Was fängt die Jugendhilfe mit delinquenten Jugendlichen an? 24. PRAKTIKERTAGUNG 2006 Burg Rieneck...

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Was fängt die Jugendhilfe mit delinquenten Jugendlichen

an?24. PRAKTIKERTAGUNG 2006

Burg Rieneck

Hans-Dieter Will

Feststellung:

• Jugendgerichtshilfe ist Jugendhilfe für delinquente junge Menschen und deren Erziehungsberechtigte

• Der Auftrag der Jugendhilfe und der Auftrag der Justiz sind im Jugendstrafverfahren aufeinander bezogen

• Dieser Bezug ist widersprüchlich

Feststellung

Das SGB VIII unterscheidet bezüglich der

Kooperation von Jugendhilfe und Justiz zwischen

• Mitwirkung der Jugendhilfe im Jugendstrafverfahren und

• Leistungen der Jugendhilfe

Leistungskatalog der Jugendhilfe im Bereich des Jugendstrafverfahrens

• Alle „Hilfen“ nach SGB VIII – nicht nur „Hilfen zur Erziehung“ nach § 27ff, die richterliche Anordnung ist davon unbenommen

• Haftentscheidungshilfe• Förderung der Diversion (durch TOA,

STK, Betreuungsweisungen)• Aufklärung und Beratung• Prävention

Leistungsbereich stationäre Hilfen

• Für die Jugendhilfe nimmt im Bereich der Heimerziehung Straffälligkeit eine Indikationsstellung unter vielen anderen „Auffälligkeiten“ ein

• Dabei wird eine „Grauzonen“-Diskussion um Geschlossene Unterbringung geführt

• Derzeit gibt es knapp 200 geschlossene Plätze in der Heimerziehung in der BRD

Leistungen bei Hilfen zur Erziehung

• 2004 wurden bundesweit begonnen:

Soziale Gruppenarbeit: 9.488 FälleIm Wert von 51 Mio Euro

Erziehungsbeistand /Betreuungshelfer:19.008 Fälle im Wert von 129,5 Mio Euro

Zur Mitwirkung gehören

• Unterrichtung von Staatsanwaltschaft und Gericht (Der Jugendhilfebericht) – es erfolgt kein Sanktionsvorschlag !

• Teilnahme an der Hauptverhandlung – nicht generell in jedem Fall! Die Kriterien werden mit dem Gericht abgestimmt

• Überwachen von Auflagen und Weisungen – bedeutet nicht automatisch die Pflicht zur Durchführung und zur Kostenübernahme

Regelungsbedarf (Mitwirkung)

• Form und Inhalt der Berichterstattung der Jugendhilfe

• Fristen und Austausch von Informationen

• Gestaltung von Diversionsverfahren

• Teilnahme der Jugendhilfe an Hauptverhandlungen

• Haftvermeidung

Regelungsbedarf (Leistungen)

• Überwachung von Weisungen und Auflagen und deren Finanzierung

• Verfahren der Gewährung von Leistungen durch das Jugendamt

• Durchführung gemeinsamer Veranstaltungen und präventiver Maßnahmen

Jugendhilferechtliche Leistungsvoraussetzungen

• Orientierung am Kindeswohl bzw. Nichtgewährleistung einer am Kindeswohl, orientierten Erziehung

• Geeignetheit und Erforderlichkeit der Hilfen

• Dauer und Beendigung der Hilfen

Diskussionspunkt § 36aWas ist dadurch neu?

(vgl. AFET-Expertentagung vom 23.3.06)

• Entscheidungsprimat des Jugendamtes – bestand schon vorher!

• Sicherstellung der Niedrigschwelligkeit – immer noch unklar, ab wann Hilfeplan erforderlich

• Realisierung des Erziehungsgedankens – Erziehung ohne Zwang?

Ergebnis aus der Sicht der Jugendhilfe

• § 36a stellt Augenhöhe zwischen Jugendhilfe und Justiz her:

• Die „Positionsklarstellung“ bewirkt möglicherweise eine neue Justierung des Verhältnisses zu Justiz

• Dadurch können auch neue Konflikte aufbrechen

• Evtl. auch „hausintern“ zwischen Jugendamt und JGH

• Es fehlt die entsprechende Klarstellung im JGG

Zahlen-Beispiel Thüringen 2005im Rahmen von Jugendstrafverfahren

31.12.2005 Teilnehmer

• Arbeitsweisungen 3.998• Täter-Opfer-Ausgleich 833

• Soziale Trainingskurse 418• Betreuungsweisungen 235(Das sind jeweils 25% aller Hilfen nach §§ 29/39 KJHG. Nur die von

der Jugendhilfe finanzierten Interventionen wurden gezählt)

Der Abbau beginnt:

• 5 Landkreise bieten keine Arbeitsweisungen mehr an bzw.

• Haben den Täter-Opfer-Ausgleich eingestellt• 2 Landkreise bieten keinen Sozialen

Trainingskurs mehr an• Den Mitarbeitern mehrerer Freier Träger, die

ambulante Maßnahmen anbieten, wurde zum Jahresende gekündigt

Problembereich: Erziehung unter Zwang

• „Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel nach dem JGG gehören nicht zu den Sozialleistungen“

• „Eine Erziehung unter Haftbedingungen scheidet aus“ (DIJuF-Stellungnahme vom 9.1.2006)

• Was ist der pädagogische Charakter von Konfrontativer Pädagogik wie AAT, „heißem Stuhl“, Schiffspädagogik …?

Problem der Leistungsprüfung:

• Jugendkriminalität ist größtenteils eine alterstypische, vorübergehende Erscheinung im Bagatellbereich, die besondere erzieherische Hilfen nicht erforderlich macht.

Problem der Halbherzigkeit

• Die Straffälligenhilfe fristet in der Jugendhilfe selbst ein Nischendasein

• Die Integration der JGH in das Jugendamt ist nicht immer gegeben

Modellvergleich Merkmale

Wohlfahrtsmodell - Strafrechtsmodell

• Straftaten sind der Anlass für erzieherisch gemeinte Interventionen

• Gerechte Übelzumessung entsprechend der Schuld und der Straftat

Modellvergleich Nachteile

Wohlfahrtsmodell – Strafrechtsmodell:• Der rechtliche Schutz

gestaltet sich schwierig• Probleme bei Fehlen

eines Erziehungsmangels• Die als Erziehung

geplante Intervention löst ihre Ziele nicht ein

• Überschätzung korrigierender Menschenführung

• Setzt Autonomie im Sinne von Verantwortlichkeit voraus

• Die Rationalität bezieht sich nur auf das Verhältnis der Strafen zueinander, nicht der Strafen zur Tat

• Präventive Wirkungenlassen sich kaum nachweisen

Scheinkongruenz von Sozialpädagogik und Justiz

• Die Dramatisierungsfiktion (Dammbau)

• Die Einstiegsfiktion (Tat als Einstieg in Karriere)

• Pathologisierungsfiktion (Tat als Ausdruck gestörten Verhaltens)

• Positive Wirkungsfiktion(nach Siegfried Müller)

Das Verhältnis vonErziehung - Strafe

• Erziehung durch Strafe• Erziehung statt Strafe (Monistisches

Modell/Schweiz)• Erziehung vor Strafe• Erziehung und Strafe• Kann die Qualitätssicherung

weiterhelfen?• Dann aber indem beide Bereiche gleich

behandelt werden !

Konsequenz

• ein „guter Mensch“ kann und darf mit dem Strafrecht nicht angestrebt werden!

• Deshalb muss die Scheinkongruenz der Ziele von Justiz und Sozialpädagogik aufgelöst werden

• Die Problematik gesellschaftlicher Integration versus Exklusion stellt sich umso schärfer und muss bearbeitet werden

Hartmut von Hentig

• Moralische Erziehung zielt nicht nur auf Freiheit, sie beruht auf Freiheit. Freiheit schließt die Möglichkeit zu unmoralischem Handeln, zum Bösen mit ein. Und: moralische Erziehung in Freiheit kann scheitern!

Nachteile

Ich danke

für Ihre Aufmerksamkeit

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