnehmer A hat einen Anspruch auf 20 Tage

bezahlten Urlaub pro Jahr. Da er lieber arbeitet als in

die Ferne zu schweifen, möchte er diesen Anspruch

gerne an seinen arbeitsfaulen Kollegen K verkaufen.

• Ansprüche können nach § 399 1. Fall BGB unabtretbar

sein, weil die Person des Gläubigers für den Anspruchs-

inhalt wesentlich ist (personengebundene Ansprüche)

• § 399 1. Fall BGB greift aber auch ein, wenn sich ein

Anspruch nicht aus einem rechtlichen Zusammenhang lösen lässt (z.B.: § 985 BGB kann nicht vom Eigentum

getrennt werden).

• Gemäß § 400 BGB ist eine Abtretung auch bei • Gemäß § 400 BGB ist eine Abtretung auch bei unpfändbaren Ansprüchen ausgeschlossen.

Grund: Der Gläubiger soll nicht über sein

Existenzminimum verfügen dürfen.

• Weitere spezielle gesetzliche Ausschlussgründe: § 473 BGB (Vorkaufsrecht); § 613 S.2 BGB (Anspruch auf

persönliche Dienstleistung); § 664 Abs. 2 BGB; § 717

BGB usw.

ii. Vertragliches Abtretungsverbot

§ 399 BGB Eine Forderung kann nicht abgetreten

werden, […] wenn die Abtretung durch Vereinbarung

mit dem Schuldner ausgeschlossen ist.

• Zwar braucht der Schuldner einer Abtretung grund-

sätzlich nicht zuzustimmen, er kann aber mit dem Gläubiger schon zuvor ein vertragliches Abtretungs-verbot vereinbaren.verbot vereinbaren.

• Ein solches Abtretungsverbot hat dingliche Wirkung

gegenüber jedermann; es gilt absolut.

• § 399 2. Fall BGB enthält eine Ausnahme gegenüber § 137 S. 1 BGB, der rechtsgeschäftliche Verfügungs-

beschränkungen über veräußerliche Rechte für

unwirksam erklärt.

• Im Handelsverkehr gilt § 354a HGB als Sondernorm.

4. Rechtsfolgen der Abtretung

398 BGB […] 2Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der

neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.

• Durch die Abtretung geht die Rechtsposition des alten auf den neuen Gläubiger über.

• Da der alte Gläubiger nicht mehr Inhaber der

Forderung ist, kann er auch nicht noch einmal über

die Forderung verfügen.die Forderung verfügen.

• Bei mehreren Abtretungen gilt das Prioritätsprinzip: Nur die erste Abtretung ist wirksam.

• Nach der Abtretung kann der alte Gläubiger die

Forderung grundsätzlich nicht mehr einziehen.

• Akzessorische Sicherheiten gehen nach § 401 I BGB mit der Forderung auf den neuen Gläubiger über.

5. Der Schutz des Schuldners bei der Abtretung

• Eine Zustimmung des Schuldners zur Abtretung ist nicht nötig, er muss noch nicht einmal über die Abtretung informiert werden.

• Zum Ausgleich enthalten die §§ 404 ff. BGB aber

umfangreiche Schutzvorschriften für den Schuldner.

i. § 404 BGB Einwendungen des SchuldnersDer Schuldner kann dem neuen Gläubiger die Einwendun-Der Schuldner kann dem neuen Gläubiger die Einwendun-

gen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der For-

derung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren.

• Der Schuldner soll keine Rechte durch die Abtretung verlieren.

• § 404 BGB erfasst neben den Einwendungen ieS auch bloße Einreden des Schuldners (Verjährung, Stundung,

Zurückbehaltungsrecht).

• Die Rechte des Schuldners müssen im Zeitpunkt der Abtretung noch nicht bestanden haben, es genügt,

wenn sie bereits begründet waren.

Beispiel:K hatte bei dem Gebrauchtwagenhändler V für 3000 €

einen Wagen gekauft. Dabei hatte V ihm wider besseres

Wissen verschwiegen, dass es sich um einen

Unfallwagen handelte. Noch bevor K den Betrug Unfallwagen handelte. Noch bevor K den Betrug

bemerken konnte, trat V seinen Kaufpreisanspruch

gegen K an den B ab, der von den Hintergründen nichts

wusste. K will nun dennoch den Vertrag anfechten und

weigert sich, die 3000 € an B zu zahlen. Zurecht?

• Das Recht iSd § 404 BGB muss nur seinen Ursprung im Vertrag mit dem alten Gläubiger haben.

• Gutgläubigkeit des neuen Gläubigers ist unerheblich.

ii. Einwendungen aus der Abtretung

• Der Schuldner kann auch die Unwirksamkeit der Abtre-tung gegenüber dem neuen Gläubiger geltend machen.

iii.Aufrechnung gegenüber dem neuen Gläubiger

Wenn der Schuldner gegenüber dem neuen Gläubiger mit

einer Gegenforderung aufrechnen will, die ihm gegenüber

dem alten Gläubiger zusteht, fehlt es eigentlich an der

notwendigen Gegenseitigkeit.notwendigen Gegenseitigkeit.

Zedent

Zessionar

Schuldner

Gegen-forderung

Haupt-forderung

Haupt-forderung

Nach der Abtretung:Hauptforderung und Gegenforderung stehen nicht mehrin einem Gegenseitigkeitsverhältnis.

Vor der Abtretung:Hauptforderung und Gegenforderung stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis.

• § 406 BGB ermöglicht dem Schuldner in bestimmten

Situationen, auch gegenüber dem neuen Gläubiger mit einer Gegenforderung gegen den alten Gläubiger aufzurechnen.

§ 406 BGB Aufrechnung gegenüber dem neuen GläubigerDer Schuldner kann eine ihm gegen den bisherigen Gläu-

biger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger

gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem

Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte

oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der

Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig

geworden ist.

• Wenn die Aufrechnungslage vor der Abtretung ent-standen ist, kann der Schuldner nach § 406 BGB ohne weiteres gegenüber dem neuen Gläubiger aufrechnen.

• Wenn die Aufrechnungslage erst nach der Abtretung entstanden ist, kann der Schuldner dagegen nur

eingeschränkt aufrechnen:

– Hat er die Gegenforderung erst erworben, als er bereits um die Abtretung wusste, ist eine

Aufrechnung mit der Gegenforderung gegenüber

dem neuen Gläubiger nach § 406 Hs. 2 1. Fall BGB ausgeschlossen.ausgeschlossen.

– Wenn die Gegenforderung erst nach der abgetretenen Hauptforderung fällig wird und der Schuldner zu diesem Zeitpunkt bereits um die Abtretung weiß, ist die Aufrechnung nach § 406 Hs. 2 2. Fall BGB ausgeschlossen.

• Es empfiehlt sich, eine genaue Skizze der Personen und einen Zeitstrahl mit den Forderungen zu zeichnen!

iv.Schutz des Schuldners nach §§ 407 ff. BGB

• Da der Schuldner nichts von der Abtretung wissen

muss, kann es sein, dass er so handelt, als wäre die

Abtretung nicht erfolgt.

• Er wird dann durch die §§ 407 ff. BGB geschützt.

Beispiel:Der Händler H steckt in finanziellen Schwierigkeiten.

Deshalb verkauft er eine Forderung über 500 € gegen Deshalb verkauft er eine Forderung über 500 € gegen

seinen Kunden K an den I und tritt sie dem I ab.

Trotzdem meldet H sich wenig später bei K und verlangt

von ihm Zahlung. K, der nichts von der Abtretung an I

ahnt, zahlt dem H die 500 €. K ist sehr erstaunt, als

dann später auch I zu ihm kommt und noch einmal

500 € Zahlung verlangt. K meint, dass er bereits an H

gezahlt habe und das müsse genügen. Hat K recht?

• § 407 I BGB schützt den gutgläubigen Schuldner, wenn

er nach der Abtretung noch ein Rechtsgeschäft mit dem

alten Gläubiger hinsichtlich der Forderung vornimmt.

• § 407 I BGB erfasst vor allem eine Leistung an den alten Gläubiger, aber auch eine Aufrechnung, eine

Stundung oder ein Erlass.

• Dem Schuldner schadet bei § 407 I BGB nur positive Kenntnis von der Abtretung; er wird auch bei (grob) Kenntnis von der Abtretung; er wird auch bei (grob)

fahrlässiger Unkenntnis geschützt.

• § 408 BGB erweitert den Schutz des § 407 BGB bei mehrfacher Abtretung auch gegenüber den weiteren

Zessionaren.

• Nach § 410 BGB kann der Schuldner dem neuen Gläubiger die Leistung verweigern, bis er ein Dokument

über die Abtretung erhält.

Literaturhinweise:

• Lettl, Die Wirksamkeit der Abtretung einer

Geldforderung trotz wirksamen

Abtretungsverbots nach § 354a HGB, JA 2010,

109-112

• Lorenz, Grundwissen - Zivilrecht: Abtretung, JuS

2009, 891-8942009, 891-894

• Schreiber, Die Forderungsabtretung, Jura 2007,

266-270

• Thomale, Der gutgläubige Forderungserwerb im

BGB, JuS 2010, 857-861

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