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Verbands-Management (VM) Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management
VM 3/01 Walser, Kurt Eine systematische Grundlage für die Führung des SBV Verbands-Mangement, 26. Jahrgang, Ausgabe 3 (2001), S. 76-83. Herausgeber: Verbandsmanagement Institut (VMI) www.vmi.ch,
Universität Freiburg/CH Redaktion: Guido Kaufmann/Bettina Kaufmann Layout: Maxomedia, Bern Fotomaterial: Daniel Fuchs, Bern ISSN: 1424-9189 Kontakt: info@vmi.ch Die Zeitschrift VM erscheint dreimal jährlich in den Monaten April, August und November. Abdruck und Vervielfältigung von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Abschnitten, nur mit Genehmigung des Herausgebers.
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Referate
Der SBV – ein föderalistisch struktu-rierter Mitgliederverband
Der SBV deckt die gesamte Schweiz und damit alle
Sprachregionen ab. Er ist von seiner Struktur her seit
jeher föderalistisch aufgebaut: In allen Kantonen be-
stehen (mindestens eine) Mitgliedersektionen,
welche die Interessenvertretung auf kantonaler bzw.
lokaler Ebene wahrnehmen und mit eigenständigen,
vom SBV unabhängigen Geschäftsstellen eine ganze
Reihe individueller Dienstleistungen erbringen. Pa-
rallel zu dieser Regionalorganisation haben sich im
Laufe der Jahre bis heute 12 spartenbezogene Fach-
verbände gebildet, darunter als grösste der der Zim-
mermeister («Holzbau Schweiz») sowie der des Tief-,
Strassen- und Untertagebaues.
Da der SBV seit jeher die direkte Mitgliedschaft aller
Mitgliederfirmen kennt, unterhalten diese somit
mindestens zwei Mitgliedschaften: eine bei ihrer
Stammsektion und eine beim SBV. Da die Mitglieder
statutarisch dazu gehalten sind, überall dort, wo
sie eine Geschäftsniederlassung betreiben, auch der
betreffenden Sektion beizutreten und sich überdies
– entsprechend ihrer betrieblichen Tätigkeitssparte –
auch den zuständigen Fachverbänden des SBV an-
zuschliessen, kennen manche Firmen mehrere Ver-
bandsmitgliedschaften (in Einzelfällen mehr als 20!)
und bezahlen demzufolge auch mehrere Mitglieder-
beiträge.
In Bezug auf seine Trägerschaft und seine Finanzie-
rungsbasis ist der SBV also ein Mitglieder- und kein
Dachverband. Was die verbandspolitische Mei-
nungsbildung und Beschlussfassung anbelangt,
funktioniert er indessen trotzdem nach dem Modell
des Dachverbands: Die Delegiertenversammlung als
«Legislativbehörde» und als Wahlorgan für die Exe-
kutive (Zentralvorstand) setzt sich nach einem sta-
tutarisch festgelegten Schlüssel aus Vertretern der
Sektionen und Fachverbände zusammen, welche
von diesen gewählt, delegiert und de facto sehr oft
auch instruiert werden.
Die SBV-Geschäftsstelle
Schon im Jahr 1905 richtete der SBV in Zürich ein
ständiges «Zentralsekretariat» ein und beauftragte es
mit den verbandlichen Interessenkoordinations-
und Vollzugsaufgaben. Im Laufe der Jahre entwi-
ckelte sich dieses Sekretariat zu einer differenzierten
Dienstleistungsorganisation mit heute rund 80 Mit-
arbeitenden (inkl. AG Verlag Hoch- und Tiefbau,
aber ohne SBV-Informatik).
Die organisatorische Gliederung der SBV-Geschäfts-
stelle entspricht funktional und personell der Auf-
gabenstruktur eines an vielen Fronten tätigen Ar-
beitgeber-, Wirtschafts-, Berufs- und Fachverbands.
Die Geschäftsstelle wurde bis Mitte 2001 vom Ge-
neralsekretär, heute wird sie von einem Direktor ge-
76
Den Schweizerischen Baumeisterverband
(SBV) zählt man zu den grossen, finanzstar-
ken und politisch einflussreichen Branchen-
verbänden der Schweiz. Hinter dem SBV
steckt eine historisch gewachsene, bewährte
Verbandsstruktur, die ihre Stärken an sich
nicht mehr beweisen muss. Als grösste
Schwäche hat sich in den neunziger Jahren
eine zunehmend als mangelhaft empfundene
verbandsinterne Kohäsion herausgestellt.
Ein Hauptgrund liegt wohl in der Unübersicht-
lichkeit der Verbandsaufgaben und -leistun-
gen. Eine diesbezügliche Systematisierung
tut Not.
Der SBV – eine hundertjährige Interes-sensvertretungsorganisation
Der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) wurde
im Jahre 1897 von einem halben Dutzend damals
bereits bestehender städtischer Baumeisterverbände
als einfache Gesellschaft unter dem heute noch un-
veränderten Namen gegründet. 1900 wurde er als
Genossenschaft konstituiert, nach dem Zweiten
Weltkrieg in einen Verein umgewandelt.1
Aus den ersten Statuten des SBV vom 11. März 1897
geht der Anlass zur Verbandsgründung klar und
deutlich hervor: Wie in anderen Branchen hatten
sich im Zuge der Industrialisierung und sozialen
Umwälzung gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch
die Bauarbeiter gewerkschaftlich zusammenge-
schlossen und ihre Lohnforderungen mit häufigen
Arbeitsniederlegungen und Streiks unterstrichen.
Es lag somit auf der Hand, dass auch die Arbeitgeber
ihre Interessen bündeln wollten.
Die Vertretung der Arbeitgeberinteressen blieb
indessen nicht der einzige Verbandszweck: Gewerb-
liche Arbeitgeberverbände, welche sozialpartner-
schaftliche Branchen-Gesamtarbeitsverträge aus-
handelten, entwickelten sich in aller Regel auch zu
Berufsbildungsverbänden. In der Tat bildeten
die gemeinschaftliche Förderung und Finanzierung
der Berufsbildung schon vor dem Ersten Weltkrieg
eines der wichtigsten Ziele und Tätigkeitsgebiete des
SBV und sind es bis heute geblieben.
Da ein im Bauhaupt- oder Ausbaugewerbe tätiges
Unternehmen typischerweise keine Fertigprodukte,
sondern «nur» betriebliche Leistungsbereitschaft an-
bietet, ist es nicht erstaunlich, dass – analog etwa
zum graphischen Gewerbe – auch die Wettbewerbs-
und Preispolitik sehr rasch zu einem verbandlichen
Hauptgeschäftsbereich wurden. Wie die archivierten
Akten zeigen, konnten allerdings die diesbezüg-
lichen «Heilserwartungen» der Mitglieder in den
Verband nie befriedigend erfüllt werden, selbst als
noch keine Rede von kartellgesetzlichen Regelungen
war. Der SBV hat sodann in einem weitsichtigen Ent-
scheid bereits in den sechziger Jahren ausdrücklich
Abstand von der gemeinschaftlichen Preisregulie-
rung genommen und klar festgehalten, dass die
Preispolitik Sache des einzelnen Unternehmens und
nicht Sache des SVB sein müsse.
Andererseits haben grosse, finanzstarke Branchen-
verbände auf Arbeitgeber- wie auf Arbeitnehmersei-
te natürlich schon immer Einfluss auf die allgemei-
ne Wirtschafts- und Sozialpolitik zu nehmen
versucht. Zum Teil tun sie das direkt durch ihre Lob-
bying-Aktivität und verbandliche Medienarbeit,
zum Teil indirekt über ihre Dach- und Spitzenver-
bände.
Historisch gewachsene Verbandsstruktur
Eine systematische Grundlage für die Führung des SVBKurt Walser
Zentralpräsident
Stäbe– Medien und Kommunikation– Personalwesen– Zentrale Dienste
Stabsabteilungen– Finanzen– EDV
Verbandsbetriebe– AG Verlag Hoch- und Tiefbau
Fachabteilungen– Arbeitgeberpolitik– Berufsbildungspolitik– Wirtschaftspolitik– Technisch-Betriebswirtschaftliche Abteilung– Secrétariat romand, Lausanne (SRL)
Direktor
Geschäftsleitung
Abbildung 1: Organigramm der SBV-Geschäftsstelle.
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Referate
Und die verbandliche Dienstleistungs-orientierung?
Prononcierte verbandliche Politikorientierung, wie
sie bereits in den Statuten von 1911 zum Ausdruck
kam, bedeutet natürlich nicht, dass der Stellenwert
der Dienstleistungen in der Verbandsgeschichte ver-
gleichsweise weniger bedeutsam gewesen wäre. Im
Gegenteil: Wie auch in anderen Branchen bemass
und bemisst sich der Verbandsnutzen aus der Sicht
der einzelnen Baufirma (98% der SBV-Mitglieder ge-
hören zum Kreise der baugewerblichen KMU!) in ers-
ter Linie an der Qualität der individuellen verband-
lichen Dienstleistungen.
Aus diesem Grunde entwickelten der SBV und seine
Sektionen und Fachverbände im Laufe der Jahr-
zehnte ein grosses – aus heutiger Sicht wohl über-
grosses, teilweise redundantes und damit auch teu-
res (weil personalintensives) – Angebotsspektrum
von Dienstleistungen. Dieses Dienstleistungsange-
bot ist zwar im Wesentlichen mit dem verband-
lichen Interessenvertretungsspektrum kongruent,
d.h. fast alle Dienstleistungen lassen sich auf eines
der Gebiete unserer Interessenvertretung zurückfüh-
ren. Sie sind somit nicht «verbandswidrig» und er-
freuen sich auch einer bemerkenswerten Nachfrage;
trotzdem geraten sie zunehmend ins Schussfeld der
Kritik aus Mitgliederkreisen. Der Grund dafür liegt
auf der Hand: Kaum eine Baufirma benötigt sämtli-
che angebotenen Verbandsleistungen und ist natür-
lich sofort zur Stelle, wenn es gilt, in den Ruf nach
Eliminierung der angeblich vielen nicht benötigten
Sach- und Dienstleistungen einzustimmen.
Verbandsinterne Abklärungen haben in diesem Zu-
sammenhang allerdings das Phänomen bestätigt,
dass es sehr schwierig, ja beinahe unmöglich ist,
irgendeine Verbandsdienstleistung ersatzlos abzu-
schaffen, wenn sie auch nur von mindestens 10%
der Mitgliedschaft nachgefragt wird (in manchen
Fällen genügen sogar 5% und weniger!). Grosse,
deutlich artikulierte Unzufriedenheiten, Frustratio-
nen und Spannungen wären die klare Folge.
Was ist in dieser zwiespältigen Lage zu tun? Die
Berufung auf 100 Jahre insgesamt doch erfolgreiche
Verbandsgeschichte und Interessenvertretungspoli-
tik sowie auf die logischen Begründungszusammen-
hänge im verbandlichen Leistungsangebot reicht
nicht mehr aus. Handlungsbedarf ist angezeigt,
guter Rat jedoch nicht leicht erhältlich.
Anfangs 1995 gelangten wir zur Erkenntnis, dass nur
eine gründliche Systematisierung unserer Ver-
bandsarbeit auf allen Ebenen – sowohl im Interes-
senvertretungs- als (und vor allem) auch im Dienst-
leistungsbereich – zu einer markanten Verbesserung
der Perzeption des Verbandes bzw. seines Nutzens
bei den Mitgliedern Erfolg bringen kann. So ent-
schlossen wir uns, zusammen mit dem VMI und der
B'VM (Bern) an die Arbeit zu gehen.
Grundlagen für ein modernes Führungsinstrumentarium
Moderne Verbandsarbeit bedeutet zunächst einmal
Ausbildung auf allen Stufen, sich vertraut machen
mit den modernen Instrumenten des Verbands-
management. An mehreren Seminaren auf Stufe der
Verbandsgeschäftsführer, aber auch der Präsidenten
aus SBV, Sektionen und Fachverbänden erarbeiteten
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leitet und gliedert sich in Stäbe, Stabs- und Fachab-
teilungen sowie angeschlossene Verbandsbetriebe.
Sie unterhält in Lausanne ein Secrétariat romand,
welches die Verbandsleistungen für die Westschwei-
zer Mitglieder koordiniert und für den unerläss-
lichen Informationsfluss zwischen den beiden
Sprachregionen sorgt.2
Die SBV-Geschäftsstelle ist natürlich nicht nur Inte-
ressenvertretungs- und Vollzugsstelle, sondern auch
Ansprechpartner und Dienstleister sowohl für die
SBV-Mitgliederfirmen als auch für die SBV-Sektionen
und -Fachverbände. Zusätzlich zu ihrem Leistungs-
spektrum im Interessenvertretungs- und Dienst-
leistungsbereich nimmt sie, entsprechend der mehr-
stufigen, föderalistischen Verbandsstruktur, in
Zusammenarbeit mit den Sektionen und Fachver-
bänden eine Fülle von Koordinationsaufgaben wahr.
Der Stellenwert der Politik im SBV
Der Grundauftrag unseres Verbandes wurde bereits
im Zweckartikel in den Statuten aus dem Jahre 1911
verblüffend vollständig und präzise formuliert.
Demnach hatte der SBV u.a. folgende Aufgaben
wahrzunehmen (hier stichwortartig wiedergege-
ben):
� Pflege der Kollegialität (stand 1911 an erster
Stelle!)
� arbeitgeberpolitische Interessenvertretung
� bauwirtschafts- und sozialpolitische Interessen-
vertretung
� wettbewerbspolitische Interessenvertretung
� Berufsbildung
� Öffentlichkeitsarbeit
� Herausgabe einer Verbandszeitung3
� Anschluss an Dach- und Spitzenverbände
Diese Zweckumschreibung war für den SBV wäh-
rend Jahren wegleitend und erscheint auch aus heu-
tiger Sicht immer noch aktuell.
Der SBV verstand sich schon immer als eine politi-
sche Organisation – politisch im Sinne der Einfluss-
nahme auf die staatliche Wirtschafts-, Sozial- und
Gesellschaftspolitik. Das ist darauf zurückzuführen,
dass Bauen immer ein Prozess ist, der durch politi-
sche Rahmenbedingungen und Entscheide auf allen
Stufen des Staats- und Gemeinwesens gelenkt wird.
Baumeister sind aus diesem Grunde stärker als viele
andere Unternehmer politisch sensibilisiert und
betrachten die überbetriebliche Vertretung ihrer
Interessen in Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit
als eine enorm wichtige Aufgabe ihres Verbandes.
Um es klarzustellen:
� Politik bedeutet im SBV immer Bauwirtschafts-
politik. Politikbeeinflussung ist in dem Sinne zu ver-
stehen, dass alles, was für die bauwirtschaftliche
Interessenlage nachhaltig positiv wirkt, gefördert
werden muss.
� Nachhaltigkeit der politischen Aktion des Verban-
des bedeutet, dass momentane oder kurzfristige bau-
wirtschaftliche (Partikular-) Interessen immer an den
langfristigen Wirkungen gemessen werden müssen,
bevor man sich für sie einsetzt.
� Nachhaltigkeit bedeutet ferner, dass man politi-
sche Aktionen mit den richtigen – nicht mit zufälli-
gen – politischen Verbündeten realisiert. (Das kön-
nen, wie unsere Verbandsgeschichte zeigt, fallweise
durchaus auch die Baugewerkschaften sein, denn
auch diese handeln bauwirtschaftspolitisch!)
� Die Fokussierung auf die bauwirtschaftliche Optik
bedeutet nicht die Ausserachtlassung anderer, ins-
besondere ordnungspolitischer Argumente. Die
ordnungspolitische Stellungnahme ist jedoch nicht
Sache des Baumeisterverbands, sondern in erster
Linie diejenige der Spitzenverbände, denen der SBV
und seine Sektionen auf Bundes- und Kantonsebene
angehören.
Mit der Verbandspolitik eng zusammen hängt die
Bedeutung der Öffentlichkeits- und Medienarbeit so-
wie der eigenen Verbandszeitschrift, welche einer-
seits ein allwöchentlich zur Verfügung stehendes
Sprachrohr der Verbandsleitung an die Mitglieder
ist, anderseits aber auch dazu dient, die Stellung-
nahme des Verbandes zu aktuellen bauwirtschafts-
politischen Fragen an wichtige Zielgruppen ausser-
halb des SBV zu verbreiten.
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Referate
2. Der SBV, die ihm angeschlossenenen Organisa-
tionen, Sektionen und Fachverbände erbringen
für ihre Mitglieder nutzbringende Sach- und
Dienstleistungen.
3. Der SBV befasst sich mit bauwirtschaftlichen
Zukunftsfragen. Er nimmt sowohl im Hinblick
auf die Interessenvertretung als auch auf die
Entwicklung von Sach- und Dienstleistungen
eine «Vordenkerrolle» wahr.
4. Der SBV unterstützt seine Sektionen und Fach-
verbände in ihrer nach wie vor wichtigen Aufga-
be der Schaffung und Erhaltung von kollegialen
Kontakten und Beziehungen unter den sich im
Geschäftsalltag oft hart konkurrenzierenden
Mitgliedern. (Nur ein Verband kann aus Konkur-
renten auch Kollegen machen!)
Verbandspolitische Grundsatzpapiere
Gemäss dem FMM für NPO basieren das Leitbild und
die verbandspolitischen Grundsatzpapiere auf der-
selben Branchen-, Verbands- und Umweltanalyse.
Sie werden durch die gleichen Vorstellungen und
Werturteile geprägt. Während das Leitbild in erster
Linie grundsätzliche, strategisch-politische Aussa-
gen zu den verbandlichen Tätigkeitsfeldern bein-
haltet, müssen die verbandspolitischen Grundsatz-
papiere darüber hinaus konkrete Vorgaben und
Handlungsrichtlinien enthalten, welche für das ope-
rative Verbandsgeschäft massgebend sind.
Nicht Gegenstand unserer verbandspolitischen
Grundsatzpapiere bilden Strategien und Konzepte.
Diese beziehen sich auf bestimmte Projekte oder Ver-
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wir unter Leitung kundiger Referenten aus VMI und
B'VM in den Jahren 1995–2000 am praktischen Fall
Know-how für eine systematische Verbandsführung.
Als Produkt dieses Lernprozesses entstand 1996/1997
unser Leitbild, das von der Generalversammlung
1998 in Kraft gesetzt wurde. Mittels dieses Leitbilds
gelingt es heute, die meisten unserer bisherigen
und neuen Aktivitäten richtig einzuordnen und
systematisch zu profilieren. Gestützt auf die Kern-
aussagen im Leitbild werden in der Folge auch
die verbandspolitischen Grundsatzpapiere zu den
verschiedenen Politikbereichen erarbeitet und
systematisch abgestützt. Es bedarf wohl keiner wei-
teren Erörterung, dass dabei unsere künftige Dienst-
leistungspolitik die grösste, aber auch wichtigste
Herausforderung verkörpert.
Sind wir seit der Ingangsetzung dieses Prozesses ein
besserer Verband geworden? Die Frage ist schwer zu
beantworten. Obwohl unsere Ausbildungsseminare
und Workshops sowohl in der Deutschschweiz als
auch in der Westschweiz rege besucht, durchaus
geschätzt und gelobt wurden, hapert es doch mit der
Umsetzung der erworbenen Kenntnisse. Die Ursa-
chen hierfür sind mannigfaltig. Sie liegen zum Teil
wohl in der chronischen Zeitknappheit und Ab-
sorption der massgebenden Akteure durch dringen-
de Tagesgeschäfte, zum Teil aber auch im kompli-
zierten, durch «alte» und «neue» Milizer und Profis
betriebenen Räderwerk einer mehrstufigen Ver-
bandsorganisation föderalistischen Zuschnitts be-
gründet.
Eines hat uns das geschärfte Bewusstsein für ein mo-
dernes Führungsinstrumentarium aber mit Sicher-
heit gebracht: den Sinn dafür, in welche Richtung
sich der SBV, gestützt auf sein Leitbild, als lernende
Organisation weiterentwickeln muss.
Das SBV-Leitbild
Unser Leitbild aus dem Jahre 1998 besteht aus sechs
Teilen und gibt Antwort auf folgende Fragen:
� Leitgedanken: Wer sind wir, wozu bekennen wir
uns, und wofür setzen wir uns ein?
Abbildung 1: Leitbild SBV.
� Grundauftrag des SBV
� Interessenvertretungspolitik: Auf welchen Ek-
kpfeilern beruhen unsere arbeitgeber-, wirtschafts-
und berufsbildungspolitsche Auffassung und Tä-
tigkeit?
� Dienstleistungspolitik: Welche Grundsätze prä-
gen unsere Verbandsdienstleistungen?
� Informations- und Kommunikationspolitik:
Wie wollen wir den Dialog nach innen und aussen
führen, um Verständnis für unsere Anliegen sowie
ein positives Erscheinungsbild unserer Branche,
Berufe und Organisationen zu schaffen?
� Verbandspotenziale: Welches sind die Grundsät-
ze und Richtlinien für die Erarbeitung unserer
Grundlagen bezüglich Verbandsstruktur und -füh-
rung, Leistungsprogramm und Finanzierung? Mit
welchen Organisationen und Institutionen wollen
wir im Zusammenhang mit der bauwirtschaftspo-
litischen Interessenvertretung kooperieren?
Der Grundauftrag fasst die Verbandsaufgaben in vier
Gruppen zusammen:
1. Der SBV vertritt zusammen mit den ihm ange-
schlossenen Organisationen und gemeinsam mit
seinen Sektionen und Fachverbänden die über-
betrieblichen Interessen seiner Mitgliedfirmen
in der Wirtschaft, im Staat und in der Öffent-
lichkeit. Er konzentriert sich dabei namentlich
auf die drei Bereiche «Arbeitgeber-», «Wirt-
schafts-» und «Berufsbildungspolitik».
Abbildung 2: Die Verbandsaufgaben.
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Referate
Fazit
Mit unserem Leitbild und den verbandspolitischen
Grundlagenpapieren gelingt es uns zweifellos, die
Systematik, die Transparenz und damit auch den
Konsens bezüglich unserer gesamtverbandlichen
Aufgaben- und Leistungsstruktur markant zu ver-
bessern. Dieser Schritt war unerlässlich, und er hat
sich sicherlich gelohnt.
Der Ansatz, den der SBV zur Schaffung einer syste-
matischen Grundlage für sein Führungssystem und
-instrumentarium gewählt hat, gründet zwar auf
dem FMM für NPO. Er wurde jedoch im Zuge unse-
res internen Erarbeitungs- und Lernprozesses den
spezifischen Gegebenheiten, Anforderungen und
Zielsetzungen unseres Verbandes angepasst. In die-
sem Sinne lässt sich unser Ansatz zwar kaum ohne
weiteres auf andere NPO übertragen, wohl aber sind
die damit gemachten Erfahrungen interessant ge-
nug, so dass wir sie nicht nur für uns behalten und
auswerten, sondern gerne auch an die Fachwelt
weitergeben möchten.
Ohne fachkundige Beratung und Unterstützung sei-
tens der Schöpfer des FMM hätten wir die Adaptie-
rung an unsere Verhältnisse allerdings nie geschafft.
Allen, die uns zusammen mit Professor Robert Purt-
schert dabei geholfen haben, gebührt unser bleiben-
der Dank!
Fussnoten
1 Von der ehemaligen Genossenschaft zeugen heute
noch die französische und die italienische Ver-
bandsbezeichnung: Société (coopérative) suisse des
entrepreneurs/Società svizzera degli impresari-
costruttori.
2 Die entsprechende Koordination mit der italie-
nischsprachigen Region erfolgt zusammen mit der
(vom SBV unabhängigen) Geschäftsstelle der Sek-
tion Tessin.
3 Seit 1901 gibt der SBV – später durch seine Toch-
terfirma AG Verlag Hoch- und Tiefbau – ein Ver-
bandsorgan heraus, heute die «Schweizer Bauwirt-
schaft», welche allwöchentlich für die Mitglieder
(im Gratisabonnement) und für Dritte erscheint. Da-
neben publiziert die AG Verlag, ebenfalls im Gratis-
abonnement für die Mitglieder, auch die Monats-
zeitschrift «Schweizer Holzbau».
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bandsleistungen (z.B. GAV-Verhandlungen, Infor-
matik-Beratung); sie basieren zwar zwingend auf der
Verbandspolitik, sind aber im Gegensatz zu dieser
zeitlich limitiert und müssen im Bedarfsfall auf ein-
fache Weise modifiziert werden können.
Die Erarbeitung aussagekräftiger verbandspolitischer
Grundsatzpapiere im Anschluss an das Leitbild hat
sich als sehr anspruchsvoll erwiesen, kommen doch
auf dieser Stufe, auf der es häufig um wichtige De-
tails geht, die heterogenen Auffassungen verschie-
dener Mitgliedergruppen deutlich zum Ausdruck. Da
hier ein Grundkonsens jedoch unumgänglich ist,
bedarf es oft aufwändiger und langwieriger ver-
bandsdemokratischer Meinungsbildungsprozesse.
Die Aufgabenabgrenzung
Die verbandlichen Aufgaben und das Leistungspro-
gramm haben sich nach dem von der Generalver-
sammlung in Kraft gesetzten Leitbild und den von
der Delegiertenversammlung genehmigten ver-
bandspolitischen Grundsatzpapieren zu richten. Die
Sektionen und Fachverbände, aus deren Vertretern
sich bekanntlich die Delegiertenversammlung kon-
stituiert, üben somit einen ganz erheblichen Einfluss
auf die Festlegung und Abgrenzung der SBV-Auf-
gaben und -Leistungen aus. In Bezug auf die Gestal-
tung ihrer eigenen Leistungsprogramme sind sie
indessen – dem föderalen Aufbau des Verbands ent-
sprechend – grundsätzlich autonom. Sie respektie-
ren aber sinnvollerweise die bestehende, ihnen be-
kannte Aufgabenausrichtung des SBV und schaffen
mit ihren eigenen Leistungen ein komplementäres
Angebot für die Mitglieder.
In der Praxis ist eine solche Feinabstimmung des
historisch gewachsenen gesamtverbandlichen Leis-
tungsangebots naturgemäss nicht leicht zu bewerk-
stelligen. Auf der einen Seite konkurrenzieren sich
noch immer (zu) viele redundante Leistungen ver-
schiedener Stufen; auf der anderen Seite gibt es auch
immer wieder Sektionen und Fachverbände, welche
den SBV dazu veranlassen möchten, zu ihrer Entlas-
tung Leistungen zu übernehmen, welche nicht in
seinem verbandspolitischen Leistungsprogramm
stehen.
Dr. Kurt Walser wuchs in St. Gallen auf. Er absolvierte an der dortigen Hochschule einbetriebswirtschaftliches Studium und promovierte auf dem Gebiet des betrieblichenFinanz- und Rechnungswesens. Anschliessend arbeitete er bei der Firma IBM in Lausanneund Zürich. 1979 wechselte er als Verantwortlicher für die Ressorts «Betriebs- und Volks-wirtschaft» zum damaligen Schweizerischen Verband Graphischer Unternehmen. 1984wurde er zum Direktor beim Verband des Schweizerischen Baumaterial-Handels und1989 zum Generalsekretär des Schweizerischen Baumeisterverbands berufen, wo er wäh-rend 12 Jahren für die Gesamtleitung der Geschäftsstelle verantwortlich war. AufWunsch, sich künftig wieder vermehrt wirtschaftspolitischen Fragen widmen zu können,übernahm Walser Mitte 2001 das Ressort «Wirtschaftspolitik» beim SBV.
Kurt Walser/kwalser@baumeister.ch
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