Synthese und Struktur eines N2Sb2-Rings mit unterschiedlich koordinierten Antimonatomen

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Synthese und Struktur eines N,Sb,-Rings rnit unterschiedlich koordinierten Antimonatomen** Von Herbert u! Roesky*, Kay Hubner, Mathias Noltemeyer und Michael Schayer

Professor Hans Georg von Schnering zum 60. Geburtstag gewidmet

Me,Si-N = PPh, reagierte mit TeCl, zu einem viergliedri- gen Te,N,-Ring und nicht, wie wir erwartet hatten, zum Chlor-verbruckten Heterocyclus"]. Es stellte sich daher die Frage, wie sich SbCl,, die entsprechende Verbindung des Nachbarelements Antimon, bei der Umsetzung rnit einem Me,Si - N = S-System verhalt. Die Reaktion von N,N'- Bis(trimethylsily1) dimethylschwefeldiimid lrZ] rnit SbCI, in Trichlormethan im Molverhaltnis 1 :1 fuhrt zum Sb,N,-Sy- stem 2.

c1 .

1 2

2 ist ein farbloser, an Luft bestandiger Feststoff, der aus MeCN kristallisiert werden kann. Die Molekulstruktur von 2 (Abb. 1 oben) iiberraschte. Wie im Falle der eingangs er- wahnten Reaktion rnit TeCl, war ein viergliedriger Stick- stoff-Metall-Ring entstanden, dessen chemisch aquivalente Antimonatome Sb(1) und Sb(2) jedoch unterschiedlich ko- ordiniert sind. Beide Antimonatome weisen in erster Nahe- rung eine pseudo-trigonal-bipyramidale Umgebung auf. Im Falle von Sb(1) nehmen N(l) und N(2) aquatoriale [Sb(l)- N(l) 209.6(2), Sb(1)-N(2) 212.7(2)pm], Cl(1) und Cl(2) [Sb(l)-Cl(l) 261.8(1), Sb(1)-Cl(2) 259.O(l)pm] dagegen axiale Positionen ein. Im Falle von Sb(2) sind N(2) und Cl(3) [Sb(2)-N(2) 206.4(2), Sb(2)-C1(3) 239.3(1) pm] in aquatoria- len und N(1) und Cl(4) [Sb(2)-N(1) 223.3(2), Sb(2)-C1(4) 258.0(l)pm] in axialen Stellungen. Eine derartige Betrach- tungsweise macht die unterschiedlichen Sb-N- und Sb-CI- Bindungslangen verstandlich.

2 ist im Kristall zu Ketten assoziiert (Abb. 1 unten). Inner- halb einer Kette betragen die C1-Sb-Abstande 375 pm [Sb(2). . . Cl(3 a), Cl(3). . . Sb(2 a)] und 41 1 pm [Sb(2). . . C1- (4 b), CI(4). . . Sb(2 b)]. Berucksichtigt man die durch die As- soziation hinzugekommenen Atome, so ist Sb(2) verzerrt ok- taedrisch koordiniert. Daruber hinaus nehmen wir an, dal3 vor allem die cis-standigen Me,SiNSMe,-Reste die Koordi- nationssphare der Antimonatome festlegen. Der vierglied- rige Sb,N,-Ring ist nicht eben, sondern gefaltet (ca. 10" um die Sb(1). . . Sb(2)-Achse). Die Abweichungen von der be- sten Ebene betragen ca. f 50pmf3]. Der Mittelwert der Sb- N-Abstande (21 3.0 pm) ist denen in bekannten viergliedrigen Sb,N,-Ringen vergleichbart4 - 61.

Im 'H-NMR-Spektrum beobachtet man bei Raumtempe- ratur zwei Singuletts bei 6 = 3.6 (S-Me,) und 6 = 0.5 (Si- Me). Im Massenspektrum entspricht der Peak mit dem hoch- sten m/z-Wert (341) dem Fragment-Ion [M/2 - Me]@. Im '2'Sb-Mo13bauer-Spektrum (Abb.2)['] beobachtet man zwei Antimonplatze mit den fur Sb"'-Verbindungen typi- schen Isomerieverschiebungen von - 13.5(1) (Sb(1)) und

[*I Prof. Dr. H. W. Roesky, Dip].-Chem. K. Hubner, Dr. M. Noltemeyer Institut fur Anorganische Chemie der Universitat TammannstraDe 4, W-3400 Gottingen Dipl.-Chem. M. Schafer Fachbereich Chemie der Philipps-Universitat Marhurg

[**I Diese Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Volkswagen-Stiftung und dem Fonds der Chemischen Industrie gefordert.

Abb. 1. Oben: Struktur des Sh,N,-Rings von Z rnit unmittelbaren Nachbarn unten: Anordnung von vier MolekulenZ im Kristall. Ausgewahlte Bindungs- langen [pm] und -winkel ["I: Sb(1)-CI(1) 261.8(1), Sb(l)-Cl(2) 259.0(1), Sb(1). N(1) 209.6(2), Sb(l)-N(2) 212.7(2), Sh(2)-C1(3) 239.3(1), Sb(2)-C1(4) 258.0(1)

149.5(3), S(2)-N(2) 157.1(3), S(2)-N(4) 149.1(3); Sb(l)-N(I)-Sb(2) 105.1(1) Sh(2)-N(1) 223.3(2), Sb(2)-N(2) 206.4(2), S(l)-N(l) 155.7(3), S(l)-N(3

Sb(l)-N(2)-Sb(2) 110.2(1), N(l)-Sb(l)-N(2) 72.9(1), N(l)-Sb(2)-N(2) 71.3(1) Cl(1)-Sb(1)-N(1) 91.4(1), C1(3)-Sb(Z)-C1(4) 87.0(1), Cl(2)-Sb(l)-N(l) 90.1(1) N(2)-Sb(2)-C1(3) 98.0(1).

. . . '.. .*. ... .. -'.I -0.01 ... .: ... .. - : .. :. :.. .c\:. * ....v.-. - . . . . '12, 7 . . ..

1 0.16 I 1 I I I , I

-30 -18 -6 6 18 31 v[mms-'l -

Abb.2. 121Sb-MoObauer-Spektrum von 2. A = Resonanzabsorption, v = Relativgeschwindigkeit.

856 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH. W-6940 Weinheim, 1991 0044-8249/91/0707-08S6 $3.50 i .2S/O Angew. Chem. 103 (1991) Nr.

- 14.9mm s-' (Sb(2)). Aufgrund der 24 einander uberlap- penden Linien des Spektrums ist die Bestimmung der Qua- drupolaufspaltung nicht sicher moglich. Die beste Anpas- sung ergab Werte von AEQ=21.0(1.0) (Sb(1)) und AEQ = - 13.4(1.5)mm s-' (Sb(2)). Die negative Quadru- polaufspaltung an Sb(2) (einkernige trigonal-bipyramidal kordinierte Sb'"-Verbindungen weisen im allgemeinen positi- ve Quadrupolaufspaltungen aufIg]) kann wahrscheinlich auf die nahezu senkrechte Anordnung der beiden freien Elek- tronenpaare der Sb-Atome zuruckgefiihrt werden. Unter der Annahme, daD der elektrische Feldgradient nur durch die Lage der freien Elektronenpaare bestimmt wird"'], fuhrt diese Anordnung nach dem Punktladungsmodell[' '1 fur ideal trigonal-bipyramidal koordinierte Sb-Atome zu einem Verhaltnis der Quadrupolaufspaltungen von 2: - 1. Beriick- sichtigt man die Naherungen (EinfluD der ubrigen Liganden auf den elektrischen Feldgradienten, Abweichungen von der ideal trigonal-bipyramidalen Struktur, Anpassungsfehler aufgrund der zwei iibereinanderliegenden Sb-Platze), ist die Ubereinstimmung zwischen Model1 und Experiment iiberra- schend gut.

Zusammenfassend konnen wir festhalten, daD die Verbin- dung2 das erste viergliedrige Ringsystem ist, welches im fe- sten Zustand bei chemisch aquivalenten Elementen unter- schiedliche Umgebungen an zwei Ringatomen aufweist.

Experimentelles 2: 1.2g (4.9mmol) 1, keliist in CHCI, (40mL) werden innerhalb von 1 h be; Raumtemperatur zu 1.1 g (4.9mmoI) SbCI, in CHCI, (100mL) getropft. Schon zu Beginn des Zutropfens beginnt die vorher klare Losung einzutriiben. Nach dem Zutropfen laDt man 12h hei Raumtemperatur weiterriihren und filtriert den entstandenen weikn, flockigen Feststoff ab. Man laDt das Filtrat bei Raumtemperatur einen Tag stehen, dabei Ellt erneut Feststoff aus, der durch Filtrieren entfernt wird. Das Filtrat wird zur Trockne eingeengt. Es bleibt ein gelber, korniger Feststoff zuruck, der in MeCN gelost wird. Nach 12 h Stehen bei Raumtemperatur erhalt man fur eine Rontgenstrukturanalyse geeignete Einkristalle von 2. Ausbeute: 0.3g, Fp = 165°C (Zers.). - IR: i[cn- '] = 1260vs, 1094vs, 975vs, 842vs, 758vs, 636vs, 535s, 415m, 313s. - Korrekte C1,N-Analyse.

Eingegangen am 12. Marz, erganzte Fassung am 12. Juni 1990 [Z3849]

Auf Wunsch der Autoren erst jetzt veroffentlicht

[l] J. Munzenberg, H. W Roesky, M. Noltemeyer, Chem. Ber. 122(1989) 1915. [2] R. Appel, I. Ruppert, F. Knoll, Chem. Ber. 105 (1972) 2492. [3] 2 ( M . = 712.0): Raumgruppe P2,/c , a = 942.9(1), b = 1608.3(2), c =

1700.1(2)pm, p = 93.63(1)", V = 2S730nm3, Z = 4, ebr,. = 1 . 8 4 g ~ m - ~ , KristallgroDe 0.4 x 0.4 x 0.7mm3, Siemens-Stoe AED2-Vierkreisdiffrak- tometer, 4986 Reflexe von 7.0 bis 20 = 45" (Mo,,; A = 71.069pm), 3339 symmetrieunabhangige Reflexe und 3025 rnit F > 3a(F) fur die Verfeine- rung (SHELXTL Plus): R = 0.0207, R, = 0.0261, w-' = a Z ( F ) + 0.0001 F2. Weitere Einzelheiten zur Kristallstrukturuntersuchung konnen beim Fachinformationszentrum Karlsruhe, Gesellschaft fur wissenschaft- lich-technische Information mbH, W-7514 Eggenstein-Leopoldshafen, unter Angabe der Hinterlegungsnummer CSD-54657, der Autorennamen und des Zeitschriftenzitats angefordert werden.

[4] U. Miiller, Z. Anorg. Allg. Chem. 388 (1972) 207. [5] G. Rajca, W. Schwarz, J. Weidlein, Z. Naturjorsch. B39 (1984) 1219. [6] W. Neubert, H. Pritzkow, H.P. Latscha, Angew. Chem. 100 (1988) 298;

Angew. Chem., Int. Ed. Engl. 27 (1988) 287. [7] Quelle (Ba"'Sn0,) und Absorber wurden in einem Badkryostaten mit

fliissigem He auf 4.2 K gekuhlt. Als Detektor wurde ein NaI(T1)-Szintilla- tionsdetektor verwendet. Fur die Messung wurden sowohl der 37.2 keV MoDbauer-Ubergang als auch der bei etwa 8 keV liegende escape-peak des NaI-Kristalls beniitzt. Das Spektrum wurde rnit einem 512-Kanal-Analy- sator im ,,time-mode" registriert. Die Anpassung erfolgte nach der Metho- de der kleinsten Fehlerquadrate, wobei die Intensitatsverhaltnisse der zwolf fhergange vorgegeben wurden[8]. MeDwerte relativ zu BaSnO,.

[8] G.K. Shenoy, B.P. Dunlap, Nucl. Instrum. Methods 71 (1969) 285. [9] M. Alamgio, P. W.C. Barnard, J. D. Donaldson, .I Chem. Soc. Dalton

[lo] M. Schafer, J. Pebler, B. Borgsen, F. Weller, K. Dehnicke, Z. Naturjorsch.

[ l l ] G. M. Bancroft, R. H. Platt, Adv. Inorg. Chem. Radiochem. 15 (1972) 59.

Trans. 1980, 1542.

8 4 5 (1990) 1243.

LiloP4Nlo - ein Lithium-phosphor(v)-nitrid mit dem neuen komplexen Anion P4N: ** Von Wougang Schnick* und Ute Berger

Professor Hans Georg von Schnering zum 60. Geburtstag gewidmet

Phosphor(v)-nitride sind, ahnlich wie die Nitride anderer leichter Hauptgruppenelemente - Bor, Aluminium, Silicium -, potentielle Ausgangssubstanzen fur die Entwicklung neu- er keramischer Materialien mit speziellen Eigenschaften[']. Ein systematischer Einstieg in die Verbindungsklasse der bi- naren Phosphor(v)-nitride und seiner ternaren Verbindun- gen rnit elektropositiven Elementen wurde jedoch in der Ver- gangenheit dadurch verhindert, daD fur die gesamte Sub- stanzklasse Darstellungsmethoden fehlten, die zu definier- ten, reinen oder einkristallinen Produkten fuhrten. Kiirzlich gelang uns iiber eine neue Methode der praparative Zugang zu definiertem und feinkristallinem P,N,[*I. Durch Umset- zung der binaren Nitride P3N5 und Li,N erhielten wir reines Li,PN, sowie LiPN, , deren genaue strukturelle Charakteri- sierung erstmals zu detaillierten Kenntnissen iiber den Auf- bau von Phosphor(v)-nitriden im Festkorper fiihrteI3~ 'I. In Li,PN, wurden ,,isolierte" PN:e-Ionen gefunden, wahrend in LiPN, rnit einer /I-Cristobalit-analogen P-N-Teilstruktur der hochste denkbare Vernetzungsgrad allseitig eckenver- kniipfter PN,-Tetraeder erreicht wird. Beide Verbindungen zeigen eine nennenswerte Beweglichkeit der Kationen im Festkorper und sind neuartige Lithium-I~nenleiter~~].

Mit Li1,P,Nl0 haben wir nun ein neues Lithium-phos- phor(v)-nitrid entdeckt, welches beziiglich seiner Zusam- mensetzung zwischen Li,PN, und LiPN, liegt und somit das erste Beispiel eines Phosphor(v)-nitrids rnit einem mittleren Kondensationsgrad von PN,-Tetraedern bietet. LiloP,Nlo kann durch Festkorperreaktion der binaren Nitride Li3N und P3N5 [GI.(a)] sowie durch Umsetzung von LiPN, mit Li,N [Gl. (b)] oder von Li,PN, rnit P3N5 [Gl. (c)] erhalten werden. Die Titelverbindung fallt dabei in Form eines farb- losen Pulvers und transparenter oktaedrischer Einkristalle ant6].

720°C, 5d

W-Tiegel, N2 10Li3N + 4P3N5 - 3Li,,P,Nl0

700"C, 5d W-Tiegel, N2 2Li,N + 4LiPN, ' Li10P4N10

630"C, 10d

W-Tiegel, N2 lOLi,PN, + 6P,N5 > 7LiioP4N10

Nach der Rontgenstrukturanalyse an Einkri~tallen[~I ist LiloP4Nlo ionisch aufgebaut und enthalt das neue komplexe Anion P,N:,Oe, welches isoelektronisch zum molekularen Phosphor(v)-oxid P,O,, ist (Abb. 1). Das Anion hat im Fest- korper ideale T,-Symmetrie. Im IR-Spektrum von LiloP,Nlo werden erwartungsgemaD sechs Schwingungsbanden des komplexen Anions im Bereich von 540 bis 1070cm-' beob- achtet[']. Die P-N-Bindungen zu den terminalen Stickstoff- atomen des P,Ni,Oe-Ions sind deutlich kiirzer als die zu verbriickenden N-Atomen (P-N2: 158.1(3)pm, P-N1 : 167.6(3)pm). Als Ursache hierfiir werden erhohte Anteile

[*I Dr. W.Schnick, Dipl.-Chem. U.Berger Institut fur Anorganische Chemie der Universitat Gerhard-Domagk-StraDe 1, W-5300 Bonn 1

["I Diese Arbeit wurde vom Minister fiir Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen sowie vom Fonds der Chemischen Industrie gefordert.

Angew. Chem. 103 (1991) Nr. 7 0 VCH Verlugsgesellschaft mbH, W-6940 Weinheim. 1991 0044-8249/91/0?0?-085~ 8 3.50+ ,2510 857

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