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süße ^unst von einst

5I,, In der Allstadt, in den Auslagen einer Non»ditorei sind wir ihr begegnet. In einem lustigen

kleinen Laden, der noch soganz unberührt von den

Einflüssen der modernen Geschäftsgestaltung ein vcr>;

träumte« Dasein führt. Nichts lockt an seinemAeuhern. Im Innern aber fcheint all die Gemütlich»leit einer fernen Zeit eingefangen

zu sein. Dasschnötlelfreudige Mobiliar fchaut aus wie knusprigesZuckerzeug vergangener Tage. Auf den Regalen blm>;

l«n in Glastö^ken rot» und grüngolden eingekapselteIühigleitcn. L? ist ein Laden, zu dem die Kinder

eine »»begrenzte Zuneigung verspüren. Viel vondem, was er birgt, entsprich! ihrer bescheidenenKaufkraft. Zu zweien und dreien halte» sie vorseinen

Auslagen Rat, und wenn sieeingetreten sind,

verlangensie ohne Schen einen Zehner Ver>;

brochenes", erkundige» sich, ol>; für dreißig Rappe»

Prali»ees zu erstehe» si»d oder beiverben sich umeinen himbeerroten Zuckerstrugrl,

Hier nun wird in der Auslage, eingebettet i»eine» grauen Pappkarton, die susie, reizvolle Knustdargeboten, die so herrlich in den Nahmen des llei»

,/, >;» /7, /«^/»/

nen Ladens paßt, Sie ist ei» Veiinächtnis de? Zur»chei Zuckerbäckers Rudolf Breinnrald. der nm dieMitte des letzten Jahrhunderts an der Torgasir ei»gut sre>;Nientiertes Geschäftlein sührtc. Der Chronistweis, von ihm nicht viel mehr z» melden, als daß ereinem altangrsrhrnrn Männedörfler Geschlecht ent»

stammt und ik'.'s! geboren wurde, Rudolf Ärennn'aldgalt als famoser Znclerbäcler »nd ge»oß gleichzeitig

de» Rus. einer der besten Zürcher Modelstecher zusein. Damals belaßle» sich die Zuckerbäcker allgemein

mit der Herstellung der so libera»« beliebte» Tirggel,die gemäß alter »eberliejerulig mit heimelige» Bi!>;

der» geschmücktsind. Jeder Zuckerbäcker mußte auch

von, Formenstrchrn etwa» verstehen, Freilich, einesolche Meisterschaft »nd so viel rrichblührndrn »»»st»sin», wie dieser Zürcher Zuckerbäcker habe» nurwenige feiner Zunft bewiesen, Sogar die Werlemancher berufsmäßigen Model siecher hat er mitseinem «minen i» de» -chatten gestellt. Die Fülleseiner hinterlassene» K»»s!wrrllei» brl»»det, wiesehr er der Strchrrri ziigrla» war »nd wie viel Zeiter ihr geopfert hat, (,'inr

erkleckliche Zahl ist in den

Besitz des Konditors in der Altstadt gelangt,dessen

Vater die Lrhrzri! bei Zuckerbäcker Brennwald absol»viert hat, Nur ei» Teil der Mode! war ursprünglich

wohl zum Schmock der goldigbiaune» Honigüiggcl

bestimmt. ßine ganze üirihr scheint z»r Zierde«»derer Bäckereien, N'ie der Anisgntzli rrsckiasfri!worde» zu sein. Auch ihr derzeitiger Besitzer formtdie Plastik ihrer liebreizende» Bildwerke aus süßemAmstein,, dem zwar leine dörner, wohl aber dasdaraus gewonnene ü» sein seine? Aroma schenlt.Denn die Gesichter der eleganten Herrl,» »nd Dame»zu Pferd und im Schlitten, die unifiziere, soldaten.Ratsherren, Tänzerinnen »nd Spaßmacher sollennicht durch die schwarzen Kölnlei» entstellt werden,

In vielen dieser Miniaturbildwcrlc sprüht fränzi,'»

^lc>;<;/<;-// mit /)>;,ss,i.'<; /"/i^.'i

sucher Esprit und sranzösischeßlrqanz. und e5 ist

anzunehmen, daß Rudolf Brennwald seine Suiet?zu», Teil aus Pariser Modegazetten und den da?gesellschaftliche Leben der damaligen Zeit schildern'den Publikationen entnommen hat. Mi! erstaunlicherGestaltungskraft, feinem Geschmack und in einerLinienführung, die durch

Eleganz überrascht, hat eres verstanden, sie zu Modelbildern umzuarbeiten.

Beinahe wären diese werwolf» T'olnini'nle »nie»»er Volkskunst vor ein paar Jahren einen, schmäh'

l'chen Feuertod M» ^psrr gefallen, Seit langen,lagen

sie unbenützt und verstaubt i» einer Vorrats»lammer de? Zuckerbäckers «nd versperrten viel Platz,

Dir resolute Bäckeiineifteli» hatte lchon den Plangefaßt,

sie alle gelegentlich rinn» rnlnnlolrn Frnrrtodz» überantworte», In legler ^!»nde »och lonnlediese

Ingnifition verbindrr! »'erden, Znin »el'erflußN'äre ihr auch »och ein S!oll brdrulrnd älterer, hochs!

reizvoll bebilderter ^iodr! mit B!mnr» lind Tier»nioliven ans der Spätt'irdi'rmrirriril und mi! Dar»strllungrn von Hans» u»d Spiclgrrätru, N'ie bei»spirlsn'eise dem herzige» ,zu!u Opfergefallen.

Da» mit diele» alle» Modeln mußübrigens verstanden sein. Mit größter Vorsicht >;oer>;

den die «online» der Zeichnung ans der Teigmasseherausgeschnitten, aber trotz aller BrhnÜamlril ge>;

schirlit es doch zuweilen, daß sich ei» Öändchrn, ei»Kopf vom körper trennt. Der Znckcrl'äckrr jrdosl, hatau der Gestattung

dieser süßen Kimstwrrlr seinefreude gefunden uud sieht nun seine Michrn bclohn!.Mancher Vorübergehende lenlt, von den ^eitern undschonen Damen i» der Pappschachtel anerzogen, seine

schritte zur Ladentüre und wählt ans der illustrenGesellschaft ein Paar Figürchen, ?!ich! »m dem Gau»men ein Genuß, sondern um den Augen ein ßnt»

zücken zu sein.

7^'imos/e/l

Von Louise Z t i a » 3 >; E r n st

Gabrielle Dumoulin war schon im Abendkleid, alsder ,stolb abgegeben wurde, «umsichtig beugte

sie sichdarüber. .Lisette', rief sie. .haben Sie da« Gemüsebestellt?'

Die Zofe eilte herbei, sah den Nord an und kicherte:.Aber. Madame, da? ist doch gar lein Gemüse, ei si»dlauter Orchidee».'

.So viele?" w»»der!e sich Frau Gabrielle. .Vonwem den»?'

Die Zofe lauerte nieder und begannzunächst

eifrigzu zählen zwanzig, fünfundzwanzig, achtunc>;»zwanzig, dreißig, vierzig. Jawohl. Madame, es findvierzig Stück »nd noch viel Grün dazwischen. Hierist auch eine Karle."

.Noland de Tibourg', murmelte Frau Gabrielleüberrascht. Und dann las sie in einer seinen, etwasaltmodischen -chris! .Nehmen Sie, liebe Freundin,diefe wenigen Blumen c>;^ Zeichen meiner Ver.ehrung und mit meinen respektvollsten Weihnachts,wünsch«,.' ... .Sieh mal an. das hätte ich nicht ge»dach,.'

.Sie sind wunderbar und bestimmt sehr teuer',plauderte die vorlaute Lisette, .aber ich

glaube.Madame mühte jetzt gehen, um zur Weihnachtsgesell.

schaft »ich« zu fpät zu kommen. Vielleicht steckt Madamezwei von den Orchideen an; wahrscheinlich ist dochHerr de Tibuurg

auch bei den Pinauds eingeladen,und dann sieht er gleich, wie Madame sich

gefreut hat.'Frau Gabrielle vergaß völlig.

Lisette wegen ihresüberflüssige» Geplapperszu tadeln, und ließ sichgeduldig von ihr die Orchideen zwischen die schondrapierten Schulterfaltcn de? braunroten Abendkleides

stecken.

.Wie schon das Braun und Violett der Blumen indem Samt aussieht', lobte Lisette, .Madame wird de»

stimmt heute abend Erfolghaben."

Noland de Tibo»rq nahm aber »ich! an der Pinand.schen Gesellschaf! teil. Um so nn'hr Zeit und Mnßrhatte Fra» Gabrielle, über diese überraschende A»f>;

merlsamkeit »achzndenle». Gewiß, sie lann!r Rolandde Tibonrg

seit langer Zeil, l5r war ein freund ihre?frühverstorbenen Gatten gewesen, hatts sie auch hinler,her manchmal besuch! und ihr in durch,»,? schicklicherForm ein wenig den Hof gemach!. Aber vierzigOrchideen das ging doch wohl übri da? Maß rinerlonvenlionrllen Höflichlril hinaus. Besonder» wennman wnsilr, daß Herr de Tibourg allgemein für ganzbesonders sparsam, ja für geizig galt.

Ganz entschiedenredeten die Orchideen eine zwar stumme, doch deutlicheSprache.

Fra» Gabrielle lächelte vor sich hin und mustertesich verstohlen in einem der zahlreiche» Wandspiegel,mit denen das Pinaudsche Hans ausgestattet war. Siesah immer »och recht gn! und s!a!tlich aus. Schließlich,warm» sollte sie »ich! einem Mann ebenso

gut gefallenwie diese alberne» jnngrn Dinge, die da in ihrenhellen Taftkleidern herumhopsten?

Fra» Gabrielle war an diesem Weihnachtsabendleine besonders »»«erhaltende Gesellschafterin. Abersie

langweiltesich keine» Augenblick. De»» sie war

mit den angenehmste» Gedanken beschäftigt.

Doch auch Fran Gabrielle war eine sparsame Fia»war das nicht sogar eine Seelenverwandtschaft mit

Roland de Tibonrg, den sir im stillen schon al? ihren.gnten, alten Freund" bezeichnete? So fand Lisetteihre Herri» schon

zeitig am Weih»achl?morge» überde» Kübrl im Vorzimmer gebeugt, i» dem die Ör>;

chidee» die Nach! über aufbewahrt »'orden wäre»,

.Soll ich Madame helfen, die Blumen ans dieZimmer z» verteile»?' fragte sie,

.Nein, Lisette, ich denle mir, wen» wenige davonauf meine», Schreibtisch stehe», wird das genüge»

selbst wen» Herr de übourgmich besuchen sollte. Aber

mit de» andern konnte ich manchen meiner Bekannteneine Weihnachtsfreude bereiten. Binden Sie sie dochbitte in kleine Buketts zu zweie» ab uud nehmen Siedaz^i von dem Grün, das im Korbe liegt. SogarSeidenpapier ließ man irrtümlich darin. Das kommtuns gut zurecht.'

Nährend Lisrüe de» Besrhl ausführte, schrieb Fra»Gabrielle zahlreiche Glückwnnschlärtchen mit de»Adressen ihrer Belanntc». und dann wurde Lisette, aufden Weg geschickt.

Ein wenig später an. Vormittag trlrphouirrleRoland de Tibonrg, erlnüdiqlr

fich nach MadamesBefinden und fragtr, ob er persönlich seine Weihnachts,

wünsche ausbrechen dürfe, ?as lourde ihm natürlichhoheitsvoll gestatte!. Und gegen Mittag klingelte eran Frau Gabrieles Wohnung, Sir mnßtr ihin selbs!die I5i offnen, d Lisrttr von ihrem Rundgang

nochnicht zurückgrlrhr! war. nnd grlrürlr ihn in den Salon.

Bald saß er in einem Fantruil. ein GläschenSherrh vor sich, lll'nnntr sein Monokel ein nnd sagte:

»Wundervoll sehen Sie wieder an?. Fran Gabrielle.Wie gut Ihuen diese? ro!e Klrid steht! »nd Ihr Teintist fiifchei als je.'

.Wie foll man »ich! gu! aussehe»', lächelte Fra»Gabrielle geschmeichel!, man .zu Weihnachtenfo verw0h»t wird wie ich,,. Sehen Sie", führ sieplaudernd fort, flehen Ihre herrlichen Orchideen,mit dc»e» Sie mich w rrsrrnl haben.'

»Ach die paar Blnmrn", wehrle Herr de Tibonrgbefcheiden ab.

Doch in ihrem schlecht» Gewissen legte FrauGabrielle die Bemerkung

falsch aus. andern',sagte

sieeifrig, «wollte ich ganz nahe bei mir haben.

Sie stehe» iu meixem Aulleidezimmer,"

Herr de Tibourg sal>; sie ei» bißche» blöd an: aberdas fiel ihr weiler »ich! ans. Sie wai!r!e ja aufetwas, »nd richtig n»u nah!» er einen Anlauf undbrachte mit einigen Anstrengungen hervor: .Liebe, vcr.ehrte Freundi», eben wege» der Blume» inöchle ichmit Ihnen sprechen.'

.Aber bitte', hauchte Frau Gabrielle, gibtes de»» so Gehrimu>;?vollr??" Und sie sah ihn mitverschämtem Lächeln an, während die Hände nervi!?de» Sloff des Kleide? glnlt strichen,

»Ja also, nämlich, e? ist da etwas recht Dummespassiert. Sie wisjr», mrine Liebe, daß ich mit meinenEinkünften sehr hanshalten mnß,"

.Natürlich, natürlich', bekräftig!? Fran Gabrielle,immer noch

optimistifch,

»Ja, »nd da alfu habe ich einen ganzen KorbOrchideen in der Markthalle getan!!,

dessen Inhal! ichan alle meine Freunde und Belannle verteile» wollte.So lomite ich für einen nicht z» hohen Preis viele»eine WeihxachlKsreuoe bereiten »nd meine Verehrung

beweisen.'

Fran Gabrielle »rar blaß geworden, sagte abernichts,

gab also', führ Herr dr Tibmirg, durch die?

zustimmend!' Schweigen erninügt, sor!, Sohnmeines Hausmeisters die Blumen in'!'!! zwanzig

adressierten Kärtchen, l5r folüe sie am Weihnachts»abend, z» kleine» Bullits gebunden, bei allen Freun»den abgeben. Aber if! nnn der Junge so dumm, daßer mich »ich! verstanden hat? i7der hiibl' ich ihm an,Ende nicht genng Trinkgeld gM'l'l'n? «urz. er hatalle Orchideen bei Ihnen abgegeben, denn Sie standenals ßrste ans der Lifte. Und alle andern haben nurdie Glückwünschkarti',! empfangen, .i,'nn, das werdenSie begreifen, bin ich in riner peinlichen Lage, Dennhexte, an, Weihnachtstag,

sind alle Vluim'ngri'chäflegeschlossen. Ich möchte Sie nnn sehr bitten, mir dieirr!üml!ch zn Ihnrn gebrachlen Binnen zn überlassen.Natürlich werde ich Ihnen dann gleich andere schicken.'

..,.wrnn dir Markthalle wirdrr geöimrt ist, ichverstehe', ergänzte Fran Gabnrllr mi! rimirirorrnemLächeln, lieber Freund, der Irr»!um so»

glrich wird« gnl gemach! werden. Ich mnßSie nur bitten, warten zu wollen, bi? meine Zofewiederkommt damit sie Ihnen allrs zusammenpackt,"

Im stillen hojflr Fran Gabrielle nämlich, daß diefindige nnd lebenskluge Lifrtte schon eine Lösung fürdie? Nbrran? peinliche Problem finden würde,

Eben wnrdr dir (5!agrnli!r geöffnet, »nd in ihrerßileichtelung rief Fran Gabriella wie sonst nur,wem, sie allein war: Sie'?, Lisrllr?"

Midann'". ru'f dir srüchr Stimme derZofe. Und da sie annrhmrn nnißlr, daß ihre Herrinallein sei.

sügtrsie in vertraulichem Ton Hinz»:

ist erledig! und abgegeben, Nur dir Baronin dr MarsacIcheint verreist zu sein. Man ha! die Tür »ich! geöffnet.

Da Hab' ich die Orchideen, dir für sir bestimmt warr»,wieder mitgebracht.

Wohin foll ich sir stellen?"Abrr Lisrüe bekam leine Anlwort. Sie braucht?

a»ch gar leine. Drnn gleich daranf fah sir, wir Herrde Tibonlg a»s drm Salon trat nnd sich, sehr blaß,übrr die Hand von Frau Gabrielle ueigle, die uochviel blasser war.

Nie mehr hat Fran Gabrielle ihren FreundenOrchideen zu Weihnachten geschickt.

...

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Neue Zürcher Zeitung vom 25.12.1938

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