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StellungnahmederVerbraucherzentrale Schleswig-Holstein e.V.
Verbindliche Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln
für denSozialausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages
Fakten:
Europaweit ist in den vergangenen Jahren die Häufigkeit von Übergewichtsprunghaft angestiegen. In Deutschland sind nach den Ergebnissen der NationalenVerzehrsstudie derzeit 50 % der Frauen und etwa 70% der Männer übergewichtig.Auch bei Kindern steigt der Anteil Übergewichtiger.
In engem Zusammenhang mit dem Übergewicht stehen ernährungsbedingteErkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf Erkrankungen, Bluthochdruck. Schonjetzt verursachen diese Krankheiten in Deutschland jährliche Behandlungskosten vonca. 35 Mrd. Euro. Wir sitzen auf einem finanziellen Sprengsatz, der in den nächstenJahren zu explodieren droht, wenn wir nicht sofort handeln.
Die Bekämpfung des Übergewichts ist eine gesellschaftliche Aufgabe ersten Ranges,die nur durch vielfältige und sich ergänzende Maßnahmen erfolgreich sein wird.
Klarstellung:
Die erweiterte Nährwertkennzeichnung ist nur ein Baustein in einem umfassendenKonzept der Ernährungsinformation und Ernährungsbildung, eingebettet in einGesamtkonzept der Verbraucherinformation und Verbraucherbildung. Denn nur werüber eine umfassende Haushalts- und Finanzkompetenz verfügt, wird innerhalbseines finanziellen Rahmens auch seine Ernährung bedarfsgerecht gestaltenkönnen. Neben dem Einkauf der Produkte gehört zu einer gesunden Ernährung auchdas Wissen um die richtige Lagerung, Zubereitung und Mahlzeitengestaltung imHaushalt.
Was ist die Ampel?
Wenn wir von der Ampel sprechen, dann geht es nicht um die pauschale Bewertungeines Lebensmittels durch einen grünen, gelben oder roten Punkt, sondern um dieBewertung mittels einer „multiplen“ Ampel.
Der Gehalt an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz wird farblich auf derVorderseite der Verpackung ausgewiesen (siehe Anhang). Rot steht für einen hohenGehalt an dem jeweiligen Nährstoff wie z.B. Fett oder Zucker, also nicht so vieldavon essen. Gelb steht für einen mittleren Gehalt, also mit Bedacht essen und grünbedeutet ein niedriger Gehalt, diese Produkte sind in Bezug auf den jeweiligenNährstoff dann unbedenklich.
Es kann natürlich vorkommen, dass ein Produkt für Fett einen roten Punkt hat, für dieanderen Nährstoffe jedoch nur grüne Punkte. Damit wird signalisiert, dass man mitFett für den Rest des Tages sparsam umgehen sollte, bei Zucker oder Salz abernoch ein wenig Luft hat.
Die Ampel soll ausschließlich für verarbeitete, zusammengesetzte Lebensmittelgelten, denn deren Bestandteile kann ein Laie nur schwer erkennen. Wer vermutetschon bis zu 45 Stück Würfelzucker in einer Flasche Ketschup oder 35 g Fett (mehrals ein halber Tagesbedarf an Fett) in 100 g Kartoffelchips? Das häufig angeführteArgument, dass die Ampel gesunde Lebensmittel wie Oliven- oder Rapsöl in einschlechtes Licht rücken würde, ist somit falsch, denn für Produkte wie Öl, Mehl oderObst und Gemüse ist die Ampel nicht gedacht.
Die Ampel auf der Vorderseite der Verpackung soll ergänzt werden durch eineverpflichtende ausführliche Nährwertkennzeichnung auf der Rückseite derVerpackung. Hier halten wir eine tabellarische Auflistung von Brennwert, Eiweiß,Kohlenhydraten, Zucker, Fett, gesättigten Fettsäuren, Ballaststoffe und Natriumbezogen auf 100g bzw. 100 ml des Produkts für sinnvoll.
Warum die Ampel?
Sowohl der Vorschlag des BMELV als auch das von der Verbraucherzentralebevorzugte Ampelsystem sehen vor, die vereinfachte Nährwertkennzeichnung aufder Verpackung des Lebensmittels darzustellen. Damit stellen beide Systeme imPrinzip sicher, dass am Ort der Kaufentscheidung die Nährwertinformationen zurVerfügung stehen und die Kaufentscheidung im Sinne einer bedarfsgerechtenErnährung beeinflussen können.
Mit der farbigen Markierung auf der Vorderseite, wie die Ampel es vorsieht, wird dieInformationsaufnahme erheblich erleichtert. Dies gilt insbesondere für dieVerbrauchergruppen, die sich mit den Grundlagen der gesunden Ernährung nichtintensiv befassen und für jene, die aufgrund ihres Bildungsstandes und/oder ihrermangelnden Sprach- und/oder Rechenkompetenz auf eine leicht verständlicheDarstellung angewiesen sind. Verbraucherinnen und Verbraucher benötigen wederLupe, noch ein Ernährungslexikon oder einen Taschenrechner, um dieGrößenangaben zu beurteilen. Die Ampel ist international verständlich und daherauch für eine schnelle Informationsaufnahme geeignet.
In Alltagssituationen ist auch das Zeitargument für die Akzeptanz eines Systemsnicht unerheblich. Denn schließlich soll die verbindliche Nährwertkennzeichnung keinSelbstzweck sein, sondern wir verfolgen ein gesellschaftliches Ziel.
Ein weiteres wesentliches Argument für die Ampel ist die einheitliche Bezugsgrößeg/100g. Das Ampelsystem stellt das Lebensmittel in den Vordergrund und kannunabhängig von Portionsgrößen, die eine wesentliche Manipulationsmöglichkeitdarstellen, verstanden werden. Bei den derzeit von der Industrie freiwilligangewendeten Berechnungen auf der Basis ihrer GDAs (Guideline Daily Amounts)sind einerseits die angenommenen täglichen Bedarfsmengen für die kritischenNährstoffe zu hoch und zweitens wird häufig von zu kleinen Portionen ausgegangen.
Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen:Laut Angabe des Herstellers deckt man mit einer Portion Kelloggs Crunchy NutCornflakes (30g) 12 % seines Tagesbedarfs an Zucker. Zugrunde gelegt wird derdurchschnittliche Tagesbedarf einer Frau mit einem Kalorienbedarf von 2000 kcal(auch bei Produkten, die sich an Kinder richten!). 30 g Cornflakes sind eine Menge,von der kaum jemand satt wird und zudem sind die für die Berechnung unterstellten90 g Zucker als Tagesbedarf viel zu hoch, da DGE und WHO nur für 50-60 gplädieren. Mit einer realistischen Portionsgröße von 60g Cornflakes und einemniedrigeren Zuckerbedarf pro Tag kommt man auf ganz andere Werte. Plötzlich decktdie Portion Cornflakes schon 44% des täglichen Zuckerbedarfs!Die Ampel würde in diesem Fall für Zucker einen roten Punkt ausweisen und manhätte schnell eine Orientierung.
Ähnliche Manipulationen sind beim Fettgehalt an der Tagesordnung. LautHerstellerberechnung deckt man mit einer 25 g Portion Kartoffelchips (PringlesOriginal) 13 % seines Tagesbedarfs an Fett, das klingt wenig. Mit einer realistischenPortionsgröße von 50 g und einer wissenschaftlich empfohlenen Gesamtmenge anFett von 60 g pro Tag sind es aber bereits 30% des Tagesbedarfes!
Diese Beispiele ließen sich endlos fortführen und machen deutlich, dass hier nicht imInteresse des Gesundheitsschutzes agiert wird, sondern ungesunde Produkte schöngerechnet werden. Das geltende System der Kennzeichnung auf freiwilliger Basisfunktioniert also nicht.
Von Seiten der EU wird es aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer verpflichtendenNährwertkennzeichnung kommen, was wir begrüßen. Ein entsprechender Vorschlagfür eine EU-Verordnung betreffend die Information der Verbraucher überLebensmittel wurde am 30.01.2008 von der Kommission vorgelegt. Allerdings dauertdie Diskussion um die konkrete Ausgestaltung noch an. Unter anderem ist die Fragenoch offen, welche Gestaltungsspielräume es in der nationalen Umsetzung gebenwird.
National liegt bisher vom BMELV ein Modell für eine freiwillige Kennzeichnung vor,welches im Anhang aufgeführt ist. In der Bundestagsdebatte vom 6.März 2008sprach Dr. Gerd Müller, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium fürErnährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz völlig überraschend eine möglicheNeuausrichtung an, bei der u. U. auch die Farben Rot, Gelb und Grün eine Rollespielen werden. Ein neues Modell liegt uns noch nicht vor, so dass wir auf der Basisdes bekannten Modells argumentieren.
Die im Anhang aufgeführten Beispiele des Verbraucherzentrale Bundesverbandes(vzbv) verdeutlichen die Unterschiede in der Darstellung zwischen dem Vorschlagdes BMELV und der Ampel.
Gudrun Köster-Sartorius Kiel, 26.03.2008Referentin für Lebensmittel und ErnährungVerbraucherzentrale Schleswig-Holstein e.V.
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