Warum brauchen wir eine interdisziplinäre Memory Clinic? · Aktuelle Zahlen für die Schweiz •8%...

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Warum brauchen wir eine interdisziplinare

Memory Clinic?

Prof. Dr. phil. Andreas U. Monsch Leiter Memory Clinic

Universitäre Altersmedizin Basel

Kurze Antwort:

Weil nur so die Ziele in der Arbeit einer Memory Clinic erreicht werden können ...

... und das Ganze mehr ist, als die Summe seiner Teile!

Aktuelle Zahlen für die Schweiz

• 8% der Menschen über 65 Jahre leiden an Demenz

• 113'000 Menschen leben mit Demenz

• 27'000 neue Patienten pro Jahr

• 50-60% leben zu Hause

• Kosten pro Jahr: CHF 7'000'000'000.-

Schweizerische Alzheimervereinigung Kraft et al., Swiss Med Wkly 2010;140:w13093.

Ziele einer Memory Clinic

• Frühzeitige und korrekte Diagnostik bei älteren Menschen mit möglichen Hirnleistungsproblemen

• Angebot einer speziellen Kompetenz bei ungewöhnlichen oder schwierigen Situationen

• Behandlung, Beratung und Begleitung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen

• Angebot spezifischer Therapieoptionen

Geriatrie Neuropsychologie

Alterspsychiatrie Neurologie

Neuroradiologie

Labormedizin

Beratung

Nuklearmedizin

Nuklearmedizin

Gedächtnistraining

Neuropathologie

Genetik

1 Clarfield MA. Arch Int Med 2003;163:2219-29.

Warum Früherkennung von kognitiven Störungen?

• Medizinisches Prinzip

• Kausal behandelbare Ursachen (ca. 9%1)

• Stabilisierung nicht erst "im Rollstuhl"

• Mitplanen der Zukunft durch Patienten

Testament, Patientenverfügung, Heim, etc.

• Angehörige müssen sobald wie möglich wissen, was los ist

Hirnleistungen im Alter

Alter

Leistung

normales Altern optimales / erfolgreiches Altern pathologisches Altern

Kognitive Reserve

Stern Y. Neuropsychologia 2009;47:2015-28. siehe auch: Meng X & D’Arcy C. PLoS ONE 2012;7(6):e38268.

Gedäch

tnis

leis

tung

grosse kognitive Reserve

geringe kognitive Reserve

Alzheimer Neuropathologie

Demenzschwelle

Protektion + Kompensation

Die zwei Stufen der Demenzabklärung

1. Stufe

2. Stufe

Indikation für Case-finding gegeben

Hausärztliche Untersuchung Anamnese – kurzer Test – Fremdanamnese

Verdacht einer Demenz

Zuweisung für eine Demenzabklärung

Memory Clinic oder Spezialisten Diagnose (Frühstadien!), Differentialdiagnose

Endgültige klinische Diagnose

Therapievorschläge

Stähelin et al. Int Psychogeriatr 1997;9(Suppl. 1):123-30.

Die zwei Stufen der Demenzabklärung

1. Stufe

2. Stufe

Indikation für Case-finding gegeben

Hausärztliche Untersuchung Anamnese – kurzer Test – Fremdanamnese

Verdacht einer Demenz

Zuweisung für eine Demenzabklärung

Memory Clinic oder Spezialisten Diagnose (Frühstadien!), Differentialdiagnose

Endgültige klinische Diagnose

Therapievorschläge

Stähelin et al. Int Psychogeriatr 1997;9(Suppl. 1):123-30.

(Jährliche) Routineuntersuchung

Kognitive Untersuchung, MRI, Labor, etc.

Zuweisung an Memory Clinic,

Spezialisten

Hinweise durch Patient, Angehörige oder Hausarzt

Watchful Waiting Weitere Abklärung

Wichtige Rolle des Hausarztes

Siehe: Cordell et al. Alzheimers Dement 2013;9(2):141-50.

Case-finding, z.B. mit BrainCheck

1. Information vom Patienten:

3 Fragen

2. Kurze formale kognitive Testung:

Uhrentest

3. Information durch Angehörige:

7 Fragen

"BrainCheck" vermag in fast 90% zwischen Gesunden und Patienten mit Hirnleistungsstörungen zu trennen!

Ehrensperger et al. Alz Res Ther 2014;6:69.

Die zwei Stufen der Demenzabklärung

1. Stufe

2. Stufe

Indikation für Case-finding gegeben

Hausärztliche Untersuchung Anamnese – kurzer Test – Fremdanamnese

Verdacht einer Demenz

Zuweisung für eine Demenzabklärung

Memory Clinic oder Spezialisten Diagnose (Frühstadien!), Differentialdiagnose

Endgültige klinische Diagnose

Therapievorschläge

Stähelin et al. Int Psychogeriatr 1997;9(Suppl. 1):123-30.

Memory Clinics und ähnliche Einrichtungen in der Schweiz

BAG/GDK. Nationale Demenzstrategie 2014-17; S. 10

Projekt 3.1. der NDS Themen für die Standardisierung

1. Allgemeine Empfehlungen zum diagnostischen Prozess

2. Anamnese/Fremdanamnese

3. Erhebung der Alltagsfahigkeiten

4. Erfassung der Verhaltensstörungen (BPSD)

5. Kognitive Testdiagnostik

6. Somatische Untersuchung

7. Blut- und Liquordiagnostik

8. Strukturelle cerebrale Bildgebung

9. Nuklearmedizinische Verfahren

10. Genetik

11. Andere Untersuchungen (Geruchstestung, Augenmotorik,

Schlafdiagnostik, Ganganalyse, EEG, etc.)

…aufgrund einer AD, VaD, LBD, PCA, HIV, FTLD, etc.

Mild

Kognition: -1 SD - -2 SD

Kompensation möglich

unabhängig

Kognition: < -2 SD

Kompensation nicht möglich

abhängig

American Psychiatric Association. DSM-5 2013. Author.

Major

leicht mittelschwer schwer

Neurokognitive Störung

Wichtige Aspekte der leichten neurokognitiven Störung

(= mild cognitive impairment; MCI)

• Patienten leiden und haben Angst

• Angehörige sind auch betroffen

• Frage der Fahrtauglichkeit (z.B. Aufmerksamkeit)

• Frage der Urteilsfähigkeit (z.B. Testierfähigkeit)

• Behandlungsmöglichkeiten (Diagnostik als Bedingung der Entwicklung neuer Therapieoptionen)

National Institute on Aging – Alzheimer's Association Kriterien

Besteht tatsächlich eine kognitive Störung?

Was ist die wahrscheinlichste Ursache?

Albert et al. Alzheimer's & Dementia 2011;7:270-9. McKhann et al. Alzheimer's & Dementia 2011;7:263-9. Sperling et al. Alzheimer's & Dementia 2011;7:280-92.

National Institute on Aging – Alzheimer's Association Kriterien

Besteht tatsächlich eine kognitive Störung?

Was ist die wahrscheinlichste Ursache?

Albert et al. Alzheimer's & Dementia 2011;7:270-9. McKhann et al. Alzheimer's & Dementia 2011;7:263-9. Sperling et al. Alzheimer's & Dementia 2011;7:280-92.

Neuro-

kognitive

Störung

Sprache Expressive Sprache (inkl.

Benennen, Fluenz, Syntax),

rezeptive Sprache

Lernen und

Gedächtnis Immediatgedächtnis, Kurz-

/Langzeitgedächtnis (inkl. freier

Abruf, Hinweise, Wiedererkennen)

Soziale Kognition Emotionen erkennen, "theory of

mind", Verhaltenskontrolle

Komplexe

Aufmerksamkeit Vigilanz, selektive A., geteilte A.,

Verarbeitungsgeschwindigkeit

Exekutive

Funktionen Planen, Entscheiden,

Arbeitsgedächtnis, Fehlerkontrolle,

mentale Flexibilität, etc.

Visuokonstruktiv-

perzeptuelle

Fähigkeit Zeichnen, visuelle Perzeption

American Psychiatric Association. DSM-5 2013. Author.

Beitrag der Neuropsychologie

• Quantifizierung

Frühe Diagnose (Neurokognitive Störung: ja/nein)

• Typische (kognitive) Ausfallsprofile

Beitrag zur Differentialdiagnose

• Dokumentation

Krankheitsverlauf, Behandlungs(miss)erfolge

• Herausarbeitung erhaltener Funktionen

Milieu-Therapie, Betreuung

Deutsche Übersetzung der

C onsortium to

E stablish a

R egistry for

A lzheimer's

D isease -Plus

Neuropsychologischen Testbatterie

Tiere aufzählen

Bilder benennen

Mini-Mental Status

Wortliste - Lernen

Figuren - Abzeichnen

Wortliste - Abrufen

Wortliste - Wiedererkennen

Figuren - Abrufen

S-Wörter

Trail Making Test

Verbale Flüssigkeit (sem.)

Visuelles Benennen

Verschiedene (kurz)

Lernen, Speichern

Visuo-konstruktive Fähigkeit

Verbales Gedächtnis

Wiedererkennen

Nonverbales Gedächtnis

Verbale Flüssigkeit (phon.)

Geschwindigkeit / exek. Fkt.

CERAD = Consortium to Establish a Registry for Alzheimer's Disease

CERAD-Plus: Kognitive Bereiche

Erarbeitung von

Normwerten

Normierung

• Welche Werte erreichen gesunde Personen?

• Wie werden diese Resultate durch

das Alter,

die Ausbildung,

das Geschlecht

beeinflusst?

Korrektur für die Praxis

Berres et al. Stud Health Technol Inform 2000;77:195-9.

N =

Geschlecht (F/M)

Alter (Jahre)

Jahre Ausbildung

Mini Mental-Status

1'100

410 / 690

68.7 ± 7.8

12.5 ± 3.0

28.9 ± 1.1

Normierungsstichprobe

2 Patienten erzielen folgende Resultate:

Variable Wert Maximum Tiere aufzählen 17 n/a Boston Naming Test 13 15 MMSE 27 30 Wortliste - Total 14 30 Wortliste - Durchgang 1 3 10 Wortliste - Durchgang 2 5 10 Wortliste - Durchgang 3 6 10 Wortliste - Verzögertes Abrufen 4 10 Wortliste - Intrusionen 1 0 Wortliste - Behaltensrate, % 67 100 Wiedererkennen, % 95 100 Figuren - Kopieren 10 11 Figuren - Verzögerter Abruf 7 11 Figuren - Behaltensrate, % 70 100 S - Wörter 7 n/a Trail Making Test, Part A (sec) 55 n/a Trail Making Test, Part B (sec) 190 n/a Trail Making Test, B/A 3.5 n/a

-3.5 -3 -2.5 -2 -1.5 -1 -0.5 0 0.5 1

Tiere aufzählen

Boston Naming Test

MMSE

Wortliste - Total

Wortliste - Durchgang 1

Wortliste - Durchgang 2

Wortliste - Durchgang 3

Wortlist - Verzögertes Abrufen

Wortliste - Intrusionen

Wortliste - Behaltensrate, %

Wiedererkennen, %

Figuren - Kopieren

Figuren - Verzögerter Abruf

Figuren - Behaltensrate, %

S - Wörter

Trail Making Test, Part A (sec)

Trail Making Test, Part B (sec)

Trail Making Test, B/A

Patient 1: Mann, 88 Jahre alt, 9 Jahre Ausbildung

Standardwerte

-3.5 -3 -2.5 -2 -1.5 -1 -0.5 0 0.5 1

Tiere aufzählen

Boston Naming Test

MMSE

Wortliste - Total

Wortliste - Durchgang 1

Wortliste - Durchgang 2

Wortliste - Durchgang 3

Wortlist - Verzögertes Abrufen

Wortliste - Intrusionen

Wortliste - Behaltensrate, %

Wiedererkennen, %

Figuren - Kopieren

Figuren - Verzögerter Abruf

Figuren - Behaltensrate, %

S - Wörter

Trail Making Test, Part A (sec)

Trail Making Test, Part B (sec)

Trail Making Test, B/A

Standardwerte

Patient 2: Frau, 60 Jahre alt, 20 Jahre Ausbildung

Für interessierte PsychologInnen und ÄrztInnen:

www.memoryclinic.ch

Kognitives Profil -1

Beck et al. Int J Geriatr Psychiatr 2014;6:624-34.

Monsch AU. Ther Umschau 2015;72(4): 213-7.

Kognitives Profil -1

Beck et al. Int J Geriatr Psychiatr 2014;6:624-34.

Monsch AU. Ther Umschau 2015;72(4): 213-7.

Kognitives Profil - 2

Beck et al. Int J Geriatr Psychiatr 2014;6:624-34.

Monsch AU. Ther Umschau 2015;72(4): 213-7.

Kognitives Profil - 2

Beck et al. Int J Geriatr Psychiatr 2014;6:624-34.

Monsch AU. Ther Umschau 2015;72(4): 213-7.

National Institute on Aging – Alzheimer's Association Kriterien

Besteht tatsächlich eine kognitive Störung?

Was ist die wahrscheinlichste Ursache?

Albert et al. Alzheimer's & Dementia 2011;7:270-9. McKhann et al. Alzheimer's & Dementia 2011;7:263-9. Sperling et al. Alzheimer's & Dementia 2011;7:280-92.

Gedanken für die Zukunft

• Als Gesellschaft dürfen wir Menschen mit Demenz nicht stigmatisieren!

• Als Gesellschaft müssen wir "Demenz" als gesundheitspolitische Priorität betrachten.

• Menschen mit Demenz müssen von den Besten frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden.

• Wir müssen die Alzheimer Krankheit und andere Demenzformen besser verstehen.

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