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Vom richtigen Blutzuckermessen

Der Fall80-jährige Diabetikerin seit 31 Jahren, 20 E Insulin/die, seit 3 Tagen Brechdurchfall, Gemeindeschwester bestimmt Blutzucker visuell: 800 mg/dl (BM Test)

Einweisung in die Notaufnahme des örtlichen Kranken-hauses, venöse Blutabnahme für Labor, Messung von BZ 280 mg/dl auf Reflolux S, Patientin liegt auf dem Gang, mit Infusion ohne Insulin versorgt, weil kein Bett frei ist.Nach 6 Stunden Einweisung ins Krankenhaus der nächst größeren Stadt: Patientin ist verwirrt, Kußmaul‘scheAtmung, im Urin Ketonkörper +++. Plasmaglucose 1180 mg/dl (Labormethode)

Diabetic Medicine 1993; 11: 326-327

Blutzucker-“Verlauf“

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

Nurse Notaufnahme Krankenhaus

Warum Blutzuckerselbstmessung?

• Zeitnahme Korrektur der BZ-Werte• Voraussetzung für Dosis- Und BE-Anpassung• Grundlage für Therapiebesprechung• Beurteilung der Insulinstrategie• Vermeiden bzw. Erkennen von Akut-

komplikationen (Hyper- und Hypoglykämie)• Erkennen von Auswirkungen der Ernährung

auf den Blutzucker• Umgang mit Sondersituationen (Krankheit,

Urlaub, Zeitverschiebung)• Sicherheit und Wohlbefinden im Alltag• Eigenverantwortung für den Betroffenen• Motivation• Vermeiden und Verzögern der

Folgeerkrankungen

Blutzuckerselbstkontrolleroutinemäßig

– vor jeder Injektion– vor dem Schlafengehen

• in Sondersituationen– bei Hypoglykämiesymptomen– bei Krankheit, Unwohlsein– bei Autofahrt, auf Reisen– bei Sport oder körperliche Belastung– zur Therapieüberprüfung (pp-Wert)– bei Therapieumstellung– bei Ernährungsumstellung– bei Änderung der Lebensweise

Blutzuckermessgeräte• verschiedene Hersteller• unterschiedliche Messverfahren

– photometrisch– elektrochemisch

• Probenvolumina– von 0,3 µl bis 7,5 µl (ältere Geräte bis 20 µl)

• geeignet für Umgebungstemperatur von / bis– je nach Hersteller:

Maximum 30 bis 44 °C– Minimum 6 bis 18 °C

Blutzuckermessgeräte• Kodierung des Messgerätes

– d. h. Einstellen des Messgerätes auf die benutzte Charge der Teststreifen

– unterschiedliche Verfahren• Eingabe des Codes• Kodierung mit speziellem Kodierungsstreifen• automatische Erkennung des Codes durch den

verwendeten Teststreifen

• Datenspeicherung, Datenübertragung auf PC je nach Modell möglich

Prinzipien der Blutzuckermessung

• absorptions-photometrisch: Labor

• reflektions-photometrisch: Blutzuckermessgeräte

• elektro-chemisch:Blutzuckermessgeräte + Labor

Prinzip des (Absorptions-) Photometers

Licht-quelle

Optik + Blende

Filter + Blende

Küvette mit Analysenlösung

DetektorMessung

Geräte zur Messung der Lichtabsorption in Lösungen werden Photometer genannt

Hexokinase - Methode (Laborstandard)

Glucose + ATP Hexokinase Gucose-6-Phosphat

Glucose-6-Phosphat + NADP G-6-P-DH Phosphogluconat + NADPH2

Meßgröße: NADPH2 bis zum Stillstand der ReaktionSpezifisch für Glukose

Medikamente als Störfaktoren nicht bekannt

Glucose-Dehydrogenase-Methode (selten)

Glucose + NAD Gluc-DH Gluconolacton + NADH2

Meßgröße: NADH2 bis zum Stillstand der ReaktionSpezifisch für Glukose und Xylose. (Xylose im Blut: <2,5 mg/dl).

Medikamente als Störfaktoren nicht bekannt

Glucose-Oxidase-Methode (sehr häufig, weil billig)

Glucose + O2 GOD Gluconsäure + H2O2

H2O2 + ChromogenredPeroxidase

H2O + Chromogen-Farbkomplexox

Glucose-Oxidase-Methode

Meßgröße: Farbkomplex

GOD-PERID: Chromogen = ABTS = 2.2-Azino-di-3-äthylbenzthiazolin-(2)-sulfonsäure-(6)-diammoniumsalz (es entsteht ein grüner Farbstoff)

GOD-PAP: Chromogen = 4-Aminoantipyrin und 2.4.-Dichlorphenol (es entsteht ein roter Farbstoff)

Erniedrigte Werte durch Glutathion der Erythrozyten.

Störende Medikamente: Novaminsulfon (=Metamizol=Novalgin, Schmerz-und Fiebermittel), Ascorbinsäure (Vitamin C) und alpha-Methyldopa (Parkinsonmittel): Erniedrigung des Meßwertes der Glukose um bis zu 50%!

Prinzipien der Blutzuckerselbstmessgeräte

• GOD-Methode mit reflexions-photometrischer Messung (Teststreifen verfärbt sich grün)

• GOD-Methode mit elektro-chemischer Messung (Teststreifen verfärbt sich nicht)

Aufbau der Streifen (reflexions-photometrische Messung)

• Mehrere Lagen mit verschiedenen Vliesen und Filtern, in der letzten Lage Reagenzien.

• Diese Lagen filtern die Blutzellen ab und lassen das Plasma durch.

• Die Reaktion erfolgt in der untersten Schicht. • Von unten wird das Testfeld mit Licht angestrahlt und

über den Detektor gemessen. • Aus diesem Wert der Farbänderung wird der

Blutzuckerwert errechnet.

Prinzip des Reflexionsphotometers

Lichtquelle und Optik

Blutstropfen Teststreifen mitMeßfenster

DetektorMessung

Elektro-chemische Methode

beruhen auf der GOD-Methode, wobei statt eines Farbkomplexes ein an einer Platinelektrode erzeugter Strom gemessen wird:

Glucose + O2 GOD Gluconsäure + H2O2

H2O2Platinelektrode 2 H+ + O2 + 2 e-

Verwendung: Labor-Schnelltests (YSI, ESAT, Beckman) und viele Blutzuckerselbstmessgeräte

+ 700 mV

Praktische Durchführung der Blutzuckermessung

Bereitlegen der Materialien

• BZ-Messgerät• Teststreifen• Stechhilfe und Lanzetten• Tupfer• Tagebuch und Kugelschreiber

Hygiene

• Hände mit Wasser und Seife waschen• anschließend gründlich abtrocknen• nicht eincremen!• Unter normalen hygienischen Bedingungen

(z.B. zuhause) kein Desinfektionsmitte oder Alkoholtupfer verwenden

• Bei Verwendung von Desinfektionsmittel die Einwirkzeit beachten! Das Mittel muss vollständig abgetrocknet sein!

Vorbereitung der Gerätschaften

• Stechhilfe vorbereiten– Lanzette einlegen– gewünschte Einstichtiefe einstellen– Stechhilfe spannen

• Messgerät vorbereiten– Haltbarkeitsdatum der Teststreifen prüfen– Teststreifen entnehmen, Röhrchen sofort wieder

verschließen– Teststreifen einlegen und Gerät einschalten– Codenummer überprüfen!

Gewinnung eines Blutstropfens

• Stechhilfe seitlich an der Fingerbeere ansetzen und auslösen

• Finger vom Ansatz her leicht drücken und ausstreichen, nicht die Fingerbeere quetschen

• die Blutzuckerbestimmung kann mit dem ersten Tropfen durchgeführt werden

• Falls Händewaschen nicht möglich war: den ersten Tropfen verwerfen

• Blut auf den Teststreifen geben - Erfordernisse des Geräts beachten

Dokumentation und Konsequenzen

• gemessenen Blutzuckerwert dokumentieren• Wert auf Plausibilität prüfen• bei ungewöhnlichen Werten Ursachenforschung

und Fehlersuche• Lanzette sicher entsorgen• Stechhilfe säubern oder desinfizieren• Finger pflegen

– wechselnde Punktionsstellen– Eincremen

Häufige Fehler• falsche Codenummer• abgelaufene oder verdorbeneTeststreifen• Teststreifen falsch eingelegt• verschmutztes Gerät• schmutzige oder ungewaschene Finger (Zuckerreste,

Desinfektionsmittel, Alkohol, Fettcreme, Seifenreste)• feuchte Finger (nicht abgetrocknet, Schweiß)• Quetschen an der Einstichstelle• falsche Einheit (mmol/l statt mg/dl)• zu geringe Blutmenge• angetrockneter/ geronnener Blutstropfen• Messvorgang verspätet gestartet

Häufige Fehler• zu hohe (> 30°) oder zu niedrige (< 15°) Umgebungs-

temperatur• zu hohe Luftfeuchtigkeit (Badezimmer)• zu niedriger Sauerstoffdruck (Höhe > 2000 m)• Licht- und UV-Einfluss (nur colorimetrische Geräte)• starke elektromagnetische Felder (Handy!)• Teilausfall der LCD-Anzeigen (Batterie!)• hohe Blutfettwerte• hoher Hämatokrit• Salizylsäure, Harnsäure, Ascorbinsäure

Vergleich von Messwerten• Laut Heil- und Hilfsmittelverordnung

darf die zulässige Abweichung für Selbst-messgeräte zum Labor ±20% betragen

• Die Richtigkeit der Messung kann nur im Vergleich zur Labormethode bestimmt werden

• Dabei muss die Herkunft der Probe berücksichtigt werden

• Der Vergleich zweier Selbstmessgeräte ist nicht korrekt

Präzision und Richtigkeit

hohe Präzision

gute Richtigkeit

geringe Präzision

schlechte Richtigkeit

geringe Präzision

gute Richtigkeit

hohe Präzision

schlechte Richtigkeit

Gründe für Abweichungen bei Blutzuckertests

• Testmethode• Zeit nach Probenabnahme (Glykolyse)• Art der Blutprobe (Vollblut, Plasma, Serum)• Herkunft der Probe (venös, kapillär)

Testmethode

• Labor: Hexokinasemethode absorptionsphotometrische Messung

• Selbstmessgerät: meist GOD-Methode elektrochemisch

Messungen sind per se nicht vergleichbar!

Glykolyse

ist die Abnahme der Glukosekonzentration durch Verbrauch in den Erythrozyten und durch enzymatische Reaktionen. Die Glukosekonzentration nimmt pro Stunde bei Raumtemperatur um ca. 7 bis 10 mg/dl ab, 15% innerhalb der ersten Stunde, 70% innerhalb 24 Std., 20% innerhalb 24 Std. bei 4°CDie Glykolyse kann durch Zusätze (Na-Fluorid, Maleinimid) oder Enteiweißung (Perchlorsäure, Trichloressigsäure) gehemmt werden.

Haltbarkeit der Probe

• Gerinnungshemmungdurch EDTA oder Heparin

• Glykolysehemmung

Vollblut bei Raumtemperatur 1 StdVollblut bei 4°C 1 TagHämolysat 3 TageEnteiweißtes Blut 4°C 5 Tage

Art der Blutprobe• Vollblut enthält alle Blutbestandteile (auch zelluläre)

und meist gerinnungshemmende Substanzen (EDTA, Heparin, Citrat).

• Plasma ist zentrifugiertes Vollblut, das durch Zusätze (Heparin, EDTA, Citrat) ungerinnbar gemacht wurde, d.h. alle Stoffe zur Blutgerinnung sind enthalten, der Eiweißgehalt ist höher als im Serum.

• Serum: Das Blut gerinnt zuerst und wird dann zentrifugiert, d.h. alle Zellen und Gerinnungsfaktoren fehlen. Substanzen, die bei der Blutgerinnung freigesetzt werden, sind erhöht.

• Enteiweißtes Blut ist wie Plasma, aber alle Eiweiß-stoffe wurden entfernt (z.B. durch Trichlorsäure)

Herkunft der Blutprobe

• Venöses Blut ist glukose- und sauerstoffärmer als arterielles Blut, da das Gewebe Glukose und Sauerstoff verbraucht hat.

• Kapilläres Blut ist arterialisiertes Blut, d.h. es ist sauerstoffreicher und glucosereicher als Venenblut.

Umrechnungsfaktoren

Glukose im Vollblut = Plasmaglukose * (1.0 - [0.0024 * % Hk])

bei unbekanntem Hämatokrit (Annahme: Hämatokrit = 45):

Glukose im Vollblut = Plasmaglukose * 0.892

Umrechnungsfaktoren

arteriell = kapillär

venös = nüchtern 10% niedriger als kapillär

pp aber bis 70 mg% niedriger als kapillär !!!

Plasma/Serum = ca. 10-15% höher als venöses Vollblut

venöses Plasma/Serum ≈ Kapillarblut

Hinweise zum sachgemäßen Gebrauch von Kontrolllösungen

• Verwenden Sie ausschließlich die für das entsprechende Blutzuckermessgerät vorgesehene Kontolllösung.

• Kontrolllösung, Messgerät und Teststreifen müssen Zimmertemperatur haben.

• Lagern Sie die Kontrolllösung bei Zimmertemperatur (nicht > 30°C und nicht im Kühlschrank!).

• Durchmischen Sie die Kontrolllösung sorgfältig, verwerfen Sie den ersten Tropfen und wischen Sie das Fläschchen ab. Nur so gewährleisten Sie ein korrektes Messergebnis.

• Verwenden Sie die Kontrolllösung nur bis zum Haltbarkeitsdatum. Vermerken Sie beim ersten Gebrauch das Anbruchdatum auf der Flasche. Einmal geöffnet sollte die Kontrolllösung nicht länger als drei Monate verwendet werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !

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