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Grundpraktikum Physikalische Chemie
Versuch 27
IR-Spektroskopie
Überarbeitete Versuchsanleitung, Dr. Ludwig Kibler 29.01.09
1
Aufgabenstellung
In diesem Versuch wird ein Rotations-Schwingungsspektrum von HCl bzw. DCl
gemessen und analysiert. An Hand der Spektren können die Rotationskonstante und
die Rotations-Schwingungs-Kopplungskonstante berechnet und die relativen
Intensitäten der verschiedenen Übergänge erklärt werden. Aus der
Rotationskonstante kann das Trägheitsmoment und der Gleichgewichtsabstand im
Molekül ermittelt werden.
Der Versuch soll vermitteln, wie unter Anwendung quantenmechanischer Modelle
(Harmonischer- Anharmonischer Oszillator, Starrer Rotator) das Auftreten von
diskreten Absorptionsbanden (Quantelung der Schwingungs- und
Rotationszustände) und deren relative Intensitäten (Boltzmann Verteilung,
Zustandssumme) verstanden werden können.
1 Grundlagen der Spektroskopie 2.1 Prinzipieller Aufbau In Abb. 1 ist der prinzipielle Aufbau eines Spektrometers sowie eines Michelson-
Spektrometers schematisch dargestellt.
Abb. 1 Schematischer Aufbau eines Spektrometers (links) sowie eines Michelson-
Interferrometers (rechs)
Ein Spektrometer besteht ganz allgemein aus einer Strahlenquelle, einem optischen
Spiegelsystem, einem Detektor und einer meist Computergestützten Datenerfassung
bzw. Auswertung (Fourier-Transformation). Für IR-Spektroskopie wird als
2
Strahlungsquelle häufig ein Nernst Stift verwendet, als Detektor sind Halbleiter
Elemente weit verbreitet (z.B. Quecksilber-Cadmium-Tellurid Detektoren); für das
optische System kommen z.B. KBr-Prismen oder Goldspiegel zum Einsatz.
Die Spektrallinien in der Molekülspektroskopie entstehen durch die Absorption oder
Emission von Photonen, deren Energie dem Unterschied bestimmter Energieniveaus
im Molekül entspricht. Im Unterschied zu Atomen haben Moleküle weitere
Möglichkeiten ihre Energie zu verändern. Neben elektronischer Anregung sind vor
allem Rotations- und Schwingungsübergänge wichtig. Je nach Energie der
interessierenden Übergänge variieren Strahlenquelle, Detektor und Spiegelsystem.
Einen Überblick über die elektromagnetische Strahlung und die dazugehörigen
Spektroskopie Anwendungen liefert Tabelle 1
Tab. 1 Spektralbereiche der elektromagnetischen Strahlung
2 Theoretische Grundlagen In diesem Abschnitt soll das Zustandekommen von Rotations-Schwingungsspektren
ausgehend von den klassischen Ansätzen für Schwingungen bzw. Rotationen hin zu
den quantenmechanischen Ausdrücken beschreiben werden.
3
3.1 Schwingungen 3.1.1 Klassische Betrachtung Die einfachste Möglichkeit eine Schwingungsbewegung zu beschreiben, wird durch
zwei Kugeln unterschiedlicher Massen m1 und m2 wiedergegeben, die durch eine
Feder mit der Kraftkonstante k im Gleichgewichtsabstand req miteinander verbunden
sind. Die Bewegung erfolgt entlang der Feder (vgl. Abb. 2)
Abb. 2 Klassisches Bild der Schwingungsbewegung Es gilt das Hooksche Gesetz:
F(x) = -kx (1)
Die Kraft zum Auslenken der Massen aus ihrer Ruheposition (x = 0) ist proportional
zur Auslenkung. Die Proportionalitätskonstante wird im Allgemeinen mit k bezeichnet
und ist ein Maß für die Stärke der Bindung.
Durch Integration des Hookschen Gesetzes wird die negative Potentielle Energie V
als Funktion der Auslenkung x erhalten:
V(x) = ½ kx2 (2)
Diese Gleichung beschreibt einen so genannten harmonischen Oszillator bzw. ein
parabelförmiges Potential mit einem Minimum bei x = 0 (siehe Abb. 3). Die
Schwingungsfrequenz νe (s-1) lässt sich aus
ν =πe1 k
2 µ, (2.1)
unter Verwendung der reduzierten Masse μ (für ein zweiatomiges Molekül gilt:
A B
1 1 1µ m m= + , berechnen Dieses einfache Modell einer Schwingung sagt voraus,
dass sich die Potentielle Energie während einer Schwingung kontinuierlich und
symmetrisch mit einer Verlängerung oder Verkürzung der Bindung verändert. Dieses
Modell einer Schwingung ist damit nicht auf die Schwingung eines Moleküls zu
4
übertragen, da es bei einem Molekül z.B. bei sehr großer Anregung zum Bruch der
chemischen Bindung kommen kann. Eine bessere Beschreibung der potentiellen
Energie eines Moleküls als Funktion der Auslenkung beschreibt das Morse-Potential,
wie es in Abb. 3 dargestellt ist (Anharmonischer Oszillator):
V(x) = De [1-exp(-βx)]2 (3)
Dabei steht De für die Dissoziationsenergie und β ist eine Konstante, die wie k in
Gleichung 2, die Form der Kurve charakterisiert und die Schwingungsfrequenz
widerspiegelt.
Für geringe Energien verhalten sich das Parabel-Potential und das Morse-Potential
sehr ähnlich, allerdings ist beim Morse-Potential die Dissoziation des Moleküls bei
sehr großer Anregung berücksichtigt. Bei einer Verkürzung der Bindung steigt des
Morse-Potential schneller an als die Parabel Funktion.
Abb. 3 Parabel- und Morse-Potential
Beide Energie-Funktionen (Morse-Potential und Parabel-Potential) beschreiben bei
der klassischen Betrachtung eine kontinuierliche Anregbarkeit in Abhängigkeit von
der Auslenkung, d.h. alle positiven Energien sind erlaubt. Im Gegensatz dazu zeigen
Schwingungsspektren i.a. Banden und kein Kontinuum auf, weshalb diese Modelle
5
mit klassischem Ansatz nicht zur Beschreibung des Schwingungsvorgangs von
Molekülen herangezogen werden kann.
3.1.2 Quantenmechanische Betrachtungen
Eine realistische Beschreibung des Schwingungsvorgangs ist mit Hilfe der
Quantenmechanik möglich. Dazu wird ganz allgemein der Hamilton Operator
(Energieoperator), der sich aus kinetischer und potentieller Energie zusammensetzt,
definiert. Für das Aufstellen des Hamilton Operators kann entweder das Parabel
Potential oder das realistischere Morse-Potential verwendet werden. Wie bereits im
vorangegangen Abschnitt erwähnt, beschreiben beide Potentiale für geringe
Auslenkung vergleichbar gut, allerdings ist die mathematische Behandlung das
harmonischen Oszillator einfacher und exakt lösbar.
3.1.2.1 Harmonischer Oszillator Der Hamilton Operator für den Harmonische Oszillator ist definiert als:
(4)
Ekin EPot
Setzt man diesen Operator in die Schrödinger Gleichung ein erhält man letztlich
einen Ausdruck für die möglichen Energielevel, die so genannten Energieeigenwerte:
Ev = (v + ½) hνe (5)
wobei v = 0,1,2,,… die Schwingungsquantenzahl, h die Planksche Konstante und k
die Kraftkonstante sind. Die Schwingungsfrequenz νe (s-1) lässt sich aus
(1/2π)(k/μ)1/2, unter Verwendung der reduzierten Masse μ (für ein zweiatomiges
Molekül gilt: μ = mAmB/(mB A+mBB), berechnen. Bei der Anwendung der
Quantenmechanik auf den harmonischen Oszillator ergibt sich, dass die möglichen
Schwingungsenergien auf bestimmte Werte, die so genannten Eigenwerte,
beschränkt sind. Es fällt auf, dass der niedrigste Energie Eigenwert für v = 0 nicht
null ist. Die Nullpunktsenergie E0 des harmonischen Oszillators ergibt sich zu:
E0 = 1/2hνe (6)
6
und repräsentiert die Energie die der harmonische Oszillator bei 0 Kelvin besitzt.
Dieser quantenmechanische Effekt besagt, dass ein zweiatomiges Molekül selbst bei
0 Kelvin schwingt und diese Schwingung nicht „angehalten“ werden kann.
Die Eigenwerte repräsentieren die Niveaus der Gesamtenergie (Ekin + Epot) des
harmonischen Oszillators und können mit der Funktion für die potentielle Energie
verglichen werden, wie es in Abb. 4 dargestellt ist. Der Energieunterschied der
Niveaus berechnet sich zu aus der Differenz des angeregten Zustands (v’) und der
Grundzustands (v’’):
∆E = E(v’) - E(v’’) = hνe
die Energieniveaus sind demnach äquidistant und besitzen einen Abstand von hνe.
Abb. 4 Quantenmechanisches Bild der Schwingungsbewegung
In der Schwingungsspektroskopie ist gebräuchlich die Schwingungsfrequenz in der
Einheit „Wellenzahl“ oder reziproke Zentimeter anzugeben ( eν ) die sich aus der
Frequenz ν geteilt durch die Lichtgeschwindigkeit c ergibt:
ν~ e = ν/c = 1/λ (7)
7
In dieser Einheit ausgedrückt wird die Gleichung 5 für die Schwingungsenergie zu:
Ev = (v+½)hcν~ e (8)
Für zweiatomige Moleküle liegt ν~ e üblicherweise im Bereich von mehreren Hundert
bis einigen Tausend Wellenzahlen. So betragen z.B. die Wellenzahlen von I2 und H2,
die praktisch die Extremwerte von zweiatomigen Molekülen darstellen, 215 bzw.
4403 cm-1.
Das Aussehen eines Schwingungsspektrums:
Für den harmonischen Oszillator gilt die spezielle Auswahlregel ∆v = ±1. Bei
Raumtemperatur ist kT/hc ≈ 200 cm-1. Die Wellenzahl der meisten
Molekülschwingungen ist deutlich größer als 200 cm-1, folglich liegen nach der
Boltzmann Verteilung die meisten Moleküle bei Raumtemperatur im
Schwingungsgrundzustand vor.
N’/N’’ = Entartungsgrad × e(-∆E/kt)
Mit ∆E = dem Energieunterschied zwischen dem Grundzustand N’’ und dem
angeregten Zustand N’. Der wichtigste Übergang in Schwingungsspektren ist daher
der Grundübergang 0 → 1. Das Spektrum sollte deshalb für ein zweiatomiges
Molekül nur aus einer Absorptionsbande bestehen. Sollen höhere Zustände besetzt
sein, z.B. bei höherer Temperatur, ist im Spektrum trotzdem nur eine Linie zu
erkennen, da auch die für Übergänge 1 → 2, oder 2 → 3 dieselbe Energie
aufgebracht werden muss wie für den Übergang 0 → 1. Wir werden jedoch im
Folgenden sehen, dass das die Verwendung des Morse-Potentials zur Beschreibung
der Schwingung (Anharmonischer Oszillator) dazu führt, dass diese Übergänge
geringfügig unterschiedliche Frequenzen besitzen und wir daher mehrere Linien
beobachten können.
3.1.2.2 Der Anharmonische Oszillator Im Fall des anharmonischen Oszillators wird für die Beschreibung der Potentiellen
Energie anstelle des Parabel Potentials näherungsweise das bereits oben
beschrieben Morse Potential (siehe Gl. 3) verwendet. Dieses Potential beschreibt
den tatsächlichen Potentialverlauf besser und kann eine Dissoziation des Moleküls
erklären. Es wird wiederum der Hamilton Operator aufgestellt. Nach Einsetzen in die
Schrödinger Gleichung resultiert für die Eigenwerte des anharmonischen Oszillators:
Ev = (v+1/2) hc – (v+1/2)eν2 hc eν χe (9)
8
Abb. 5 Morse-Potential mit enger werden Energieabständen benachbarter Niveaus
Die Anharmonizitätskonstante χeν e ist eine molekulare Konstante und wird in
Gleichung 9 mit –(v+1/2)2 multipliziert. Im Gegensatz zum harmonischen Oszillator
nimmt daher der Abstand zwischen zwei benachbarten Energieniveaus mit
steigender Schwingungsquantenzahl v ab. Man kann zeigen, dass die Anzahl
diskreter Energieniveaus für den anharmonischen Oszillator endlich ist. Für relative
geringe Anregung ist das Morse-Potential ein gutes Modell um molekulare
Schwingungen zu beschreiben.
Das Aussehen eines Schwingungsspektrums:
Im Gegensatz zum Harmonischen Oszillator gilt jetzt nicht mehr streng ∆v = ± 1,
sondern es sind auch Übergange von v = 0 nach v = 2, bzw. 3 schwach erlaubt.
Diese Übergänge werden als Obertöne bezeichnet und treten im Spektrum bei
ungefähr der doppelten bzw. dreifachen Frequenz auf. Auch für den anharmonischen
Oszillator ist der Grundübergang (Anregung aus dem Grundzustand) der wichtigste
Übergang (bei Raumtemperatur ist der erste angeregte Zustand praktisch nicht
besetzt). Allerdings würden die Übergange 1→2, 2→3, … (heiße Banden) bei etwas
geringeren Frequenzen im Spektrum erscheinen.
9
3.2 Rotationen Der quantenmechanischen Energieausdruck für den starreren Rotator kann entweder
über das Lösen der entsprechende Schrödingergleichung oder über einen
Analogieschluss zwischen klassischer und Quantenmechanik erhalten werden. Dazu
gehen wir von dem klassischen Energieausdruck für einen rotierenden Körper aus,
schreiben ihn als Funktion des Drehimpulses und substituieren dann den Drehimpuls
durch den quantenmechanischen Ausdruck für die erlaubten Werte des
Drehimpulses
3.2.1 Klassische Betrachtung – der Starre Rotator
Wir betrachten wieder ein System aus zwei Massen m1 und m2, die diesmal aber
nicht über eine Feder, sondern fest miteinander verbunden sind. Die im klassischen
Fall betrachtete Rotation wird durch Abb. 6 beschrieben. Dabei kann bei zwei
unterschiedlich schweren Massen die Schwerere durch eine Rotationsachse ersetzt
Abb. 6 Klassisches Schema der Rotationsbewegung
werden, was die mathematische Beschreibung des Systems erheblich vereinfacht.
Klassisch lässt sich die Rotationsenergie durch Gleichung 10 beschreiben, wobei I
das Trägheitsmoment des Körpers (für ein zweiatomiges Molekül: I = μR2), ω die
Kreisfrequenz des Rotators sowie L den Drehimpuls darstellt.
E = ½ Iω2 = L2/2I Mit L = Iω (10)
10
3.2.2 Quantenmechanische Betrachtung 3.2.2.1 Der starre Rotator Aus Gleichung 10 kann der quantenmechanische Ausdruck abgeleitet werden, indem
wir den Drehimpuls durch seine quantenmechanisch erlaubten Werte ersetzen:
L2 = J(J+1) 2 Mit J = 0, 1, 2, … (11)
Damit ergibt sich für die Energie des starreren Rotators:
E = J(J+1) 2/2I Mit J = 0, 1, 2, … (12)
Die Anordnung der Rotationsniveaus ist in Abb. 7 dargestellt. Meist drückt man die
Energie als Funktion der Rotationskonstante B aus, die durch
hcB = 2/2I bzw. B = /(4πcI) (13)
definiert ist. Der Ausdruck für die Energie lautet damit:
E = hcBJ(J+1) Mit J = 0, 1, 2, … (14)
Abb. 7 Energieschema des starren Rotators in Abhängigkeit von J
Die Rotationskonstante B nimmt mit steigendem I ab (siehe Gl. 13), daher besitzen
große Moleküle enger benachbarte Rotationsniveaus.
11
Das Aussehen von Rotationsspektren: Die durch Gleichung 13 definierte Rotationskonstante besitzt die Dimension einer
Wellenzahl und wird in der Regel in reziproken Zentimetern angegeben. Die Energie
eines Rotationsniveaus wird normalerweise nach Division durch hc als Rotationsterm
F(J) (eine Wellenzahl) angegeben:
F(J) = BJ(J+1) (15)
Der Abstand benachbarter Niveaus ist
F(J+1)-F(J) = 2B(J+1) (16)
Die von Gleichung 16 vorhergesagte Form des Spektrums ist in Abb. 8 gezeigt. Man
kann einen konstanten Linienabstand von 2B erkennen, die Linien erscheinen bei
2B, 4B, usw.
Abb. 8 Die Rotationsniveaus des starren Rotators und ein typisches
Rotationsspektrum
Das Maximum in den Besetzungszahlen der Niveaus kommt zustande, weil die
Boltzmann-Verteilung mit steigendem J exponentiell abfällt. Andererseits steigt der
Entartungsgrad der Rotationsniveaus linear mit J an. Die Besetzungszahl eines
Rotationsniveaus ist demnach gegeben durch:
N’/N’’ = Entartungsgrad × e(-∆E/kt)
N’/N’’ =(2J+1) × e(-∆E/kt) (17)
Es ist sehr anschaulich, aus Rotationsspektren die Zustandssumme für Rotation zu
berechnen.
12
3.2.2.2 Der nicht starre Rotator: Eine Komplikation, die berücksichtigt werden muss ist, dass sich Moleküle tatsächlich
nicht wie starre Rotatoren verhalten, sondern sich die Bindungslänge und damit das
Trägheitsmoment als Funktion der Rotationsenergie verändern kann, was als
Zentrifugalverzerrung bezeichnet wird. Bei einem zweiatomigen Molekül bewirkt die
Zentrifugalkraft eine Dehnung der Bindung und somit eine Vergrößerung des
Trägheitsmoments. Dies führt zu einer Verkleinerung der Rotationskonstante, die
Energieniveaus rücken im Vergleich zum starren Rotator etwas näher zusammen.
Meist berücksichtigt man diesen Effekt auf empirischem Weg indem man für die
Energie des rotierenden Moleküls
E(J) = BhcJ(J+1) - DJhcJ2(J+1)2
Oder als Rotationsterm in der Einheit Wellenzahl ausgedrückt
F(J) = E(J)/hc = BJ(J+1) – DJJ2(J+1)2 (18)
Schreibt. Die empirische Konstante DJ wird als Zentrifugaldehnungskonstante
bezeichnet. Sie ist groß, wenn die Bindung des Moleküls leicht gedehnt werden
kann. Im Allgemeinen ist DJ allerdings mehrere Größenordnungenkleiner als B und
wirkt sich daher nur bei großen Rotationsenergien (großes J) signifikant aus. Die
Zentrifugaldehnungskonstante eines zweiatomigen Moleküls hängt mit der
Schwingungswellenzahl ν~ der Bindung zusammen, die wie bereits bei der
Schwingung diskutiert, ein Maß für die Bindungsstärke ist. Der Zusammenhang lautet
näherungsweise:
DJ = 4B3/ν~ 2
Wir können das Zusammenrücken der Energieniveaus bei steigenden
Rotationsquantenzahlen daher mit der Festigkeit der Bindung, bzw. deren
Kraftkonstante erklären. Je schwächer die Bindung, desto ausgeprägter ist dieses
Zusammenrücken.
3.3 Rotationsschwingungsspektren
Falls die Schwingungs- und Rotationsbewegung komplett unabhängig voneinander
sind, d.h., Schwingungen haben keinen Einfluss auf die Rotation und andersherum,
lässt sich die Gesamtenergie eines zweiatomigen Moleküls als Summe der
Schwingungsenergie und der Rotationsenergie ausdrücken.
Ev,J = (v+1/2)hcν~ e – (v+1/2)2hcν~ eχe + J(J+1)hcBe – J2(J+1)2hcDe (19)
13
Für das HCl Rotationsschwingungsspektrum kann die Zentrifugalverzerrung
vernachlässigt werden und damit der letzte Term ignoriert werden. Allerdings ist die
vollständige Separation von Rotation und Schwingung nicht realistisch, da der
mittlere Kernabstand vom Grad der Schwingungsanregung, also von v, abhängt, und
die Rotationskonstante eine Funktion von 1/r ist (siehe Gleichung 13, und I = mr2).
Daher wird die „effektive“ Rotationskonstante für ein schwingendes Molekül mit dem
Mittelwert von 1/r des v-ten Eigenzustands sein. Die Rotationskonstante lässt sich
wie folgt abschätzen:
Bv = Be - αe(v+1/2) (20)
Hierbei ist Bv die Rotationskonstante unter Berücksichtigung der Schwingung und αe
die Rotations-Schwingungs-Kopplungskonstant. Für einen anharmonsichen
Oszillator wird die Rotationskonstante mit steigender Schwingungsanregung v immer
kleiner. Es fällt auf, dass nach Gleichung 20 Bv < Be gilt, auch für v = 0 (keine
Schwingungsanregung). Be, re und ν~ e sind intrinsische Molekülparameter, die sich
auf das Energieminimum beziehen. Sie sind unabhängig von der
Schwingungsanregung.
Die Gesamtenergie der gekoppelten Rotations- Schwingungsanregung erhält man,
indem in Gleichung 19 Be durch Bv ersetzt und für Bv Gleichung 20 verwendet:
Ev,J = (v+1/2)hcν~ e – (v+1/2)2hcν~ eχe + J(J+1)hcBe – (v+1/2)J(J+1)hcαe (21)
Die Gleichung setzt sich aus einem reinen Schwingungsanteil (nur v), einem reinen
Rotationsanteil (nur J) und einem gekoppeltem Rotations-Schwingungsanteil
zusammen (sowohl J als auch v). Die molekularen Konstanten ν~ e, ν~ eχe, Be und αe
sind alle in der Einheit Wellenzahl ausgedrückt. Um konsistent zu bleiben, teilen wir
Gleichung 21 durch hc und ersetzen Ev,J/hc durch Tv,J, so dass
Tv,J = Ev,J/hc (22)
= (v+1/2) ν~ e – (v+1/2)2ν~ eχe + J(J+1)Be – (v+1/2)j(J+1)αe [cm-1]
Tv,J wird stellt die Energieniveaus der Rotations-Schwingungs-Anregung, ausgedrückt
in Wellenzahlen, dar. Das ist die Schlüsselgleichung für die Auswertung des
Versuchs.
Die Energieniveaus der Rotation liegen viel enger beieinander als die
Energieniveaus der Schwingung. So beträgt z.B. für HCl der Abstand zwischen den
energieniedrigsten Rotationsniveaus 20 cm-1, während der Energieunterschied
zwischen dem Grund- und dem ersten angeregten Schwingungszustand bei ca. 2900
cm-1 liegt. Die Anordnung von Rotations- und Schwingungsniveaus ist schematisch in
14
Abb. 9 gezeigt. Die fundamentale Beziehung der Spektroskopie wird erhalten indem
man die Energie des eingestrahlten Photons mit dem Energieunterschied der
beteiligten Niveaus gleichsetzt:
E = hν = hcν~ = Evi,J
i - Evii,J
ii (23)
Hier ist ν~ die „Frequenz“ des Photons in der Einheit Wellenzahl. vi,Ji bzw. vii,Jii stehen
für die Schwingungs- und Rotationsquantenzahlen der beteiligten Energieniveaus.
Ausgedrückt in Wellenzahlen kann Gleichung 23 umgeschrieben werden zu:
ν~ = T1,Ji – T0,J
ii (24)
wobei explizit die Grundschwingung mit dem Übergang von v = 0 nach v = 1
dargestellt ist. (Bei Raumtemperatur wird i.A. nur dieser Schwingungsübergang
beobachtet, da nach Boltzmann nur der Grundzustand nennenswert besetzt ist.)
Gleichung 24 zeigt, dass die Frequenz der Grundschwingung nicht exakt gleich
Abb. 9 Schematische Darstellung der P-, Q-, und R-Zweige
dem Energieunterschied zwischen vi und vii ist, sondern durch eine zeitgleiche
Anregung von Rotationsübergängen überlagert wird. Prinzipiell kann man drei
Möglichkeiten erwarten: eine Erhöhung, eine Erniedrigung oder keine Veränderung
der Rotationsquantenzahl. Im Folgenden führen wir eine wichtige (und vereinfachte)
15
Einschränkung ein, wie sich die Rotationsquantenzahl durch Photonenabsorption
ändern kann. Diese Einschränkung wird als Auswahlregel bezeichnet und für reine
Rotationsübergänge gilt:
∆J = 0 verboten (25)
∆J = ±1 erlaubt (26)
Alle anderen Änderungen der Rotationsquantenzahl sind verboten. Für
Schwingungsübergänge gilt:
∆v = ±1 (27)
Diese Regel gilt streng für den harmonsichen Oszillator; für den anharmonischen
Oszillator sind auch Übergange von v = 0 nach v = 2, bzw. 3 schwach erlaubt, und
werden als Obertöne bezeichnet werden.
Für das Rotations-Schwingungsspektrum von HCl bedeutet das wir können die
Übergänge in zwei Fälle unterteilen. Erstens: es kommt zu einer Erniedrigung der
Rotationsquantenzahl (∆J = -1) oder zweitens: die Rotationsquantenzahl wird um 1
erhöht (∆J = +1). ∆J = 0 ist für HCl verboten. Ein typisches
Rotationsschwingungsspektrum von HCl ist in Abb. 10 gezeigt:
Abb. 10 Ein typisches Rotationsschwingungsspektrum von HCl
Die Linien, für die ∆J = -1 gilt, sind bei niedrigerer Energie zu finden und werden
üblicherweise als P-Zweig (Poor) bezeichnet. Die Linien mit ∆J = + 1 erscheinen bei
höherer Energie und werden als R-Zweig (Rich) bezeichnet. Falls ∆J = 0 Übergänge
16
erlaubt sind tauchen engbenachbarte Linien zwischen dem P- und R-Zweig auf, die
als Q-Zweig (eQual) bezeichnet werden.
Die Rotationsaufgelösten Schwingungsübergänge können als Funktion der
Rotationsquantenzahlen Jii (Grundzustand v = 0) und Ji (angeregter Zustand v = 1)
ausgedrückt werden. Dazu kombiniert man die Gleichungen 22 und 24, macht sich
die Auswahlregel ∆J = ±1 zu nutze und kann dann die Wellenzahl der
Spektroskopischen Linien als Funktion von Jii angeben. Für den P-Zweig der
Grundschwingung ergibt sich mit Ji = Jii-1, (Jii = 1,2,3,…):
(JPνii) = (ν~ e-2ν~ eχe) – (2Be-2αe)Jii - αe(Jii)2 (28)
Die Gleichung zeigt, dass die Energien der P-Zweig Linien nicht linear mit der
Rotationsquantenzahl J abnehmen.
Für den R-Zweig (Ji = Jii + 1, mit Jii = 1,2,3,… ) ergibt sich:
(JRνii) = (ν~ e-2ν~ eχe + 2Be -3αe ) + (2Be-4αe)Jii - αe(Jii)2 (29)
Es fällt auf, dass die Übergangsenergien zwischen den R-Zweig-Niveaus mit
steigendem J (nicht-linear) ansteigen. Oberhalb eines bestimmten Jii-Wertes nehmen
sie aber auf Grund des negativen Vorzeichens des (Jii)2 Terms ab. Für HCl tritt dies
aber erste bei Jii > 27 ein.
Wenn der Q-Zweig in diesem Experiment zu beobachten wäre, würden seine
Komponenten bei
ν~ (Jii) = ν~ e-2ν~ eχe – αe(Jii + (Jii)2) (30)
erscheinen. In Abwesenheit der Rotations-Schwingungskopplung (αe = 0), würde der
Q-Zweig als einzelne Linie, mit bei einer Energie erscheinen, die mit dem
Energieunterschied der beteiligten Schwingungsniveaus (v = 0, v = 1) identisch ist.
Dieser Energieunterschied ist definiert als
ν~ 0 = ν~ e - 2ν~ eχe (31)
und stellt das Bandenzentrum dar.
17
4 Auswertung 4.1 Die Berechnung der Molekularen Kostanten
Um die molekularen Konstanten ν~ 0, Be, und αe zu bestimmen gibt es zwei
Möglichkeiten, einerseits eine graphische bzw. eine rein mathematische Lösung
4.1.1 Die Graphische Lösung: Für den P-Zweig ergibt sich als Ausdruck für P1-P2, P2-P3, P3-P4.:
P(Jii) – P(Jii+1) = ∆ν~ P = 2Be - αe + 2αeJii Mit Jii = 1,2,3,… (32)
Man beachte, dass ν~(P1) > ν~(P2), etc. Für den R-Zweig ergibt sich analog für R1-
R0, R2-R1, etc.:
R(Jii+1) – R (Jii)= ∆ν~ R = 2Be - 5αe - 2αeJii Mit Jii = 0,1,2,… (33)
Bei Betrachtung der beiden Gleichungen erkennt man, dass die Abstände der Linien
mit steigendem J für den P-Zweig größer werden, während sie für den R-Zweig
näher zusammenrücken. Die quantitativen Werte für Be und αe können durch
Auftragen von ∆ν~ P oder ∆ν~ R gegen Jii erhalten werden. Die beiden Gleichungen sind
redundant, da sie dieselben Informationen beinhalten; eine separate Untersuchung
der beiden Zweige zeigt, wie gut die jeweiligen Daten mit dem Modell des
Schwingungsgekoppelten starren Rotators übereinstimmen.
Um die Werte für ν~ 0 zu erhalten können wir unter Verwendung von Gleichung 28
und der soeben ermittelten Werte für Be und αe die gemessenen Wellenzahlen für
den P-Zweig gegen (2Be – 2αe)Jii + αe(Jii)2 auftragen. Der Achsenabschnitt entspricht
ν~ 0. Analog könnte auch der R-Zweig unter Verwendung von Gleichung 29
ausgewertet werden.
4.1.2 Die mathematische Lösung, Methode der kleinsten Fehlerquadrate: Durch Substitution m = -Jii in Gleichung 28 und m = (Jii + 1) in Gleichung 29 erhält
man ein Gleichungssystem der Form
(m) = + (2Bν 0ν Be-2αe)m - αem (34) 2
das mathematisch gelöst werden kann, wenn die Anzahl der Messwerte größer ist,
als die Anzahl der Koeffizienten (hier: 0ν , (2Be-2αe), und -αe). Eine mathematische
Möglichkeit zur Lösung dieses Gleichungssystems geht auf den deutschen
Mathematiker Carl Friedrich Gauss (1777-1855) zurück und bedient sich einer
Martrixrechnung. Dazu wird Gleichung 34 in Matrixform geschrieben:
18
= ×
m1
m2
m3
mN
.
.
.
ν⎛ ⎞⎜ ⎟⎜ ⎟ν⎜ ⎟⎜ ⎟ν⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟ν⎝ ⎠
21 1
22 2
23 3
2N N
1 m m
1 m m
1 m m
.
.
.
1 m m
⎛ ⎞⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎜ ⎟⎝ ⎠
0
e e
e
2B 2ν⎛ ⎞
⎜ ⎟− α⎜ ⎟⎜ ⎟−α⎝ ⎠
= X × y a
Mit Hilfe dieser Gleichung kann man aus drei Messwerten die drei Koeffizienten
erhalten. Bei mehr Messungen würden wir aus je drei Gleichungen stets dieselben
Werte erhalten, wenn die Messungen absolut fehlerfrei wären. Da die Messwerte
jedoch fehlerbehaftet sind, ergibt sich so keine eindeutige Lösung. Man muss kleine
Korrekturen einführen, die die Fehler bei der Messung ausgleichen. Die Methode der
kleinsten Fehlerquadrate bestimmt diese Parameter so, dass die Summe der
quadrierten Korrekturen minimal wird. Mathematisch geht man dazu wie folgt vor:
y = X × a
XT × y = XT × X × a
XT × X =
2
2
2 3
N m m
m m m
m m m
⎛ ⎞⎜ ⎟⎜⎜ ⎟⎜ ⎟⎝ ⎠
3
4
⎟∑ ∑
∑ ∑ ∑∑ ∑ ∑
= N
(XT × X)-1 × XT × y = N-1 × XT × y = a
Als Variable dient die Quantenzahl m. Der Vektor y besteht aus den gemessenen
Wellenzahlen des R bzw. des P-Zweigs. Der Lösungsvektor a enthält die gesuchten
Größen ν~ 0, Be, und αe. Bei der Versuchsauswertung wird Ihnen vom Assistenten
gezeigt, wie die Berechnung des Lösungsvektors mit Hilfe von Excel möglich ist.
Alternativ ist eine polynomische Regression 2. Grades möglich. Die RGP-Funktion in
Excel liefert die jeweiligen Standardfehler.
19
5 Versuchsdurchführung
Für die Versuchsdurchführung wird eine KBr Zelle mit HCl Gas befüllt. Die Zelle wird
dann in ein FTIR-Spektrometer eingebaut und ein Rotations-Schwingungsspektrum
von HCl aufgenommen. Dabei sollen die Einstellung am IR-Spektrometer
(Wellenzahlauflösung, Spiegelgeschwindigkeit, …) so lange optimiert werden bis
mindestens sechs Linien des R- bzw. P-Zweigs gut aufgelöst zu erkennen sind. Das
Spektrum soll als Absorption gegen Wellenzahl aufgenommen werden. Die
Wellenzahlbereich (2600 bis 3100 cm-1) beschränkt, da hier die Grundschwingung
des HCl Moleküls zu beobachten ist. Anschließend werden die Linien Mit P1, P2, …
bzw. R0, R1, … bezeichnet und die Wellenzahlen zugeordnet.
6 Protokoll Das Protokoll soll eine Kopie des gemessenen Spektrums, alle Tabellen, Graphen
und Berechnungen beinhalten, die für die Berechnung der Molekularen Konstanten
notwendig sind. In die Diskussion können folgende Aspekte eingearbeitet werden:
1. Im Spektrum erscheint jede Linie „doppelt“ und resultiert aus der Anwesenhet
von zwei Cl Isotopen. Das HCl Gas ist eine Mischung aus H35Cl und H37Cl und
die Intensität der jeweiligen Linie spiegelt das natürliche Isotopenverhältnis
wieder. Beide Isotopen haben unterschiedliche reduzierte Massen und daher
eine unterschiedliche Rotationskonstante. Welches Isotop gehört zu welcher
der Linie bei höherer Energie und welches zur Linie mit der geringeren
Energie (Begründung)?
2. Alle Komponenten des P- und R-Zweiges sollen mit P1, P2, … bzw. R0, R1,
… bezeichnet und in Tabellenform zusammengefasst werden.
3. An Hand der Tabelle sollen die Molekülkonstanten ν~ 0, Be, und αe sowohl
graphisch als auch rechnerisch ermittelt werden. Für jede Kostante werden so
4 Werte erhalten. Aus den besten Werten (Vergleich mit der Literatur) wird
dann das Trägheitsmoment I von H35Cl berechnet werden. Unter Verwendung
der reduzierten Masse kann dann der Gleichgewichtsbastand re von HCl
erhalten werden.
4. Aus den relativen Intensitäten der Isotopenlinien soll das natürliche
Isotopenverhältnis abgeschätzt werden.
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Anhang
Morsepotential
[ ]= − − − 2e eV(R) D 1 exp( a(R R ))
Lösen der SGL liefert 22
eD 1 a 1G(v) a v vcµ 2 4 cµ 2
⎛ ⎞⎛ ⎞ ⎛ ⎞= + − +⎜ ⎟⎜ ⎟ ⎜ ⎟π π⎝ ⎠ ⎝ ⎠⎝ ⎠
Der Vergleich mit 2
e e e1 1G(v) v v2 2
⎛ ⎞ ⎛ ⎞= ν + − ν χ +⎜ ⎟ ⎜ ⎟⎝ ⎠ ⎝ ⎠
liefert
ee
Dacµ
ν =π
und 2
e ea
4 cµν χ =
π
Näherungsweise gilt außerdem ee
eD
4ν
=χ
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