„Transformation trifft Tradition“ Athen gerät...

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Donaukurier, 10.09.2016

WIRTSCHAFT DK Nr. 210, Samstag/Sonntag, 10./11. September 2016 11

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„Transformation trifft Tradition“Studie: Digitalisierung ist kein Jobkiller – Werkzeugbauer Siebenwurst treibt Vernetzung konsequent voranVon Carsten Rost

Frankfurt/Dietfurt (DK) Digita-lisierung als Jobkiller – von die-ser Vorstellung hat sich der Mit-telstand in Bayern verabschie-det. Die Unternehmen rechnenlaut einer Umfrage vielmehr mitsteigendem Personalbedarf. Siemüssen die Mitarbeiter bei derdigitalen Transformation aberauch wirklich mitnehmen.

Mit dem Begriff der „digitalenRevolution“ sind nicht seltenmehr oderminder große Ängsteverbunden: Fehler zu machen,im Job nicht mehr mithalten zukönnen, gar den Arbeitsplatz aneine Maschine zu verlieren.Doch wer sich dem rasantentechnologischen und kulturel-len Wandel der Arbeitsweltnicht verschließt und sich wei-ter qualifiziert, hat kaum etwaszu befürchten. So rechnenmittlerweile 42 Prozent von 657bayrischen Mittelstandsunter-nehmen im Zuge der fort-schreitenden Digitalisierungmit einem wachsenden und 51Prozent mit einem gleichblei-benden Personalbedarf. Dieshat die Studie „UnternehmenZukunft: Transformation trifftTradition“ von TNS Infratest fürdie Commerzbank ergeben. Le-diglich 7 Prozent rechnen nochmit Jobverlusten.Nach den Worten von Chris-

tian Feil, bei dem Geldinstitutals Niederlassungsleiter zu-ständig für das Mittelstandsge-schäft in Ingolstadt, Regensburgund Passau, haben 20 Prozentaller bayerischen Mittelständlerbei der digitalen Transformati-on „die Nase vorn“. Die Firmenim Freistaat zählten in dieserHinsicht neben den Betriebenin Berlin und Baden-Württem-berg zu den Spitzenreitern.Dringend gebraucht würdenaber qualifizierte Mitarbeiter.Feil: „Lern- und Kooperations-bereitschaft stehen bei der Su-che ganz oben auf der Liste. Mitder Öffnung für Quereinsteigerund neue Zielgruppen ist derMittelstand bereits auf demrichtigenWeg.“Auf diesem Weg ist seit Län-

gerem auch der Dietfurter Un-ternehmer Christian Sieben-wurst. Er hat frühzeitig dieChancen der Digitalisierung er-kannt und konsequent Zug umZug in seinem Werkzeugbau-unternehmen umgesetzt. Nichtnur der eigene Betrieb ist kom-plett vom Auftragseingang überEinkauf, Buchführung, Konst-ruktion, Produktionsplanungund Fertigung bis hin zur Aus-lieferung komplett vernetzt.Dassenkt die Kosten – allein 4000Kilogramm Papier spart sich

Siebenwurst durch die konse-quente Digitalisierung – undstärkt die Position im Wettbe-werb. Zudem hat sich die Firmamit anderen Betrieben sowieexternen IT-Plattformen vonHochschulen, Forschungsein-richtungen und Instituten ver-netzt. So sei es möglich, „tradi-tionelle Fertigung und neueTechnologien sinnvoll und ef-fizient miteinander zu verbin-den“, sagt Siebenwurst.Das geht allerdings nicht oh-

ne entsprechend qualifizierte

Mitarbeiter. Rund 800 Beschäf-tigte zählt das Dietfurter Un-ternehmen weltweit, gut 400sind es am Heimatstandort.Und viel Personal zieht sichSiebenwurst weitgehend selbstheran: 50 Lehrlinge lernen ineiner „Ausbildungswerkstatt, inder eine komplette Fabrik dar-gestellt werden kann“. Aberauch schon länger Beschäftigtewerden ständig weiterqualifi-ziert. So mache zum Beispielderzeit „ein Mitarbeiter aus derKonstruktion eine IT-Weiter-

bildung“ um künftig auch die„Konstruktionsmethodik inProgrammiersprachen umset-zen zu können“, berichtet derUnternehmer. Aus- und Wei-terbildung lasse man sich jähr-lich „mehr als eine Million Eu-ro“ kosten.Dabei geht es Siebenwurst

offensichtlich noch gut, dennviele der in der Studie befragtenund beim digitalen Wandel be-sonders aktiven Unternehmen(digitale Transformatoren) be-klagen, dass der Mangel an

qualifizierten Mitarbeitern siebei ihren Innovationsvorhabenbremse. 71 Prozent der bayeri-schen Firmen suchten Kräftemit mehrjähriger Berufserfah-rung, auch Hochschulabsol-venten seien gefragt, so Feil.Dabei, so zeigt die Befragung,

ticken die Mitarbeiter heuteauch anders als früher. Interes-se an weiterer Qualifizierung seistark ausgeprägt, ebenso aberauch der Wunsch nach mehrFreiräumen zur Umsetzung ei-gener Ideen. Und: Die Beschäf-tigten wünschen sich – nebeneiner stimmigen Work-Life-Ba-lance – mehr Informationenüber die strategische Ausrich-tung des Unternehmens. An-dererseits besteht bei vielenMitarbeitern vielfach noch derWunsch, den Status Quo zu be-wahren und alte Arbeitsstruk-turen zu erhalten.Das ist eine klare Aufgabe für

das Management: „Die digitaleTransformation erfordert einenFührungsstil, der die Mitarbei-ter mitnimmt. Deren Wunsch,beteiligt zu werden, sollte eineErmutigung sein, neue berufli-che Perspektiven, flachere Hie-rarchien und ein innovativesKlima im eigenen Unterneh-men zu etablieren“, so Com-merzbank-Experte Feil. DieFührungskraft muss mithinmehr zum Motivator und Mo-derator werden, der mit Res-pekt, Vertrauen und schnellenEntscheidungen sowie Mut zuInnovationen seinen Verant-wortungsbereich koordiniert.In den meisten bayerischen

Mittelstandsunternehmen istdas offenbar der Studie zufolgedurchaus schon angekommen –sie verändern ihre Organisationund Kultur: Demnach werdenMitarbeitern zunehmend indi-viduelle Freiheiten eingeräumtund Möglichkeiten gegeben,eigene Projekte selbstständig zuverwirklichen. In mehr als derHälfte der Firmen gibt es abtei-lungsübergreifende Innovati-ons- und Pilotprojekte und inmanchen Betrieben – wie etwabei Siebenwurst – gibt es bereitsspezielle Expertenlaufbahnen.Allerdings scheitert die neue

digitale Firmenwelt oft noch ander mangelhaften Infrastruktur.Der Studie zufolge sind 36 Pro-zent der befragten bayerischenMittelständler „äußerst odersehr unzufrieden“ mit der digi-talen Infrastruktur – bundes-weit sind es sogar 41 Prozent.Christian Siebenwurst mag inden Chor der Unzufriedenenallerdings nicht einstimmen,denn zumindest inDietfurtwirdjetzt informationstechnisch ge-waltig aufgerüstet – „bis zumletztenAussiedlerhof“.

AnspruchsvollerWerkzeugbauwiebei der FirmaSiebenwurst inDietfurt (oben) kommtumdiedi-gitale TransformationdesUnter-nehmensnicht vorbei. ChristianSiebenwurst (rechts) setzt diesseit Jahrenkonsequent um,un-ter anderemumauchamHoch-lohnstandortDeutschlandwett-bewerbsfähig zubleiben. Für denCommerzbank-ExpertenChristi-an Feil (links) gehört er damit zudendeutschenVorzeigeunter-nehmern. Fotos: Siebenwurst, Rost

U N T E R N E H M E N A U S D I E T F U R T

Das Werkzeugbauunterneh-men SiebenwurstModell- undFormenbau GmbH & Co. KGhat seine Wurzeln in der 1897von Leonhard Siebenwurst inNürnberg gegründeten Mo-dellschreinerei.HeutewirddieGesellschaft von den BrüdernChristian Karl und LeonhardSiebenwurst geführt. Stamm-sitz ist seit 1943 Dietfurt (KreisNeumarkt). Tochterfirmenbeziehungsweise Vertretun-gen gibt es in Zwickau und Ei-

senach,Dillenburg,München,Rohr sowie in Schanghai undShenyang (China), Greenvil-le/Spartanburg (USA) Queré-taro (Mexiko), Lomianki undKielce (Polen).Insgesamt zählt Sieben-

wurst rund 800 Beschäftigte,davonetwa400 inDietfurtund200 in Zwickau und Eisenach.Insgesamt erwirtschaftete dieUnternehmensgruppe imvergangenen Jahr rund 80MillionenEuroUmsatz, wobei

47,5 Millionen Euro allein ausDietfurtkamen.Die Angebotspalette reicht

im Wesentlichen von Konst-ruktionsdienstleistungen so-wie Konzept- und Serienent-wicklungen über die Herstel-lung von Umformwerkzeugenbis hin zum Bau von Spritz-gieß-, Druckguss- und Press-formen. Große Kunden vonSiebenwurst sind unter ande-rem Automobilhersteller wieAudioderBMW. DK

Noch Lücken bei Nutzung digitaler TechnikIT-Ausbildung in Betrieben: Bildungsministerin Johanna Wanka stellt 50 Millionen Euro zur Verfügung

Berlin (DK/dpa) Trotz fastflächendeckender Ausstattungmit Computern nutzen vieleBetriebe in Deutschland digi-tale Technik nur teilweise. Sosind Tablets in zwei von fünfBetrieben den Führungskräftenvorbehalten, wie eine am Frei-tag in Berlin vorgestellte Studieim Auftrag des Bundesbil-dungsministeriums ergab. Da-für befragten das Bundesinsti-tut für Berufsbildung (BIBB)und TNS Infratest bundesweit3000 Betriebe zur Nutzung di-gitaler Medien in der betrieb-lichen Aus- und Weiterbildung.

Der Untersuchung zufolgenutzen auch nur 44 Prozent derBetriebe soziale Netzwerke wieetwa Facebook. In der Ausbil-dung setzen sechs von siebenBetrieben internetfähige Gerä-te ein – Lehrbücher spielen abereine weit größere Rolle alsLernsoftware.Bildungsministerin Johanna

Wanka (CDU) sagte: „Die Be-triebe sind etwas skeptisch, wasbetriebsspezifische Lernsoft-ware anbelangt.“ Mit verschie-denen Programmen im Volu-men von 50 Millionen Euro un-terstütze ihr Haus 2017 die Di-

gitalisierung in der beruflichenBildung. Ein Ziel sei es, dieTechnik und die Fähigkeitenverstärkt in kleinere und mitt-lere Unternehmen zu bringen.Ab 20 Beschäftigten würden

Geräte mit Internetzugang aus-nahmslos genutzt, Kleinbetrie-be haben zu 98 Prozent dieseGeräte. Neuentwicklungen wieDatenuhr, Wearables oder Da-tenbrille werden von 3 Prozentder Kleinbetriebe genutzt, abervon mehr als doppelt so vielender größeren Firmen. Führendseien Handel, unternehmens-nahe Dienstleistungen sowie

Fahrzeughersteller und derMaschinenbau.Nachholbedarf machte Wan-

ka vor allem in Teilen der Gast-ronomie und des Baugewerbesaus. Michael Heister, Expertefür berufliche Bildung am BIBB,sagte, digitale Geräte seien inden Betrieben zwar weit ver-breitet. „Aber die Beschäftigtensind dem nicht unbedingt ge-wachsen.“ Als „überraschend“bezeichnete es Wanka, dass fastjeder zweite Betrieb die IT-Grundkenntnisse seiner Aus-zubildenden nur als ausrei-chend bezeichnet.

Macht Millionen locker für Digi-taltechnik in der Berufsbildung: Mi-nisterin Wanka. Foto: Kappeler/dpa

41 MillionenWohnungenWiesbaden (AFP) Die Zahl der

Wohnungen in Deutschland istin den vergangenen Jahren ge-wachsen. Ende 2015 gab es ins-gesamt 41,4 Millionen Woh-nungen, wie das StatistischeBundesamt in Wiesbaden amFreitag mitteilte. Seit dem Jahr2000 sei der Wohnungsbestandum knapp sieben Prozent an-gewachsen. Statistisch gesehenkommen zwei Einwohner aufeine Wohnung. Die Wohnflä-che vergrößerte sich den An-gaben zufolge in den 15 Jahrenvon knapp 85 Quadratmeter aufrund 92 Quadratmeter proWohnung. Pro Einwohner er-höhte sich der Wohnraum von39,5 Quadratmetern auf knapp46 Quadratmeter.

Athen gerätwieder

unter DruckBratislava (AFP) Die Finanz-

minister der Euro-Länder ha-ben das mehrfach vor demStaatsbankrott gerettete Grie-chenland vor weiteren Verzö-gerungen bei der Umsetzungverlangter Reformen gewarnt.Die Euro-Gruppe forderte amFreitag in Bratislava von der Re-gierung in Athen mehr Tempo,um den Weg für die Auszah-lung einer weiteren Hilfs-tranche von 2,8 Milliarden Eurofrei zu machen. Bekommt Grie-chenland bis Ende Oktobernicht die Kurve, wäre das Geldvorerst weg.„Der Sommer ist vorbei, packt

die Campingausrüstung ein“,sagte Euro-Gruppenchef JeroenDijsselbloem (Foto) zum Auf-takt des Tref-fens der Euro-Finanzminis-ter mit Blickauf Griechen-land. „DerDruck ist zu-rück. Wirbrauchenwirklich Fort-schritte.“Nachden Beratungen sagte er, dieMinister hätten Athen sehr klargemacht, dass das Reformtem-po beschleunigt werden müsse.Ursprünglich hätten die ver-

langten Reformen bis MitteSeptember umgesetzt werdensollen.WieEU-Wirtschaftskom-missar Pierre Moscovici sagte,sind aber bisher erst zwei von15 Reformen vollständig ver-abschiedet.Bei den Reformen geht es

insbesondere um Privatisie-rungen, den Energiemarkt undeine unabhängige Behörde zurÜberwachung der Staatsein-nahmen. Ein Knackpunkt ist diepersonelle Besetzung des Auf-sichtsrats des griechischen Pri-vatisierungsfonds. Länder wieDeutschland sehen die Vor-schläge für die drei griechi-schen Vertreter laut EU-Krei-sen kritisch. Der Aufsichtsratwürde das Management ernen-nen, erst dannkönntederFondsdie Arbeit aufnehmen.Der griechische Finanzmi-

nister Euklid Tsakalotos sicher-te zu, die Reformen bis EndeSeptember umzusetzen. Es sei„im Interesse aller, schnell zumAbschluss zu kommen“, hieß esaus seinem Ministerium. Bun-desfinanzminister WolfgangSchäuble (CDU) blieb gelassen.Es sei „nicht neu bei Griechen-land, dass wir die Umsetzungder Maßnahmen immer erst inder Endphase der vereinbartenZeit erleben.“ Foto: Singer/dpa

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