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8_results_Deutsche Bank
Offene Kommunikation bringt jede Menge Vorteile bei der Kapitalbeschaffung. Doch was müssen Investoren wissen – und was nicht?
Talk! Talk! Talk!
08_results 8 21.06.12 12:48
MANAGEMENT_Finanzkommunikation
results_Deutsche Bank_9
ThesenFinanzbedarf: Der Wettbewerb
um Finanzierungen wird härter.
Offene Finanzkommunikation
bringt Unternehmern einen bes-
seren Zugang zu Investoren.
Vertrauensaufbau: Gute
Finanzkommunikation dreht
sich nicht nur um Bilanzzahlen –
Finanzpartner sollten Produkte,
Märkte, langfristige Strategien
und Hintergründe zu aktuellen
Entwicklungen genau kennen,
damit Vertrauen entsteht.
Information: Auch die Geld- und
Kapitalgeber selbst stehen in der
Pfl icht: Sie müssen ihren Kunden
ein Feedback darüber geben,
warum sie welche Informationen
brauchen und welche Schwer-
punkte sie setzen.
Nach zehn Jahren als Wirtschaftsprüfer wechsel-
te Bernd Kästner die Seiten. Das Angebot kam
ganz spontan, Kästner hatte sich zwei Stunden
lang mit seinen Klienten beraten, den Chefs des Solar-
anbieters Wirsol. Sein Fachwissen überzeugte. „Beim
Rausgehen haben sie mich gefr agt, ob ich nicht Lust
hätte, in ihren V orstand zu kommen“, erinnert sich
Kästner.
Im Oktober 2010 bezog der Finanzexperte seinen
Schreibtisch bei Wirsol. Auf ihn wartete eine echte Her-
ausforderung. Das auf die En twicklung großer Solar-
projekte spezialisierte badische Unternehmen wuchs
rasant. Seit der Firmengründung im Jahr 2004 war der
Umsatz von 200 000 Euro auf 167 Millionen Euro 2010
geklettert, auch im Ausland legte Wirsol stark zu. „Eine
wahnsinnige Entwicklung“, sagt Kästner. „Es war nötig,
bei den Finanzen rasch neue Strukturen aufzubauen.“
Aber er wollte mehr sein als eine ordnende Kr aft, es
ging ihm auch um eine vorbildliche Kommunika-
tionskultur. Das selbstgesteckte Ziel lautete dabei: ein
Höchstmaß an Transparenz. „Das habe ich von Anfang
an so gehalten.“
Schon kurz nach Dienstantritt lud Kästner alle
Banken, mit denen Geschäftskontakte bestanden, zu
sich ein. Gemeinsam wurde die Finanzierungsstra-
tegie diskutiert. Kästner baute für Wirsol zudem ein
IT-gestütztes Reporting-System auf . Dieses erlaubt ,
Konzernzahlen monatlich zu kommunizieren. In der
krisengeschüttelten Solarindustrie macht sich der
vertrauensvolle Austausch mit den Kapitalgebern nun
bezahlt. Als Entwickler von Photovoltaikanlagen steht
Wirsol im Spannungsfeld zwischen Komponentenher-
stellern einerseits und rückläufi gen Stromeinspeiseta-
rifen andererseits. Dank der konsequenten Offenheit
gibt es trotz der negativen Marktstimmung bislang
keine Finanzierungsprobleme.
Der Solarhersteller Wirsol macht es vor: Wer ge-
genüber seinen Kapitalgebern Offenheit beweist ,
verbessert den Zugang zu Finanzmitteln gerade auch
in turbulenten Zeiten. „Der Aufbau von gegenseiti-
gem Vertrauen ist ein Schlüsselfaktor“, sagt Stephan
Paul, Professor am Lehrstuhl für Finanzierung und
Kreditwirtschaft der Ruhr-Universität Bochum. „Gute
Finanzkommunika tion kann für ein Unternehmen
überlebenswichtig sein.“ Obwohl die Vorteile auf der
Hand liegen, hat Paul immer wieder festgestellt, dass
Mittelständler davor zurückscheuen, sich in die Bücher
schauen zu lassen. Sie laufen damit jedoch Gefahr , ih-
ren fi nan ziellen Spielraum einzuschränken.
Zwar bringt Offenheit gegenüber Banken und
anderen Finanzpartnern in der Regel keine niedri-
geren Zinsen. „Bei anderen Kreditbedingungen aber
zeigen sich sehr große V orteile“, sagt Paul. So steige
die Ver fügbarkeit, auch die Zahl der Finanzierung s-
alternativen, wie etwa Anleihen, wächst.
Zudem gelangen Unternehmen, die sich regelmäßig
und offen mit Banken austauschen, unkomplizierter an
ihre Finanzierung. „Sie sparen damit Zeit, die sie an an-
derer Stelle produktiver nutzen können“, erläutert Paul,
der die 2005 von der Euler Hermes Kreditversicherungs-
AG gegründete „Initiative Finanzkommunikation im
Mittelstand“ wissenschaftlich begleitet. „Schlechte Fi-
nanzkommunikation dagegen hat zur Folge, dass sich
die Anforderungen der Kapitalgeber an Informationen
und deren formale Aufbereitung drastisch erhöhen.“
Eine Ursache für die Zugeknöpftheit vieler Un-
ternehmen ist laut Wissenschaftler P aul die Angst ,
mögliche Abweichungen von Planungszielen erläu-
tern zu müssen. Das jedoch ist ohnehin unvermeid-
bar, wenn die Firma in größere wirtschaftliche Prob-
leme gerät. Wer aber erst dann die Karten offenlegt ,
provoziert erhebliches Misstrauen. Finanzexperte Paul
rät deshalb, frühzeitig gegenzusteuern. „Wer sich ILLU
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10_results_Deutsche Bank
vorher um Transparenz bemüht und Vertrauen
aufbaut, muss nicht erst in der Krise das Steuer her-
umreißen.“ Zumal das Management dann auch ganz
andere Sorgen habe: „In der akuten Krisenphase ist
beispielsweise das Liquiditätsmanagement erst mal
wichtiger.“
Mit voller Wucht traf die Rezession 2009 die Hu-
man Gesellschaft für Biochemica und Diagnostica. „Die
Zahlungsmoral brach auf breiter Front ein, die fi nanziel-
len Engpässe reichten bis ins letzte Dorf in Schwarzafri-
ka“, erinnert sich Christoph Pesenacker, Leiter Finanzen
des Wiesbadener Unternehmens. Es ist spezialisiert
auf die Herstellung von Labor-Diagnostika und Schnell-
tests, mit denen zum Beispiel Malaria- oder HIV-Erkran-
kungen festgestellt werden können. Verkauft werden
diese Tests vor allem in Schwellenländern über Distri-
butoren vor Ort: unabhängige Partner mit exklusiver
Lizenz. Die aber zögerten in der Krise ihre Überwei-
sungen hin-aus – mit dramatischen Folgen für Human.
„Erstmals in der Firmengeschichte gab es bei uns Ent-
lassungen“, sagt Pesenacker – es traf fünf Prozent der
Beschäftigten.
Gerade erst hatte Human ein neues Gebäude bezo-
gen, das noch vor der Krise geplant worden war – es er-
wies sich nun als zusätzliche Last . „Die Liquiditätslage
war angespannt“, sagt Pesenacker. Human habe beste-
hende Kreditlinien zu 80 Prozent ausschöpfen müssen.
„Das hat uns geärgert.“ Denn die Folge war, dass das Ra-
ting sank. Doch wo andere Manager lieber schweigen
und hoffen, den Turnaround in aller Stille zu schaffen,
setzte das Management auf Transparenz: „Wir sind of-
fensiv mit dem Thema umgegangen“, sagt Pesenacker.
In Gesprächen konnte er die Kapitalgeber etwa davon
überzeugen, dass kein Risikoaufschlag nötig war – dabei
half auch die Einführung einer monatlichen Liquiditäts-
rechnung. Schon nach wenigen Monaten konnte Human
das Geschäft stabilisieren – und die Beschäftigtenzahl
wieder aufbauen.
Pesenacker ist überzeugt: Hätte Human nicht schon
seit Jahren eine offene Finanzkommunikation gepfl egt,
wäre die Lage schwieriger gewesen. Die Banken aber
wussten genau Bescheid – und hatten schon bewiesen,
dass sie dem Human-Management vertrauen.
Ein wichtiger Baustein ist der Quartalsbericht. „Er um-
fasst 30 Seiten“, erläutert Pesenacker. „Das ist kein Larifari
mit schönen Bildern, sondern sehr analytisch.“ Es werden
auch Zins- oder Währungsrisiken genau bewertet – Hu-
man liefert in 150 Länder weltweit . Die Lage auf jedem
Markt wird erschöpfend dargestellt. „Gerade beim Aufbau
neuer Märkte sind die Risiken hoch“, sagt Pesenacker.
„Wir sind offensiv mit dem Thema umgegangen“
Wirsol-Projekt Solarpark Mixdorf im Schlaubetal südöstlich Berlins: Ein modernes Reporting-System des Solarprojektierers ermöglicht monatliche Kommunikation von Firmenkennzahlen
Stephan Paul, Professor am Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft der Ruhr-Universität Bochum, glaubt: „Gute Finanzkommunikation kann für ein Unter-nehmen überlebens-wichtig sein“
Wirsol-Finanzchef Bernd Kästner: Kommunikation half dabei, die Banken trotz der Branchenprobleme vom Geschäftsmodell des Solarunternehmens zu überzeugen
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MANAGEMENT_Finanzkommunikation
results_Deutsche Bank_11
Regel 1Keine Angst vor klaren Worten
Gegenseitiges Vertrauen ist der
Schlüssel zu einer verlässlichen
Finanzbeziehung – und das
entsteht nur, wenn beide Seiten
offen miteinander umgehen. Der
Unternehmer profi tiert, weil er
sein Rating verbessern kann und
leichteren Zugang zu Krediten
erhält. Offenheit bedeutet,
Informationen aktiv bereitzu-
stellen – auch in wirtschaftlich
schwierigen Zeiten.
Regel 2Bleiben Sie authentisch
Bei guter Finanzkommunikation
geht es um Information, nicht um
Werbung. Sie muss zum Unterneh-
men passen, wenn sie glaubwürdig
sein soll. Personen, Botschaften
und die Form der Präsentation
sollten deshalb so gewählt werden,
dass sie die jeweiligen Eigenheiten
des Unternehmens widerspiegeln.
Eine aufwendig von einer Agentur
gestaltete Präsentation ist dabei
unnötig – Hauptsache, die Informa-
tionen sind klar zu erkennen.
Regel 3Sehen Sie Ihren Kapitalgeber
als Kunden
Adressaten der Finanzkommunika-
tion sind neben den Eigenkapital-
gebern und Banken auch Lieferan-
ten, Versicherer und die eigenen
Mitarbeiter. Jeder von ihnen muss
auf eine andere Weise angespro-
chen werden und wünscht sich
andere Informationen. Gute Kom-
munikation berücksichtigt die
unterschiedlichen Bedürfnisse der
Stakeholder des Unternehmens.
CHECKLISTE
Drei Regeln für eine erfolgreiche Finanzkommu nikation
Der Bochumer Finanzprofessor
Stephan Paul hat die Grundregeln
für den Umgang mit Finanzierungs-
partnern aufgestellt.
Vorteile guter Finanzkommunikation
Die Verfechter offener Kommunikation sehen mehr Vor- als Nachteile, doch auch eine
signifi kante Zahl von Skeptikern räumt möglichen Nutzen für Unternehmen ein.
Unterschiedliche Wahrnehmung von Kommunikation
Unternehmen beurteilen die eigene Kommunikation durchweg positiv, die Empfänger der
Nachrichten dagegen urteilen kritischer – dabei sind sie es, die überzeugt werden müssen.
Was ändert die Krise?
Mittelständler suchen Sicherheit – aber mehr
kommunizieren will nur jeder Sechste.
Was folgt jetzt?
Die Mehrheit der Firmen glaubt:
Finanzierung wird schwieriger.
Angaben in % Angaben in %
Angaben in % Angaben in %
Angaben in %
Wir können auf eine größere Palette von
Finanzierungsinstru menten zurückgreifen
Wir können über mehr Finanzmittel
verfügen
Wir erhalten von unseren Kapitalgebern mehr
Anregungen, Hinweise
Verfechter
Kapitalnehmer
Skeptiker
Kapitalgeber
Beziehung zu Kapitalgebern Finanzierungsmöglichkeiten
QUELLE: „FINANZKOMMUNIKATION JETZT KRISENFEST MACHEN! ERFOLGSREZEPTE FÜR DEN UMGANG MIT KAPITALGEBERN“. IN: WIRTSCHAFT KONKRET NR. 421, OKTOBER 2008
QUELLE: „FINANZKOMMUNIKATION JETZT KRISENFEST MACHEN! ERFOLGSREZEPTE FÜR DEN UMGANG MIT KAPITALGEBERN“. IN: WIRTSCHAFT KONKRET NR. 421, OKTOBER 2008
54
45
67
Unsere Kapitalgeber verstehen uns besser
7747 38
30
41
Der Umgang mit unseren Kapitalgebern ist schneller,
unkomplizierter
7148
Wir bekommen von unseren Kapitalgebern
positivere Rückmeldungen
79
45
Das Vertrauensverhältnis zu unseren Kapitalgebern hat
sich verbessert 52
82
Sachliche Qualität
Eingeleitete Maßnahmenp Unternehmen erwarten verschärfte
Kreditstandards durch Basel III
p Sicherung der Zahlungsfähigkeit
gewinnt an Bedeutung
p Weiterhin Zurückhaltung bei
innovativen Finanzierungsformen
(Leasing, Factoring, Kapitalmarkt)
p Notwendigkeit zur Stärkung der
Eigenkapitalbasis ist erkannt
p Aktuell kein Engpass in der
Kreditversorgung erwartet
Persönliche Qualität
Informations politik des Unternehmens ist sehr gut
nach vollziehbar
Stärkere Finanzierung aus dem Cashfl ow
Stärkung der Eigenkapitalbasis
Verstärkung der Liquiditätsreserve
Reduzierung der Abhängigkeit von einzelnen Hausbanken
Proaktivere Finanzkommunikation
Ausweitung der Kreditfi nanzierung
Stärkere Inanspruch nahme von öffentlichen Förderprogrammen
Unternehmen ist ehrlich gegenüber dem Kapitalgeber
Positives Klima zum
Ansprechpartner
Informationen werden im persön lichen Gespräch gut vermittelt
Die Informations politik wird an die Erwartungen des
Kapitalgebers angepasst
Es wird weder übertrieben optimistisch noch
pessimistisch informiert
Alle Informationen an den Ansprechpartner werden
intensiv auf Fehler geprüft
Unternehmen versucht regelmäßig, die Informations-
politik zu verbessern
Es werden Informationen im Gespräch weggelassen,
um nicht schlecht dazustehen
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38,5
37,6
37,2
32,4
15,4
5,9
13,5
58
63
69
57
49
34
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QUELLE: BDI MITTELSTANDSPANEL, ERHEBUNG WINTER 2010 QUELLE: BDI MITTELSTANDSPANEL, ERHEBUNG WINTER 2010
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12_results_Deutsche Bank
Die Kreditgeber können sich dank des umfassen-
den Reportings stets ein detailliertes Bild von der Lage
machen. Das ist auch wichtig, weil das Geschäftsmo-
dell mit vielen Distributoren vor Ort bei den Kennzah-
len für Abweichungen von der Norm sorgt . „Unsere
Banken wissen, dass wir einen hohen Bestand an For-
derungen haben“, sagt Pesenacker. Diese machen in der
Bilanz einen Posten in Höhe von einem Viertel des Um-
satzes von zuletzt knapp 44 Millionen Euro aus. „Das ist
normalerweise eine Größenordnung, wo Finanzpartner
sagen: Das Unternehmen muss bald kollabieren.“
Zwar dauert es bei Human l änger als üblich, bis
Forderungen beglichen werden – dafür aber sind die
Ausfälle gering. „Sie liegen bei unter einem Prozent“ ,
sagt Pesenacker. „Davon können viele nur träumen, das
haben wir gut im Griff.“
Nur wenige Mittelständler waren auf die Wirt-
schaftskrise so gut vorbereitet wie Human. Wenn das
Zusammenspiel zwischen Unternehmern und Kredit-
gebern nicht funktioniert, sei das Kernproblem meist
„fehlende oder unzureichende Finanzkommunikation“,
analysierte Hans-Joachim Metternich, der 2010 und
2011 im Auftrag der Bundesregierung als Kreditmedia-
tor tätig war. Sein Credo: Aktive Kommunikation sei der
Schlüssel zu einer zuverlässigen Geschäftsbeziehung
mit einem Kapitalgeber.
Immerhin habe die Bereitschaft zu V eränderun-
gen seit der Krise spürbar zugenommen, konstatiert
Fachmann Paul. Konsequenzen allerdings werden
noch immer zu selten gezogen. „Nur wenige Mittel-
ständler haben in ihre Finanzkommunikation inves-
tiert“, sagt Paul. Seiner Ansicht nach liegt das auch
daran, dass sich viele Unternehmer über ihre Defi zite
nicht im Klaren sind. Er hat jüngst untersucht , wie
Banken und Unternehmen die Informationspolitik in
Finanzierungs fragen bewerten. Das ernüchternde Er-
gebnis: „Zwischen dem Selbstbild und dem Fremdbild
liegen fast Welten“, sagt Paul – seiner Ansicht nach
oft eine F olge mangelnden V erständnisses für die
Informations bedürfnisse der Empfänger.
Wirsol löste das Problem, indem der erfahrene
Finanz profi Bernd Kästner angeheuert wurde. Die
vielbeschworene Kreditklemme fürchtet er nicht. „Im
Zweifel werden Kredite teurer. Da muss man als Un-
ternehmer eben anders rechnen und anders verkau-
fen. Und dafür muss man jede Zahl im Griff haben.“
Um das weitere W achstum zu fi nanzieren, schloss
Wirsol im vergangenen Jahr mit verschiedenen Ban-
ken einen längerfristigen Konsortialkreditvertrag über
65 Millionen Euro ab. Damit erhöhte das Unterneh-
men seine Kreditlinie um das Dreifache und gewann
zusätzliche Planungssicherheit. „Das sehen wir als Ver-
trauensbeweis“, sagt Kästner. Seine Erfahrung: „Wenn
man offen mit den Finanzpartnern spricht, sind sie
auch hilfsbereit.“ Und dies zahlte sich für das Unter-
nehmen aus: Es schraubte 2011 seinen Umsatz noch
einmal deutlich auf 317 Millionen Euro hoch.
Lange jedoch konnte der Mittelstand auch ohn e
Transparenz gedeihen: „Über viele Jahrzehnte war es
leicht, Bankkredite zu bekommen“, sagt Paul. „Ein grö-
ßerer Informationsaustausch war gar nicht nötig.“ Das
Echte Informationen statt „Larifari mit schönen Bildern“
Human Gesellschaft für Biochemica und Diagnostica: Als 2009 die Rezession zuschlug und Kunden nicht zahlten, geriet das Unternehmen in Schräglage – und suchte offensiv das Gespräch mit den Banken
Human-Finanzchef Christoph Pesenacker setzt auf umfassende Information. Wichtiges Medium: der ausführliche Quartalsbericht
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MANAGEMENT_Finanzkommunikation
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Finanzexperten bescheinigen vielen
Mittelständlern Defi zite bei der
Finanzkommunikation. Gibt es die
wirklich?
In vielen Unternehmen herrscht die
Einstellung: Tue Gutes und rede nicht
darüber. Oft sind die Unternehmer
Ingenieure oder Techniker, die nicht
gern über fi nanzielle Erfolge be-
richten. Auch spielt dabei die durch-
aus nachvollziehbare Sorge eine
Rolle, den Wettbewerbern Informa-
tio nen zukommen zu lassen.
Viele fürchten, dass offene
Kommunikation in schlechten Zeiten
mehr Nach- als Vorteile bringt.
In einer Krise ist es sogar besonders
wichtig, gegenüber Finanzierungspart-
nern Transparenz zu zeigen. Nur so
lässt sich zuvor aufgebautes Vertrauen
erhalten, das dem Unternehmen die
nötige Rücken deckung sichert. Das
setzt aber voraus, dass die Kommuni-
kation schon vorher funktioniert.
Was muss konkret kommuniziert
werden?
Kreditgeber sollten nicht nur die
Bilanz, sondern auch das Marktum-
feld, mögliche Risiken oder
Abhängigkeiten, etwa von bestimm-
ten Kunden oder Lieferanten, und
die mittel- und langfristige Strategie
kennen. Es geht darum zu wissen,
wo das Unternehmen in vier oder
fünf Jahren stehen will.
Wie können Unternehmer ihr
Informationsangebot verbessern?
Eine gute Finanzkommunikation
entsteht nicht einfach auf Knopf-
druck. Es ist ein Prozess, der neben
einem deutlichen Bekenntnis auch
Geduld erfordert. Denn Kontinuität
ist eine zentrale Maßgabe.
Stehen nicht auch die Banken in
der Verantwortung?
Absolut – und wir werden dieser
auch gerecht. Unsere Firmenkunden-
betreuer und Finanzierungsspezia-
listen verfügen über das Know-how,
Kunden beim Aufbau ihrer Finanz-
kommunika tion zu unterstützen. Wir
helfen gern, konkrete Verbesserungs-
potenziale zu identifi zieren – seien
es Inhalt, Umfang, Timing oder
Kommu nikationsweg. Die Deutsche
Bank bietet Mittelständlern zudem
regel mäßig Veranstaltungen zum
Thema an.
Findet ein Umdenken statt?
Unsere Angebote werden sehr gut
angenommen, es gibt hohen
Informa tionsbedarf. Die Kapital-
märkte, aber auch der Bankenmarkt,
befi nden sich im Umbruch. Und bei
den Unternehmen ist der Wille klar
erkennbar, die damit verbundenen
Herausforderungen zusammen
mit ihren Finanzierungspartnern in
den Griff zu bekommen.
Wie profi tieren die Unternehmen?
Eine gute Kommunikationsstrategie
bietet die Chance, sich vom Wettbe-
werb abzuheben: durch ein besseres
Rating oder einen leichteren Zugang
zu Kapital. Finanzkommunikation
wirkt zudem nicht nur nach außen.
Die Informationen sollten auch
mit den eigenen Mitarbeitern geteilt
werden. Damit die Finanzkommu-
nikation gelingt, müssen die nötigen
Informationen zunächst aber er-
hoben und aufbereitet werden. Hier-
aus kann dem Management eine
wertvolle Hilfestellung erwachsen,
die Strategie des eigenen Unter neh-
mens fortzuentwickeln.
INTERVIEW
„Transparenz ist nicht nur in der Krise wichtig“Cornel Wisskirchen ist Mitglied der Geschäftsleitung Firmenkunden Deutschland und des Management Committee Deutschland der Deutschen Bank
habe sich mit der Einführung von Basel II vor fünf Jah-
ren dramatisch geändert. „Die Banken sind gezwungen
worden, mehr zu erfragen“, sagt Paul. Freilich sieht er
auch die Kreditinstitute in der Pfl icht, wenn es darum
geht, den Austausch mit den Kunden zu verbessern.
„Sie haben eine gewisse Bringschuld. Das F eedback ist
wichtig, auch die Banken müssen kommunizieren, was
sie mit den Informationen anfangen.“
In den nächsten Jahren wird Basel III die Anforde-
rungen an die Banken und damit an ihre Kunden noch
einmal erhöhen – mehr Transparenz bei der Kreditver-
gabe ist ein erklärtes Ziel. „Die Liquiditätsversorgung
speziell des Mittelstands wird schwieriger“, sagt Lutz
Wiederstein, Finanzierungsexperte bei der Deutschen
Bank. „Das macht Finanzkommunikation notwendiger
denn je.“ Ein Patentrezept dafür gibt es freilich nicht .
„Es ist wie bei der V ermarktungsstrategie für die Pro-
dukte“, bestätigt Paul. „Jedes Unternehmen muss einen
eigenen Ansatz fi nden.“
Unerlässlich ist jedoch eine einheitliche Kommuni-
kation: „Es ist wichtig, alle Finanzierungspartner gleich
zu behandeln“, bestätigt Wiederstein. Das gelte nicht
nur für die Banken, sondern schließe beispielsweise
auch Kreditversicherer ein. „Alle müssen zeitgleich
dieselben Informationen zur V erfügung gestellt be-
kommen. Einseitige Exklusivität schürt Misstrauen bei
den anderen Partnern.“ Zudem sei die Entscheidung für
mehr Transparenz unumkehrbar: „Es gibt keinen W eg
zurück, wenn sich ein Unternehmen einmal geöffnet
hat“, sagt Wiederstein. „Wenn ein neuer Geschäftsfüh-
rer an die Spitze rückt, der das Thema kritischer sieht
oder sogar ablehnt, dann stößt das bei den Finanzpart-
nern negativ auf.“
Wer dagegen effi zient kommuniziert, nutzt auch
neue Kommunikationstechniken. „Es gibt einen star-
ken Zug dahin, sich elektronisch auszutauschen“, sagt
Paul. Einige Unternehmen gewähren ihren Kapital-
gebern gar einen Zugang ins Intranet. Selbst wenn sich
die Banker gar nicht einloggen, könne das höchst nütz-
lich sein, sagt Paul. „Schon das Wissen, dass die Infor-
mationen zugänglich sind, stärkt das Vertrauen.“
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