W o Blut und Ideen f lie§en - Kreativzentrum Heilbronn · Blut f lie§en. Corinna Bender schaut...

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KULTUR REGIONAL 11Montag,1. August 2011

Kreativzentrum HeilbronnDas Netzwerk- und Kreativbüro KK Mediavereint junge Selbstständige in einem Ge-meinschaftsbüro. Freischaffende Kreativekönnen Arbeitsplätze mieten. Somit sin-ken die Kosten für den Einzelnen und esentsteht eine Gemeinschaft mit verschie-denen Interessensbereichen für Projekte.Momentan haben die jungen KreativenProbleme mit Brandschutzbestimmun-gen und suchen Sponsoren für Umbau-maßnahmen. Mehr Infos unter www.krea-tivzentrum-heilbronn.de. dut

t Hintergrund

Wo Blut und Ideen fließenHEILBRONN 13 Leserinnen und Leser zu Gast im Kreativzentrum Heilbronn

Von Julie Dutkowski

D er Geruch von Desinfekti-onsmitteln beißt in der Nase,ein leises Surren ertönt, be-

gleitet von harten Rockklängen auseiner Stereoanlage. Wenn EmrahÖdemis tätowiert, kann schon malBlut fließen. Corinna Bender schautfasziniert dabei zu, wie Ödemis vonLausbub-Tattoo dem 26-jährigenDennis ein Fluch-der-Karibik-Motivauf den linken Oberarm sticht.

Die 17-Jährige ist eine von 13 Le-serinnen und Lesern der Heilbron-ner Stimme, die beim Lesersommereinen exklusiven Blick hinter dieKulissen des Kreativzentrums Heil-bronn werfen dürfen.

Konzept Es ist ein kreatives und eineinzigartiges Konzept in der Käth-chenstadt. Über dem Mobilat-Clubin der Salzstraße haben sich frei-schaffende junge Erwachsene zu-sammengetan, um ihre Kreativitätzu bündeln. Grafiker, DJs, Fotogra-fen, Musikproduzenten, Musiker,Mediengestalter und Marketing-strategen haben auf der 600 Qua-

dratmeter großen Etage ihre Räu-me. „Mit 15 Leuten haben wir mit ei-gener Kraft die Wände hier hochge-zogen“, erzählt Philipp Kionka, Ge-schäftsführer von KK Media Soluti-ons, seinen Gästen. „Wir haben fest-gestellt, dass Heilbronn ein Zen-

trum für kreativeLeute braucht“,erkärt der 25-Jäh-rige die Idee da-hinter.

„Toll habt ihrdas hier ge-macht“, staunt Jut-ta Möbius. DieHeilbronnerinzieht interessiert

von Raum zu Raum. Hängengeblie-ben ist sie bei Fotograf Memo Filiz,der hier mit seiner Firma Memogra-fie seinen Arbeitsplatz hat. Auf sei-nem Laptop zeigt er Tricks und Knif-fe aus der Fotografie und gibt kurzeEinblicke in die Bildbearbeitung.

Zum Fachsimpeln schaut auchWolfgang Müller-Bertran bei MemoFiliz vorbei. Der Hobby-Fotografaus Neckarsulm fühlt sich bei denkreativen jungen Leuten sichtlich

wohl – und fotografiert selbst eifrig.Kionka erklärt, dass KK-Media auchmal andere Wege ausprobiere, sei esmit Unterwasser- oder Luftaufnah-men, bei denen man eine Kamera aneinem Mini-Helikopter anbringt,oder ein 3-D-Film, den er den Gästengleich vorspielt. Grafiker GeorgHempel erklärt, wie man ein Anzei-ge gestaltet. DJ Marc Trache lässtdie Leser an seine Turntables undim Studio für Gesangsaufnahmensteht Hip-Hop-Produzent Sandy Ho-nic den Lesern Rede und Antwort.

Tonspuren Wenn eine Band ein Al-bum aufnimmt, klingt das so, alsspielten alle Musiker zur selbenZeit. „Das stimmt aber nicht“, weißAmelie Frank aus Eberstadt jetzt.Die 14-Jährige steht mit Musikpro-duzent Philipp Seitz im schalldich-ten Aufnahmestudio für Instrumen-talaufnahmen. Seitz erklärt, wie einAlbum aufgenommen wird. „Bei ei-ner Band spielt jeder Musiker ein-zeln im Studio seinen Part ein“, er-klärt Amelie Frank. „Wir durftenuns sogar die einzelnen Tonspurenanhören“, sagt sie begeistert.

Corinna Bender hat jetzt ein paarFragen an den Tätowierer. „Kannman auch einen Eiffelturm stechenlassen“, will sie von Emrah Ödemiswissen. Der selbsternannte Tattoo-Künstler gönnt seinem Kunden,dem bereits Blut den Arm hinab-läuft, eine Auszeit und widmet sichden zahlreichen Fragen der Gäste.

@ Bildergaleriewww.stimme.de

Musiker und Produzent Stefan Seitz steht mit drei Leserinnen im Tonstudio und erklärt den interessierten Gästen, wie Musikaufnahmen entstehen. Foto: Dennis Mugler

Von unsfür Sie

Christou ist nebenBeethoven nichternst zu nehmen

KontrastreicherFestspielabschluss im Forum

Von Martin Betulius

LUDWIGSBURG Welch kontrastrei-cher Festspielabschluss im Forum!Obwohl es auf vier Beispielseiten imProgramm außer vielen für den Lai-en undeutbaren Gebilden auch eini-ge Noten gibt, werden viele siekaum für eine Orchesterpartitur hal-ten. Der vergessene Grieche JaniChristou (1926-70) bezieht sich mitseinem Werk „Enantodromia“ aufHeratklit („Alles fließt…“). Fachlichgesehen fußen Tonfolgen, Rhyth-men und Dynamik dieser Musik auf„Pattern“ (Muster, Strukturen), dieChristou, anders als die nach 1968überwundene streng serielle Mu-sik, improvisatorisch weiterführt.

Happening In höchster Höhe stei-gern sich zart beginnende, flirrendeStreicher zu schrillem, dissonantemForte, zu dem viel Schlagzeug undBlech hinzutritt. Schließlich fliegenPapierbogen durch die Luft, und dieMusiker gehen umher. Dies ist keinWerk eines Dilettanten, doch derSchluss wirkt wohl unbeabsichtigtwie ein Happening. So recht ernstgenommen wird das Werk nicht.Manche rufen Buh, andere klat-schen oder nehmen keine Stellung.

Michael Hofstetter, nimmt daszwischen Beethovens vierter undfünfter Sinfonie placierte Werk of-fensichtlich ernst. Bei Beethovenhält er sich an die umstrittenen Ori-ginaltempi, obwohl Beethoven dieMetronomisierung manchen Exper-ten zufolge vornahm, als er Fiebermit erhöhtem Puls hatte. In der„Vierten“ hebt Hofstetter zwar aufgeistreiche Art so viele Details her-vor, dass bisweilen, vor allem imAdagio, der fortlaufende Zusam-menhang zu kurz kommt. Im Finaleüberzeugt er am meisten.

Temperamentvoll Die „Fünfte“ ge-lingt ihm und dem Festspielorches-ter noch besser, obwohl nur fünf Cel-li bei den Zweiunddreißigsteln imAndante zu dürftig wirken. Trotzder raschen Tempi spürt man oft,dass das Orchester auf Hofstetterstemperamentvolles Dirigat eingehtund die für Beethoven typische Grö-ße des Werks vermittelt. Das ist viel.Zu Recht folgt langer Beifall.

Leserstimmen

Schlechte AusspracheZu den Aufführungen im Stadtthea-ter HeilbronnIch habe mir die Aufführung von„Maria Stuart“ im Theater angese-hen. Von hören kann keine redesein, weil ich die Hälfte nicht ver-standen habe. In meinem Bekann-tenkreis sind mehrere, denen esgenauso geht. Kennt man heutekeine Sprachschulung mehr?Gertraude Bergmann, Heilbronn

Spaß und RatlosigkeitZum Bericht von Matthias Stolla überdas Konzert von Deep Purple in Kün-zelsau, 25. JuliManchmal beschleicht einen dasGefühl, eventuell auf einer anderenVeranstaltung gewesen zu sein, alsder Journalist. Das ist zwar im Falledes Deep-Purple-Open-Airs inKünzelsau so nicht komplett derFall, aber einige Eckpunkte fehlenmir dann doch: Von einer Band, diemit Jon Lords „Concert for Groupand Orchestra“ und der „GeminiSuite“ in den späten 60ern und frü-hen 70ern durchaus Herausragen-des im genreübergreifenden Be-reich geleistet hat, darf man bei ei-ner Ankündigung eines 50köpfigenklassischen Orchesters doch mehrerwarten als das sture Abspulenvon altbekannten Hits mit Strei-cherbegleitung in einem, wie ichfinde, wenig spannungsgeladenenProgrammablauf. Gut, DP habenden Zuhörer mit einer mehr als nursoliden Rockperformance aus demFundus ihrer Klassiker bedient. Dieeingestreuten Solospots waren vir-tuos, boten aber wenig bis keineBindung zum restlichen Pro-gramm, und am Ende blieb dochdie Frage offen, welche Funktiondie Philharmoniker, die mit derBand in keinster Weise eine Einheitbildeten, hatten; was – bei der ab-solut unterdurchschnittlichenÜbertragungsqualität des Orches-ters – nicht auch ein Samplekeybo-ard locker und wahrscheinlichtransparenter hätte erledigen kön-nen? So bleibt ein Konzert in Erin-nerung, das Spaß gemacht hat,aber auch ein wenig Ratlosigkeit inBezug auf das Konzept und dessenUmsetzung zurücklässt.Manne Sauter, Untergruppenbach

Bingham, der PlündererZum Artikel „Eines der sieben neuenWeltwunder“ von Juan Garf, 19. JuliEs ist ein Märchen, dass HiramBingham 1911 Machupicchu ent-deckt hat und vom Peruaner Mel-chor Arteaga dort hingeführt wur-de. Bingham gilt als derjenige, derMachupicchu leerplünderte. Es istnahezu gesichert, dass Binghambereits 1909 auf dem Rückweg vonChoquequirão Machupicchu mit60 Mulis besuchte und vollbeladenmit Goldschätzen und MumienPeru heimlich Richtung Bolivienverließ. Vor Bingham war bereits1555 der Spanier Miguel Rufino inMachupicchu, der dort die Inka-prinzession Accla Gualca heiratete.Machupicchu war in den Folgejah-ren bewohnt, bis 1657 der Augusti-nerorden das Land um Machu-picchu pachtete. 1885 ritzen DonEnrique Palma und Gavino Sán-chez ihren Namen auf die Mauerdes Palastes. Ab 1904 betrieb Le-quiades Alvarez Landwirtschaftauf den umliegenden Terrassenund 1906 betraten die MissionareStuart McBairn und Thomas PaineMachupicchu. 1909 hinterließendie Brüder Santander Inschriftenauf dem Sockel des Sonnentem-pels. Im selben Jahr plündertedann Bingham Machupicchu aus.Es wäre an der Zeit, über das Bing-hamischen Märchen von der verlo-genen Entdeckung von Machu-picchu aufzuklären. Machupicchuwar demnach nie vergessen, son-dern immer bewohnt. Die peruani-schen Behörden hatten Binghamauch nie eine Erlaubnis gegeben,die Artefakte und Mumien außerLandes zu schaffen. Nicht umsonstheißt es in einem Lageplan von Ma-chupicchu: „We are waiting … forthe return of the objects from YaleUniversity of the United States …“.Kai Ferreira Schmidt,

Bad Friedrichshall

Die Manufaktur war 1901 auf An-regung des Malers Hans Thoma vonGroßherzog Friedrich I. von Badengegründet worden. Kacheln aus derKarlsruher Majolika schmücktenschon bald den Berliner Admiralspa-last und die Kaufhäuser der Haupt-stadt. Die mit Vergissmeinnicht um-

rankten Putten standen in vielenBürgerstuben.

Künstler wie Max Laeuger oderMarkus Lüpertz wirkten hier. Ne-ben dem Fernsehpreis „Bambi“ istauch der in Baden-Baden jährlichverliehene Medienpreis eine Kreati-on der Karlsruher Manufaktur. lsw

symbolischen Euro zu kaufen undsie an eine Stiftung zu übergeben,sobald diese sich in den kommen-den Wochen gegründet hat.

Hinter den Kulissen wurde dreiJahre nach einer Lösung gesucht.Denn die Geburtsstätte des „Bambi“schreibt seit Jahren tiefrote Zahlen.

KARLSRUHE Die Stadt Karlsruhe hatdie Majolika-Manufaktur von derLandesbank Baden-Württemberg(LBBW) gekauft. Ein Sprecher derStadt bestätigte, dass der Kaufver-trag unterschrieben wurde. Der Ge-meinderat hatte am Dienstag be-schlossen, die Manufaktur für einen

Stadt kauft Majolika-ManufakturAuserleseneKristallkunst imLalique-Museum

WINGEN-SUR-MODER Durchschei-nende Kristallvasen mit zart gear-beiteten Mustern von Vögeln, Fi-schen oder Frauenkörpern: Mehrals 600 Schmuck- und Glasobjektedes genialen französischen Desig-ners René Lalique (1860-1945) sindim neuen Lalique Museum im elsäs-sischen Wingen-sur-Moder zu se-hen. Das zwölf Millionen Euro teureProjekt öffnete kürzlich seine Pfor-ten für das Publikum.

Das langgestreckte Museum istnach über zehnjährigen Planungsar-beiten auf dem Gelände der histori-schen Glashütte Hochberg entstan-den. Lalique hat dort von 1921 an sei-ne Meisterwerke produziert. Heutewird die Glaskunst in der Lalique-Kristallfabrik nicht weit vom Mu-seum weitergeführt. 220 Angestell-te arbeiten an Vasen, Parfümfla-schen und Tischdekorationen.Durch die aufwendige Handarbeitund begrenzte Stückzahlen erzielensie in der ganzen Welt Höchstpreise.

Lalique machte auf der Weltaus-stellung 1900 in Paris mit seinen Art-Déco-Kostbarkeiten Furore. Heutesind Lalique-Schmuckstücke beson-ders in Asien begehrt, sein Name istSynonym für Glaskunst überhaupt.Als Sinnbild der seiner genialenSchaffenskraft gilt immer noch sei-ne zartgrüne „Libellenfrau“, ein Ket-tenanhänger, der um 1900 entstan-den ist. „Wir wissen leider kaum et-was über die Entstehungsgeschich-te“, sagt Museumsdirektorin Véro-nique Brumm. lsw

Schlichtheit und magische Momente„Carmina Burana“ unter Dirigent Marc Lange auf Burg Stettenfels

Von Susanne Walter

UNTERGRUPPENBACH Die Musik einemittelalterliche Imitation in moder-ner Handschrift, die Kulisse aufBurg Stettenfels echt und damit eincharmanter Rahmen für eine haupt-sächlich konzertante Aufführungder „Carmina Burana“ nach CarlOrff. Das Wetter zu wacklig für eineAufführung im Burggraben.

Erdig 350 Liebhaber moderner Mit-telaltermystik auf klassischem Bo-den ließen sich im Gewölbe den er-digen Geruch um die Nasen spielen,um dabei zu sein, wenn unter denpräzisen Händen des HeilbronnerDirigenten Marc Lange die Stuttgar-ter Choristen mit dem Unterstufen-chor des Robert-Mayer-Gymnasi-ums Heilbronn, mit versierten Solis-ten und einem Ensemble der Bläser-philharmonie Heilbronn die Fas-sung des Orff- Schülers WilhelmKillmayer hören lassen.

In unmittelbarer Konfrontationmit den ersten Sitzreihen agiert derSchlagwerkapparat mit ThomasWeigel, Matthias Schenk, MichaelSeitz, Jan Philipp Siller, AlexanderMüller und Philipp Koch an Pauken,Becken, Triangel und mehr, darü-ber in der Klangpyramide am Ge-wölbeaufgang zwei Klaviere mitChristian Eitzenhöffer und Jan Wil-

ke, darüber die Stuttgarter Choris-ten und Angela Rudolf als Solosopra-nistin, Oly Pfaff als ironischer Tenor,Florian Götz als warmblütiger Bari-ton und Rainer Wolf als erfrischendmarkanter Sprecher. Ganz oben aufder Treppe: der Unterstufenchordes Robert-Mayer-Gymnasiums alsüber allem schwebender Klangkör-per. Auf einem Podest die Schaltfi-

gur des Projekts, Marc Lange, dererneut auf Präzision setzt. Die ganze„Carmina“ steht unter dem Sterndes präzisen Dirigats. In seiner ar-chaischen Einfachheit ist das Stücksso gestrickt, dass es keine Weiter-verarbeitung von Motiven braucht.Orff setzte beim Erwachen desFrühlings auch auf zwischen-menschlicher Ebene, bei der Wie-dergabe von Vagantenliedern undbeim Aufflackern höfisch motivier-ter Liebesdialoge auf Schlichtheit.

Kraftvoll Bei der ersten Schicksals-anrufung der Fortuna ImperatrixMundi stellen Chöre und Instru-mentalisten kraftvoll die Weichen.Sopranistin Angela Rudolf und Bari-ton Florian Götz glänzen im innigenPas de deux, und Tenor Oly Pfaff lie-fert als Schwan auf der Schlacht-bank ein szenisches Element. Nachder zweiten Anrufung der Schick-salsgöttin regnet es Begeisterung.Und draußen bleibt es trocken.

Statt im romantischen Burggraben fand die größtenteils konzertante Aufführungder „Carmina Burana“ im Gewölbekeller der Burg statt. Foto: Susanne Walter

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