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Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Vorlesung 18.12.2014

Bradykarde

Herzrhythmusstörungen und

Schrittmachertherapie

Christian Pott

Abteilung für Rhythmologie

Dept. Für Kardiologie und Angiologie

Vorlesung Bradykardien

Physiologie der Erregungsausbreitung

Vorlesung Bradykardien

Definition, klinisches Bild und

Epidemiologie

Definition:

Normale Herzfrequenz: 60 – 100 /min

Bradykardie: < 60 / min

[Inadäquate Herzfrequenz]

Klinisches Bild:

Eingeschränkte körperliche Belastbarkeit mit Belastungsdyspnoe

(Bild der „chronotropen Inkompetenz“)

Schwindel, arterielle Hypotonie

Kollaps

Synkope („Adam-Stokes Anfall“)

Asystolie und kardiogener Schock

Vorlesung Bradykardien

Diagnostische Mittel

Puls

12-Kanal Ruhe-EKG

Belastungs-EKG

Körperliche Untersuchung

Langzeit-EKG (Holter)

Eventrecorder

Implantierbarer EKG-Speicher (Reveal ®)

Monitoring (Telemetrie)

Ausschluss einer strukturellen Herzerkrankung

unbedingt Versuch der

„klinischen Korrelation“

Implantierbares „Reveal“ Eventrecorder

Vorlesung Bradykardien

Ätiologie

Idiopathisch („conduction disease“, Fibrosierung

des Reizleitungsgewebes)

Chronische Ischämie

Strukturelle Herzerkrankungen (Vitien, Hypertrophie, Herzinsuffizienz)

„Reaktive“ Bradykardien

Iatrogen (Hochfrequenzablation, transseptale Septumablation,

Klappenersatz)

Physiologisch / konditionell:

Kinder- / Jugendalter

Leistungssportler

Nächtliche Bradykardien (hoher Vagotonus)

Vorlesung Bradykardien

Ätiologie: Potentiell reversible

oder passagere Ursachen

Akuter Myokardinfarkt

Medikamentenwirkung (Betablocker, Digitalis (-intoxikation),

Ca2+-Antagonisten)

Elektrolytstörungen (Hyperkaliämie)

seltener:

Iatrogen (Kathetherablation, herzchirurgischer Eingriff, Klappenersatz)

Endokarditis (Abszess)

Myokarditis

Borreliose

ZNS-Erkrankungen (Hirntumor, erhöhter Hirndruck, Trauma)

Vorlesung Bradykardien

Nomenklatur und Kategorisierung

Erregungsbildungsstörungen

- Sinusbradykardie

- Sinuspause

- Sinusknotenarrest

Überleitungsstörungen

- AV-Blockierungen, Schenkelblockierungen

spezielle Bilder

- Sinusknoten-Syndrom

- Bradykard übergeleitetes Vorhofflimmern

(Bradyarrhythmia absoluta)

- „Reaktive“ Bradykardien (Karotissinussyndrom,

vagale Reaktion)

Vorlesung Bradykardien

Sinusbradykardie / Sinuspause

12.5 mm/s

Sinusbradykardie mit atrialen Ersatzschlägen

Sinuspause

Vorlesung Bradykardien

Sinusbradykardien: Sinusarrest

Langzeit-EKG mit progressiver Sinusbradykardie, dann Sinusarrest,

Herzstillstand und Versterben des Patienten im kardiogenen Schock

• AV-Block I° • PQ > 0.2 s

• 1:1 Überleitung

• AV-Block II°, Wenckebach*

• Zunehmende PQ-Dauer bis zur Blockierung einer Überleitung

• „Suprahisär“

• AV-Block II°, Mobitz*

• Plötzlicher Ausfall der AV-Leitung

• Meist bestehende QRS-Verbreiterung

• „Infrahisär“

• AV-Block III° • AV-Überleitung komplett unterbrochen

• AV-Dissoziation

Vorlesung Bradykardien

AV-Blockierungen: Schema zur

Kategorisierung

* Sonderform des AV-Block II°: Konstante 2:1 Überleitung, daher Wenckebach-Periodik nicht beurteilbar. In diesem Fall gilt: Wenn schmaler QRS-Komplex: eher suprahisär.

Atrioventrikulärer-Block (AV-Block)

AV-Block I

Isolierte Leitungsverzögerung = PQ-Zeit verlängert

Leitungsverzögerung meist oberhalb des His-Bündels

Vorlesung Bradykardien

AV-Blockierungen: AV-Block IIº

Typ 1 (Wenckebach): zunehmende PQ-Dauer bis hin zum

Ausfall eines QRS-Komplexes. Im Folgenden Wiederholung

des Zyklus (=Wenckebach-Periodik).

AV-Block II

Typ Mobitz

PQ-Zeit konstant (normal oder verlängert),

Leitungsunterbrechung in regelmäßigen

Abständen mit QRS-Ausfall (2:1-, 3:1-Block)

Blockierung meist im oder unterhalb des

His-Bündels, Übergang in kompletten AV-Block

relativ häufig

AV-Block III

Erregungsleitung von den Vorhöfen zu den

Kammern völlig unterbrochen; Vorhöfe und

Kammern arbeiten in einem voneinander

Unabhängigen Rhythmus (Dissoziation)

Die Kammern haben einen völlig regelmässigen,

langsamen Ersatzrhythmus

Vorlesung Bradykardien

AV-Blockierungen: Prognose und

klinische Bedeutung AVB Iº

- In der Regel gutartig

- Geringes Risiko des Überganges in einen totalen AVB IIIº

- Keine Symptomatik

AVB IIº

Typ 1 (Wenckebach):

- „Suprahisär“

- Geringes Risiko des Überganges in AVB IIIº

Typ 2 (Mobitz):

- „Infrahisär“

- Hohes Risiko des Überganges in AVB IIIº

- Oft symptomatisch, erhöhte Letalität

AVB IIIº

- Oft symptomatisch, erhöhte Letalität. Wenn angeboren, jedoch oft

günstiger Verlauf.

Vorlesung Bradykardien

Faszikuläre Blockierungen als Vorläufer

des AVB IIIº

Linksschenkelblock (LSB)

[oder auch linksanteriorer (LAH)

oder linksposteriorer (LPH) Hemi-

block]

Rechtsschenkelblock (RSB)

Der Schenkelblock

RSB LSB

Vorlesung Bradykardien

Ersatzrhythmen

AVB ºIII mit „hohem Ersatzrhythmus“: schmale QRS-Komplexe

AVB ºIII mit „tiefem Ersatzrhythmus“: breite QRS-Komplexe, ventrikulärer

Ersatzrhythmus

Vorlesung Bradykardien

Ersatzrhythmen

Vorlesung Bradykardien

Spezielle Bilder:

Bradyarrhythmia Absoluta

Bradyarrhythmia Absoluta: Vorhofflimmern mit bradykarder Überleitung.

Absolut arrhythmische RR-Abstände, keine P-Wellen, ggf. Flimmerwellen.

Vorlesung Bradykardien

Spezielle Bilder: „Brady-Tachy-Syndrom“

(Sinusknoten-Syndrom, SSS (Sick Sinus Syndrome))

25 mm/s

EKG-Beispiel: zunächst tachyarrhythmisches Vorhofflimmern, dann präautomatische

Pause mit teils Sinusschlägen und teils Ersatzschlägen.

Möglicher Pathomechanismus: Verlängerte „Sinusknotenerholungszeit“ nach

Terminierung von paroxysmalem Vofflimmern.

Ähnlicher Mechanismus möglich bei elektrischer Kardioversion von Vorhofflimmern (ggf.

aggraviert durch bradykardisierende Medikation).

Per Definitionem kann das Sinusknoten-Syndrom umfassen: Episoden von tachykardem

Vorhofflimmern, tachykarden Vorhofersatzrhythmen, inadäquate Sinusbradykardien,

Sinusarrest / -pausen, AV-Blockierungen.

Vorlesung Bradykardien

„Reaktive“ Bradykardien

Gemeinsamer Pathomechanismus: plötzliche (inadäquate) Erhöhung des

Vagotonus mit folgender parasympathisch vermittelter negativer Chronotropie.

Manifestation als Bildungs- und / oder Überleitungsstörung (sowohl Sinus- als

auch AV-Knoten sind parasympathisch innerviert).

Karotissinus-Syndrom: Karotisdruck, Halsbewegungen bei engen Kragen

oder Krawatten bewirken eine plötzliche Aktivierung des Vagotonus

mit reaktiver Bradykardie.

Vasovagale Reaktion: Angst, Schmerz, Stress (bei ggf. herabgesetztem

AZ) erhöhen den Vagotonus.

Vorlesung Bradykardien

Reaktive Bradykardien:

Karotissinussyndrom

Karotissinus-Syndrom: Karotisdruck führt zu Sinusbradykardie kombiniert

mit intermittierendem AV-Block. Dann vorübergehend Ersatzschläge mit

schließlich Erholung des Sinusrhythmus.

Vorlesung Bradykardien

Überlegungen zur Therapieindikation

Ist eine Therapie indiziert?

Symptomatik? Akuttherapie

Ist über die Akuttherapie hinaus eine dauerhafte Therapie indiziert?

Reversibilität des Pathomechanismus möglich bzw.

ist die Ursache passager?

Behandlung der Ursache und Abwarten des klinischen Verlaufs

unter strengem Monitoring

Bei Symptompersistenz Schrittmacherimplantation

Reversibilität des Pathomechanismus nicht möglich?

Schrittmacherimplantation

Vorlesung Bradykardien

Passager oder reversibel?

Möglicherweise passager oder reversibel:

Medikamentenwirkung (Betablocker, Digitalis (-intoxikation)),

Ca2+-Antagonisten)

Elektrolytstörungen (Hyperkaliämie)

Akuter Myokardinfarkt (Hinterwandinfarkt)

Iatrogen (Kathetherablation, herzchirurgischer Eingriff)

Endokarditis (Abszess)

ZNS-Erkrankungen (Hirntumor, erhöhter Hirndruck, Trauma)

Therapieprinzipien bradykardie HRST

- akut: medikamentös, Katecholamine (vorzugsweise Orciprenalin, Atropin)

- akut: Schrittmacher „passageres Kabel“

- Warum hat dieser Patient bradykardien?

- Herzinfarkt? Kalium? Bradykardisierende Medikation? Kürzlich erfolgte Herz-OP oder Intervention?

- E-Lyte-Ausgleich, ggf. Dialyse, bradykardisierende Medikation absetzen, ggf. Infarkt behandeln

Vorlesung Bradykardien

Akuttherapie

Therapieprinzipien bradykardie HRST

- 1-, 2- oder 3-Kammersysteme

- Heutzutage häufigstes System: 2-Kammersystem (Vorhof- und Kammerelektrode (DDD))

- VVI-Systeme (nur Kammerelektrode) bei permanentem Vorhofflimmern

- „kleine OP“, häufig in Lokalanästhesie möglich

- Komplikationen: Blutung, lokaler Infekt, Pneu, Perikardtamponade, Sondeninfekt („Sondenendokarditis“), Sondendefekt

- Heute selten: „Schrittmachersyndrom“ (VVI-Systeme), Schrittmacher-tachykardien (DDD-Systeme)

Vorlesung Bradykardien

Dauertherapie

Christian :

Hinweis auf

Pocketguidelines

DGK

www.dgk.org/leitlinien

Vorlesung Bradykardien

Prognostische Indikation zur

dauerhaften Schrittmachertherapie

Generell gilt: Dauerhafte Schrittmachertherapie nur für symptomatische

Patienten ( = therapeutische Indikation).

Ausnahmen sind die folgenden Konstellationen:

Erworbener permanenter AVB IIIº (nicht jedoch der angeborene AVB IIIº)

intermittierender AVB IIIº und / oder AVB IIº Typ 2 (Mobitz)

Pausen > 7s

Hier erfolgt die dauerhafte Schrittmachertherapie, da das Auftreten einer

Symptomatik zu einem späteren Zeitpunkt wahrscheinlich ist

(=prognostische Indikation).

Vorlesung Bradykardien

Wiederholung und Zusammenfassung

der wichtigsten Punkte

Symptomspektrum und Ätiologie Mögliches Symptomspektrum

Keine (asymptomatisch)

Schwindel, Kollaps, Präkollaps

Belastungsdyspnoe (Bild der „chronotropen Inkompetenz“)

Synkope

Plötzlicher Herztod (Asystolie)

Ätiologie: Potentiell reversible oder passagere Ursachen

Akuter Myokardinfarkt

Medikamentenwirkung (Betablocker, Digitalis (-intoxikation),

Ca2+-Antagonisten)

Elektrolytstörungen (Hyperkaliämie)

seltener:

Iatrogen (Kathetherablation, herzchirurgischer Eingriff, Klappenersatz)

Endokarditis (Abszess)

Myokarditis

Borreliose

ZNS-Erkrankungen (Hirntumor, erhöhter Hirndruck, Trauma)

Vorlesung Bradykardien Zusammenfassung

• AV-Block I° • PQ > 0.2 s

• 1:1 Überleitung

• AV-Block II°, Wenckebach*

• Zunehmende PQ-Dauer bis zur Blockierung einer Überleitung

• „Suprahisär“

• AV-Block II°, Mobitz*

• Plötzlicher Ausfall der AV-Leitung

• Meist bestehende QRS-Verbreiterung

• „Infrahisär“

• AV-Block III° • AV-Überleitung komplett unterbrochen

• AV-Dissoziation

Schema zur Kategorisierung

I Reizbildungsstörungen: Sinusbradykardie, Sinuspause, Sinusknotenstillstand

II Reizleitungsstörungen:

Vorlesung Bradykardien (Zusammenfassung)

Algorithmus zur Therapieindikation

symptomatische Patienten:

Akuttherapie (Atropin, Orciprenalin, passagerer Schrittmacher)

Ist über die Akuttherapie hinaus eine dauerhafte Therapie indiziert?

- Reversibilität des Pathomechanismus möglich (z.B. Infarkt)?

Behandlung der Ursache und Abwarten des klinischen Verlaufs

unter strengem Monitoring

Bei Symptompersistenz Schrittmacherimplantation

- Reversibilität des Pathomechanismus nicht möglich?

Schrittmacherimplantation (permanentes System)

asymptomatisches Patienten:

Schrittmacherimplantation bei: AV II Typ Mobitz; AV III oder Pausen > 7s

Vorlesung Bradykardien

Online Informationen

Up to Date (www.utdol.com)

Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie

(mit „Pocketleitlinien“) (www.dgk.org/leitlinien)

bei Rückfragen: christian.pott@ukmuenster.de

Danke für die Aufmerksamkeit!

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