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Landesjagdverband Bayern Seite 216
Rehwild(Capreolus capreolus)
Sündenbock für Managementfehler
Bereits vor 500.000 Jahren lebten Rehe gemeinsam mit dem Frühmenschen Homo erectus in Europa. Die Verbreitung ist heute fast lückenlos. In Irland, den Mittel-meerinseln und Nordskandinavien hingegen ist es nicht anzutreffen. Im Osten
grenzt das Vorkommen von Capreolus capreolus an das seines größeren Verwandten Capreolus pygargus, dem Sibrischen Reh.
Rehe haben die Zerstörungen der Wälder im Mittelalter, alle Revolutionen und Kriege aber auch alle Hege- und Bejagungsrichtlinien überlebt. Die Zeiten, wo das „Schießen und Fangen von Rehgeißen und Rehkitzen zu keiner Zeit gestattet war“ (vgl. Bayerische Verordnung vom 5.10.1863; Regierungsblatt p. 1657), sind längst vorbei; vorbei auch die Zeiten, wo man glaubte, Rehe im Wald zählen zu können oder zumindest so tat, als ob man es könnte; vorbei auch die Zeiten, wo Rehe zumindest auf dem Papier keine Populationsschwankungen zeigten, da das bei der Festlegung der Abschussplanzahlen unnötigen Streit mit dem Reviernachbarn heraufbeschwor; leider noch nicht vorbei die Zeit, wo dem Reh die Verantwortung für waldbauliche Fehler zugeschrieben wurde.
Jährlich werden in Deutschland über eine Million Rehe erlegt, über 300.000 davon in Bayern. Als Kulturfolger mit hoher Anpassungsfähigkeit erreichen Rehe heute in Mitteleuropa Populationsdichten, die von keiner anderen heimischen Hirschart erreicht werden. Möglich wird das auch durch biotopangepasste soziale Organisationsmodelle, durch große individuelle Unterschiede und variable Anpassungsstrategien. Das früher übliche „Zählen“ des Frühjahrsbestandes von Rehen ist heute, nachdem die Fragwür-digkeit längst erkannt wurde, unterschiedlichen sekundären Indikatoren gewichen. Während die Mehrheit der Bundesländer dabei auf Forstleute vor Ort setzt, die bei aller manchmal vorhandenen Subjektivität sicherlich erkennen sollten, warum ihre Natur-verjüngungen nicht gelingen, verstecken sich andere hinter scheinbarer „Objektivität“. Völlig unbestritten ist, dass Jäger Mitverantwortung tragen für das Erreichen waldbau-licher Ziele.
Forstliche Gutachten können dabei aber nur eine großräumige Orientierung geben. Das hat vor allem mit der Langfristigkeit forstlichen Wirtschaftens und mit den bis heute fehlenden Sollwerten für eine Waldverjüngung in einem mehr oder weniger naturnahen Mischwald zu tun (vergl. Herzog 2010 a, b). Gleichzeitig bergen langfristige landesweite Datenerhebungen, wie wir sie in Bayern vorliegen haben, durchaus die Möglichkeit, daraus langfristige, waldbauliche, aber auch forstpolitische Entscheidungen herzuleiten (vergl. Hunger & Herzog 2011). Revierweise Aussagen, Herleitungen von Bejagungsplä-
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Steckbrief
Widerrist-höhe
60 bis 75 cm
Gewicht 18 bis 30 kg
Paarungs-zeit (Blatt-zeit, Brunft)
Juli/August
Setzzeit Mai/Juni
Anzahl Jungtiere
Ein bis drei, normaler-weise zwei Kitze
Rechtlicher Status
Unterliegt dem Jagdrecht, Jagdzeiten in Bayern: Kitze/Geissen: 1.9. – 15.1., Schmalrehe: 1.5. – 15.1., Böcke: 1.5. – 15.10.
Wildtiermonitoring 2018 Seite 217
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nen oder gar „Soll-Ist-Vergleiche“ sind allerdings nicht möglich, weil der vorhandene Ansatz einerseits zu großräumig und zu fehleranfällig ist, und weil andererseits keine verlässlichen Sollwerte vorhanden sind.
Unabhängig davon gilt auch für das Rehwild, was beim Rotwild zunehmend erkannt wird, dass nämlich die Fraßeinwirkung auf die Vegetation weniger eine Funktion der absoluten Dichte, sondern mehr des Umgangs mit der Art darstellt. Wenn die waldbau-liche Strategie und die Bejagungsstrategie professionell konzipiert sowie räumlich und zeitlich aufeinander abgestimmt sind, hält sich der Verbiss durch Rehwild durchaus in Grenzen.
Dies bedeutet für die Zukunft einen Prozess des Lernens und Umdenkens. Rehwild (wie auch Rotwild) wird aus forstlichen, aber auch aus Gründen des Tierwohls in Zu-kunft immer weniger auf großflächigen Drück-Stöber-Jagden erlegt werden. Diese sind zur Lösung lokaler Probleme in forstlichen Verjüngungsflächen kaum geeignet und im Übrigen der Biologie der Art als einem „Dukertyp“, also einer kleinen Hirschart der Buschlandschaft, welche sich möglichst immer nur in die nächste Deckung flüchtet, nicht angemessen. Hier sollten wir in Zukunft mehr mit Schwerpunktbejagungskonzep-ten arbeiten, welche mittels intensiver Bejagung von Verjüngungsflächen durch Einzel-ansitze einen Reduktions-, aber auch einen Lenkungseffekt haben.
Rehwild
Naturvergüngung: wie viele Jungpflanzen einer
bestimmten Baumart müssen welches Alter
erreichen um einen bestimmten Zielbestand
zu erhalten? – Erst wenn diese Frage geklärt
ist, werden forstliche Gutachten für die Praxis
wirklich interessant.
Landesjagdverband Bayern Seite 218
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Rehwildstrecken auf Landkreisebene im Jagdjahr 2016/2017
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64 - 1000
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Sources: Esri, USGS, NOAA
Rehwildstrecken auf Landkreisebene im Jagdjahr 2016/2017 (Individuen pro 100 ha)
RehwildstreckenIndividuen pro 100 ha
0,43 - 2,4
2,5 - 3,7
3,8 - 4,5
4,6 - 5,3
5,4 - 8,8 ³0 25 50 75 10012,5 km
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RehwildstreckenIndividuen pro 100 ha
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Rehwildstrecken für Bayern
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Rehwildstrecken in
Bayern 1990 – 2017
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Rehwild-Vorkommen2013
2016
2013 und 2016
keine Angabe ³0 25 50 75 10012,5 km
Gemeldete Rehwild-Vorkommen 2016
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Sources: Esri, USGS, NOAA
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Rehwild
Landesjagdverband Bayern Seite 222
Zum Nach- und Weiterlesen
Herzog, S. Der Wald soll wachsen: Was
müssen forstliche Gutachten leisten?
Schriftenreihe des Landesjagdverbandes
Bayern e.V. 19, 33–40, 2010a
Herzog, S. Der Jäger, der Förster und das
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Forst und Holz 65, 16–19, September
2010 b
Herzog, S. Der 40-jährige Konflikt: Was
macht das Thema „Wald und Wild“ zum
Dauerbrenner? Allgemeine Forst Zeitschrift
– Der Wald 16–18, 6. Juni 2011
Herzog, S. Das Reh, der Wald und der
Förster: Rehwild im Lichte unterschiedli-
cher Nutzungsinteressen. Schriftenreihe
des Landesjagdverbandes Bayern e.V. 20,
23-32, 2013
Herzog, S. Wieviel Ricke braucht das Kitz?
Unsere Jagd, 52-55, Oktober 2016.
ISSN 0566-2621
Pirsch, 44-47, 2. November 2016.
ISSN 1437-4420
Niedersächsischer Jäger 2. November
2016. ISSN 0048-0339
Hunger, M.; Herzog, S. Auswertung der
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Hamburg 1991
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Wald. Melsungen 2008
Moog, M. Das Schalenwild aus der
Kostenperspektive – können wir uns
den Rothirsch leisten? Schriftenreihe des
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management. Rundgespräche der Kom-
mission für Ökologie 25, 95–132, 2002
Müller, P. Verbiss-Gutachten: Objektiver
Weiser oder Herrschaftsinstrument. GCD-
Nachrichten 18: 1–9, 2008
Müller, P. (2009): Die Zukunft der Jagd &
die Jäger der Zukunft. Melsungen 2009
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Rehwild. Schriftenreihe des Landesjagd-
verbandes Bayern e.V. 7, 121–132, 1999
ScHwenK, S. Historische Aspekte zum
Rehwild. Schriftenreihe des Landesjagd-
verbandes Bayern e.V. 7, 189–196, 1999
Rehwild
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